Heinrich von Zütphen an Gerhard Hecker

13.12.1523

Dem ehrwürdigen und christlichen Vater Magister Gerhard Hecker, Gelehrten in der evangelischen Lehre und standhaften Bekenner ohne Ansehen der Menschen.

Christus lebt, Christus wird siegen, Christus regiert!

Ich habe, ehrwürdiger Vater, heute am Tage St. Luciä deinen Brief erhalten, in welchem du Glück wünschest zu dem Wachstum des Wortes zund erzählst, welch eine Schein-Reformation durch ein zukünftiges Konzil von der römischen Kurie ausgehe, auch meine Meinung über ein solches Erzeugnis erbittest und nach meinem Befinden fragst. Ueber den römischen Papst und den gesamten Körper des päpstlichen d.h. antichristlichen Reichs kann ich nichts anderes als Untergang und Sturz zum äußersten Abgrund weissagen. Denn angefangen hat die Rache über das Blut der Heiligen, welches vergossen ist vor dem Angesicht des Herrn, und seine Hand wird nicht säumen, ein schnelles Seelenverderben über seine Feinde zu führen.

So sehr bin ich gewiß, daß die sogenannte „geistliche“ Herrschaft des römischen Reiches die Macht der Finsternis, das Reich der bösen Geister unter dem Himmel, der äußerste und letzte Feind Christi ist und daß sie in zwiefachem und völligem Widerspruch steht zu allen christlichen Einrichtungen, als ich von meinem Leben gewiß bin. So mögen sie denn beraten und wieder beraten, sich ausdenken und hervorbringen wie viel an Plänen sie wollen, sie werden damit nichts ausrichten fürs Evangelium, welches sein Zeugnis nicht von Menschen nimmt, denn es hat ein Zeugnis, das größer ist als des Johannes Zeugnis, sondern nur für ihre eigenen „heiligen“, das heißt von Allen zu verabscheuenden, Dekrete werden sie alles beraten und beschließen.

Denn ich weiß, es ist die Zeit, da die auf dem Felde sind, nicht wieder heimkehren sollen etwas aus dem Hause zu holen. Vergehen mögen daher die Planmacher mit allen ihren Plänen; das Wort des Herrn, welches wir haben, bleibt ohne menschliche Planmacher und Verteidiger; es geschehe daher mit ihnen, was der 78. und der 82. Psalm weissagen.

Von Doktor Martin erhielt ich kürzlich ein tröstliches und meine Berufung bestätigendes Schreiben. Sonst hörte ich nichts Neues. Das Neue Testament sah ich, konnte aber kein Exemplar bekommen, und es giebt auch zu Wittenberg keine mehr, daher schon die zweite Auflage unter der Presse ist. Ich sah auch einige Artikel, bekam und las aber noch nicht, welche die Kurfürsten für die Befreiung Deutschlands aus der gewaltthätigen Brandschatzung der Römer an den Kaiser und den römischen Bischof sandten, aber es handelt sich dabei um zeitliche Dinge, nicht um die Freiheit des Wortes, wie du vielleicht gesehen und mit schnellem Urteil erkannt hast.

Da du dich aber nach meiner Lage erkundigst, so wisse, daß ich wider meine Erwartungen und Gedanken berufen worden, und bald nachdem ich nach Bremen gekommen, von den Brüdern aufgefordert bin, einmal und dann mehr ihnen das Wort zu verkünden. Als ich diesen, christlicher Liebe gemäß, zu Willen war, wurden bewegt und aufgeregt die Obersten der Priester und Pharisäer; man führt mich vor die Versammlung der Kanoniker und befiehlt mir nicht mehr zu predigen. Als ich dann geantwortet, ich müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen und wolle denen, die da bitten, das Wort nicht verweigern, da hebt die Verschwörung an und eine schwere Klage wird dem Erzbischof zugestellt. Unterdessen fahre ich, ihrer Forderung gemäß, täglich in der Verkündigung des Wortes fort, wobei mir vom Magistrate der Stadt öffentlicher Schutz gewährt wird. Bald, nachdem acht Tage vergangen, schickt der Erzbischof eine Gesandtschaft nach Bremen, und es werden die auf Grund des gelobten Eides zusammenberufenen Bremer beschworen, den Feind der heiligen römischen Kirche, der zugleich sein eigener Feind ist, in die Hände des Bischofs zu übergeben. Die Häupter der Stadt werden berufen, antworten aber mit einer Stimme, sie würden mich nicht eher entlassen, bis sie mich durch die kanonischen Schriften überführt sähen.

Da machten die erzürnten Obersten der Priester den babylonischen Feuerofen in der Brust des Bischofes siebenmal heißer, als er zu sein pflegt, und nachdem darauf ihre Patrizier und adeligen eingeladen worden, nämlich die benachbarten Bischöfe, auch die Kanoniker von Lübeck und Hamburg, werden die Bremer mit der größten und kaum glaublichen Angeberei angeklagt und zur Verantwortung gezogen, und sollen den Augustiner dem Gerichte stellen. Die Unsern kommen zur Versammlung und hören die schwere Anklage, vor allem daß sie auch jetzt zum zweiten Male den Feind ihres Fürsten und Oberhirten nicht herbeigeführt hätten. Als sie dann antworteten, sie würden den mir zugesagten öffentlichen Schutz nicht eher verletzen, als bis sie mich überführt sähen, da begann jener wie ein Unsinniger sich selbst zu verfluchen, indem er schwor, er wolle eher Leib und Leben hingeben als diese Beleidigung ungerächt hingehen lassen; endlich aber milder gestimmt, bewilligte er einen Stillstand von zwölf Tagen Bedenkzeit, daß sie entweder indessen seinen Feind auslieferten, oder aber die Feindschaft ihres Bischofs zu kosten bekämen. Das ist es, was ich von der Sache weiß. Was weiter geschehen wird, weiß der Herr, nicht ich; dies aber weiß ich, daß Christus mir ein Helfer sein wird; wer den Höchsten seine Zuflucht sein läßt, dem wird kein Uebel nahen. Er wird uns nicht versucht werden lassen über unser Vermögen u.s.w. Deßhalb werde ich den Platz nicht verlassen, vom Evangelium werde ich nicht schweigen, bis ich den Lauf dieses Lebens vollendet habe. Aber freilich bitte ich, ehrwürdiger Vater, um Deine und aller der Deinen Fürbitte, insbesondere daß der Herr meinen Glauben vermehre und alles Vertrauen auf den fleischlichen Arm wegnehme; sehr hänge auch ich Ungläubiger vom Menschen ab, welches Uebel durch die täglichen Anfechtungen in mir schon ausgetrieben zu werden beginnt. So oft Du daher zu Christo betest, wollest Du auch dieses armen Sünders vor ihm gedenken; das begehre ich von Dir als unserm christlichsten Bruder und treuen Hirten der Gemeinde, für welchen ich auch von meiner Seite die schuldigen Bitten und Gebete darbringe. Lebe wohl und grüße den Vater Lektor auch von mir. Am Tage S. Luciä.

Bruder Heinrich von Z.

Heinrich von Zütphen
J. Friedrich Iken
Hallo 1886
Verein für Reformationsgeschichte