Calvin, Jean – An Antoine de Bourbon, König von Navarra, in Orleans.

Nr. 649 (C. R. – 3314)

Wen Calvin mit diesem Schreiben nach Orleans sandte, um dem König Rat zu erteilen, ist unbekannt.

Begleitschreiben für einen politischen Ratgeber.

Sire, wenn ich dächte, meine Briefe wären Ihnen nicht genehm, so wollte ich mich hüten, Sie mit Schreiben zu belästigen und zu ärgern. Aber diese Kühnheit gibt mir nur die Zuversicht, dass Sie wohl überzeugt sind von dem Respekt, den ich vor Ihnen hege, und von meinem guten Willen, Ihnen zu dienen, und deshalb es freundlich aufnehmen werden, wenn ich Ihnen davon ein Zeugnis geben möchte. Obschon ich nun wohl weiß, Sire, dass Sie meinen Rat nicht brauchen, so will ichs doch nicht lassen, Sie zu bitten, ja zu mahnen im Namen Gottes, Sie möchten Mut fassen zu stets tapfererem Kampf gegen all die Schwierigkeiten, die Sie, wie ich wohl weiß, umgeben. Tatsächlich ist es ja die Reorganisation eines solchen Reiches wohl wert, dass man keine Mühe spart, und noch viel mehr ist es Pflicht, dafür zu sorgen, dass das Reich Gottes, der wahre Glaube, die reine Lehre von unserm Heil, alles Dinge kostbarer als die ganze Welt, völlig wiederhergestellt werden. Das größte Hindernis, das Ihnen im Wege stehen könnte, scheint mir ziemlich leicht zu überwinden, wenn Sie nämlich geruhen, Sire, der Gegenpartei freimütig entgegenzutreten und sie lebhaft fühlen lassen, dass sie die Macht, die ihr nur durch Sie verliehen ist, nicht gegen Sie brauchen darf.

Übrigens, Sire, schien es mir gut und nützlich, Ihnen Mitteilung über eine gewisse Frage zu machen, damit Ew. Majestät in Ihrer Klugheit daran zu denken geruhe. Es ist zwar nicht meine Art und Gewohnheit, mich einzumischen und aufzudrängen; doch schien es mir Pflicht, den Überbringer dieses Schreibens an Sie zu senden, um Ihnen das Nähere mündlich erklären zu können, wenn Sie ihm eine Audienz zu gewähren geruhen. Indem ich mich Ihrer Gewogenheit, Sire, ergebenst empfehle, bitte ich unsern lieben Gott, Sie in seiner Hut zu halten, Sie zu unterstützen mit seiner Kraft und Sie zunehmen zu lassen in allem Guten und Glücklichen.

Calvin, Jean – An Antoine de Bourbon, König von Navarra.

Nr. 694 (C. R. – 3664)

Um seine spanischen Besitzungen wiederzuerhalten, hatte der König einen Gesandten, Francois d´ Escars, nach Rom gesandt und dem Papste angeboten, wenn er ihm dazu verhelfe, so wolle er in Frankreich den Katholizismus verteidigen, sonst werde er offen zum Protestantismus übergehen.

Scharfe Strafrede über seine Politik.

Sire, die Furcht, Sie zu belästigen, hält uns ab, Ihnen so oft zu schreiben, wie wir möchten und es vielleicht gut wäre. Aber wenn uns das das Schreiben schwer machte, so hat uns der Brief der Königin, Ihrer Gemahlin, nicht nur dazu ermutigt, sondern uns auch jede Ausrede eines Aufschubs genommen. Denn da Gott sie ganz erfasst hat, so genügt es ihr nicht, ihm auf dem guten Weg zu folgen und dahin zu gehen, wohin er sie ruft, sondern sie hat uns auch ermahnt, und zwar dringend, unser Möglichstes zu tun, um auch in Ihnen den Mut und den hohen Sinn, den Sie an den Tag legen sollten, zu steigern. Da ihr Wunsch lobenswert ist, muss er uns auch ein guter Ansporn sein. Sie nämlich, Sire, sind doch das Haupt Ihrer Gemahlin und sollten ihr ein Beispiel geben, so dass die Übereinstimmung mit Ihnen in einer so heiligen Sache sie immer mehr zur Ehre Gottes anzutreiben vermöchte. Sie haben ja wirklich schon Grund zur Freude und zum Lob Gottes, weil er Ihre Gemahlin so geführt hat, dass sie nicht mehr, wie bisher, wo sie Ihre Leitung entbehren musste, Ihnen auch keine Hilfe sein konnte, sondern sich aufrichtig bemüht, Ihnen beizustehen, wie es ihre Pflicht ist. Indessen, wie Ihre Gemahlin nun fest entschlossen ist, ihre Schuldigkeit gegen Gott zu erfüllen und die Versäumnisse der Vergangenheit wieder gut zu machen, so ist es auch Ihre Pflicht, Sire, nun rasch vorwärts zu gehen, Ihrem Stand und Rang entsprechend. Denn das ist das herrlichste aller Ihrer Vorrechte, dass Sie sich so mannhaft halten dürfen, dass die Frau, die Ihnen zu gefallen trachtet, sich doppelt freuen kann, wenn ihr Gehorsam gegen Sie, ihren Ehemann, zugleich zu Gottes Verherrlichung dient. Aber selbst wenn das alles nicht so wäre, Sire, so wären Sie Ihrer Pflicht gegen Gott nicht ledig. Aber ein solcher Vorzug verdient wohl, dass Sie ihn geltend machen und sich deswegen besonders anstrengen, wie er es andrerseits unentschuldbar macht, wenn Sie lässig vorgehen. Verzeihen Sie uns nun, Sire, wenn wir nicht verhehlen können, dass Sie bisher, was Gott mit gutem Recht von Ihnen fordert, nicht ganz erfüllt haben. Nicht etwa, dass wir die Schwierigkeiten, die Sie, Sire, von allen Seiten umgeben, nicht genug in Betracht zögen, aber wenn Sie bedenken, dass wir Sachwalter Gottes sind, so müssen Sie es in Ihrer Frömmigkeit eben leiden, dass wir, um Gottes Rechte zu verteidigen, Ihnen nicht schmeicheln. Vor allem bitten wir Sie, die Lehren des 119. Psalms recht zu beherzigen, in dem der Prophet bittet: „Nimmt ja nicht von meinem Munde das Wort der Wahrheit [Ps. 119, 43]. Damit scheut er sich erstens nicht, offen zu bekennen, dass er sich nicht stets ganz so freimütig benommen hat, wie er es zur Verteidigung der Ehre Gottes hätte tun sollen, obwohl er im gleichen Psalm [119, 16] sich einen Prediger des Gesetzes vor Königen und Fürsten nennt. Aber er weiß wohl: in einer so großen, wichtigen Sache ist auch noch schuldig, wer das Beste geleistet hat. So missfällt ihm seine Schwachheit, und er will erst zufrieden sein, wenn er noch weiter gekommen ist. Da er also zeitweilig nicht eifrig genug war, die Sache Gottes zu verfechten, so sucht er dazu Hilfe, wo wir sie allein finden können, nämlich bei Gott, der uns stärken kann durch die Kraft seines Geistes. Wie dem auch sei, jedenfalls schläft er nicht ein in seiner Gleichgültigkeit, sondern bricht mit allem Zögern als ob er nicht früh genug an das Ziel kommen könnte, nach dem er strebt. Deshalb wünscht er, Gott wolle ihn nicht in der Schwachheit lassen, die er bisher an sich kannte. Und wie er es deutlich ausspricht, dass der Glaube nicht begraben liegen darf, ohne sich vor den Menschen wirksam zu erweisen, so setzt er auch keinen Zweifel darein, dass der Glaube auch den ganzen Gottesdienst nach außen hin umfasse. Nun ists an Ihnen, Sire, zu betrachten, wir wollen nicht sagen, ob Sie auch so freimütig, wie es sich gehört hätte, Zeugnis abgelegt haben von Ihrem Glauben, sondern nur, ob Sie auch nur halbwegs dahin gekommen sind. So ists höchste Zeit zu eilen, damit nicht die Nacht komme und Sie überfalle. Überhaupt, Sire, wie viel fehlt noch, bis Sie die Sache Jesu Christi vertreten nach Ihrem Stand und Ihrer Würde, die Sie zu viel mehr verpflichten als irgendeinen Privatmann! Wenn irgendein armer Mensch niederen Standes dergleichen tut, als lasse er ruhig den Namen Gottes lästern, den Glauben schmähen, die arme Kirche mit Füßen treten, so muss er ja über sich das Urteil fällen, dass das Wort der Wahrheit nicht in seinem Munde war. Und wie steht es nun, danach gemessen, mit Ihnen, Sire, in all Ihrer Macht, Ehre und hohen Stellung, wenn Sie sich einmal, ohne sich schmeicheln zu wollen, auf eine Abrechnung mit dem einlassen, von dem Sie alles haben?

Es wäre auch feig von uns, wollten wir das Vorgehen mit Schweigen übergehen, das bei Großen und Kleinen so besonders großes Ärgernis erregt hat, nämlich die unglückselige Verhandlung, die in Rom mit Ihrem Namen geführt worden ist. Das hat ja alle guten Eiferer um Gottes Ehre und um den guten Ruf Ew. Majestät zum Erröten, Weinen und Klagen gebracht, ja vor Ärger fast bersten lassen. Sie können sich wahrlich gar nicht genug anstrengen und mühen, Sire, um diesen Fehler vor Gott und Menschen wieder gut zu machen. Wir wollen gar nicht von dem reden, den man brauchte, um dabei das Wort zu führen, denn ein guter Mensch hätte sich ja nicht gefunden, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Aber es scheint fast, als ob er und Ihre Feinde über Sie einen Triumph der Lästerung hätten davontragen wollen, wie es ja auch geschah, indem sie eine solche Schändlichkeit noch drucken ließen, die nur schon allzu weit herum bekannt geworden war. Wir sehen wohl, Sire, was Sie dazu gebracht hat; aber sei es, dass die Verlegenheiten, in denen Sie sich momentan befanden, Sie nachgiebiger machten, als Sie selber wollten, oder sei es, dass Sie auf Ihre persönliche Sicherheit Rücksicht nehmen wollten, um den Ränken Ihrer Feinde zu entgehen, oder sei es schließlich, dass nur die Hoffnung auf Wiedererlangung Ihres Besitzes Sie angezogen hat, so gilt doch alles das, Sire, nicht vor Gott, um Sie los zu sprechen. Tatsächlich, was wäre es auch, wenn man Ihnen sagte, man wolle Ihnen die ganze Welt geben, aber Sie müssten dem huldigen, der nichts kann, als Böses tun? Verzeihen Sie der Notwendigkeit, Sire, die uns zwingt, so mit Ihnen zu reden; denn wir sind um Ihr Wohl besorgt, ja um noch etwas viel Größeres und Wichtigeres, nämlich um die Ehre Gottes und die Förderung des Reiches Jesu Christi, auf dem Ihr und aller Menschen Wohl beruht. Ja, Sire, wenn wir Sie bitten, fortan tapfer aufzutreten mit einem ehrlichen, lauteren Bekenntnis des wahren Christentums, so tun wir das nicht, weil wir all die Kämpfe und Schwierigkeiten, die man Ihnen fortwährend bereiten wird, nicht sähen. Auf den Bann müssen Sie sich mindestens gefasst machen. Aber man hat ja doch allen Grund, im Dienst dessen, dem man alles schuldet, nichts zu sparen. Freilich, Sie können nie zu dem festen Entschluss kommen, zu wandeln, wie Gott Sie ruft, bis Sie gelernt haben, sich auf seine Verheißung zu stützen; aber doch hält er Ihnen schon vorher die Hand hin, um Sie auf allerlei Weise zu unterstützen. Denn stehen auf der einen Seite Drohungen, Gefahren und Schrecken, so sind dafür auch gute Mittel da, die Ihnen sofort zu Gebote stehen, wenn Sie sie annehmen wollen. Selbst wenn Ihnen alles verschlossen wäre, Sire, so müssten Sie doch nach dem Worte Davids handeln, dass Gott den Seinen Füße gibt gleich den Hirschen, damit sie über hohe Mauern springen können [2. Sam. 22, 30, 34]. Wenn Ihnen aber Gott entgegenkommt und Ihnen Türen zeigt, so bitten wir Sie, Sire, versäumen Sie nicht einzutreten und benutzen Sie die Gelegenheit, die man sich auch nach dem allerweltlichsten Sprichwort nicht entwischen lassen darf. Denn wiewohl die weltliche Politik weite Umwege macht, – Gott will, dass man in der Verteidigung seiner Sache offener vorgeht, und die Methode des Zauderns, die Sie bisher befolgt haben, Sire, gilt in seiner Werkstatt nie für die rechte.

Das soll Sie nun aber nicht zu überstürztem Handeln verleiten. In einzelnen ist sogar ein unbedachter Übereifer, den wir nicht billigen und den wir gerne dämpfen möchten, wenn wir könnten. Da wir aber dazu nichts tun können, so bitten wir Ew. Majestät, ihn auch ertragen zu wollen. Ja, wir meinen, Gott habe, um die Trägheit der Großen zu bestrafen, die Kleinen so vorwärts dringen lassen, dass es heute sehr schwer wäre, sie zum Zurückweichen zu bringen. Hat es ihm nun gefallen, so zu wirken, und das umso mehr, als die Bösen ihm zu widerstreben suchen, so sollte das Sie, Sire, umso mehr anspornen, die schwachen Werkzeuge, in denen schließlich doch die Kraft des heiligen Geistes zutage tritt, nützlich zu verwerten. Wir haben wirklich alles getan, dass man sich mit nichtöffentlicher Predigt in den Häusern begnüge; wenn wir nun sehen, dass es doch anders gekommen ist, so setzt uns das zwar in Erstaunen, aber wir können nicht umhin, zu glauben, Gott habe sein Wort ohne menschliche Hilfe Besitz ergreifen lassen wollen, damit der königliche Rat es nicht sonderbar finde, etwas bereits Bestehendes zu erlauben und zu dulden. Wie dem auch sei, Sire, da Sie durchaus loyal denken und so vollkommen, wie man es nur wünschen kann, für Glück und Ruhe des Königs und das Gemeinwohl Frankreichs besorgt sind, so ersuchen wir Sie, mit Eifer und warmem Herzen dahin zu wirken, dass Gott verherrlicht werde, indem Sie selbst offen allem Aberglauben und Götzendienst absagen und sich so als Beschützer der armen Kirche zeigen, damit sie nicht mehr so hart verfolgt werde. Denn wenn auch Teufel und Welt vor Wut schäumen, – diese Freiheit, welche die Gläubigen bekommen werden, Gott zu dienen, wird bei ihm erwirken, dass der König friedlich über alle seine Untertanen herrschen kann und auch Sie Ihre Stellung behaupten werden, sowohl in der Regierung Frankreichs, wie als Vorsitzender des Kronrats, wie auch als König Ihres eigenen Gebiets. Indem wir uns damit, Sire, der Gewogenheit Ew. Majestät untertänigst empfohlen halten, bitten wir den lieben Gott, er wolle Sie in seiner heiligen Hut halten, Sie stärken mit unüberwindlicher Kraft, Ihnen Klugheit und Geschick geben zu jedem Vorgehen und Sie mehr und mehr in seiner Gnade wachsen lassen.

[24. Dezember 1561.]

Calvin, Jean – An Antoine de Bourbon, König von Navarra, in Paris.

Nr. 675 (C. R. – 3502)

Vgl. 673. Ein Edikt vom Juli 1561 verbot nach mehreren früheren Toleranzedikten alle evangelischen religiösen Versammlungen von neuem, bis zur Entscheidung durchs Konzil. Über Baudouin vgl. 497.

Warnung vor den deutschen Lutheranern.

Sire, die kläglichen Nachrichten von der Lage Frankreichs zwingen uns, Ihnen zu schreiben, Sie möchten die Augen auftun, damit Sie sehen, was Ihnen längst bekannt sein sollte. Denn die Allerblindesten können es ja mit Händen greifen, welche Ränke und Intrigen gesponnen worden sind, zu zerstören, was so wohl begonnen war, von einem Tag auf den andern die schönen Beschlüsse umzustürzen und die Verhältnisse wieder so zu gestalten, dass Jesus Christus und sein Evangelium bald ausgerottet wären. Doch wird er seiner nicht spotten lassen und die Schlauen im Netze fangen; indessen aber ist es Ihre Pflicht, Sire, nicht zu erlauben und zu dulden, dass Gottes Wahrheit so offenkundig verraten wird. Sie haben vielleicht gedacht, durch Nachgeben zu gewinnen; aber die Übelstände wuchern fort und greifen nur zu sehr um sich, und wenn Sie sich nicht in acht nehmen, so können in kürzester Zeit größere Unruhen entstehen, als Sie denken, und dann wird man nicht mehr helfen können; denn dann wird Gott handeln zur Strafe der Nachlässigkeit derer, die ihre Pflicht nicht taten nach ihrem Rang und Stand, auf den er sie gestellt hatte. Reden wir auch ein wenig scharf, so glauben Sie uns, Sire; jetzt ist es Zeit dazu oder nie.

Wir haben auch von anderer Seite gehört, dass der Herzog von Württemberg, aufgestiftet von solchen, die wir nicht zu nennen brauchen, Sie aufgefordert hat, für die Annahme des Augsburgischen Bekenntnisses in Frankreich zu sorgen. Setzen Sie den Fall, Sire, man gewährte diesem Manne einen solchen Schauplatz, um seine Rolle darauf zu spielen, [welche Folgen das hätte!] Aber bedenken Sie auch, – im Namen Gottes bitte ich Sie darum, – wie ist das Glaubensbekenntnis, das die französischen Kirchen anzunehmen und zu halten beschworen haben, gültig gemacht worden? Und selbst wenn es diese Besiegelung durch Märtyrerblut nicht hätte, – es ist aus dem reinen Gotteswort ausgezogen und ist dem König und seinem Kronrat vorgelegt worden, und so könnten Sie es gar nicht aufheben oder nur verändern, ohne dass Gott sich Ihnen entgegenstellt und Ihnen in der Tat zeigt, dass er Glauben und Gehorsam will. Was das Augsburgische Bekenntnis angeht, wie kann der Herzog von Württemberg wagen, Sie um seine Annahme zu bitten, da er und seinesgleichen den Verfasser des Bekenntnisses, Melanchthon, verurteilen? Doch lassen wir den Herzog aus dem Spiel, da man ihn ja doch nur eine Rolle spielen und von Dingen reden lässt, von denen er nichts versteht. Tatsache ist, dass die, die sich zu dieser Partei zählen, untereinander stehen wie Hund und Katze. Wir müssten uns sehr irren, wenn der, der Ihnen den Brief brachte, nicht der Neffe eines gewissen Vergerio wäre, eines Ausländers aus Italien und eines Betrügers, wie es keinen frecheren gibt. Auch ist noch ein andrer Kerl dabei, der sich Baudouin nennt, der schon drei- oder viermal von Jesu Christo abgefallen ist und sich vielleicht doch bei Ihnen so eingeschmeichelt hat, dass Sie sich von ihm betrügen lassen könnten, wenn man Sie nicht vor ihm warnt. Wir bitten also Ew. Majestät, auf der Hut zu sein unter so vielen Schlingen, und ersuchen Sie auch von neuem im Namen Gottes, Sire, sich weder an dem noch an jenem Punkt wankend machen zu lassen, damit Gottes Wort in seinem ganzen Umfang gewahrt werde, was nur geschieht, wenn man ihm seine Einfachheit lässt. Denken Sie auch an das Sprichwort „um sie in den Ofen zu schieben, macht man die Brötchen spitzig“ und verwerfen Sie die, die Sie zu allerlei Verkleidungen verführen wollen. Denn wiewohl man Ihnen auf den ersten Blick das oder jenes glaubhaft machen könnte, so erklären wir Ihnen in Kraft dessen, der uns Macht gibt zu reden: es wird schlimm ausgehen, und wir warnen Sie zur rechten Zeit, Sire, aus Furcht, Sie könnten es sonst erfahren.

Sire, dem – – – – – –

[August 1561.]

 

Calvin, Jean – An Antoine de Bourbon, König von Navarra, in Paris.

Nr. 663 (C. R. – 3393)

Der König von Navarra hatte sich am Hof in ein Fräulein der Königin-Mutter, Mademoiselle du Rouet, verliebt, und Katharina begünstigte nun dieses Liebeshandel, um ihn von der Politik abzuziehen. Vgl. Nr. 664.

Ernster Mahnbrief über des Königs leichtfertiges Leben.

Sire, obwohl Sie durch den Brief, den Sie neulich mir zu schreiben geruht haben, mir die Erlaubnis und die Kühnheit gaben, fortzufahren mit Ermahnungen, wie es die Notwendigkeit fordere, so hätte ich doch gewünscht, nicht auf eine Sache eingehen zu müssen, die Ihnen möglicherweise auf den ersten Blick nicht sehr angenehm ist. Aber ich bitte Sie, Sire, daran zu denken, was St. Paulus sagt, dass wir etwa gezwungen sind, die zu betrüben, die wir erfreuen möchten [2. Kor. 7, 8, 9], und dass das, – selbst wenn Sie einige Zeit erzürnt sind, – nur geschieht, um Ihnen hundertmal mehr Befriedigung zu schenken, als wenn man Sie in Ruhe und damit in tödlichen Schlaf sinken ließe. Tatsächlich, Sire, werden Sie nach Ihrer Klugheit selbst einsehen, dass es Verrat und Untreue wäre, wenn ich, redend im Namen Gottes, der auch die Könige nicht zu schonen befiehlt, Ihnen nicht freimütig zeigte, was nicht verhehlt werden kann und darf. Ich weiß wohl, wie viel Takt und Vorsicht man braucht, um nicht frech und willkürlich in Dinge vorzudringen, die uns unbekannt sein sollten. Die Mahnung aber, die ich an Sie zu richten habe, bezieht sich auf etwas, was nur zu verbreitet ist, mehr als ich wünschte. St. Ambrosius beklagt sich irgendwo mit Recht, die Leute duldeten es, dass die Kinder hören und sehen und reden, während sie die Diener Gottes gerne taub, blind und stumm hätten, obwohl diesen doch die besondere Aufgabe anvertraut ist, aufzumerken, zu wachen, anzuklagen und wie mit Trompetenton zu rufen. Ich hoffe, Sire, und bin überzeugt, dass Sie nicht zu diesen Leuten gehören; vielmehr werden Sie es merken, dass ich nicht leichtsinnig bewogen worden bin, Ihnen zu zeigen, welche Angst mich erfasste bei der Kunde, Sie seien durch ein sehr schlechtes Mittel gewonnen worden, vielen Dingen zuzustimmen, denen Sie steif und fest hätten widerstehen müssen. Ich schreibe Ihnen, Sire, nur das allgemeine Gerücht, aber zu einer zu großen Zahl von Menschen ist es gekommen. Man munkelt nämlich davon, dass tolle Liebesgeschichten Sie hindern oder wenigstens kühl machen für Ihre Pflichten, und dass der Teufel Helfershelfer hat, die weder Ihr Wohl noch Ihre Ehre im Auge haben, sondern die Sie durch solche Verlockungen an sich zu fesseln suchen oder doch Sie zahm machen wollen, um sich Ihrer in aller Ruhe zu ihren Ränken und Listen bedienen zu können. Wenn Sie erzürnt sind, Sire, dass man solches von Ihnen glaube, so bitte ich Sie, an viele Jugendtorheiten zu denken, die dazu den Anlass bieten. Ich bitte Sie immer wieder, Sire, wohl zu merken, was St. Petrus sagt: „Es ist genug, dass wir in der vergangenen Zeit unseres Lebens wandelten in Begierden, Lüsten und Unzucht der Ungläubigen“ [1. Petr. 4, 3]; denn, Sire, wenn Sie nicht mehr darin befleckt sein werden, so wird das nicht allein begraben sein vor Gott und seinen Engeln, sondern auch in Vergessenheit geraten vor der Welt. Umgekehrt aber lässt Gott zu, dass, wenn man zurückfällt ins Böse, auch schon Abgetanes wieder auflebt bei den Menschen, und er vor allem bringt es wieder ins Gericht. Ich bitte Sie also, Sire, im Namen Gottes, aufzuwachen zu klarem Erkennen, und zu wissen, dass die größte Tapferkeit, sie Sie haben können, die ist, zu kämpfen gegen Ihre Neigungen, die weltlichen Vergnügungen sich zu versagen, die Begierden zu bändigen, die Sie zu Beleidigung Gottes verführen, unter den Fuß zu treten die Eitelkeiten, die uns irreführen, ehe wir es uns versehen. Denn wie schwer es sein mag, sich bei dieser Stellung auf königlicher Höhe im Zaum zu halten, so ist doch die Freiheit, die die Großen in Anspruch nehmen, desto weniger zu entschuldigen, da Gott sie umso mehr verpflichtet hat. Es muss das Wort unseres Herrn Jesu gelten, dass die Rechenschaft von einem jeden gefordert wird nach dem, was ihm anvertraut ist [Matth. 25, 14]. Ja, ich bitte Sie, Sire, dies jetzt wohl anzuwenden zu Ihrer Belehrung; denn außer den andern so außerordentlichen Gnaden, die Ihnen früher zuteil geworden sind, sind Sie von neuem zu einer Stellung gekommen, die Sie mehr als je bestimmen muss, mit größter Sorgfalt auf der Hut zu sein. Denn nicht nur haben Sie Ihre Aufgabe im Staatswesen zu wahren, sondern Gott hat Sie eingesetzt wie einen Vater, alle armen Gläubigen zu trösten und ihnen zu helfen, dass sie in Freiheit ihm dienen und ihn rein verehren können; ja er hat Sie, was noch mehr ist, gemacht zum Anwalt seiner Wahrheit, der reinen, wahren Religion, des höchsten Rechts, das ihm zukommt, nämlich dass man ihm gehorche und nach seinem Willen lebe. Das ist schon eine so schwere Last, dass kein Geschöpf ist, das sie ohne Beschwerde trägt, und der Teufel macht noch soviel Schwierigkeiten, dass einer schon von der besonderen Gnade Gottes unterstützt sein muss, um durchzukommen. Umso mehr ziemt es sich für Sie, Sire, sich anzustrengen, damit Sie alle innern Hindernisse loswerden und so freier sind zur Ausführung eines so heiligen, großen Auftrags, damit Sie nicht nur von den Guten gelobt, sondern auch unsträflich erfunden werden vor dem himmlischen Richter, zu empfangen die Krone der Herrlichkeit und des ewigen Lebens, die kostbarer ist als alle Reiche der Welt. Unterdessen, Sire, obwohl ich nicht zweifle, dass Sie die Hinterhalte sehen, die man Ihnen legt, und die Netze, die gespannt sind, Sie zu fangen und zu umgarnen, und die Ränke, die man spinnt, um die Verwirrung wieder anzurichten, aus der wir entronnen zu sein glaubten, so zwingt mich doch meine Pflicht, Sie zu bitten, wachsam und bereit zum Widerstand zu sein. Sire, mich ergebenst Ihrer Gnade empfehlend, bitte ich den Herrn, Sie zu beschützen, Sie zu führen in klugem Geist, Geradheit, Standhaftigkeit, und Sie wachsen zu lassen an allem Glück zur Ehre seines Namens.

[Mai 1561.]

J. C.

Calvin, Jean – An Antoine de Bourbon, König von Navarra.

Nr. 566 (C. R. – 2885)

 

Macard hatte sich beklagt, dass der König von Navarra am französischen Hof es nicht zum offenen Bekenntnis seines evangelischen Glaubens bringe und Calvin aufgefordert, ihm zu schreiben; der andere, der ihm vorgehalten wird, ist d´ Andelot.

Ermahnung zu offenem Bekenntnis seines evangelischen Glaubens.

Sire, wiewohl es scheinen möchte, ich sollte Sie in den Wirren, die sich seit einiger Zeit erhoben haben, mit Briefen verschonen, so fürchte ich mich doch nicht, in solcher Notlage Sie im Namen Gottes zu bitten und zu ersuchen, das zu tun, was Gott von Ihnen verlangt, und hoffe, Sie werden es nicht als unpassende Zudringlichkeit ansehen, wenn ich die Sache des höchsten Königs vertrete, dem wir ja kaum den hundertsten Teil dessen erweisen können, was wir ihm schulden, auch wenn sich jeder nach Kräften anstrengt, für ihn zu wirken. Freilich, als ich überlegte, ob es wohl gut sei, Ihnen wieder zu schreiben, zögerte ich eine Zeitlang; da ich aber nichts anderes tun konnte, so entschloss ich mich schließlich dahin, es sei nichts besser, als von der Freiheit, die Sie mir durch Ihr Schreiben zu gestatten geruhten, Gebrauch zu machen, besonders da ich nicht daran zweifle, dass Sie Stärkung nötig haben in den Angriffen, die der Satan wider Sie richtet. Denn darin zeigt sich unsere Schwäche so recht deutlich, dass die Geschicktesten, wenn sie nicht von oben her gerüstet würden, zu Fall kämen. Obwohl nun diese Angriffen auf den ersten Blick Große und Kleine erschrecken könnten, so bitte ich Sie sehr, Sire, des schönen Anfangs zu gedenken, den Gott gemacht hat zur Förderung der reinen Wahrheit seines Evangeliums; da er nun gerade Ihnen dazu Gelegenheit bietet, so will er gewiss prüfen, wie groß Ihre Liebe zu ihm ist, und wenn Sie bisher schweigen durften, so fällt eben jetzt jede Entschuldigung dafür dahin, da Sie Gott sozusagen an der Hand nimmt und von Ihnen fordert, dass Sie sein Zeuge werden. Ich weiß wohl, wie bedeutsam ein Bekenntnis, das Sie ablegen, sein könnte, dass es Sie schädigen könnte in Ihrer persönlichen Stellung, Ihrer königlichen Würde, an Ehre und Besitz; aber wie dem auch sei, so müssen Sie darauf bestehen, Sire, was Sie dem schuldig sind, von dem Sie alles, was Sie besitzen, haben und noch viel Besseres erwarten, nämlich ein Erbe im Himmel. Ihre hohe Stellung, das wissen Sie, enthebt Sie des Gesetzes und Gebotes nicht, das allen Gläubigen gilt, festzuhalten an der Lehre unseres Herrn Jesu Christi, in der all unser Glück und unsere Seligkeit liegt. Ja, je höher Sie über den andern stehen, Sire, umso mehr müssen Sie sich Mühe geben, den Weg zu weisen einem großen Volke, das seine Augen auf Sie gerichtet hat; denn Sie wissen, nach dem Maß seiner erhaltenen Gnadengaben muss ein jeder Rechenschaft ablegen.

Denken Sie daran, Sire, wie viele Menschen alle Rücksicht auf die Welt unter sich treten wollten, wenn Sie den Einfluss, den Gott Ihnen gegeben hat, zur Geltung bringen könnten. Tatsächlich zeigt ja auch eben die Standhaftigkeit eines Mannes, der zwar weit unter Ihnen steht, aber doch zwischen Ihnen und dem gewöhnlichen Volk eine Mittelstellung innehat, einem jeden durch das Beispiel, was seine Pflicht ist. Die geringen sehen ein solches Vorbild und entfachen daran ihren Mut. Seinesgleichen und wer ihm nahe steht, muss sich angetrieben fühlen, ihm Gesellschaft zu leisten. Sie aber, Sire, gehen ihm ja voran an Ehre und Rang und müssen deshalb mindestens ebensoviel Tapferkeit zeigen und sich nicht schämen, teilzuhaben an der Schmach Christi, da um seinetwillen gebrandmarkt zu werden ehrenvoller ist als alle weltlichen Ehren. Ich bin sicher, dass viele Ihnen den Rat geben werden zu schweigen und ruhig zu sein, da ja eine offene Erklärung Ihnen nichts nütze. Sind aber, wie es im Psalm steht, die Gebote Gottes Ihre Ratgeber, so hören Sie mehr darauf, Sire, und halten Sie sich daran, was Ihnen darin gezeigt wird, nämlich Zeugnis abzulegen für das Wort Gottes auch vor den Königen, selbst wenn sie nichts davon hören wollen. Ich weiß nicht, wie weit Sie sich schon haben ziehen lassen, Sire; aber ich bitte Sie, wenn Sie zu schwächlich begonnen haben, wie uns ja häufig die ersten Kämpfe noch nicht recht gerüstet finden, so fassen Sie nun Mut und verlassen Sie sich im übrigen auf den, dessen Sache Sie führen, dass er einem hochgemuten Wagnis auch guten Erfolg geben wird, wie ja gewiss die Feinde Gottes umso kühner werden und umso mehr sich verstocken in ihrem Hochmut, wenn sie meinen können, es sei ihnen gelungen, Sie durch Einschüchterungen schwach zu machen.

Ich meine damit nicht, Sire, dass Sie sich verlassen sollen auf das, was die Welt von Ihrem hält, und sich damit stärken sollen, sondern ich will Sie nur im Namen Gottes ermahnen: Überlassen Sie sich ganz ihm, stützen Sie sich auf seine Kraft, verlassen Sie sich auf seine Hilfe, bergen Sie sich unter seinem Schutz, aber bringen Sie ihm auch als Opfer dar den Einfluss, den er Ihnen gegeben hat, indem Sie ihn brauchen und ganz seinem Dienste widmen. Wenn Sie so freimütig vorgehen, so zweifeln Sie nicht daran, Sire, dass er die Sache in seine Hand nehmen wird, sei es, dass er das Herz des Königs lenkt zum Gehorsam gegen ihn, sei es, dass er nur dessen Hass mäßigt, so dass Ihr Bekenntnis einer ungezählten Schar armer Gläubiger zum Schilde wird, die auf Sie hoffen und sich wundern werden, wenn Sie ihren Hoffnungen nicht entsprechen.

Beim König und seiner Umgebung, die ihn gegen die wahre Religion aufhetzt, können Sie es, Sie mögen es machen, wie Sie wollen, doch nicht vermeiden, dass man Sie im Verdacht hat, mehr zu denken, als Sie zu sagen wagen. Deshalb stünde es Ihrer königlichen Majestät besser an, sich frei heraus zu geben, wie Sie sind, besonders wenn man deswegen in Sie dringt. Aber nochmals, wenn es auch nach der Welt weder nützlich noch ersprießlich erscheint, die Wahrheit Gottes zu bekennen, so haben Sie doch auf das zu achten, Sire, was der von Ihnen verlangt, der wohl wert ist, dass man Ihm ohne Widerspruch gehorcht. Erkennen Sie also, dass er Sie jetzt prüfen will in der Verteidigung der Lehre des Evangeliums zur Linderung für die armen Glieder seines Leibes, mit denen er auch Sie verbunden hat; schließen Sie die Augen für alle Hindernisse, die Sie aufhalten könnten, und tun Sie Ihre Pflicht, auf dass alle Kinder Gottes sich freuen und seinen heiligen Namen preisen können.

Sire, indem ich mich alleruntertänigst Ihrer Gnade empfohlen halte, bitte ich den König der Könige, er möge Ihnen Glück geben, Sie zunehmen lassen in allem Guten, Sie mit seinem Geiste leiten bis ans Ende und Sie in seiner heiligen Hut halten.

Den 8. Juni 1558.

Calvin, Jean – An Antoine de Bourbon, König von Navarra, in Nerac.

Nr. 549 (C. R. – 2774)

Antoine de Bourbon (vgl. 360) war durch die Prediger seiner Gemahlin Jeanne d´ Albret für die Reformation gewonnen worden. Mit dem Brief übersandte Calvin dem König seine im Jahr 1543 erschienene Schrift: „Untertänige Mahnung an Kaiser und Stände über die Notwendigkeit einer Reformation der Kirche“ (vgl. 410).

Mahnung zum Eintreten für die verfolgten Evangelischen.

Sire, da ich gehört habe, dass Gott Ihnen in seiner Gnade näher als je getreten ist und Sie geradezu gewiss gemacht hat der reinen Wahrheit des Evangeliums Christi, unseres höchsten Königs, so bin ich so kühn, an Sie zu schreiben, in der Hoffnung, dass Sie aus Ehrfurcht vor dem Herrn, dem ich diene, geruhen werden, diesen Brief anzunehmen. Darin biete ich mich zugleich Ihnen an zu jedem Dienste, zu dem Sie mich brauchen wollen, und möchte damit in Treuen bezeugen, dass es mir, wenn ich auch keine Gelegenheit habe, in der Tat zu zeigen, wie sehr ich der Ihrige bin, doch dazu an Mut nicht fehlt. Da ich auch gehört habe, dass Sie mir in Gnaden wohl gewogen sind, so hat mich das noch mehr ermutigt in meiner Zuversicht, gute freundliche Aufnahme bei Ihnen zu finden. Ja noch mehr, ich bin überzeugt, sobald Sie sehen, dass mein einziger Wunsch ist, Gott möge an Ihnen verherrlicht werden zum Heil und Nutzen Ihrer Seele, so werden Sie sich auch willig von mir ermahnen lassen im Namen dessen, der bei Ihnen alles gilt. Denn je schwerer die Aufgabe der Fürsten und Könige ist, umso nötiger haben sie es, an ihre Pflicht erinnert zu werden. Deshalb hat auch Gott ausdrücklich befohlen, dass die Könige noch eifriger als die gewöhnlichen Menschen sein Gesetz beachten sollen; denn wenn Gott sie durch ihren hohen Rang tatsächliche näher zu sich stellt, so verpflichtet er sie damit auch, je und je mit wachsendem Eifer ihre Pflichten gegen ihn zu erfüllen, wie es ja auch Unvernunft wäre, wenn die irdischen Fürsten, die doch nur seine Diener und Statthalter sind, Gehorsam forderten, und er, der das Weltregiment führt, um sein Recht betrogen würde. Nun ist es augenblicklich mehr denn je nötig, dass sich Große und Kleine bemühen, Gott zu dienen, wie es ihm zukommt. Denn alles ist so verdorben und verdreht, dass der größte Teil dessen, was man Gottesdienst nennt, nichts ist als abscheuliche Fälschung aus des Teufels Schmiede zur Unehre des wahren Gottes. Wenn nun schon Leute niederen Standes und ohne Ansehen gehalten sind, so weit sie können und ihre geringe Stellung es erlaubt, dafür Sorge zu tragen, dass Gott rein verehrt werde, so müssen die Großen, die eine hohe Stellung einnehmen, sich doppelt anstrengen, jeder nach seinem Vermögen. Bedenken Sie, Sire, wenn Gott sie auserwählt hat, ein Fürst aus einem edlen Königshaus zu sein, wenn er Sie aus der Finsternis des Aberglaubens, in der Sie steckten wie die andern, herausgezogen und Sie erleuchtet hat in der Erkenntnis des Evangeliums unseres Herrn Jesu, was er nicht allen gegeben hat, so wollte er nicht, dass der Glaube, den Sie empfangen haben, verschlossen und gleichsam begraben bleibe in Ihnen, sondern vielmehr, dass Sie ein helles Licht sein sollten, zu erleuchten Große und Kleine. Zweifeln Sie gewisslich nicht daran, dass viele auf Sie sehen und dass Gott diese Leute das sogar tun heißt, damit Sie, Sire, umso mehr angespornt werden, vielen andern den Weg zu zeigen. Einerseits erinnern Sie sich daran, wie sehr es uns am Herzen liegen muss, dass Gottes Ehre unverletzt bleibt, nach dem Psalmwort: Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen und die Schmähungen derer, die dich schmähen, fallen auf mich [Ps. 69, 10]. Deshalb muss auch uns die reine Lehre, durch die Gott gepriesen sein will, so hoch im Werte stehen, dass wir, wenn wir sie verdunkelt, ja vernichtet sehen durch Irrtümer, Missbräuche und Teufels Trug und List, uns mit Feuereifer dem widersetzen nach unsern Kräften, und wie es Gott einem jeden gegeben hat; ja der Spruch soll stets in Ihren Ohren klingen, in dem Gott sagt: Wer mich ehret, den will ich auch ehren [1. Sam. 2, 30]. Andrerseits, Sire, verdienen auch die Seufzer und Angstrufe von so vielen armen Gläubigen Ihr Gehör, damit Sie Mut fassen, ihnen zu Hilfe zu kommen und ihnen einige Erleichterung zu verschaffen, so weit es Ihnen möglich ist. Eben bietet sich dazu bessere Gelegenheit als je in der Versammlung der Reichsstände. Denn es ist doch wahrscheinlich, dass bei der Besprechung der Regierungsangelegenheiten auch die Religionsfrage nicht unberührt bleibt. Ich weiß, welch unangenehme Aufgabe es für Sie sein wird, die Sache Jesu Christi zu führen; aber wenn Sie, Sire, der Sie der Sprecher aller Kinder Gottes sein sollten, den Mund nicht öffnen, wer wird es dann wagen, den seinen aufzutun und ein Wörtlein zu sagen? Warten Sie nicht darauf, dass Gott Ihnen eine Botschaft vom Himmel schicke, sondern seien Sie fest davon überzeugt, dass er Sie durch Ihre Berufung zu so hohem Rang und solcher Stellung bereits zu seinem Zeugen und zum Anwalt seiner Sache gemacht hat. Und umso mehr muss Ihre Hochherzigkeit sich daran wagen, selbst wenn einige Schwierigkeiten dabei zu sehen und zu befürchten sind, als es Gottes Sache ist, Fürsten mit einem weiten, freimütigen Sinne auszurüsten; so verlasse ich mich auf ihn und bitte Sie dringend, sich nun mannhaft zu zeigen, da jetzt der Augenblick ist, wo es not tut, und man fürchten muss, später verschlossene Türen zu finden. Kann man auch noch nicht damit beginnen, in allem Freimut das Gute zu verteidigen und das Böse zu verdammen, so muss doch mindestens gefordert werden, dass man die Sache kennen lerne und nicht mehr so viel arme Leute verurteile auf Treu und Glauben ihrer Feinde hin. Ja mir scheint, man könne mit guten Vernunftgründen darlegen, dass es der Ruhe und dem Vorteil des Reiches nicht entspricht, mit Gewaltakten vorzugehen, da ja die Scheiterhaufen die Zahl derer, die man verfolgt, nur wachsen lassen, so dass das Blut [der Märtyrer] stets zum Samen [neuer Gläubiger] wird. Auch scheint mir, man könne, ohne den Leuten, die das Evangelium nicht schmecken mögen, Anlass zu allzu großer Aufregung zu geben, einige Punkte in den Vordergrund rücken, die nicht so sehr verabscheut werden, z. B. wenn ein Mensch sich begnüge, zu Gott zu beten und Jesum Christum als alleinigen Fürsprecher zu haben, und man töte ihn um solcher Sache willen, so sei das doch allzu streng, und man müsse fürchten, damit Gottes Zorn über das Land wachzurufen da ja doch auch die Apostel und Jünger unsers Herrn Jesu, die doch die wahren Vorbilder und Schutzheiligen der Christenheit seien, noch nichts vom Gebet zu den verstorbenen Heiligen gewusst hätten. Es gibt auch andere so schwere, ungeheuerliche Missbräuche, dass man keinen Grund hat, sie zu verschweigen, und doch, wenn es jemand wagt, auf solche Dinge hinzuweisen, so wird er gleich als Ketzer behandelt, auch wenn er sich um nichts sonst bekümmert hat, und das ist eine unerträgliche Härte.

Auch ein anderer Punkt verdient hervorgehoben zu werden; nämlich je mehr man versucht, den Lauf des Wortes Gottes aufzuhalten und alle Missbräuche aufrecht zu halten, umso mehr Leute werden irreligiös, ohne Glauben und ohne Gesetz; denn schon jetzt machen sich viele in ihrem Herzen kühnlich über das Papsttum lustig und wissen, dass es nichts ist als Unwissenheit und Torheit; aber da sie doch für ihr Leben fürchten, so verwerfen sie jede bessere Belehrung, und wahrhaftig, wenn man dem nicht zu rechter Zeit entgegentritt, so wird man zu seinem Staunen mit einem Mal ganz Frankreich von dieser Sucht erfasst sehen. Wollte Gott, dass nicht gerade die, die am grausamsten sind, die armen Leute hinzumorden, solche Verächter Gottes und Spötter über alle Religion wären! Es wäre wünschenswert, dass der König daran erinnert würde, wenn er fortfahre, die armen, einfachen Leute zu unterdrücken, die aus wahrem Eifer und Gottesfurcht nicht sind wie die andern, so sei zu befürchten, dass solcher böser Wurmfraß das ganze Land befalle und einnehme und es dann zur Heilung zu spät sei.

Ich wünschte sehr, Sire, Ihre Geschäfte erlaubten Ihnen, eine kleine Schrift zu lesen, die ich vor zwölf Jahren verfasst habe, als die Stände des deutschen Reiches wegen des Glaubenszwistes versammelt waren. Ja, ich wage es, Sie zu bitten, sich die Muße zu einer raschen Durchsicht zu nehmen, damit Sie besser darüber unterrichtet sind, welches Vorgehen wohl am ehesten einzuschlagen ist. Nicht als ob ich mir anmaßte, Ihnen Vorschriften machen zu wollen, sondern nur, weil ich der Zuversicht bin, dass Sie es nicht verschmähen werden, durch mich oder jemand sonst zu lernen, was der Wille dessen ist, dem Sie in allem und überall gefallen möchten, damit Sie sich darnach richten können.

Sire, indem ich mich ergebenst Ihrer Wohlgewogenheit empfehle, bitte ich unsern lieben Gott und Vater, er wolle Sie behüten, Sie leiten mit dem Geist der Weisheit, Geradheit und Festigkeit und Sie stets fort glücklicher werden lassen.

[14. Dezember 1557.]
J. Calvinus.