Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (759)

Der achtzigjährige Farel machte sich auf, den kranken Freund zu besuchen; obwohl ihm Calvin folgendes Briefchen schrieb, kam er doch und nahm Abschied. Am 27. Mai, abends 8 Uhr, starb Calvin.

Letzter Abschied.

Lebwohl, bester, trefflichster Bruder, und wenn Gott will, dass du mich überlebst, so lebe eingedenk unserer engen Freundschaft, die, wie sie der Kirche nützlich, so auch uns im Himmel Frucht bringen wird. Mache dir keine Mühe meinetwegen; ich kann schon nur noch röcheln und warte beständig darauf, dass mir der Atem ausgeht. Genug, dass ich Christo lebe und sterbe, der den Seinen Gewinn ist im Leben wie im Tode. Nochmals lebwohl samt den Brüdern.

[2. Mai 1564].

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (569)

Nr. 569 (C. R. – 2903)

Farel hatte für einen jungen Mann, den wir nicht kennen, Calvin um Rat gefragt, ob er ihm nicht eine Frau wüsste; Calvin scheint dem Heiratslustigen selbst Auskunft gegeben zu haben. Antoine de Saussure, Sieur de Dommartin, (vgl. 347) früher Staatsrat des Herzogs von Lothringen, lebte als Refugiant in Neuchatel, später in Genf. Gaspard Carmel war ein von Neuchatel nach Paris gesandter evangelischer Pfarrer. Über die Marquise de Rothelin vgl. 529 und 537.

Calvin als Heiratsagent.

Ich hätte einige in frommer Zucht aufgewachsene Mädchen aus gutem Hause nennen können, aber da sie alle ganz arm sind, wagte ich es nicht, sie vorzuschlagen. Es fiel mir tatsächlich keine ein, die von schönem Äußern und gutem Charakter gewesen wäre und dabei vermöglich. So habe ich in meinem Briefe nur drei erwähnt; vielleicht fallen mir mit der Zeit noch andere ein. Es soll mein Bemühen sein, dass der junge Mann gut versorgt wird. Zwei junge Mädchen von schönem Äußern und mit höherer Bildung sind in Eurer Nähe, die Tochter de Dommartins und die de St.-Laurents, die zwar beide keine besonders große Mitgift in die Ehe brächten, aber auch nicht ganz nackt kämen. Wenn mir in Genf etwas Passendes in den Weg läuft, will ich dir berichten. Hättest du neulich deinen Ausritt bis zu uns ausgedehnt, so hättest du dich bequemer selbst erkundigen können. Von der Lage der Pariser Gemeinde wird dir hoffentlich Gaspard erzählen können. Vielleicht kommt in zwei Tagen auch noch ein anderer, der bei der Marquise war, von dem kannst du dann noch mehr über unsere Angelegenheiten erfahren. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Der Herr sei mit dir; er leite und segne dich. Den Brüdern viele Grüße.

1. Juli 1558.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (567)

Nr. 567 (C. R. – 2893)

Der evangelische Pfarrer La Roche-Chandieu [vgl. 556 ] in Paris war gefangen, aber durch die Fürsprache des Königs von Navarra, der ihn als zu seinem Gefolge gehörend bezeichnete, wieder freigelassen worden.

Das Evangelium am französischen Hof.

Wie unser lieber La Roche-Chandieu am Tag nach seiner Verhaftung vom König von Navarra wieder befreit worden ist, brauche ich nicht ausführlich zu erzählen. Es war bekannt, dass er aufs Geratewohl ergriffen worden war und mehr mit bloßen Vermutungen als mit gültigen Zeugnissen belastet werden konnte. So hat denn der sonst so kleinmütige Mann auf Betreiben der Evangelischen es gewagt, ihn frei zu bitten, als ob er zu seinem Gefolge gehöre; er selbst ging ins Gefängnis, um den Verhafteten herauszuführen. So sehr uns dieser an sich gute Bericht erfreut, so sehr ängstigt er uns andrerseits auch wieder, denn wahrscheinlich hat es gleich darauf wieder neue traurige Geschichten gegeben; es ist nämlich allen königlichen Beamten befohlen worden, in den Fronleichnamsprozessionen hinter dem Gott aus Brot herzuziehen, was wohl nicht alle tun werden. Freilich findet sich bei Leuten dieser Art stets irgendeine unlösbare Verschlingung mit der Welt. Ganz wenige schauen wie Abraham einfach auf Gott; viele sagen wie Lot, als er Sodom verließ: Ach, nein, Herr, ich kann mich nicht auf den Berg retten [1. Mose 19, 17 – 19]. Aber so klein die Zahl der Mutigen in diesem Stande ist, umso herrlicher zeigt sich die Hand Gottes, wenn er sie würdigt, sie irgendwie ihres doppelten Pelzes zu entkleiden, nämlich ihrer natürlichen Gemütsart und dazu noch ihrer Angst für ihre glänzende Stellung. Doch ich schreibe mehr, als ich wollte; es sollte eigentlich nur der Brief nicht ganz ohne ein Wort von mir an dich gehen. Lebwohl, bester trefflichster Bruder, samt den übrigen Kollegen. Der Herr leite, behüte und segne Euch alle bis ans Ende.

Genf, 18. Juni 1558.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (560)

Nr. 560 (C. R. – 2862)

 

Farel hatte Calvin nochmals dringend aufgefordert, den Dominikaner zu belangen. Pfarrer Toussaint in Montbeliard, der beim Statthalter, Grafen Georg von Württemberg, großen Einfluss hatte, galt wegen seiner Hinneigung zu Castellio bei Farel und Calvin bereits als Verderber der Kirche (vgl. 420, 431, 537 ). Farel hatte gefragt, ob er nach Montbeliard reisen solle, um den Grafen vor Toussaint zu warnen.

Nochmals vom Pruntruter Handel und über Toussaint.

Was du mir wegen des Pruntruter Handels rietest, habe ich so freimütig und bündig abgewiesen, um allen, die mich zu dieser Reise bewegen wollten, von vornherein die Gelegenheit dazu abzuschneiden, weil ich nicht zweifle, dass manche mir dies als Trägheit vorwerfen werden, aber doch fest entschlossen bin, nichts zu unternehmen, bis Gott uns eine andere Tür auftut. Denn da ich gewiss weiß, obwohl ichs erst spät gelernt habe, dass, was ich unternehmen wollte, durch die geheimen Ränke gerade der Leute hintertrieben würde, die du für unsere Helfer hältst, – soll ich ihnen denn mit Wissen und Willen ins Netz laufen? Es wundert mich nur, dass du, der du ihnen doch viel näher bist, das nicht siehst; es muss die Leidenschaft sein, die dich die in die Augen springenden Gefahren übersehen lässt. Auch halten mich ernste Geschäfte hier zu Hause so fest, dass du alles andere eher von unserm Rate erzwingst, als dass er mich jetzt für länger beurlaube.

Da Toussaint nicht aufhört zu wüten oder wenigstens die Kirche ebenso schändlich und grausam wie treulos zu Grunde zu richten, so sollte wirklich irgendwie Hilfe gefunden werden. Es wäre vielleicht gut, wenn du hinreisest, wenn nicht deine Unkenntnis der deutschen Sprache ein Hindernis bildete. Denn es fände sich kaum ein zuverlässiger, gewandter Dolmetscher, der den Sinn deiner Rede wiedergeben könnte; auch würde ein solches Dazwischensprechen zeitraubend sein und jedenfalls die Wucht deiner Rede in Langweile auseinander fließen lassen. Übrigens, da der Ausgang dieser Sache so ungewiss und die Notlage so dringend ist, so will ich den Herrn bitten, dass er dich lenke mit dem Geist der Klugheit und gesunder Urteilskraft und all dein Wirken segne. Alle Unsern lassen dich grüßen. Lebwohl nochmals und nochmals samt den Brüdern.

Genf, 5. Mai 1558.

Die Lage der Pariser Kirche wirst du nächstens aus einem Briefe unseres Macard kennen lernen.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (559)

Nr. 559 (C. R. – 2856)

Ein Dominikaner von Besancon hatte in Pruntrut im Berner Jura eine Schmähpredigt gegen Farel, Viret und Calvin gehalten; nun wollte Farel ihn deswegen gerichtlich belangen lassen und zwar sollten die Berner und Genfer Behörden sich beim Bischof von Besancon beschweren; in Bern hatte man ihm versprochen, deswegen zu schreiben; nun meinte er, Genf solle Calvin als Gesandten nach Besancon senden.

Keine unnötigen Händel!

Deinen Wunsch dem Rate vorzulegen, habe ich gar nicht gewagt, und weiß auch nicht einmal, ob es nützlich wäre, es zu tun; denn die Macht Genfs ist nicht so groß, dass sie mehr vermöchten als die Berner. Diese beschweren sich schriftlich; wenn nun von hier ein Gesandter geschickt würde, müsste man befürchten, der Bischof wiese ihn hochmütig ab. Wenn ich mich beklage, man habe mich schändlich verleumdet, so werden sich die Richter gleich von vornherein verwundern, weshalb ich, der ich mich täglich dicht vor den Toren Genfs einen Ketzer schelten lassen muss, solche Schmähungen ganz außer acht lasse, aber eine Reise von vier Tagen mache, um ein Mönchlein zu belangen. Tatsächlich, was du auch hoffen magst, ich fürchte wenn nicht eine schmachvolle Abweisung, so doch allerlei indirekte Spötteleien, mit denen es die Gegner leicht haben, uns zu verhöhnen. Dazu sehe ich nicht ein, wozu mir, selbst wenn wir die Erlaubnis erhielten, einen neuen Streit anfangen sollen; denn wenn ich verachtet werde, so geschieht damit Gottes Ehre kein Abbruch. Ich will nicht mehr sagen, damit ich nicht alte Wunden im Herzen wieder aufreißen muss. Nur wundere ich mich, dass du gar nicht erwogen hast, wie die Berner Nachbarn nichts lieber hätten, als mich durch versteckte Ränke unterzukriegen; kein angenehmeres Schauspiel könnte es für sie geben, als wenn ich beschämt heimkäme. Ich möchte dich also bitten, mich damit zu verschonen; ja wenn ich auch nur noch ein Fünklein gesunden Urteils habe, so kommts mir vor, es stehe eben jetzt auch Viret nicht an, sich in diesen Handel hineinziehen zu lassen. Siehst du denn nicht, dass die Berner diesen Streit auf jede Weise schlichten wollten, damit sie, die Feinde der Ordnung und Kirchenzucht, nicht auch genötigt würden, das Übel im Innern zu heilen? Ich habe als Knabe gelernt und werde es nie vergessen:

Nicht mindre Kunst als zu erwerben
Ist es, Erworbnes nicht verderben.
Wollte ich jetzt zerstören, was Hoffnungsvolles aufgeht, wenns auch noch recht wenig ist, so wüsste ich dazu kein besseres Mittel, als diese Gesandtschaft zu verlangen. So will ichs denn lieber unterlassen, wenn du mir Ruhe lässest. Den Eigensinn unserer Parteifreunde in der Ablehnung eines Religionsgesprächs beklagst du nicht grundlos; aber weil ich sie als so hartnäckig kenne, habe ich beschlossen, kein Wort mehr davon zu reden. Ladet man mich ein, so gehe ich ans Religionsgespräch; sie mögen dann mitkommen, wenn sie wollen. Schädlich wird wohl auch nach ihrer Meinung die Freiheit des Handelns nicht sein, die ich mir vorbehalte. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr leite dich stets; er behüte und segne dich. Die Syndics und viele Freunde lassen dich herzlichst grüßen. Ich lasse auch deine Kollegen und die übrigen Freunde vielmals grüßen.

Genf, 22. April 1558.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (581).

Nr. 581 (C. R. – 2958)

Im neunundsechzigsten Lebensjahr beschloss Farel zu heiraten und verlobte sich mit Marie Torel, der Tochter seiner Haushälterin, einer Witwe aus Rouen. Er war zur Besprechung dieser und anderer Sachen kürzlich in Genf gewesen. Francois de Cherpont war Schulmeister in Neuchatel.

Farels Verlobung.

Da ich dir bereits mündlich gesagt habe, dass ich zu deiner Hochzeit oder Verlobung nicht kommen werde, da es weder möglich ist, noch mir nützlich schien, so wundert es mich, was die erneute Einladung will. So gern ich deinen Wunsch erfüllte, so geht es doch aus manchen Gründen nicht. Du weißt, Macard ist noch fort, Raymond und ein andrer Kollege liegen krank; wir sind kaum genug, die Amtslast zu tragen. Ich könnte tatsächlich nicht fort, ohne dass einige Predigten ausfallen müssten. Auch gäbe mir der Rat unter solchen Umständen überhaupt keinen längeren Urlaub. Dass ich sonst reisebereit wäre und dir nicht unrecht tun will, weißt du zur Genüge; aber während jetzt noch alles im Reinen ist, würde mein Kommen den böswilligen Leuten gleich ein Anlass werden, Übles zu reden, und ich glaube, du handelst nicht klug, mich herbeizurufen, und von mir wäre es unbedacht, dir zu folgen. Hättest du doch meinen Rat befolgt und gleich nach deiner Rückkehr von Genf die Verlobung schleunigst veröffentlicht! Durch den Aufschub hast du zweifellos viel heimlichem Geschwätz Stoff geboten, das nachher noch frei losbrechen wird. Denn wenn du meinst, die Sache sei noch ganz unbekannt, so täuschest du dich sehr. Der Pfarrer von Bonneville wusste es neulich bereits, als de Collonges dort durchkam. Du musst wissen, dass viele, die dir gegenüber schweigen, heimlich davon flüstern. So habe ich, als ich die Sache abgeschlossen wähnte, meinen Kollegen gesagt, sie sollten, was sie darüber hörten, ruhig berichtigen, dabei sie aber gebeten, es nicht selbst weiter zu verbreiten. Als neulich Joinvilliers auf meine Bitte von Cherpont herausbringen wollte, wie man das Ereignis in Neuchatel aufnehme, geschahs, weil ich wünschte, meine Angst einigermaßen zu mindern. Der Schreiber selbst wusste nicht, was das bedeutete; ich aber war der Meinung, es sei alles bereits in Ordnung.

Dass du die Metzer Angelegenheit offenkundig betreibst, ist meines Erachtens nicht ratsam. Die Gründe dafür habe ich im Brief nach Metz, den dir der Bote hoffentlich gezeigt hat, auseinandergesetzt. Obschon ich Pierre Alexandre nicht für ganz geeignet halte, so musste ich ihn doch nennen. Ob jetzt für diese Angelegenheit just die beste Zeit ist, weiß ich nicht, da es heißt, der neue Kaiser drohe den Protestanten, weil sie kein Geld zum Türkenkrieg lieferten. Doch wird man etwas tun müssen, ihre Kräfte zu stärken; denn sie werden vielleicht bedroht.

[12. September 1558.]

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (542).

Nr. 542 (C. R. – 2720)

Nach der Eroberung von St. Quentin, bei der Philibert Emanuel von Savoyen das siegreiche kaiserliche Heer befehligt hatte, begann sich Bern vor diesem Nachbarn zu fürchten und zeigte sich geneigter zu einem neuen Bund mit Genf.

Von der Gesandtschaft nach Deutschland. Nochmals Bezas Bekenntnis.

Es war göttliche Fügung, dass unser lieber Bude die Reise unternahm, von der du wohl einen Tag früher erfuhrst, als von der sie verlassenden Trauerkunde. Er tat es auf meine Bitte und Mahnung, doch so bereitwillig, dass ich nicht nötig hatte, ihn besonders energisch dazu anzuhalten, da er von selbst ging. Da der Übermut des Königs etwas geduckt ist, besteht Hoffnung, dass eine gnädigere Antwort herauszubekommen ist; ein mir sonst unbekannter Mann hat mich dazu veranlasst, der aber, wie ich sah, der allgemeinen Ansicht der Brüder [in Frankreich] Ausdruck gab. Ich brauche nicht zu sagen, wie sehr ich angesichts der beängstigenden Lage der Brüder Bude zur Eile mahnte. Nachher habe ich Melanchthon noch so dringend wie möglich gebeten, unsere Sache bei den Fürsten zu vertreten. Unsern lieben Beza habe ich schon vorher damit angetrieben, er habe nun die beste Gelegenheit, die Zürcher wieder zu versöhnen, deren Eigensinn wir eben ertragen müssen, damit sie, wenn möglich, allmählich nachgiebiger werden. Ich mag gar nicht schreiben, wie große Scheu Bullinger vor einem Religionsgespräch hat; er vergleicht mich bereits mit Butzer, dessen Übereifer doch nur deshalb schädlich war, weil er die gute Sache nicht offen und mutig, wie es sich gehörte, vertrat. Meine Art ist davon ganz verschieden; denn ich will nichts, als nur uns gegen die Verleumdungen der Gegner rechtfertigen. Ich meinte, von Euerm Bekenntnis werde weiter nicht mehr die Rede sein. Falsch gerechnet, – schon wieder eine neue Entrüstungsepistel! Hoffentlich schwindet diese Wolke bei Bezas Ankunft. Wenn nur dies ganze Unternehmen den gewünschten Erfolg hat! Sobald wieder Bericht von Paris kommt, will ich dirs zu wissen tun. Über die Lage Genfs nur soviel: es sind vier Schiedsrichter zur Schlichtung der Zwistigkeiten eingesetzt. Wenn die Berner nicht Ruhe geben, kommt es zu streng gerichtlichem Urteil; uns läge ein gütlicher Vergleich am Herzen, und es schiene auch nicht schwer, wenn sie nur unsere Verbannten nicht so hartnäckig verteidigten; man wird bald erfahren, was sie vorhaben. Die stumpfe Gleichgültigkeit des Königs von Frankreich überrascht auch mich sehr; der merkt nichts, bis ihn Gott einmal durch ein Wunder aufweckt; seine Sprösslinge sind seiner wert, die wir ihr Stamm in stumpfer Ruhe liegen bleiben. Über alles kannst du mehr erfahren von dem Überbringer dieses Briefes, für den es fast beleidigend ist, dass ich durch ihn nur schreibe. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite und segne dein Wirken. Amen. Meine Kollegen und Freunde lassen dich grüßen; sage deinerseits den Brüdern viele Grüße von mir.

Genf, 24. September 1557.
Stets dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (537).

Nr. 537 (C. R. – 2710)

Der Sohn der Marquise de Rothelin (vgl. 529) war bei St. Quentin in spanische Gefangenschaft geraten; sie reiste deshalb von Neuchatel über Genf nach Frankreich. Farel hatte Calvin aufgefordert, selbst mit ihm nach Worms zu reisen. Ohne dass es Calvin wusste, schloss Farel sich auch tatsächlich jetzt wieder Beza an zur Reise. Da die Pariser Gemeinde Beza als Pfarrer wünschte, erging sich Farel in Erwägungen, ob man ihn ziehen lassen dürfe. Er beschwert sich auch, die letzte Antwort an Westphal noch nicht erhalten zu haben. Antoine Carre (Quadratus), ein Schreiber Calvins aus der Straßburger Zeit, war herzoglicher Rat in Montbeliard; auf seine Anfrage hatte ihn Calvin sehr scharf vor Toussaint (vgl. 420, 431) gewarnt. Farel klagte über seinen Bruder Claude, er richte die Familie zu Grunde; wodurch wissen wir nicht.

Calvin will nicht nach Worms. Bezas Berufung nach Paris.

Da ich sehr gewünscht hatte, Euch zu besuchen, tat es mir doppelt leid, dass die Gelegenheit dazu hinfiel. Aber es war wohl doch besser, dass die Mutter Eures Fürsten über Genf reiste, weil sie so einigen Trost empfing und für die Zukunft ermutigt wurde. Wie rasch sie hier durchreiste, wissen die Neuchateller, die ihr das Ehrengeleit gaben; so wenig Zeit wir hatte, so haben wir sie doch in einem sehr guten Gespräch zugebracht, das Frucht bringen wird zu seiner Zeit. Warum ihr Töchterlei nicht nachkam, weiß ich nicht; sie hatte mich nämlich sehr gebeten, es doch auch zur Frömmigkeit zu ermahnen, soweit es das Verständnis dazu in seinen jungen Jahren schon habe.

Verzeih, wenn ich dir nicht beipflichte über eine Reise an die Wormser Zusammenkunft; selbst den guten Leuten, die mein Kommen wünschen, gefiele ein solcher Übereifer nicht, weil dadurch mein Ansehen bei den Gegnern herabgesetzt und auf unserer Seite unnötiger Weise schlimmer Verdacht wachgerufen würde; doch habe ich im letzten halben Jahre dreimal an Melanchthon geschrieben, damit er nicht aufhöre, für ein Religionsgespräch zu wirken; wenn er einmal von selbst ein solches begehrt, so hoffe ich, ihn nicht erfolglos bearbeitet zu haben. Auch Sturm hat auf meine Mahnung hin versprochen, an ihm zu treiben; vielleicht geht er selbst sogar nach Worms, um Melanchthon anzufeuern. Das ist besser, als wenn ich durch eigenen Übereifer mich den hochmütigen Gegnern sozusagen auslieferte, ganz abgesehen von dem Ärgernis für unsere Partei. Wenn du in Betreff Bezas das Für und Wider erwägst, – an den Zürchern liegt es jedenfalls nicht, dass er nicht gehen könnte – bis ins Pfefferland. Sie machen wegen seines Bekenntnisses überall solchen Lärm, dass es mich nur wundert, wie ruhig die Berner bisher geblieben sind; mit drei- und vierfachem Mahnen konnte ich sie nicht beschwichtigen. Da er nun kürzlich Viret nach Bern begleitet hat, werden wir bald wissen, wie er in Bern aufgenommen wurde; ich habe ihn heute wieder aufgefordert, die neue Gesandtschaft zu übernehmen. Folgt er mir, so wird er natürlich auf der Durchreise die verärgerten Zürcher besuchen, die bisher auch die beste Antwort nicht annehmen. Wie kams, dass Beza dir kein Exemplar meiner Antwort an die Sachsen gab, da sie doch in Lausanne zu haben war und er selbst eins hatte? Du hättest sicher von mir eins bekommen, wäre ich nicht, als ich endlich einen zuverlässigen Boten fand, der Meinung gewesen, du habest sie längst gelesen. Carres Brief erhältst du zurück; hast du Zeit, so verschweige mir nicht, ob dich etwa die Grobheit oder Schärfe meiner Antwort verletzt. Dein häusliches Leid musst du dir eben lindern durch Geduld im Ertragen; hüte dich vor allem, wenn du Claude tadelst, das rechte Maß zu überschreiten. Lebwohl, bester Mann und verehrter Bruder. Der Herr leite, behüte und stärke dich auch fernerhin. Grüße die Brüder und Freunde angelegentlich von mir.

Genf, 14. September 1557.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (529).

Nr. 529 (C. R. – 2673)

Christophe Fabri hatte Calvin eingeladen, nach Neuchatel zu kommen. Was Calvin eben in Genf festhielt, ist nicht ganz durchsichtig, wahrscheinlich die politische Lage, die infolge des von den Verbannten gegen Genf geübten Faustrechts noch sehr misslich war; der Rat bat Calvin, nicht zu reisen. Jacqueline de Rohan, Marquise de Rothelin, beanspruchte für ihren Sohn die Grafschaft Neuchatel gegen Jacques de Savoie, Herzog de Nemours; die Sache sollte durch ein Berner Schiedsgericht entschieden werden.

Ablehnung einer Einladung. Von der Polemik gegen Westphal.

Als ich den Brief unseres lieben Christophe gelesen, hätte ich nicht gezögert, Eurem Wunsche nachzukommen, wenn mich nicht etwas anderes festgehalten hätte. Als ich aber sah, dass meine Reise einigen Leuten, denen ich gern einen Gefallen tue, unlieb wäre, zog ich es vor, sie noch ein wenig aufzuschieben, bis nicht mehr so viele Genfer Nöte meine Hilfe in Anspruch nehmen. Ich schreibe dir von unseren Verhältnissen nichts, damit du dir nicht unnötig Sorgen machst; mündlich kann ich dir dann auch offener berichten, was doch nicht in einem Brief geht, sobald die Unmenschlichkeit der Feinde, die alles versuchen, uns zu Grunde zu richten, etwas nachlässt. Schreibe mir doch, wie lange die Mutter Eures Fürsten noch in Neuchatel ist; hat sie etwa im Sinne, bald abzureisen, was ich aber nicht glaube, so werde ich mich umso mehr beeilen.

Westphal und Konsorten gegenüber wäre es mir schwer gewesen, mich zu mäßigen, wie du mir rietest. Du sagst, sie seien doch unsere Brüder; aber wenn wir ihnen den Brudernamen anbieten, so weisen sie es nicht nur zurück, sondern fluchen uns noch dafür, und wie lächerlich machten wir uns, wenn wir mit der Bezeichnung Brüder groß täten vor Leuten, denen wir als die schlimmsten Ketzer gelten! Aber selbst wenn es nicht schwer gewesen wäre, deinen und anderer Leute Mahnungen hierin zu folgen, – meine Art ist einmal anders. Das Buch ist schon zur Hälfte gedruckt; wenn in sechs Tagen jemand nach Neuchatel reist, kann ers dir hoffentlich ganz bringen; denn es wird gleichzeitig mit zwei Pressen gedruckt. Lebwohl, bester trefflicher Bruder samt Christophe und den übrigen Brüdern. Der Herr leite, behüte und segne Euch auch fernerhin. Grüße die Bürgermeister und den Landvogt von mir. Die Freunde lassen dich vielmals grüßen.

Genf, 1. August 1557.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (517).

Nr. 517 (C. R. – 2593)

Bern erlaubte Perrin und den andern Verbannten, sich für die Beschlagnahme ihres Besitztums in Genf an den Genfer Gütern auf Berner Gebiet schadlos zu halten; die dadurch herbeigeführten Faustrechtszustände veranlassten beinahe einen Krieg zwischen den beiden Städten; über den Rechtshandel Antoine Calvins und de Normandies gegen Perrin ist nichts näheres bekannt. Zu Antoine Calvins Scheidungsprozess vgl. 516. Weggelassen eine Notiz über den nach Paris bestimmten Pfarrer Gaspard Carmel.

Kummer im persönlichen, kirchlichen und politischen Leben.

Lieber Farel, du glaubst gar nicht, mit welcher Hinterlist und wie vielen heimlichen Ränken uns Satan ganz abgesehen vom offenen Kampf täglich angreift. Damit die Lage des Ganzen ruhig bleibe, dürfen wohl nicht alle ihre persönliche Ruhe haben. Zudem dass in Genf selbst viel verborgene Gegner sind, von denen aber jetzt ein Teil sich zu zeigen beginnt, bedrohen uns die Berner Nachbarn furchtbar; ja wenn ihre Leidenschaft sich nur mit Drohungen begnügte! Aber wo sie Anlass finden, spritzen sie das Gift ihres Hasses aus; das haben kürzlich auch mein Bruder und de Normandie erfahren. Denn obwohl sie gegen Perrin genau nach einem Berner Mandat vorgingen, begnügte man sich nicht, ihnen ihr ganz klares Recht abzusprechen, sondern auferlegte ihnen dazu noch alle Prozesskosten. Es ist überhaupt unglaublich, wie schändlich sie alle Genfer schikanieren.

Gar sehr bekümmern uns auch die Übelstände im Innern; ich meine die im Innern der Stadt; denn die in meinem Haus erdrücken mich fast. Die Richter finden keinen Grund, meinen Bruder von dieser Ehe loszumachen! Ich erkläre mir diese ihre Blindheit als gerechte Strafe für unsere eigene Blindheit; denn zwei ganze Jahre hat der diebische Famulus mich ausgeplündert, ohne dass ich etwas sah; mein Bruder hat ebenfalls nicht gemerkt, dass er ein Dieb und Ehebrecher war. Findet die Sache nicht durch richterlichen Spruch einen Ausgang, so habe ich vor, auf anderem Weg einen zu erzwingen. Doch möchte ich nicht, dass du ein Wort darüber verlörest, ehe es unbedingt nötig ist. – – Weiteres erzählen dir die Überbringer besser selbst. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Grüße den Herrn Landvogt und die übrigen Freunde angelegentlichst von mir; bei den Kollegen werden die Überbringer selbst meine Grüße ausrichten. Der Herr behüte Euch stets; er halte Euch aufrecht; er leite Euch und stärke Euch bis ans Ende. Meine schweren Nöte empfehle ich Eurer Fürbitte.

Genf, 3. Februar 1557.
Dein
Johannes Calvin.

Alle Unsern, die du grüßen ließest, erwidern ihrerseits deinen Gruß.