Calvin, Jean – An Coligny in Chatillon.

Nr. 741 (C. R. – 4001)

Vgl. 736. Poltrot, der Mörder des Herzogs de Guise, hatte seine Behauptung der Mitschuld Colignys und der andern Führer zurückgenommen; der erwähnte Graf ist Odet de Chatillon, Graf de Beauvais, der jüngste Bruder Colignys (vgl. 664, 716). Er hatte schon 1561 bei seinem Übertritt zur reformierten Kirche auf seine Kardinalswürde verzichtet; als er aber 1563 nochmals feierlich abgesetzt und vor die Inquisition geladen wurde, legte er dem Papst zum Trotz die rote Kardinalstracht wieder an, nahm in ihr an Staatszeremonien teil und zog sie sogar später bei seiner Hochzeit an; auf das Ärgernis, das er damit gab, spielt Calvin in dem Satz von der roten Mütze an.

Über die Verteidigungsschrift; Kardinal de Chatillon.

Monseigneur, als wir Ihren Brief durch Herrn de Verace erhielten, merkten wir unsern Irrtum in Bezug auf den Druck Ihrer Verantwortung. Aber wir können uns leicht entschuldigen. Denn obwohl wir gehört hatten, die Abschrift, die Sie uns gesandt, könne bereits veröffentlicht werden, ließen wir es, da eine Verschiedenheit der Drucke sich doch schlecht ausgenommen hätte, trotz der recht späten Mitteilung anstehen bis zu Ihrem nächsten Brief, in dem Sie uns deswegen keine Schwierigkeit machten. So dachten wir nun, Ihre Meinung sei, wir könnten nun weitergehen, wie wir es auch taten. Nun, seit Herr de Verace gekommen ist, konnten wir nichts Besseres tun, als die Übersetzung besagter Verantwortung ins Lateinische und Deutsche anzuordnen und zu beschleunigen. Den französischen Abdruck der Kopie, die er uns brachte, wollten wir lieber noch hinausschieben bis zur Rückkehr unseres Boten. Nun werden wir nicht säumen, ihn zu beschleunigen, damit Sie sobald wie möglich zufrieden gestellt werden. Schlimm ists nur, dass bereits ein Teil des ersten Druckes verkauft ist; den Rest werden wir zurückbehalten.

Es tut uns recht leid, dass die Reise des Herrn Grafen sich verzögert hat, denn es wäre wünschenswert gewesen, dass er so schnell wie möglich an den Hof gekommen wäre. Doch wir sehen wohl, dass er guten Grund hatte, so zu handeln, sowohl um sich nicht in Gefahr zu begeben, als auch um die verborgene Stimmung am Hof zu prüfen. Fällt die Antwort aus, wie wir wünschen, so dient es sehr zu seiner und Ihrer Sicherheit und gibt Ihnen Anlass, einen bestimmten Entschluss zu fassen.

Was die rote Mütze betrifft, so wissen wir, dass die Sache nicht so wichtig ist, wie viele meinen; aber Sie wissen, Monsieur, es ist nicht unsere Sache, [Ihren Bruder] ganz freizusprechen oder gar seine Sache zu verteidigen; denn unsererseits könnten wir ihn nicht mit gutem Gewissen davon freisprechen, dass doch eine gewisse Schwachheit darin liegt. Es wird, scheints uns, genug sein, den Eifer derer, die sich zu sehr darüber ärgern, zu mäßigen, und die, die aufbegehren wollen, zur Ruhe zu weisen. So billigen wir zwar sein Tun nicht, aber wir finden, man könne es hingehen lassen und ihn deswegen doch achten, wie er es verdient. Was Sie betrifft, Monsieur, so danken wir Gott für Ihren Entschluss, sich auf den Weg zu machen, sobald der Herr Graf nach seiner Ankunft bei Hofe meldet, dass es dort nicht gar zu schlimm steht. Denn man hat während Ihrer Abwesenheit gemerkt, wie nützlich es gewesen wäre, wenn Sie stets dort geblieben wären, und es scheint sogar alles sich verschlimmern zu wollen, wenn Gott nicht bald dazu sieht, was er hoffentlich durch Sie tun wird. Da wir überzeugt sind, dass er Sie dazu aufbehalten hat, so bitten wir Sie, Monsieur, so sehr wir können, nicht die kleinste Gelegenheit dazu zu unterlassen; denn Ihr Anblick wird Ihre Feinde überraschen, wie die Sache auch stehe. In Bezug auf das Bündnis wollen wir Ihnen später einmal schreiben; denn zur Stunde könnten Sie ja auch nichts dafür unternehmen.

Indem wir uns Ihrer Gewogenheit ergebenst empfehlen, bitten wir den Vater im Himmel, er wolle Sie behüten, Sie stärken durch seine Kraft und Sie wachsen lassen in allem Glücklichen.

Genf, 5. August 1563.
Ihre ergebenen Diener
Johannes Calvin.
Theodor Beza.

Calvin, Jean – An Viret in Lyon (740).

Nr. 740 (C. R. – 3999)

Eine evangelische Synode war nach Lyon einberufen. Im Auftrag des Königs verbot der Gouverneur d´ Agoult ihre Abhaltung, als es schon zu spät war, sie abzustellen. Viret wandte sich deshalb um Rat an die Genfer Freunde.

Über das Verbot einer evangelischen Synode in Frankreich.

Es konnte kaum anders kommen, als dass die, denen nichts lieber wäre als eine Zersplitterung der evangelischen Kirche, Eure Synode zu hintertreiben suchten. Denn sie hoffen, wenn wir nicht mehr zusammenkommen könnten, so seien wir auseinander gerissenes Reisig; tatsächlich würde dann ja auch alles bald auseinander fallen, und böse Menschen könnten sich einer zügellosen Freiheit hingeben. So wird durch diesen Kunstgriff die evangelische Sache mehr geschädigt, als wenn die Feinde sie offen verfolgten. Also muss man der Gefahr entgegentreten und alles versuchen. Doch sind wir nicht dafür, dass eine Synode gehalten wird, ehe man vom König die Erlaubnis dazu erwirkt hat. Es scheint uns in dieser schwierigen Lage das Beste, dem König eine Bittschrift zu übergeben, wie wir sie [in beiliegendem] entworfen haben, damit Ihr daraus nehmen könnt, was Euch gut dünkt, wenn Euch überhaupt dieser Plan zusagt. Vernimmt man bei Hofe Eure bescheidene Sprache und Euren guten Willen zum Gehorsam, so lässt man sich zwar wohl nicht ganz umstimmen, aber die Härte wird doch gemildert und schädlich gemacht. Sobald wir Bericht von Eurer Meinung darüber haben, werden wir Euch nach Kräften unterstützen und hoffen doch, schließlich etwas damit zu erreichen. Da nun aber an manchen Orten Streitigkeiten entstanden sind, Zwistigkeiten zugenommen haben, einzelne frech und wild geworden sind, einige Gemeinden auch nach ihrer Willkür Pfarrer beriefen oder ablehnten, kurzum eine ungezählte Menge von Traktanden auf diese Synode zusammengekommen sind, so kam uns in den Sinn, man könnte es so machen, dass Ihr eine kleine Zahl Delegierte bestimmtet, die dann nach Genf kämen und, wenn sie dann auch nicht alle Streitigkeiten schlichteten, doch dafür sorgten, dass die Gemeinden nicht größern Schaden litten, wenn gar keine Untersuchung stattfände. Die Delegierten bekämen von jeder Gemeinde kurze erläuternde Schreiben mit und teilten dann nach ihrer Rückkehr das Resultat der Verhandlungen den Gemeinden wieder schriftlich mit; denn wenn auf französischem Gebiet irgendwelche Verhandlung stattfände, so böte das gleich zu Verleumdungen Anlass. Erwägt also, was das Beste ist. Lebwohl, trefflicher Mann und bester Bruder. Alle unsre Kollegen und Brüder lassen vielmals grüßen. Der Herr sei mit Euch.

Genf, 1. August 1563.
Deine Brüder und Kollegen
Johannes Calvin.
Theodor Beza.

Calvin, Jean – An Henri de Bourbon, Herzog de Vincennes, Erbprinzen von Navarra.

Nr. 739 (C. R. – 3998)

Seinen Kommentar zum ersten Buch Mose hatte Calvin den Prinzen von Sachsen gewidmet (vgl. 406). Da diese die Widmung nicht angenommen hatten, dedizierte er nun den Kommentar zum ganzen Pentateuch dem dreizehnjährigen Erbprinzen von Navarra, dem späteren Heinrich IV. Weggelassen ist ein längerer, wörtlich aus der ersten Vorrede übernommener Teil über den Wert der biblischen Urgeschichte.

Über Tugenden und Pflichten des Prinzen.

Dass ich mich nicht scheue, dir, durchlauchtigster Prinz, dieses Werk zu widmen, so dass es mit deinem Namen an der Spitze erscheint, mögen sehr viele tadeln; das wird mich nicht wundern und mir nicht unerwartet kommen. Denn man wirft mir vor, diese Widmung mache dich bei den Bösen, die dir schon feind genug sind, verhasst. Da dich aber Gott in deinem zarten Alter schon mit großem Mut ausgerüstet hat unter mancherlei Drohungen und Schrecken, so dass du nie vom ehrlichen, offenen Bekenntnis deines Glaubens wichest, so sehe ich nicht ein, was es dir schaden könnte, wenn ich durch mein Zeugnis feststelle, was allgemein bekannt ist. Da du dich also des Evangeliums Christi nicht schämst, so scheint mir eben dein Freimut Grund zu geben, dir zu diesem glücklichen Anfang zu gratulieren und dich zu unüberwindlicher Festigkeit für die Zukunft zu ermahnen. Denn was in den besten Charakteren noch vorkommt, dass sie zu biegsam sind, das ist bei jungen Leuten, bis sie gesetzter werden, ein allgemeiner Fehler.

Mag meine Absicht auch gewissen Leuten missfallen; wenn sie nur der hochedeln Königin, deiner Mutter, gefällt, (und darauf verlasse ich mich), so kann ich so ungerechtes Urteil und so böswillige Vorwürfe verachten; jedenfalls kümmere ich mich nicht darum. Nur eines ist vielleicht unbedacht gewesen von mir: dass ich deine Mutter nicht erst um Rat fragte, um nichts wider ihre Meinung und ihren Willen zu unternehmen. Aber auch deswegen kann ich mich leicht entschuldigen. Zwar wenn ich es aus Leichtsinn unterlassen hätte, so müsste ich mich nicht nur der Unklugheit, sondern auch der Unverschämtheit und Anmaßung zeihen. Da ich aber alle Hoffnung auf rechtzeitiges Erscheinen des Werkes bereits aufgegeben hatte und mich der Buchdrucker auf die Frühjahrsmesse vertröstete, so glaubte ich sicher, die Sache eile nicht. Indessen durch heftiges, unablässiges Drängen anderer Leute kam es, dass mir mit einem Mal gemeldet wurde, das Werk könne nun doch in vierzehn Tagen fertig gestellt werden, was man mir vorher beharrlich als unmöglich dargestellt hatte. So war mir wider mein Erwarten, aber eigentlich nicht wider meinen Willen, die Möglichkeit genommen, erst noch um Erlaubnis zu bitten. Bei dem brennendem Eifer der hochedeln Königin, die Lehre Christi und den reinen Glauben und Gottesdienst auszubreiten, bin ich freilich nicht gerade in großer Sorge, sie wolle mein Anerbieten nicht gerne annehmen und in ihren Schutz stellen. Wie fern sie dem Aberglauben und der Verderbnis steht, die das Christentum verunreinigten und entstellten, verschweigt sie ja nicht. Mitten im wilden Treiben hat sie durch vollgültige Zeugnisse bewiesen, dass auch in einer Frau mehr als männlicher Mut wohnen kann. Brächte sie nur die Männer dazu, sich zu schämen, damit ein guter Ehrgeiz sie antriebe, es ihr gleich zu tun. Denn da sie sich selbst so bescheiden und maßvoll gibt, so glaubte niemand, welch heftige Angriffe sie ruhig aushält und mutig abwehrt. Wie sehr Gott sie auch schon mit Kämpfen im Innern heimgesucht hat, das wissen nur wenige, zu denen ich gehöre.

Du aber, erlauchtester Prinz, brauchst kein besseres Vorbild suchen, um dich nach einem rechten Muster aller Tugenden zu bilden. Nach diesem Ziel zu streben, mit heißem Bemühen zu streben, dazu bist du, das bedenke wohl, in außerordentlicher Weise verpflichtet. Denn die adlige Art, die an dir hervorleuchtet, machte jede Entschuldigung unmöglich, wenn du dir selbst untreu wirst, und deine Erziehung, die deiner guten Anlage so kräftig zu Hilfe kam, ist ein zweites Band, das dich an deine Pflicht bindet; denn in ihr verband sich mit keuscher Zucht eine weitherzige Bildung. Als du die Anfangsgründe des Wissens innehattest, warfst du nicht, wie fast alle, die weiteren Studien mit Ekel beiseite, sondern fährst bis heute eifrig fort, deinen Geist auszubilden. Dass nun dieses Buch mit deinem Namen an der Spitze erscheint, das sollte nach meinem Wunsch so wirken, als ob Gott die Hand auf dich legte und dich von neuem für sich in Anspruch nähme, damit du dich recht freimütig als Jünger Christi bekennst. Sicher ist deine Mutter, der nicht genug zu lobenden Königin, nichts von dir erwünschter, als wenn sie hört, du machest stets größere Fortschritte in der Frömmigkeit. Wenn auch vieles in diesem Buch die Fassungskraft deines Alters übersteigt, so ists doch nicht verkehrt, wenn ich es dir zur Lektüre anbiete, und zwar zu recht aufmerksam betriebener, fleißiger Lektüre. Denn da es jungen Leuten Freude macht, von Ereignissen früherer Zeiten zu hören, so kommst du nun auch bald in die Jahre, in denen dich die Geschichte der Weltschöpfung und der Kirche in den Urzeiten ebenso nutzbringend wie unterhaltsam beschäftigen kann. – – – –

– – – So habe ich nun kurz vom Nutzen der Geschichte gesagt, was zu sagen war. Dass auch die Lehre des Gesetzes, deren Unverständlichkeit bisher manchen abschreckte, besser bekannt werde, war mein treuliches, ich weiß nicht, ob auch geschicktes, Bestreben. Jedenfalls werden einzelne eine ausführliche Erklärung dieser Partien wünschen. Schon von Natur der Weitschweifigkeit abgeneigt, habe ich mich in diesem Werke noch aus zwei besonderen Gründen kurz gefasst. Denn weil diese vier Bücher schon an sich durch ihre Länge manche abschrecken, so fürchtete ich, der Überdruss könne noch zunehmen, wenn ich auch in ihrer Erklärung der Feder freien Lauf ließe. Zweitens habe ich bei der Abfassung dieses Werkes öfters kaum mehr für mein Leben hoffen dürfen und wollte deshalb lieber eine knapp zusammengefasste, als eine unvollendete Arbeit hinterlassen. Ernsthaft und gesund urteilende Leser werden sehen, dass es deshalb doch mein eifriges Bemühen war, keine schwierige, zweideutige oder dunkle Stelle absichtlich oder unabsichtlich unberücksichtigt zu lassen. Da ich also doch versucht habe, alle schwierigen Stellen zu behandeln, so sehe ich nicht ein, wie jemand sich über die Kürze beklagen kann; er müsste denn alle Weisheit nur aus Kommentaren schöpfen wollen, und solche Leute, deren Kopf auch das wortreichste Werk nicht füllen kann, können sich meinetwegen einen andern Lehrer suchen.

Wenn du den Versuch machen willst, wirst du wirklich erkennen und selbst die Zuversicht gewinnen, dass wahr ist, was ich sage. Du bist noch ein Knabe. Aber Gott, der befohlen hat, dass die Könige sich sein Gesetz eigens aufschreiben lassen sollen [5. Mose 17, 18], hat davon auch den frommen Josia nicht ausgenommen, sondern gerade in diesem Knaben wollte er ein wahrhaftes, edles Beispiel frommer Erziehung geben, das die Trägheit der Alten beschämen sollte. Auch dein Beispiel zeigt, wie sehr wichtig es ist, von jung auf gewöhnt zu werden. Denn aus der Wurzel, die die Grundlehren unseres Glaubens in dir trieben, ist ein Keim nicht nur schon aufgegangen, sondern bereits beinahe zur Reife gediehen. Strebe also unermüdlich nach dem dir gesteckten Ziele und lass dich nicht aufhalten oder irre machen durch naseweise Menschen, denen es durchaus unpassend erscheint, Knaben schon zu solcher, wie sie sagen, frühreifer Weisheit aufzufordern. Aber was wäre unsinniger oder unerträglicher, als wenn man dir, den von allen Seiten Versuchungen jeder Art umgeben, die Arznei dagegen verbieten wollte? Wenn die höfischen Lüste schon Eure Diener verderben, wie viel gefährlicher sind Euch Prinzen die Nachstellungen, die Euch in all den Ergötzungen und Vergnügungen in solcher Fülle entgegentreten, dass es fast ein Wunder ist, wenn einer nicht in solchem Leichtsinn ganz aufgeht? Es widerstrebt doch sicher schon der Natur, solche Masse von Vergnügungen ohne eigentliches Vergnügen zu genießen! Wie schwer es aber ist, mitten in solchen Festen sich die Reinheit unbefleckt zu erhalten, ist aus den Tatsachen mehr als bekannt. Du aber, durchlauchtigster Prinz, halte für Gift, was nur dazu da ist, die Sinnlichkeit zu züchten; denn wenn dich jetzt schon schwächt, was die Enthaltsamkeit und die Selbstbeherrschung vernichten will, nach was könnte es dich als Erwachsenen nicht erst gelüsten! Hart klingt es vielleicht: Große Rücksicht auf den Leib ist große Rücksichtslosigkeit gegen die Tugend der Seele, aber doch hat Cato damit durchaus die Wahrheit gesagt. Auch die folgende Paradoxie will das gewöhnliche Leben ja nicht gelten lassen: Ich bin zu groß und zu Größerem geboren, als dass ich ein Sklave meines Körpers sein dürfte, den zu verachten mich erst frei macht. Weg also zwar mit aller übermäßigen Strenge, die alles Angenehme aus dem Leben bannen will; aber wie schlüpfrig der Pfad vom sicheren, selbstgefälligen Wesen zum frechen Laster ist, zeigen nur zu viele Beispiele. Freilich hast du nicht nur mit Üppigkeit, sondern noch mit vielen andern Fehlern zu kämpfen. Nichts ist ja schöner als dein leutseliges, bescheidenes und höfliches Wesen; aber kein Herz ist so sanft und fest, dass nicht der Rausch des Beifalls es zu Wildheit und Rauheit entarten lassen könnte, und da nun unzählige Schmeichler deinen Geist in allerlei Lüsten zu entflammen suchen, wie scharf muss du da aufpassen! Wenn ich dich vor dem höfischen Schmeichelwesen warne, so verlange ich nichts anderes von dir, als dass du selbst Maß hältst und dich dadurch uneinnehmbar dagegen machst. Denn ganz richtig hat einer gesagt: Es ist kein Verdienst, wenn einer nicht in Asien gewesen ist, aber höchst lobenswert ist es, wenn einer in Asien war und doch keusch und enthaltsam blieb. Da das also sehr wünschenswert ist, so gibt David dir die Anweisung, es leicht zu erreichen, wenn du seinem Beispiel folgst, und, wie gesagt, Gottes Gebote deine Ratsleute sein lässest [Ps. 119, 24]. Woher auch sonst irgendetwas dir geraten wird, – wenn das nicht der Weisheit Anfang ist bei dir, so wird es zunichte. So bleibt dir nun übrig, edelster Prinz, was im Jesaja über den heiligen König Hiskia zu lesen steht, dir zuweilen ins Gedächtnis zu rufen. Wo der Prophet seine herrlichen Gaben aufzählt, da erwähnt er als höchstes Lob: Furcht Gottes wird sein Schatz sein [Jes. 33, 6]. Lebwohl, durchlauchtigster Prinz. Gott erhalte dich stets wohl in seinem Schutz; er schmücke dich mehr und mehr mit seinen Geistesgaben und mache dich reich an Segen aller Art.

Genf, 31. Juli 1563.

Calvin, Jean – An Antoine de Crussol in Languedoc.

Nr. 738 (C. R. – 3996)

Katharina von Medici bereiste mit ihrem Sohne, Karl IX., die südlichen Provinzen, und de Crussol musste als Gouverneur der Languedoc sich ihrem Gefolge anschließen.

Darf ein Evangelischer an einer Prozession teilnehmen?

Monseigneur, Ihr Bote, dem Sie aufgetragen haben, mir die Gewissensfrage vorzulegen, in der Sie gerne Bescheid hätten, hat seine Schuldigkeit getan. Bevor ich darauf antworte, will ich Gott dafür danken, dass er Sie mit seinem Geiste so erfasst hat, dass Sie Ihr Gewissen nicht weit machen und sich selbst alles gestatten wie andere, die dann doch, wenn sie sich vor den Menschen entschuldigt haben, sich vor Gott verurteilen müssen. Um nun zur Sache zu kommen, so weiß ich, dass Sie nicht im Sinn haben, sich verstellen und zwischen zwei Wassern schwimmen zu wollen. Sondern Sie fragen nur, ob Sie, nachdem Sie offen Ihr Christentum bekannt haben, die Königin bei einigen Prozessionen und andern götzendienerischen Handlungen begleiten dürfen. Dabei, Monseigneur, müssen Sie auf zweierlei achten: Erstens darauf, die Kinder Gottes nicht zu betrüben oder ihnen Ärgernis zu geben oder Schwache und Unwissende abzustoßen; zweitens, den Feinden der Wahrheit keinen Anlass dazu zu geben, dass ihnen der Kamm schwillt und sie triumphieren können, ja sie sollten nicht einmal den Mund auftun können, den Namen Gottes zu lästern und des wahren Glaubens zu spotten. Auf diese beiden Dinge müssen wir sorgfältig achten, denn sie sind uns dringend anempfohlen. Da Ihnen also der heilige Geist ausdrücklich verbietet, Ihre Brüder in dieser Hinsicht zu betrüben, so denken Sie daran, wie viel armen Leuten es das Herz zerreißen müsste, wenn sie sähen, dass Sie offensichtlich gingen mit einer Schar, die ihres Weges zieht, Gott zu trotzen. Sie sehen wohl, wie groß das Ärgernis wäre und wie weit es herumkäme. Denn viele könnten sich dann an Ihr Beispiel halten, und selbst die Heuchler, die sich bisher ihrer Feigheit schämten, könnten sich hinter Ihrem Rücken verstecken. Andrerseits würden Sie ohne Zweifel den Bösen Mut machen, nicht nur mit dem Evangelium Spott zu treiben, sondern auch noch grausamer gegen die zu werden, die ihren Mantel nicht nach dem Winde hängen. Kurz, je genauer Sie alle Umstände erwägen, desto sicherer kommen Sie zu dem Urteil, dass es in verschiedener Hinsicht eine Beleidigung Gottes wäre. Jetzt bleibt nur noch das [von Ihnen angeführte] Beispiel Naemans [2. Kön. 5, 17]. Aber die Verschiedenheit der verglichenen Personen ist doch zu groß, als dass, was Naeman tat, auf Sie angewendet werden könnte. Es war kein Mensch außer ihm in Syrien, der Gott fürchtete oder Neigung gehabt hätte, ihm zu dienen. Deshalb war auch keine Gefahr, dass Ärgernis entstand. Kein Gläubiger konnte verletzt werden, wenn Naeman den wahren Glauben der Schande aussetzte; er konnte damit weder einen bereits auf dem rechten Weg Wandelnden irreführen, noch einen andern zurückhalten, ihn zu betreten. Vielmehr trotzte Naeman seinem ganzen Volk, wenn er seinen besonderen Altar hatte, den Gott Israels anzubeten. Die Hauptsache ist, dass wir uns nicht bloß peinlich an die einzelne Tatsache binden, sondern das tun, was zur Erbauung dient. Es erübrigt noch, zu prüfen, ob es nicht besser wäre, von vornherein Ihre Stellung aufzugeben, als der Königin-Mutter nicht zu Gefallen zu sein. Wir müssen uns das an die Vorschrift St. Pauli halten, nicht Übles zu tun, auf dass Gutes daraus komme [Röm. 3, 8]. Ich sehe wohl, welcher Vorteil es für die Kirche wäre, wenn Sie diese Stellung behielten, und welchen Schaden man befürchten müsste, wenn Sie nicht mehr da wären. Aber in solchen Schwierigkeiten müssen wir doch Gott die Ehre antun, uns allein auf ihn zu verlassen, der für alles wohl sorgen wird. Indessen scheints mir, Monsieur, es wäre Ihnen doch recht leicht, sich zu entschuldigen; denn die Königin-Mutter weiß ja wohl, dass Sie nach Ihrer Religion sich nicht mit diesen Zeremonien befassen dürfen, ohne Gott zu beleidigen, da Ihr Gewissen dem widerspricht. Mehr noch; ich hoffe, eine mutige Weigerung gefällt ihr besser, als wenn Sie nachgäben. Sie hat Ihre Abwesenheit [vom Hofe] lange genug gelitten; da wird sie Ihnen auch gestatten, drei Tage krank zu sein im Jahr! Doch das sage ich nur zum Spaß; denn sich wirklich krank zu stellen, wäre eine Schande fürs Evangelium. Haben Sie alle diese Gegengründe erwogen, so werden Sie mit St. Paulo sagen, dass wir nicht am Abendmahl Jesu Christi Teil haben und zugleich uns beim Götzendienste zeigen können [1. Kor. 10, 21], besonders wenn wir damit noch ein schlechtes Beispiel geben. Aber das bitte ich Sie, Monsieur, geben Sie sich Mühe und bitten Sie Gott, Ihnen seine starke Hand zu reichen und Sie auszurüsten mit den Waffen, die er Ihnen gegeben hat zum standhaften Kampf, d. h. dass Sie sich fleißig an seinem Worte stärken.

Indem ich mich, Monseigneur, Ihrer und Ihrer Frau Gemahlin Gewogenheit ergebenst empfehle, bitte ich den Vater der Barmherzigkeit, er wolle Sie behüten, Sie leiten in gutem Ergehen und Sie glücklich ans Ziel kommen lassen.

Genf, 31. Juli 1563.
Ihr ergebener Diener
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz in Heidelberg.

Nr. 737 (C. R. – 3986)

Vgl. 735. Kurfürst Friedrich hatte sich seit 1560 dem calvinistischen Bekenntnis zugewandt und sein Land dementsprechend reformiert; die Lutheraner streuten das Gerücht aus, er sei bei einer Reformationsreise vom Pferde gestürzt und gestorben. Weggelassen sind längere polemische Abschnitte über die Ubiquitätslehre. Der lutherische Theologe, der Calvin in einer deutschen Schrift mit Namen angriff, in der lateinischen Übersetzung aber seinen Namen ausließ, war Paul Eber, Professor zu Wittenberg und treuer Schüler Melanchthons (vgl. 586). Den aus katholischen und lutherischen Gebieten vertriebenen Refugianten bot Kurfürst Friedrich Asyl; über Francois Baudouin vgl. 684, 693.

Über den Calvinismus in der Pfalz.

Von tüchtigen Männern und guten Zeugen werden deine heldenhaften Tugenden gepriesen, durchlauchtigster Fürst, vor allem deine außerordentliche Frömmigkeit, ein gleich warmer Eifer zum Schutz wie zur Ausbreitung des wahren Glaubens und ein ruhig-gleichmäßiges Maßhalten in allen Lebenslagen. Deine Freundlichkeit aber, wie sie auch bei einem Privatmanne kaum zu finden wäre, kenne ich nicht nur aus den Berichten anderer, sondern habe sie selbst erfahren dürfen. So war es schon längst mein Wunsch, da meine persönliche Verehrung für dich mir nicht genügte, sie auch durch ein öffentliches Denkmal der Nachwelt zu bezeugen. Das weiß der edle Herr Eberhard, Graf von Erbach, den ich deshalb um Rat gefragt habe. Das gerade jetzt auszuführen, ist eben wie mir scheint, nicht nur gute Gelegenheit, sondern eine eigentliche Notwendigkeit. Denn da du die gesunde, orthodoxe Lehre vom heiligen Abendmahl Christi, die du ehrfürchtig angenommen hattest, auch freimütig und tapfer in deinem Lande einzuführen keine Bedenken trugst, so wüten nur unruhige, aufdringliche Menschen wider dich, als ob du das ganze deutsche Reich ins Wanken gebracht hättest. Mit lautem Geschrei stürmen sie gegen deine Hoheit an und, da sie mit Macht und Gewalt nichts vermögen, so versuchen sie es mit unverschämter Frechheit und lassen unbedenklich Flüche aus ihrem Munde gehen, deren sich ein Betrunkener schämen würde. Und nicht allein das, sondern weil es nicht in ihrer Macht steht, dich umzubringen, so verbreiteten sie wenigstens das schändliche Gerücht von deinem Tode. Als ob ein Mückenschwarm die Sonne verfinstern könnte! Du, durchlauchtigster Fürst, kannst zwar in deiner Hochherzigkeit standhaft und bei der ehrenvollen Stellung, die dir Gott gegeben, auch sicher ihre Dummheit verachten; da sie aber, um dich zu reizen, gar so heftig intrigieren und zugleich, um dich dem Hasse preiszugeben, meinen Namen drein mischen, so hielt ich es doch für meine Pflicht, den Namen, den sie so sehr verhasst machen wollten, als Schild ihrer Verleumdung entgegenzuhalten. Dass deine Hoheit nur einen Finger aufhebe oder ein kleines Wörtlein ihretwegen spreche, dessen sind sie ja nicht wert. Wenn ich mich aber über die Rohheit beschweren will, dass sie einen um die Kirche Gottes wohlverdienten Mann, dessen Hilfe sie auch vor Unkundigen gern in Anspruch nehmen, ohne es freilich zu gestehen, nun so abscheulich behandeln, so können sie diese Undankbarkeit mit keiner Ausrede beschönigen. Wenn sie also deiner Hoheit Calvinismus vorwerfen und damit dir einen Schimpf antun wollen, so verraten sie damit, ohne Nutzen dadurch zu haben und zu ihrer eigenen Schande, nur ihre Bosheit und Dummheit. Bei ihresgleichen können sie vielleicht etwas damit erreichen; bei frommen und gelehrten Leuten aber von Vernunft und guter Urteilskraft wird im Gegenteil meine Stimme, die dein Lob, wie es dir geziemt, anstimmen soll, gern gehört werden, hoffe ich. Jene Zungendrescher treten zwar so auf und scheinen so tapfer, als gelte es einen Kampf für Altar und häuslichen Herd; ob das aber wahr ist, kann ja jeder leicht und rasch beurteilen. Ich wills drum unterlassen, ihre Phantastereien näher zu untersuchen, da die Mehrzahl von ihnen selbst nicht versteht, was sie schwatzt; nur die Hauptpunkte will ich kurz berühren, in denen wir von ihren Lehrern, die ich übrigens nichtsdestoweniger persönlich liebe, abweichen.

Dass wir im heiligen Abendmahl von Christi Fleisch und Blut wahrhaft genährt werden, nicht anders als Brot und Wein Nährmittel für den Körper sind, bekennen wir offen. Soll das deutlicher erklärt werden: die geistige Substanz des Fleisches und Blutes Christi ist unsere Lebenskraft und wird uns unter dem Sinnbild von Brot und Wein mitgeteilt, da Christus, als er das Sakrament des Abendmahls stiftete, weder fälschlich etwas versprach, noch mit leeren Symbolen sein Spiel trieb, sondern, was er uns tatsächlich gab, mit äußern Zeichen darstellte. Bleibt noch die Frage nach der Art der Mitteilung. Da entsteht nun ein Konflikt; denn wir weigern uns, dem beizustimmen, was sie sich einbilden, es sei nämlich die örtliche Gegenwart [des Leibes Christi] dazu nötig. Wir sagen: obwohl Christus im Himmel ist, so dringt doch durch die geheimnisvolle und unbegreifliche Kraft seines Geistes die Gnadenwirkung bis zu uns, dass sein Fleisch uns Leben spendet, wir aber Fleisch von seinem Fleisch, Bein von seinem Bein sind (Eph. 5, 30). Sie aber wollen keine solche Mitteilung gelten lassen, wenn nicht Christus auf Erden sei. Um nun dem Vorwurf, sie lehrten die örtliche Gegenwart [im Brote], auszuweichen, müssen sie die noch unwahrscheinlichere Lehre von der Allgegenwart [des Leibes Christi] erfinden; wenn wir nun nicht einsehen können, wie sich das mit den Grundsätzen des Glaubens vereinigen lässt, mögen sie das unsrer Verständnislosigkeit wenigstens verzeihen.

Wir folgen dabei nicht unserm eigenen Sinn, sondern soviel das Maß unseres von Gott uns gegebenen Verständnisses fasst, ist auch die Lehre, der Leib Christi sei allgegenwärtig, durchaus nicht schriftgemäß; sondern so oft Christus selbst oder die Apostel sagen, die Fülle der Gottheit sei mit dem Fleische verbunden, so oft begnügen sie sich mit der Vereinigung in seiner Person. Und kein Mensch außer Eutyches hat bisher gelehrt, bei der Menschwerdung Christi seien seine beiden Naturen so vermischt worden, dass die Eigenschaften der göttlichen Natur auch seiner menschlichen zugekommen seien. Ich will nun nicht durch Nennung dieses verurteilten Ketzers ihre Sache dem Hass preisgeben; aber mahnen wird man sie wohl müssen, dass sie ja recht darauf achten, wohin die Streitlust auch gute, gelehrte und scharf blickende Leute reißt, wenn sie um jeden Preis ihre Sache verteidigen wollen. – – –

Das ist der Hauptpunkt unserer Kontroverse, den die Führer der Gegenpartei nur allzu hartnäckig und übertreibend behandeln. Höchstens könnte man noch beifügen, dass sie auch behaupten, die Gottlosen hätten am Leib und Blut Christi im Abendmahl nicht weniger teil als die treuesten Verehrer Gottes. – – –

– – – Getreulich und ungeschminkt habe ich nun dargelegt, warum heute mit uns im Kampfe liegen, die sich als Luthers Schüler rühmen; weshalb auch Philipp Melanchthon, ein Mann, ewigen Ruhmes wert wegen seiner unvergleichlichen Beherrschung jeder guten Wissenschaft, seiner großen Frömmigkeit und anderer Tugenden, den sie früher ihren Meister nannten, nun, da er tot ist, mit entsetzlichen Verwünschungen von ihnen bedacht wird. Merkwürdig ists, dass sie, um Gunst zu erringen, sich so hochmütig als Verteidiger des Augsburgischen Bekenntnisses aufspielen, dessen Verfasser selbst doch eigentlich der beste, treueste Ausleger sein sollte. Mit dem sie, meine ich jene lärmenden Zungendrescher, die keinen Anstand und keine Scham haben; denn die bedeutenderen Männer der Partei benehmen sich doch etwas maßvoller. Zwar über einen kann ich mich auch mit Recht beschweren, er habe nicht edel an mir gehandelt, als er meinen Namen, nachdem er mich auf Deutsch angegriffen, in der lateinischen Schrift ausstrich; denn das heißt doch, einen schelten, der es nicht verstehen kann.

Doch ich will diese Führer außer Betracht lassen und mich zu jenen Schreiern zurückwenden, die fast jenen wahnwitzigen Zeloten gleichen, deren Josephus Erwähnung tut, weil durch ihre Maßlosigkeit der verderbliche Krieg entstand, in dem Judäa unterging. Kein gräulicheres Schimpfwort finden sie, um deine Hoheit, durchlauchtigster Fürst, anzugreifen, als die Bezeichnung Calvinismus! Woher dieser bittere Hass gegen mich stammt, ist klar zu sehen. Ihre Siegeszuversicht beruht darauf, die Augen der Einfältigen durch Unterdrückung und Vertuschung der eigentlichen Sachlage zu blenden, und so ists nicht zu verwundern, dass sie erzürnt sind, wenn nun dieser Nebel der Unwissenheit, auf den sie sich so sicher und vergnügt verließen, durchbrochen wird. Vor allem aber ärgert es sie bis zum Verrücktwerden, dass sie sehen, wie du die ganze Frage ehrlich und gründlich kennen lerntest, und so die Lehre, über die sie triumphierten, so lange sie unbekannt war, nun einen so hochmächtigen Beschützer gewonnen hat und sich im Vertrauen auf die gerechte und feste Verteidigung durch einen tapfern Fürsten mit viel mehr Freiheit ausbreitet. Dich, der du von selbst mutig genug bist, noch zur Ausdauer aufzufordern, ist zwar überflüssig; aber damit du in stolzer Verachtung ihrer weibischen Ohnmacht das mit ebensoviel Glück wie Geschick begonnene Werk fortsetzest, schien es mir nicht überflüssig zu deiner Stärkung zu sein, wenn ein deutliches Pfand meiner Ergebenheit für deine Hoheit vorläge. Ich denke, es wird bei deiner unglaublichen Freundlichkeit dir kein unliebes Tun sein, wenn ich meinen Kommentar zu Jeremia dir widme.

Zwar muss ich gestehen, dass er nicht mit der Sorgfalt ausgearbeitet ist, wie es ein so herrliches Buch verdient hätte; denn es ist nur eine Nachschrift meiner mündlichen Kanzelvorträge. Früher habe ich mich auch tatsächlich gescheut, etwas erscheinen zu lassen, was nicht genauer und in langer Überlegung ausgefeilt und geschliffen gewesen wäre; ich fürchtete auch, es könne mir von Böswilligen als Anmaßung ausgelegt werden, dass ich improvisiere, ungeordnete und für einen bescheidenen Hörerkreis berechnete Vorträge einem weitern Publikum zum Lesen aufdrängte. Wenn nun auch dieses zweite schon dadurch leicht zu widerlegen wäre, dass der erste Band wider meinen Willen gedruckt wurde, so veranlasst mich doch das Urteil andrer Leute, überhaupt von einer Entschuldigung abzusehen. Ich meine damit einsichtige, ernsthafte Leser, die mir versichern, sie hätten aus meiner exegetischen Arbeit nicht unbeträchtlichen Gewinn geschöpft. Ja, einige meinen, es sei der Mühe wert, dass meine extemporierten Lehrvorträge bekannt würden, denn ihre Schlichtheit könne andere allzu sehr auf den Schein bedachte Schriftsteller von diesem Übel heilen. Genügt meine Arbeit nicht allen Lesern an Gelehrsamkeit und Gewandtheit, so habe ich mir doch Mühe gegeben, dass sie für gerecht und freundlich urteilende Leser an Gewissenhaftigkeit und Treue nichts zu wünschen übrig lasse. Ich fürchte auch nicht, dass man mir Anmaßung vorwirft, da ich offen sage, ich hätte nie gelitten, dass dies Buch erscheine, wenn ich nicht die Zuversicht hätte, es werde der Kirche Gottes nützlich und fruchtbringend sein. Halten vielleicht einige grämliche und gestrenge Nörgler das Werk der Widmung an deine Hoheit nicht für würdig, so verlasse ich mich im Vertrauen auf deine außerordentliche Freundlichkeit, erlauchtester Fürst, darauf, es werde dir genehm sein. Und lebte Jeremia heute noch auf Erden, so käme zu dieser Empfehlung noch, – wenn ich mich nicht sehr irre, – seine Zustimmung; denn er müsste erkennen, dass ich seine Weissagung nicht minder treu als ehrfürchtig ausgelegt und, – ich füge das bei, – auch auf die heutigen Verhältnisse mit Nutzen angewandt habe. So brauche ich mich nicht allzu ängstlich entschuldigen, wenn ich nur soviel erreiche, dass wenigstens der übergroße Eifer, deiner Hoheit meine Verehrung zu bezeugen, kein Verstoß war. Ich müsse mich ja, – um das anfangs Erwähnte jetzt ganz beiseite zu lassen, – schon der Undankbarkeit zeihen, wenn ich mich nicht dir verpflichtet fühlte durch deine liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit der du die zu dir flüchtenden, um Christi willen Vertriebenen aufnahmst. Der Dichter lässt die Barbarenkönigin [Dido] sagen: Selbst erfahrenes Leid lehrt mich, sich ja schämen, wenn sie in gleicher Lage nicht gleich empfänden. Obwohl ich nun nicht so helfen kann, wie ich möchte, so bleibt mir doch das übrig, alle diesen Flüchtigen erwiesenen Wohltaten als mir erwiesen anzusehen.

Dreißig Jahre sind nun verflossen, seitdem ich mich freiwillig aus Frankreich verbannte, weil auch die Wahrheit des Evangeliums, der reine Glaube und der rechte Gottesdienst verbannt waren. Nun habe ich mich so an das Leben in der Fremde gewöhnt, dass mich kein Heimweh mehr erfasst. Ich bin ja hier in Genf, (meiner einstigen Vertreibung von hier brauche ich mich ja nicht zu schämen, denn man hat mich wieder zurückgerufen,) zwar ein Fremder, aber die Einheimischen achten mich, als ob ich schon meine Ahnen unter den Bürgern ihrer Stadt aufzählen könnte. Hat Gott mich nun zwar so gnädig verschont, so macht mir das Los meiner französischen und flandrischen Brüder umso größere Sorge, und dass sie so freundlich von dir aufgenommen worden sind, das ist mir eine Aufforderung und ein Antrieb, die Dankbarkeit, die ich dir dafür schulde, öffentlich zu bekennen. Es möge dich, durchlauchtigster Fürst, auch nicht verdrießen, in deiner gewohnten Leutseligkeit fortzufahren, wenn du dich einmal in einem Ausländer, und zwar einem Manne unserer Zunge, getäuscht hast. Es weiß ja jedermann, wie schändlich dich Francois Baudouin, dieser frechste aller Zungendrescher, dieses gleichermaßen unsaubere, hochmütige und perfide Tier, dieses aus allem Schmutzigen zusammengesetzte Monstrum, dabei ja aber ein recht geschickter Kompilator juristischer Schriftsteller, zum Besten gehabt hat. Aus Arras stammend begab er sich scheinbar um des Evangeliums willen unter deinen Schutz, wurde durch deine freigebige Gnade Professor des Zivilrechts an deiner berühmten Universität Heidelberg und hielt das nach seiner Art, obwohl er ja einem so edlen Fürsten mit Leib und Seele hätte ergeben sein müssen, nur für ein bequemes Sprungbrett, um eine höhere Stellung zu bekommen. So gab er, sobald er irgendwelche Hoffnungen witterte, diesen Posten auf, verachtete das Ehrenamt, das er nur durch böse List erlangt hatte, und ging zu den Feinden des wahren, reinen Glaubens, mit der er geprahlt hatte, über. Zuerst freilich schlich er sich nur in heimlicher Intrige zu ihnen hin, als ob noch ein Rest von Scham in ihm wohnte, und zettelte in geheimnisvoller Weise mit dem Kardinal von Lothringen, bei dem er sich einzuschmeicheln wusste, eine Verschwörung an, die den Zweck hatte, durch eine unsaubere Vermischung von Lehren und Zeremonien die französischen Kirchen auseinander zu reißen. Da aber diese verdeckte, schön geschminkte Verräterei ihm keinen Lohn eintrug, so schritt er nicht bloß zu offenem Abfall, sondern prahlt noch so unverschämt damit, dass er alle andern Apostaten an hündischer Frechheit übertrifft. Doch es ist gut, dass die Untreue dieses einen Schwindlers dein Wohlwollen gegen die andern Refugianten nicht aufhob; ein Lohn für dieses Festhalten liegt schon darin, dass unter den Zierden deiner Universität sich einige Ausländer nennen ließen, bekannt und berühmt um ihrer Tüchtigkeit willen, auch wenn ich sie jetzt nicht mit Namen anführe. Wenn nun auch weder mein Lob, noch die Widmung dieses Werkes, das Ansehen deiner Hoheit zu vergrößern vermag, so konnte ich doch nicht umhin, meinesteils der Dankespflicht Genüge zu tun. Lebwohl, durchlauchtigster Fürst, Gott mache dich mehr und mehr reich an seinen Geistesgaben; er erhalte dich lange gesund und lasse dir und den Deinen deine hohe Ehrenstellung stets zum Besten gedeihen.

Genf, 23. Juli 1563.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (736).

Nr. 736 (C. R. – 3981)

Herzog Henri d´ Orleans war der jüngere Bruder König Karls IX. von Frankreich und späterer Nachfolger Heinrich III. Anne d´ Este, die Witwe des ermordeten Francois de Guise, hatte mit ihrem Sohn Henri noch am Hof gelebt. Poltrot, der Mörder de Guises, hatte im Verhör Coligny, Beza und den hugenottischen Grafen de la Roche-Foucauld der Mitwisserschaft bezichtigt.

Allerlei aus Paris. Colignys Verteidigungsschrift.

Seit ich dir neulich schrieb, ist keine neue Nachricht aus Frankreich gekommen, außer der, dass Gott durch zwei Knaben ein ernstes Spiel begonnen zu haben scheint. Der Herzog d´ Orleans, durch den Übermut des jungen de Guise beleidigt, stach ihn mit einem Pfeil, den er eben in der Hand hielt; der lief gleich zur Mutter, sie zur Königin-Mutter, die dem Sohn sein Tun mit sanften Worten verwies und ihn aufforderte, dem jungen de Guise nun auch zu verzeihen. Da antwortete der Herzog gerade heraus, nichts solle ihn dazu bringen, ihn nur wieder anzusehen, und nicht nur er sei ihm verhasst, sondern die ganze Familie, die das Verderben Frankreichs sei. So sah sich die Mutter genötigt, ihn vom Hofe wegzubringen; aber zu Paris hegt und entflammt sie noch die verrückte Frechheit des Pöbels. Täglich gibt’s neuen Aufruhr; das Parlament hat gar keine Macht; die bewaffnete Menge stürzt ungestraft alle seine Urteile um. Das ist die allergerechteste Vergeltung, dass sich die Frechheit nun gerade gegen das Parlament wendet, das zuerst diese Straßenaufläufe veranlasste. Die Königin-Mutter ist uns so feind wir nur möglich. De Conde schweigt. Der Admiral entschuldigte sich, er wolle lieber zu Hause weiteres abwarten, als sich offenkundig in Gefahr begeben. Da er, der Graf de la Roche-Foucauld und Beza vom Mörder des Guisen als Mitschuldige genannt wurden, so haben sie gemeinsam eine Verteidigungsschrift herausgegeben, die sofort dem königlichen Rate vorgelegt wurde. Da sie aber damit noch nicht genügend alles Bedenkliche von sich abgestreift hatten, so hat der Admiral noch eine besondere Erklärung veröffentlicht. Wir senden ein gedrucktes Exemplar. Fände sich in Zürich ein guter Übersetzer, so wäre sehr zu wünschen, dass die Schrift auf nächste Messe deutsch ins Publikum käme. Das Buch wäre gut verkäuflich, so dass der Drucker nicht den geringsten Verlust zu befürchten hätte; doch tut Eile not. Wir vertrauen die Sache deiner und deiner Kollegen Klugheit an; hältst du es für gut die Schrift erscheinen zu lassen, so findet sich wohl auch die richtige Art und Weise. In Lyon ist noch alles ganz ruhig. Die Priester halten Maß, ja schmeicheln den Unsern sogar. Sie haben erst an einem Ort eine Messe gespielt bisher, dazu an einem ungeweihten Altar, da kein geweihter vorhanden war. In Montpellier, Nimes und anderen Städten sind die Unsern noch im Besitz der Kirchen, weil niemand von der Gegenpartei sie zurückzuverlangen wagt. In der Normandie wird Le Havre-de-Grace, das die Engländer besetzt haben, belagert.

Das ists, was ich eben der frühern Botschaft beizufügen habe. Ich bitte dich und Herrn Gwalther, lasst Euch den Druck der Verteidigung [Colignys] angelegen sein, wenn die Zeit noch reicht und ein guter Drucker sich anbietet. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Alle deine Kollegen grüße von mir und meinen Brüdern, wie auch deine Familie. Der Herr sei mit Euch; er leite Euch mit seinem Geiste und segne Euer Wirken.

Genf, 19. Juli 1563.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (735).

Nr. 735 (C. R. – 3974)

Vgl. 728.

Von Calvins Krankheit und der Lage in Frankreich.

Die Gedankenlosigkeit eines guten, aber etwas unbedachten Mannes zwingt mich, dir diesen Brief in aller Eile zu diktieren; er wollte nämlich seine Söhne nach Zürich schicken und machte mich erst auf ihre Abreise aufmerksam, als sie sich eben aufmachen sollten. Ich bin jetzt einen großen Schmerz losgeworden, seitdem ich einen fast haselnussgroßen Blasenstein herausgebracht habe. Da mir die Harnbeschwerde sehr lästig war, war ich auf Rat des Arztes ausgeritten, damit das Schütteln hülfe, den Stein heraus schaffen. Als ich heimgekommen war, kam statt des Urins trübes Blut. Am nächsten Tag rutschte der Stein aus der Blase in die Harnröhre; das machte noch ärgere Schmerzen. Mehr als eine halbe Stunde versuchte ich, durch Schütteln des ganzen Körpers ihn loszuwerden. Ich erreichte nichts damit, bis ich warmes Wasser zu Hilfe nahm; die Harnröhre war im Innern ganz wund, so dass reichlich Blut floss. Jetzt scheint´ s mir, ich lebe erst wieder, seit ich zwei Tage Ruhe habe.

Von der Lage Frankreichs wollte ich mehr schreiben, wenn ich mehr Zeit hätte. In Lyon sind die Kirchen den Messpriestern zurückgegeben worden; nur vier durften wir für uns behalten; eine davon bekamen wir dazu nur durch List unter einem falschen Vorwand. Der früherer Gouverneur [d´ Agoult] ist zurückberufen worden, ein ruhiger, milder Mann, bei den Papisten verhasst, weil er uns begünstigt. Die Frommen fassen überall wieder Mut. An manchen Orten machen aber auch die Feinde noch Unruhe, und ihr Fanatismus freut sich an Brand und Mord. Sie werden schließlich so weit gehen, dass sie spüren werden, auch ihre jetzigen Gönner seien ihre unversöhnlichen Feinde geworden. Der Connetable wird von Tag zu Tag milder. Die Königin-Mutter schmeichelt zwar dem Prinzen, aber leichtfertig und gewandt, wie sie ist, erweckt sie uns keine, auch nicht die geringste Hoffnung. Wenn auch kein Funken von Ehrlichkeit in ihr ist, so erwiese sie sich doch gefällig, wenn sie sähe, dass sie es mit einem tapfern, hochherzigen Manne zu tun hätte. Das Pariser Parlament hat schließlich die Mitglieder, die geflohen waren, wieder aufgenommen; aber viele haben abgedankt, d. h. sich mit Geld losgekauft. Der Kanzler nimmt dies sehr übel; denn er möchte möglichst viele von unsrer Partei darin haben; so hat er, soweit es in seiner Macht liegt, diese Abdankungen streng verboten. Der Admiral erholt sich noch auf seinem Schlosse; sein Bruder ist bei Hofe. Der Connetable ließ sich schließlich mit Mühe von dort losreißen, um seine Truppen gegen die Engländer zu führen. Wenn nicht bald eine Änderung eintritt, so ist nichts schändlicher als de Condes Schwäche und Feigheit. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Der Herr erhalte dich gesund, mache dich stets reich an seinen Gaben und unterstütze dein Wirken. Grüße alle unsere Kollegen angelegentlich; auch meine Kollegen, die eben bei mir sind und aus deren Gesellschaft ich mich ein wenig zurückzog, um dies zu diktieren, lassen Euch alle grüßen.

Genf, 2. Juli 1563.
Dein
Johannes Calvin.

Dass das Luthertum nicht in Frankreich einschleiche oder eingeschleppt werde, darüber wache ich eifrig; das darfst du mir glauben. Das geeignetste Vorgehen schiene es mir, wenn jetzt ein von mir im Namen de Condes und der andern Führer geschriebenes Bekenntnis veröffentlicht würde, das ihn bei Treuwort und Ruf behaftete und auch versuchte, die deutschen Fürsten zu uns herüberzuziehen. Ich erwarte de Condes Antwort; der Admiral drängt ihn zur Unterschrift. Wenn wir sie ihm ablocken können, so gibt uns das gewonnen Spiel. Einstweilen ist die Lage der Kirchen besser, als man glaubte, und es herrscht größere Freiheit, denn es bleibt ihnen ihr Glaube selbst unangetastet; das dem König vorgelegte Bekenntnis samt dem Katechismus ist gestattet worden. Es ist schließlich noch ein ziemliches Durcheinander; aber es ist nicht zu befürchten, die Papisten nähmen die Augsburgische Konfession an, wenn man sie ihnen auch hundertmal aufdrängen möchte.

Da meine Vorlesungen zu Jeremia auf die nächste Messe erscheinen, habe ich im Sinne, das Buch dem Pfalzgrafen zu widmen. In der Vorrede will ich die Hauptpunkte des Zwistes kurz darstellen; es wird so kommen, dass sich dann Brenz gegen mich wenden wird.

Der Vater der Knaben, die dir diesen Brief überbringen, bittet mich, sie dir zu empfehlen. Er möchte dir keine Mühe machen, sondern meint nur, wenn du dich gelegentlich erkundigen wolltest, ob sie sich recht aufführen, und danach sehen, dass sie zu ihrer Pflicht angehalten werden.
Joinvilliers lässt dich ehrerbietig und herzlich grüßen.

Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Jeanne d´ Albret, Königin von Navarra, in Bearn.

Nr. 734 (C. R. – 3961)

Die Königin hatte zur Reformation ihres Landes (vgl. 719) den Genfer Pfarrer Merlin kommen lassen und Calvin gebeten, ihr noch mehr Pfarrer zu senden; zu der Anleihe des Königs von Navarra vgl. 636.

Sendung von zwölf Pfarrern und Schuldenmahnung.

Madame, es tut mir leid, dass mich der Überbringer dieses Briefes in einer Lage gefunden hat, in der ich nicht, wie ich gewollt hätte, Ihrem frommen Wunsche nachkommen konnte. Denn ich wurde vierzehn Tage lang von einer so seltsam starken Kolik gequält, dass all meine Sinne und Geisteskräfte wie unbrauchbar waren vor heftigen Schmerzen. Jetzt hat mich das Übel zwar noch nicht losgelassen, aber doch hat es angefangen, geringer zu werden, so dass ich auf größere Erleichterung hoffen darf. Kurz, Herr Beza samt unserm Pfarrkollegium haben an meiner Stelle gehandelt; auch die gnädigen Herren der Stadt haben, als sie von mir Ihr Dankschreiben vernahmen, uns gebeten und ermahnt, alles so gut wie möglich zu besorgen. Wir haben schließlich ein Dutzend Leute gefunden. Sind sie nicht so trefflich, wie man wünschte, so bitte ich Sie, Madame, Geduld zu haben; denn das ist eben eine Ware, die man nicht immer nach Wunsch bekommt. Jedenfalls hoffen meine Kollegen, die zwölf seien so ziemlich geeignet und genügend, das Volk zu Ihrer Zufriedenheit zu unterrichten. Es bleibt nun nur noch übrig, Madame, sie ans Werk zu stellen und eine starke Hand über sie zu halten; denn Ihre Macht wird nötig sein, die Pfarrer zu wappnen und zu schirmen in den vielen Kämpfen, die ihrer warten. Dazu, wie Sie wohl wissen, Madame, müssen Sie sich selbst wappnen und schirmen mit Kraft und Festigkeit aus der Höhe, um nicht zu wanken, sondern Ihr frommes Vorhaben durchzuführen bis ans Ende. Haben Sie erst einige Ordnung geschaffen, was hoffentlich bald geschehen ist, so ersuche ich Sie untertänigst, uns unsern Bruder Merlin zurückzusenden, dessen Abwesenheit uns unserer kleinen Zahl wegen einigermaßen beschwerlich ist.

Übrigens, Madame, was die von mir erwähnte Summe angeht, so steht es damit so: Der verstorbene König, Ihr Gemahl, der sich damals noch wohl geneigt zeigte und in großer Verlegenheit war, fragte, ob man ihm nicht mit ein paar Groschen helfen könne. Ich bewirkte nur, dass man ihm von Genf bis zu 40 000 Franken versprach. Bevor man sie liefern konnte, sandte er Herrn de Maligny, den jetzigen Vidame de Chartres, nach Lyon mit dem Befehl, 25 000 Franken für gewisse Kosten, die er hatte, auszulegen, von denen ich ihm auf seine Forderung 10 000 anweisen ließ. Als es nun ans Zahlen kam, wusste ich nicht, wohin ich mich wenden sollte, denn ich bin nie ein Finanzmann gewesen; und ich kann Sie versichern, Madame, so wenig ich selbst hatte, – es ist ja fast nichts, – damals war ich ganz zu Ende damit bis auf die kleine Münze, die ich brauchte, den täglichen Bedarf zu kaufen. Aber, Gott sei Dank, schließlich kam der Beitrag zusammen, und der verstorbene König, Ihr Gemahl, der damals noch nicht abgefallen war, versprach Herrn Beza, uns zufrieden zu stellen, wie Ihnen dieser bezeugen kann. Wenn ich Ihnen nun davon schreibe, so geschieht es nicht, weil ich nur einen Groschen zurückhaben wollte von dem, was ich von dem meinigen beigesteuert habe, sondern nur, damit ich meinen Freunden gegenüber, die mir in dieser Not halfen, meine Pflicht erfüllen und mein Ehrenwort einlösen kann. Madame, ich wollte Ihre Majestät in keiner Weise damit belästigen, wenn ich nicht glaubte, Sie fänden es selbst nicht übel, wenigstens von der Tatsache unterrichtet zu sein, um nach Ihrer Freundlichkeit und wie Sie es für vernünftig halten, dafür zu sorgen. Indem ich mich Ihrer Majestät, Madame, ergebenst empfehle, bitte ich den Vater im Himmel, er wolle Sie stets in seiner Hut halten, Sie reich werden lassen an all seinen Geistesgaben und Sie wachsen lassen in allem Guten und Glücklichen.

Genf, 1. Juni 1563.

Calvin, Jean – An Abraham von Jenkwitz aus Wratislaw.

Nr. 726 (C. R. – 3942)

Abraham von Jenkwitz hatte in Bourges studiert und sich während des Krieges mit andern Studenten nach Genf zurückgezogen; vor seinem Abschied, wohl im Mai 1563, schrieb ihm Calvin folgendes ins Stammbuch:

Ein Stammbuchblatt.

Christus in Matth. 10 [34 – 36]:
Christus will nicht, dass wir wähnen, er sei gekommen, Frieden zu senden auf Erden, sondern das Schwert. Denn er ist gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater und die Tochter wider ihre Mutter und die Schnur wider ihre Schwieger. Und des Menschen Feinde, sagt er, werden seine eigenen Hausgenossen sein. Die volle Wahrheit dieses Wortes erfahren wir heute in der Tat; da müssen wir in solchen Versuchungen dem Rat Christi folgen, den er Luk. 22 [36] gibt: Aber nun, sagt er, wer einen Beutel hat, der nehme ihn, desselben gleichen auch die Tasche. Wer aber nicht hat, verkaufe sein Kleid und kaufe ein Schwert. Dazu muss aber auch das unsere Überzeugung sein, dass Christus stets bei uns sein wird bis zum Untergang der Welt, und wenn wir das festhalten, so werden wir unsere Seelen schließlich auch noch eine Weile in Geduld fassen können.

Hochberühmt sei Frankreich.
Christus ist Sieger, Christus ist König, Christus ist Herrscher.

Calvin, Jean – An Jean de Soubise in Lyon.

Nr. 733 (C. R. – 3958)

De Soubise (vgl. 721) weigerte sich immer noch, den Frieden von Amboise anzuerkennen und wollte auf eigene Faust den Krieg fortsetzen, wobei er auf Unterstützung durch die mit der Durchführung des Friedens beauftragten Grafen de Crussol und de Beauvais hoffte.

Kein Krieg auf eigene Faust!

Monsieur, Ihre beiden Briefe haben mich in so schlimmem Zustande getroffen, dass es mir nicht möglich war, sie früher zu beantworten, und jetzt noch weiß ich nicht, ob ichs zustande bringe, denn die Schmerzen oder besser die Folterqualen, einer ganz verzweifelten Kolik lassen mich nicht los. Deshalb bitte ich Sie, meine Kürze zu entschuldigen; denn die leiblichen Schmerzen haben meinen Geist ganz dumm gemacht. Wenn ich den Verlauf Ihrer Angelegenheit betrachte, komme ich immer wieder darauf zurück, zu schauen und zu erwägen, was erlaubt und dann war möglich wäre. Wollen Sie mit gutem Gewissen kämpfen, so sehe ich nicht ein, unter welchem Vorwand Sie das tun könnten, da Gott selbst Ihnen die Waffen aus der Hand genommen hat. Sich zurückzuziehen und auszuweichen, halte ich für gut, vor allem, damit Sie Zeit gewinnen, zu erfahren, was die Meinung der Herren Grafen ist, und ob sie überhaupt die Mittel hätten, Ihnen zu helfen; denn ohne Hilfe könnten Sie, glaube ich, die Sache keinesfalls durchführen. Übrigens wenn die beiden sich auch mit Ihnen verbänden, so müsste erst noch eine rechtliche Grundlage vorhanden sein; denn etwas anzufangen, ohne dazu berufen und berechtigt zu sein, könnte nie gut ausfallen. Ich sage nicht, dass sich nicht vielleicht ein guter Grund finden ließe; aber ich kenne noch keinen, und deshalb wollte ich es nicht wagen, zum Beginn des Krieges zu raten, ohne genauer unterrichtet zu sein. Auch scheinen mir die Mittel dazu durchaus zu fehlen; es müsste denn der Herr Graf de Beauvais seinen Kollegen zu etwas bringen, was man nach dem Charakter der beiden nicht erwarten darf. Ich meine ja nicht, dass Sie nun mit einem Mal den Platz räumen und sich in den Rachen der Wölfe werfen müssten; aber direkt dem Befehl des Königs zuwiderzuhandeln, das erlaubt Gott doch nicht, soviel ich sehe. So bleibt Ihnen nur übrig, zu sehen, wie weit Sie mit Ausreden gehen dürfen, sowohl in Bezug auf die Frist für die Waffenstreckung, als auch hinsichtlich der Weigerung, Herrn de Nemours als Statthalter anzuerkennen. Ich verstehe die Schwierigkeiten wohl, die Sie anführen, aber ich halte mich als einzige Antwort an das Abrahams-Wort: Der Herr wird dafür sorgen [1. Mose 22, 8]; wie uns ja auch der Apostel sagt: Gott ist getreu, der uns nicht lässt versuchen über unser Vermögen [1. Kor. 10, 13]. Einzelheiten will ich jetzt nicht berühren, nur dass es meines Erachtens gut wäre, offen an die Herren Grafen zu schreiben und sich ihnen als treuen Genossen anzubieten in allem, was sie für gut finden, damit das ihnen Mut macht. Jedenfalls haben Sie doch dem Herrn Admiral über Ihre Lage geschrieben und ihn damit aufgefordert, die Verantwortung dafür zu übernehmen und Sie davon zu befreien.

Indem ich mich, Monsieur usw.
Genf, 25. Mai 1563.