Calvin, Jean – An Johann Sturm in Straßburg.

Nr. 704 (C. R. – 3754)

Das Januar-Edikt (vgl. 696), das den Evangelischen Versammlungsfreiheit gewährleistet hatte, reizte die katholische Partei. Am 15. bis 18. Februar hatten die vier Brüder de Guise in Zabern im Elsass mit Herzog Christoph von Württemberg und seinen Theologen eine Besprechung gehabt, in der der Kardinal sich als heimlichen Anhänger des Augsburgischen Bekenntnisses erklärt und seine Unschuld an allem in der Hugenotten-Verfolgung vergossenen Blut hoch beteuert hatte. Der Herzog de Guise zog dann mit starkem Gefolge nach Paris. Unterwegs bei Vassy in der Champagne stieß er am 1. März auf eine Gottesdienst feiernde evangelische Gemeinde; es kam zum Zusammenstoß und de Guise ließ alle Evangelischen niedermachen. Dieses Blutbad von Vassy führte zum Ausbruch des Bürgerkriegs. De Guise zog, obwohl er zur Verantwortung an den Hof zu Monceaux geboten wurde, nach Paris, wurde dort vom Volk mit Jubel empfangen, und de Conde musste mit seinen Truppen die Stadt verlassen. Calvin sandte deshalb Bude zu den deutschen Fürsten, um sie zur Hilfe für die französischen Evangelischen zu mahnen.

Das Blutbad von Vassy.

Aus welchem Grund unser lieber Bude diese Reise unternommen hat, erfährst du besser von ihm selbst mündlich, als ich es dir brieflich erklären kann, der Sicherheit halber. Dass dir die Sache, sobald sie dir dargelegt worden ist, am Herzen liegen wird, daran zweifle ich nicht. Ja, da sie auch dich angeht, so halte ichs für überflüssig, dich mit vielen Worten zu bitten, uns dabei zu helfen. Beleibt die uns im Januar-Edikt zugestandene Freiheit bestehen, so stürzt das Papsttum ganz von selbst zusammen. Deshalb werden die Guisen auch das Äußerste versuchen, uns die Freiheit mit Gewalt wieder zu nehmen. Zur Unterdrückung ihrer Versuche wäre es nun von großer Wichtigkeit, dass die deutschen Fürsten eingriffen, den König zum Festhalten ermahnten und ihm, falls es nötig würde, ihre Dienste anböten. Wenn jene bösen Geister Frankreichs neulich zu Zabern sich schön verstellten, so hat ja das Verbrechen, das sie gleich darauf begingen, aufgedeckt, wie eitel und falsch ihre Schmeichelreden waren. Denn kaum von jener Unterredung abgereist, eilten sie zu dieser barbarischen Bluttat. Doch davon und überhaupt alles, was sich auf die Sache bezieht, erfährst du von Bude. Lebwohl, hochberühmter und verehrter Mann. Der Herr sei stets mit dir und erhalte dich gesund.

Genf, 25. März 1562.

Calvin, Jean – An Sturm in Straßburg.

Nr. 648 (C. R. – 3293)

Vgl. Nr. 647. Die Hugenotten äußerten ihre Freude über den Tod des Königs ganz unverhohlen. Mit dem alten Schlaukopf ist vielleicht der Connetable de Montmotency gemeint.

Die Lage nach dem Tode des Königs.

Hast du je etwas Günstigeres gelesen oder gehört, als die Nachricht vom Tode des kleinen Königs? Im größten Unglück schien keine Hilfe zu sein, als plötzlich Gott vom Himmel erschien und, wie er des Vaters Auge getroffen, so durchbohrte er nun des Sohnes Öhrchen. Ich fürchte nur, die Freude gewisser Leute wird allzu deutlich hervortreten und die Hoffnung auf bessere Zustände wieder umwerfen. Denn du glaubst kaum, wie unbedacht viele frohlocken, ja geradezu Späße darüber machen. Sie wollen in einem Augenblick die Welt auf den Kopf stellen, und weil ich ihrer Torheit nicht folge, schelten sie mich träge. Mir genügt es aber vollständig, wenn Gott meinen Eifer billigt und wenn auch billig und maßvoll urteilende Menschen ihn zur Genüge kennen, zwar nur wenige, aber solche, deren stillen Beifall ich dem Geschrei der Menge vorziehe. Sie möchten, ich sollte mit Varanna in aller Eilfertigkeit handeln, als ob er, auch wenn er der Allertapferste und Energischste wäre, es in der Macht hätte, zu leisten, was sie so ganz verkehrt fordern. Ich bin aber solcher Übereilung so abgeneigt, dass es mir keine kleine Freude machte, zu hören, dass sein Bruder sein Gefängnis nicht verlassen wollte. Ich hatte ihnen diesen Rat bereits gegeben, und nun freut es mich umso mehr, dass ihnen von selbst eingefallen ist, was ich für gut gehalten hatte. Tatsächlich wird das das beste Mittel sein, die Feinde zu überwinden, wenn er aus dem Prozess als Sieger hervorgeht; denn wird er freigesprochen, so sind sie notwendig dadurch verurteilt. Dazu werden alle Frommen von diesem Urteil als Präzedenzfall Nutzen haben. Weil nun aber der alte Schlaukopf, der den Evangelischen gar nicht Freund ist, zuzuziehen sein wird, was sich nicht ändern lässt, so wird es zwar langsam vorwärts gehen. Vorerst will man in diesen verwirrten Verhältnissen anfänglich nur das erreichen, dass die von Hause Vertriebenen und ihres Vermögens Beraubten wieder in ihren Besitz gelangen. Dann, dass es allen frommen Verehrern Gottes freistehen soll, sich des papistischen Unwesens zu enthalten und Versammlungen in ihren Häusern halten zu dürfen, um Gott anzurufen. Wenn einmal die Verfolgung ganz aufhört und keine Gefahr mehr zu fürchten ist, wird bald eine wunderbare Bekehrung eintreten. Aber ich kann nicht alle davon überzeugen; denn die Mehrzahl drängt auf stürmisches Vorgehen. Sobald mir Varanna von seinen Plänen berichtet, will ich ihn wie bisher antreiben. Was du meinst, unternehmen zu müssen, dazu ist die Zeit noch nicht da. Lebwohl, hochberühmter, verehrter Mann. Der Herr sei stets mit dir und mache dich reich an Segen aller Art. Alle Freunde lasse ich grüßen.

16. Dezember 1560.

Calvin, Jean – An Sturm und Hotman in Straßburg.

Nr. 626 (C. R. – 3207)

Die Guisen rächten sich für die Verschwörung von Amboise durch furchtbare Verfolgung der Evangelischen. Das rief aber doch allgemeine Entrüstung wach; so sah sich der König genötigt, eine Amnestie zu erlassen und eine Notabeln-Versammlung anzukündigen. Die Flotte Philipps II. war im Mai 1560 von den Türken geschlagen worden. Varranna – Navarra (vgl. 607).

Antiguisische Politik.

Wenn wir auch zeitweilig von Trauer fast erstarrt waren, so zwingt uns nun doch die klägliche Lage unserer Brüder in Frankreich, unsern Schmerz zu einer Tat der Fürsorge werden zu lassen, da es höchst notwendig ist, und auch eine nicht außer auch zu lassende Gelegenheit sich dazu bietet. Den Guisen ist doch ein gewisser Schrecken eingejagt worden, der ihnen immerhin ein Nachlassen der wütenden Strenge abzwingen wird. Auch ist wahrscheinlich, dass die Niederlage zur See, die der Spanier kürzlich erlitten hat, ihren Sinn etwas gewendet hat, so dass sie weniger grausam verfahren als sonst. Indessen sehen wir, dass die Konzessionen, die den Evangelischen gemacht worden sind, Trug und List sind, um sie einigermaßen zu beruhigen und sie dann, wenn sie nicht mehr so wachsam sind, umso leichter zu unterdrücken. Die Guisen benehmen sich in der Tat so wechselnd, dass ihre Unbeständigkeit das Gift ihres Hasses bezeugt, den sie zwar zu verbergen suchen, der sich aber doch in mancherlei Anzeichen verrät. Deshalb ist Hilfe von außen her nötig; wir hoffen, dass eine solche durch Eure Wirksamkeit zu beschaffen ist, wenn Ihr Euch nur recht bemüht. Das von Euch noch besonders dringend zu verlangen, ist ja nicht nur überflüssig, sondern wäre geradezu unsinnig. Denn wir kennen ja Eure Sorge für das Wohl der Brüder und Euren heißen Eifer.

Die Hauptsache dabei ist das: die deutschen Fürsten sollten durch eine ernsthafte Botschaft den König teils bitten, teils mahnen, er möge doch als die beste Methode zur Beruhigung seines Landes nicht ein Wüten mit Feuer und Schwert ansehen, sondern eine Reinigung und Neuordnung der korrupten kirchlichen Zustände; denn unmöglich könnten sich so viel tausend Menschen ohne eine wirkliche Reformation zufrieden geben. Damit Euch unser Wunsch deutlicher erkennbar ist, scheint es uns besser, auf einem besondern Blatt unsere Forderungen zu formulieren.

Wird nun das von Euch auch versucht, so werden wir Varranna auf alle Art aufstacheln lassen, die ihm entrissene Reichsregierung wieder zu fordern unter dem Vorwand, durch die schweren Unruhen sei Frankreich in Gefahr, und die Charakterlosigkeit und der Leichtsinn der Guisen richte alles zu Grunde. Auch könne man ihren Hochmut und ihren Geiz nicht länger dulden, denn er führe zum Untergang des Reiches. Täuschen wir uns nicht sehr, so wird der königliche Kronrat, wenn er sich von solchen Befürchtungen bedroht sieht, sich gewiss aufraffen, für das Wohl des Volkes zu sorgen. Besonders ist die Königin-Mutter mit den allerschärfsten Hinweisen zur Zustimmung zu bringen, da sie sich ja nur dem Zwang gehorchend von den Guisen hat hinreißen lassen. Sie wird Folge leisten, sobald sie sieht, dass es für sie und ihre Kinder von Nutzen ist.

Das Übrige erfahrt Ihr von den Boten, die Euch bekannt sind und deshalb keiner Empfehlung bedürfen. Dass die Sache sich, wie sichs gehört, Euch wie uns von selbst empfiehlt, wissen wir. So lebt denn wohl, hochberühmte und hochverehrte Männer. Der Herr halte Euch aufrecht mit seiner Kraft; er leite Euch mit seinem Geiste und gebe Euch seinen Segen in allem.

Genf, 4. Juni 1560.

Instruktionsentwurf für eine deutsche Gesandtschaft an den König von Frankreich.

Wir glauben, dass die durchlauchtigsten Fürsten jetzt gerade am besten eine Gesandtschaft schicken, weil die Guisen, wenn auch noch der alte Trotz in ihnen wohnt und man nicht auf Gerechtigkeit bei ihnen hoffen darf, jetzt doch vom Schrecken bestürzt und in ihrer Beurteilung der Lage verwirrt sind, so dass sie doch einige Mäßigung heucheln müssen. Wie die Verhältnisse sonst jetzt in Frankreich liegen, so wird der reine Glaube, wenn man ihm nur geringe Zugeständnisse macht und ihm gewisse Erleichterung verschafft, in kurzer Zeit solche Kräfte sammeln, dass es nicht mehr in der Macht aller Feinde liegen wird, sie zu mindern.

Wenn also den durchlauchtigsten Fürsten das Wohl der Bürger in Frankreich, die den wahren evangelischen Glauben bekennen, je am Herzen lag, so ist ihnen jetzt von Gott Gelegenheit geboten, ihre Macht zu ihrer Unterstützung zu brauchen. Untätig zu bleiben, keine Abhilfe zu schaffen, wäre dagegen höchst gefährlich, weil die Guisen, wenn sie sehen, dass alles überall ruhig bleibt, anfangen werden, wieder mit der alten Freiheit zu wüten. Ferner werden, wenn nicht von neuem darauf gedrungen wird, die Versprechungen des königlichen Rates zunichte werden. So muss eifrig darauf hingearbeitet werden, dass das Übel nicht weiter wuchert und unheilbar wird.

Die beste Formulierung der Forderung, wenn die durchlauchtigsten Fürsten damit einverstanden sind, wird die sein: erstens soll gesagt sein, dass man sich freue und dem Könige gratuliere zu dem Plan der Einberufung eines Nationalkonzils zur Abschaffung der Missbräuche und Verderbnisse, an denen alle wahren Verehrer Gottes augenscheinlich solchen Anstoß nehmen, dass sie hundertmal lieber sterben wollten, als stets in derartigem Schmutz hinsiechen zu müssen. Das sei auch das einzige Mittel, alle Unruhen zu stillen, die ein trauriges Ende nehmen könnten, wenn der König und sein Rat ihnen nicht klug entgegentreten. Dann wird auseinandergesetzt, dass die durchlauchtigsten Fürsten den König und seinen Rat mahnten, nicht von diesem guten, nützlichen Vorsatz zu lassen, aber jetzt noch nicht selbst ihre Hilfe anböten, da sie der papistischen Klerisei verdächtig seien, hingegen dringend wünschten, sich nach Kräften dieser Sache zu widmen, und dass ihre Dienste dem König nicht fehlen sollten, falls er sich davon Frucht verspräche.

Zum dritten sollen die Gesandten sagen, aus zwei Gründen seien sie nach Paris gekommen, nämlich um für die Sicherheit des Königs und für die Ruhe und das Wohl des Volkes ihren Rat zu geben. Beides sei nach der durchlauchtigsten Fürsten Meinung nur dann zu erhalten, wenn der Aberglauben ausgerottet werde, der die Herzen aller Guten so erbittere, dass sie mehr auf den rechten Gottesdienst als auf Erhaltung ihres Lebens bedacht seien und sich für charakterlos hielten, wenn sie Zustimmung vorgäben zu Dingen, die ihrem Gewissen widerstrebten. Der zweite Grund der Gesandtschaft sei die Bitte, es möchten doch die Leute, die Gott in Reinheit dienen und sich deshalb von aller papistischen Beschmutzung fernhalten wollten, milder behandelt werden; wenn sie nämlich sonst dem König den schuldigen Gehorsam leisteten und keine Unruhen stifteten, sondern sich bloß persönlich an den Glauben hielten, den sie angenommen hätten, so sollten sie geduldet werden, bis durch die geeigneten Mittel für eine Reformation der ganzen Kirche gesorgt sei. Wolle der König und sein Rat das zulassen, so seien die durchlauchtigsten Fürsten geneigt und gerne bereit, hilfreiche Hand zu bieten; verfahre aber der König auch fernerhin so scharf mit seinen Untertanen und verweigere eine gerechte Reformation, so müssten sie einen unglücklichen Ausgang befürchten, und deshalb nötige sie das Wohlwollen und die Aufmerksamkeit, die sie dem König und Frankreich überhaupt entgegenbrächten, ihn nicht nur daran zu erinnern, sondern ihn zu bitten und zu beschwören, er wolle doch eine so gute Gelegenheit, den Frieden für immer zu festigen, nicht außer acht lassen und sich nicht der Notwendigkeit widersetzen.

Calvin, Jean – An Johann Sturm in Straßburg.

Nr. 620 (C. R. – 3174)

Unter dem protestantischen Adel Frankreichs bildete sich eine Verschwörung, um den jungen König der Gewalt der Guisen zu entreißen; der Hof, der in Amboise residierte, sollte unter der Führung eines Sieur Godefroy de La Renaudie überfallen und der Herzog de Guise (im Briefe Antonius genannt) getötet werden. Calvin war angefragt worden und hatte von jeder Gewalttat abgeraten, aber das Geheimnis gewahrt. Am 17. März schlugen die Verschwörer los doch misslang der Anschlag und de La Renaudie fiel im Kampfe. In der Provence hatten sich die Evangelischen in mehreren Städten mit Gewalt der Kirchen bemächtigt.

Die Verschwörung von Amboise.

Weil seit ganzen anderthalb Monaten zwar große, wichtige Dinge im Gange sind, aber doch bei dem ganz unklaren Durcheinander nichts zu berichten ist, so trug ich Bedenken, schon zu schreiben. Auch jetzt schäme ich mich fast, einen inhaltlosen Brief zu schicken, weil ich bei der Menge des Stoffes nicht weiß, wo anfangen, noch aufhören. Als mich die ersten Befürworter des Planes gleich anfangs um Rat fragten, antwortete ich freimütig, schon die ganze Art eines solchen Vorgehens gefalle mir nicht, noch weniger könne ich es im vorliegenden Falle billigen. Den törichten Plan haben sie nun auch noch geradezu knabenhaft ungeschickt angefasst. Nun ärgert mich ihre Trägheit; die Ausführung war beschlossen vor dem 15. März, und nun weiß ich, dass fünf Tage nachher noch nichts versucht worden ist. Jeden Moment erwarten wir nun die Nachricht, dass ihre großartigen Pläne fehlgegangen sind. Du hast recht, die Hauptsache wäre gewesen, den Antonius zu vernichten; aber ich fürchte, selbst unter den Führern, die sich als die Beherztesten ausgeben, haben einige die unpassende Neigung, seine Gunst zu erhaschen. Gewiss wird vor drei Tagen irgendetwas entdeckt. Indessen haben in mehreren Städten der Provence die guten Leute mehr gewagt, als ich wollte. Ich hatte ihnen den Rat gegeben, vor der Reinigung des Hofes nicht an die Öffentlichkeit zu treten; nun wird ihre Übereilung noch größere Unruhen hervorrufen. Die Erschütterung von ganz Europa, die mir schon längst ahnte, steht mir nun sozusagen vor Augen. Aber so unentschlossen machen mich die Verhältnisse nicht, dass ich mich nicht gern zum Reisen rüstete, wenn es sein muss. Verzeih, dass mein Brief so kurz und inhaltlos ist. Ereignet sich etwas Wissenswertes, so will ich die Kosten nicht sparen, das mir Erfolg begonnene fortzuführen, oder wenns ein Unglück ist, ihm entgegenzutreten und Abhilfe zu suchen. Dir will ich rechtzeitig von allem berichten, und wenn es nötig ist, selbst rasch kommen. Lebwohl, hochberühmter, verehrter Mann.

23. März 1560.

Calvin, Jean – An Johann Sturm in Straßburg.

Nr. 607 (C. R. – 3095)

 

Anfangs Juli war König Heinrich II. an den Folgen einer Verletzung beim Turnier gestorben; sein ältester Sohn, Franz II., war erst sechzehnjährig und bedurfte der Lenkung; es war nun die Frage, wer diese in die Hand nehmen werde: die Guisen, die durch die Verlobung des Königs mit ihrer Nichte, Maria Stuart, dem Hofe nahe standen, oder der König von Navarra, Antoine de Bourbon. Die Evangelischen wünschten natürlich letzteres, und Sturm hatte mit Calvin, offenbar durch Hotman, verhandelt, wie der König von Navarra dazu zu bewegen sei; Calvins Unterhändler bei Varanna (= Navarra) war Francois de Morel, der Pariser Pfarrer. Wer der „Eurige“ ist, der hinter den Straßburgern steht, ist nicht zu ermitteln; vielleicht der Pfalzgraf. Auf „sie“, d. h. die Königin-Mutter, Katharina von Medici, hatten die Evangelischen anfänglich einige Hoffnung gesetzt.

Politische Intrigen nach dem Tode Heinrichs II.

Weder Trägheit, noch Sorglosigkeit, noch Sparsamkeit ist daran schuld, dass ich seit Herrn Hotmans Abreise über die begonnene Verhandlung kein Wort gemeldet habe; vielmehr ließ mich nur der Mangel an Nachricht schweigen, denn ich schämte mich, einen nichts sagenden, inhaltlosen Brief zu senden. Seither kommen täglich neue, sich widersprechende Gerüchte von Varanna hierher. Gewiss schon mehr als zehnmal ist mir gemeldet worden, er werde morgen oder übermorgen am Hofe erwartet, während er tatsächlich noch mehr als sieben Tagereisen weit entfernt ist. Denn sobald man merkte, dass er die Reise angetreten, glaubte man, er werde sich möglichst beeilen, um sich die Gelegenheit nicht entgehen zu lassen. Tatsächlich aber kriecht er geradezu und macht am Tag kaum mehr als vier französische Meilen. Du brauchst dich nicht zu wundern, warum ich bei solcher Ungewissheit ruhig geblieben sei; doch habe ich den, der den Auftrag hatte, mit Varanna zusammenzutreffen, scharf getadelt, weil er ihm nicht entgegengereist ist. Seine Antwort ist mir noch nicht zugekommen. Davon hängen aber heute größtenteils unsere Entschlüsse ab. Solange Heinrich lebte, war es besser, diesem Manne die Sache zu verheimlichen; nun aber, da durch seinen Tod die Lage sich geändert hat, müssen wir notwendig ein neues Verfahren wählen. Da ich ja aber nicht weiß, ob der Eurige noch auf seiner Meinung besteht, würde ich, ehe ich von seinem Willen benachrichtigt bin, nicht wagen vorzugehen, damit meine Emsigkeit nicht töricht oder allzu kühn erscheint. Übrigens wenn ich anfänglich der Meinung war, Varanna, dessen Leichtsinn mir verdächtig ist, sei ganz aus dem Spiele zu lassen, so ists doch heute, ich mag wollen oder nicht, unbedingt notwendig, zu wissen, was er im Sinne hat. Wäre er rechtzeitig an den Hof gekommen, wie man allgemein sicher von ihm erwartete, so hätte ich, durch seine Antwort längst unterrichtet darüber, was zu tun ist, keinen Augenblick gezögert; weil aber die Sendung eines Briefes unsicher war, wenn man nicht einen zuverlässigen Boten hatte, und man auch gar nicht wusste, wo man ihn finden könne, so durfte ich noch nicht handeln. Kommt Bericht, den zu erfahren in Eurem Interesse liegt, so will ich den Botenlohn nicht sparen. Die Guisen sind tollkühn, aber wie Verzweifelte. „Sie“ hat zwar den Unsern viel versprochen, hält aber nichts. So wird erst die Ankunft Varannas etwas Sicheres zu erkennen geben; vorher zu handeln wäre weder nützlich noch erlaubt. Ganz richtig sagst du von jenem Mann, er traue weder Gott noch Menschen; bei uns findest du solches Misstrauen nicht. Lebwohl, hochberühmter Mann. Der Herr leite, behüte und segne dich.

13. August 1559.

Calvin, Jean – An Johann Sturm, Rektor in Straßburg.

Sturm als Straßburger steht auf seiten des Kaisers, Calvin als Franzose wünscht den Sieg Frankreichs. Man fürchtete, das Elsass werde der Schauplatz des Krieges sein. Antiochus nennt Calvin den Kaiser, Pharao den König von Frankreich.

Persönliche Freundschaft trotz politischer Gegnerschaft.

Wenn das Gerücht wahr ist, das sich plötzlich bei uns verbreitet hat, müsst Ihr wohl nicht mehr weit vom Lärm des Krieges sein. Wollte doch die Welt Vernunft annehmen! Dann wäre sie längst gewöhnt, unter Gottes Schutz den Frieden zu pflegen. Weil aber die Mehrzahl am Krieg mit Gott nur zu große Freude hat, so ists nur billig, dass alle, die sich nicht ruhig dem Friedebringer unterwerfen wollen, im Kampf miteinander elend zugrunde gehen. Nur das kann uns als Trost im Unglück freuen, dass die lauten Kriegsunruhen für die Kirche Gottes eine gewisse Ruhe mitbringen. Der Macht des Antiochus wird Einhalt getan werden. Unser Nachbar Pharao wird, wenn seine heftige Leidenschaft sich anderswohin wendet, vielleicht nachlassen in seinem Wüten im Lande selbst. Vielleicht können ihn auch seine neuen Freunde etwas milder stimmen. Ich will es lassen, dich zu mahnen, wie du Partei ergreifen sollst, weil ich überzeugt bin, dass da doch jeder ziemlich nach seinem Willen handelt. Übrigens, ob uns eine Zerstreuung bis zum äußersten droht, oder ob, wie wir lieber hoffen wollen, der Herr in den Wirren der Welt, die, die jetzt zerstreut elend herumirren, in sein himmlisches Reich sammeln will, so wollen wir doch in guten Treuen unsere Freundschaft pflegen, deren Band hochheilig ist.

Ich nehme unser neues Verhältnis [als Gegner in der Politik] so auf und stimme ihm meinerseits so zu, dass damit die Erinnerung an unser altes [als Freunde] nicht dahin sei und nichts an festem Vertrauen einbüße.

[24. Juni 1544.]