Einsiedel, Hugolt von – An Melanchthon, 3.2.1522

Meine willigen Dienst zuvor. Günstiger, lieber Freund. Mich langt allerlei von den Predigern zu Wittenberg an, als sollten sie sich mit ihrer Lehre nicht allewege vereinen, sondern auf einander spitzige und undienstliche Worte führen, welches von ihnen, zu voraus von denen, die da zu übergenugsamer Versorgung der Predigtstühle nicht erfordert, sich eindringen, befremdlich, in Ansehung daß sie nicht ihre Ehre, Lob oder Ruhm, sondern Besserung des Volks in Verkündigung des göttlichen Worts suchen sollen.

So ich denn berichtet, daß Magister Gabriel ((Gabriel Zwilling)) sich zuweilen mit aufrührischen Worten vernehmen lasse, mit Unterweisung, wie dieß oder das sollt und möcht durch die Gemeine geändert werden, daraus, und sonderlich von denen, die im Glauben und Geist noch unbeschnitten und ganz unfähig seind, Aufruhr, Zwietracht und Entpörung zu besorgen, wollt ich für meine Person gedachtem Gabriel nicht gönnen, daß ihm deßwegen Zumessung [Zurechnung] begegnen solle, und wäre nicht ungeneigt, ihn aus brüderlicher Liebe selbst davor zu warnen. So ich aber mit ihme nicht bekannt, habe ich bedacht, euch, bei dem er sich dieser Zeit verhalten soll, darum zu schreiben, mit Bitt, ihr wollet mit ihme davon ein Unterrede halten, und mein gut Bedenken vorhalten, daß ichs nicht gern wollt‘, daß von ihme würde gesagt, daß er Ursach zu Unwillen gebe, und Zwietracht in seinen Predigen, dazu er nicht erfordert, erreget. Wollet solches mit ihme und andern bei euch Predigern, so viel an euch, handeln, daß sie nicht ihren Ruhm, sondern Gottes Lob und der Seelen Wolfahrt suchen, sich auch zu solchen Amten nicht unberufen eindringen. Wollet solches von mir, der den evangelischen Handel auch gern fördert, und des Teufels Saamen und Unkraut, der darein gemenget, nicht willig sieht aufgehen, zum Besten vermerken. Das will ich mit Fleiß forthin um euch verdienen. Datum Eylnberg Montags nach unsrer lieben Frauen Tag, purificationis. Anno Dom. XXII.

Hugolt von Einsidll.

Einsiedel, Hugolt von – An Carlstadt

3. Februar 1522

An Doct. Karlstadt.

Mein willige Dienst zuvor. Hochgelahrter und würdiger, lieber Herr Doctor, besonder guter Freund. Es langt mich an, wie Ihr und andere, so zu Wittenberg dem christlichen Volk predigen, zuweilen der Lehr und Unterweisung uneinig, und über das Sachen vernehmen sollt, dadurch der gemeine unverständige Mann geärgert und nicht gebessert, und daß derwegen Aufruhr und Entpörung zu besorgen, wie ich aus mancherlei Ansagen gehört, daß sich allbereit an solchen viel Leut geärgert haben. Dieweil denn euch und andern, die das evangelische Wort führen, ganz geneigt, und je nichtgern erfahren wollte, daß durch Predigen Ichtes [irgend etwas] undienstlich und ärgerlicher Neuerung sollt vorgewandt werden: so ist an euch meine freundliche Bitte, ihr wollet euch in euerm Amt der Geschicklichkeit, als ich mich zu euch gänzlich versehe, halten und erzeigen, damit das gemeine Volk ncht geärgert, sondern gebessert (werde). Wo Ihr auch zu Verkündigung des Worts nicht sonderlich werdet gerufen, so wollt euch dazu nicht einlassen, damit es von etlichen nicht dafür geachtet (werde), als hättet Ihr zu Förderung eures Ruhms mehr Begier, denn der Menschen Heil und Frucht durch das Wort Gottes zu suchen. Dafür ich euch und andere aus christlicher Liebe will gewarnet haben. Wollet solche Erinnerung von mir im Guten vermerken. Das will ich freundlich verdienen. Dat. Eylnberg, Montag nach unser lieben Fr. Tag purificationis. Anno XXII. Hugolt von Einsidl.