Schenk, Simprecht an Anna Reinhard

Ich sollte Euch trösten, und kann es nicht, denn Gott allein vermag’s. Wenn ich gedenke, daß solche Leute, wie mein hochliebster. Zwingli, uns entrissen worden, so möchte mein Herz mir brechen. Tröstete mich das heilige, wahrhafte Evangelium nicht, so könnte ich’s nicht ertragen. Weil ich aber gewißlich weiß, daß, wie niemand lebendig macht, also auch niemand tödtet, als der Herr, und allein wann, wie, wo und durch wen er will, und seinem Willen niemand Einrede thun mag noch soll, so muß ich den Finger auf den Mund legen, schweigen und den Herrn loben in seinen Werken, denn sie sind Recht und Gerechtigkeit, voll Barmherzigkeit und Güte. Er, der ohne sein Vorwissen keinen Sperling in ein Garn und kein Härlein von unserm Haupte fallen läßt, wie hätte Er mögen vergessen Eures über Gold und Edelgestein edlen Mannes, der sich in seines Gottes Geschäften so ritterlich und allweg unverzagt, auch bis in den kalten Tod gehalten? Was kein Mensch gegen seinen Knecht, wie sollte es Gott thun gegen seinen so theuren Diener? – Haben Viele sich an Christi Tod geärgert, so ist es kein Wunder, wenn über Zwingli’s Fall mancherlei scharfe Urtheile sich erheben werden, auch von Etlichen, die sich evangelisch nennen. Die Welt sieht eben nur auf das Sichtbare, der Glaube aber auf das Unsichtbare. Im Sichtbaren sind viele Gottes-Feinde, in mancher Schlacht, auch in dieser, mit den Frommen einerlei Todes gestorben, verblutet und erstarrt. Im Unsichtbaren sind die, welche um der Wahrheit willen ihr Leben geopfert, durch den leiblichen Tod in’s ewige Leben eingegangen. Wer an Christum glaubt, hat das ewige Leben. Wenn mein Zwingli aber geglaubt, bezeugen seine Bücher, die bis an den jüngsten Tag reden werden, lauter und gewaltiger als des Hussen Blut. Nein, wir haben ihn nicht verloren. Wenn Ihr Euern Zwingli nicht mehr im Hause, bei den Kindern, bei Euch, auf der Kanzel, in der Lektion, bei den Gelehrten leiblich findet, so seid nicht zu viel traurig, sondern bedenket: er sei im Hause Gottes, dem triumphierenden Jerusalem, bei allen Kindern Gottes … Mußte nicht eben da, wo Christus gekreuzigt, sein Evangelium ausbrechen, nach dem Spruch der alten Lehrer: Der Gläubigen Blut ist der Gläubigen Same? Ist nicht Hussens Asche zu Konstanz nach hundert Jahren aufgegangen? So wird auch der Tod unsers Zwingli wuchern. Mag es sein, daß Etliche zu viel auf ihn gehofft und auf seine persönliche Gegenwart gebaut, und daß mein liebes Zürich sich solcher trefflicher Männer überhoben hat, so ist es auch Gnade von Gott, wenn er uns jetzt demüthigt.