Calvin, Jean – An Beza in Paris (698)

Nr. 698 (C. R. – 3717)

Die Fortsetzung des Gesprächs von Poissy wurde schon nach vierzehn Tagen abgebrochen. Absalom nennt Calvin den König von Navarra wegen seines Abfalles (vgl. 694); was Bullinger von Calvin wollte, ist nicht festzustellen, da der Brief verloren ist; Sulzer hatte in seinem Brief Castellio verteidigt.

Kirchen- und weltpolitische Geschäfte.

Ich habe nichts von dir erhalten seit der erfreulichen, kurzen Darstellung vom Ausgang der zweiten Verhandlung. Da aber der Hof voll löchriger Fässer ist, so sind schon allerlei Gerüchte bis zu uns durchgesickert, so dass man eigentlich mehr hören muss, als du weißt. Die große Entfernung macht, dass hier viele mehr zu wissen glauben als die Augenzeugen der Geschehnisse. Es wundert mich, dass du nicht schon bei der ersten Verhandlung gemerkt hast, in welches Netz du dich verstricktest. Stets missfiel mir Euer Vorgehen darin, dass Ihr auf das Zeugnis des Altertums die halbe Sache abstellet. In dieser Sache können wir so wenig zusammenkommen wie Feuer und Wasser; da du aber nicht aus Irrtum oder Unbedacht gestrauchelt bist, so will ich dir selbst das Urteil darüber freilassen. Da du die Wunde, die bereits vernarbt war, absichtlich wieder aufrissest, zwangst du mich zum Geständnis, wie sehr ich von dir abweiche. Gegen den Bilderdienst das Zeugnis des Altertums aufzuführen, war ja ganz recht; aber wie steht es dann mit dem Salben und Anblasen bei der Taufe und den Osterkerzen? Doch ich will nicht mehr sagen, damit es nicht scheint, ich wolle einem Marlorat und seinesgleichen gegenüber den Gescheiten spielen. Indessen dauerst du mich, dass du durch ihre Dummheit in den tiefen Kot geraten bist. Was nun meinen Rat angeht, so habe ich ja kurz angedeutet, was ich für gut halte; doch wirst du es vielleicht gar nicht beachten, wenn du es gelesen hast; denn ich habe ja nichts als ganz Selbstverständliches zu sagen. Aber um dir zu gehorchen, wollte ich lieber ein Nichts vorbringen, als deine Bitte abschlagen.

Nun zu anderem. Unsere Nachbarn [in Bern] haben neulich unsern Rat ernstlich ersucht, dein heilloser Absalom möge rechtzeitig gewarnt werden, sich vor den ungeheuern Truppenmassen zu hüten, die man gegen ihn rüste. Man erzählt vieles, was wohl auch anderswoher zu Euch dringt. Was uns andrerseits Bullinger zu schaffen gibt, siehst du aus seinem Brief, den ich nicht zu unterdrücken wage, damit es nicht heißt, wir hätten durch unser Schweigen die Republik verraten. Ich überlasse dir die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass keine der beiden Parteien sich beklage, durch unsern Hochmut sei eine herrliche Gelegenheit versäumt worden. Nur eins verlange ich dringend von dir, (erwäge, was dies Wort bedeutet!), dass sobald als möglich die Antwort kommt; denn ich habe nicht Taler genug, noch viele geldgierige Boten zu zahlen. Dazu weißt du, dass sie, die selbst langsamer sind als Schnecken, die französische Schnelligkeit gern missbrauchen. Befreie mich also sobald als möglich von dieser Last! Wie, wenn dieser Rauch nur den Zweck hätte, uns Schrecken einzujagen? Doch, was kümmerts mich, mach du nur schnell. Ich hätte dich gern bei deiner Masse von Geschäften damit verschont; aber ich kann nicht anders, als dir Sulzers Brief auch senden, ein Zeugnis seiner dummen Unverschämtheit; ich möchte, du verachtetest sie, wie sie es verdient. Lebwohl, bester Bruder und Freund. Der Herr sei stets mit dir; er halte dich aufrecht mit unüberwindlicher Kraft und erhalte dich gesund.

18. Februar 1562.

Dein

Carolus Passelius.

Alle Kollegen auch die neuen Syndics und der Rat lassen dich vielmals grüßen.

Calvin, Jean – An Beza in Paris (697)

Nr. 697 (C. R. – 3715)

Bezas letzter Brief hatte von der Fortsetzung des Gesprächs berichtet und als Gerücht einen Überfallsplan des Savoyers auf Genf gemeldet; es sei schon ein neues Haus in der Nähe eines Stadttors heimlich von savoyischen Soldaten besetzt. Über de Tries Tod vgl. 674; sein Bruder war Parlamentsrat in Lyon; mit ihm musste ein Prozess um die Erbschaft geführt werden. De Normandie war ebenfalls in Familienangelegenheiten in Paris festgehalten.

Politische Besorgnis. Calvin als Vormund.

Ob seit deinem unerfreulichen Bericht die Lage sich bereits wieder zum Bessern gewendet hat, wissen wir noch nicht, und kein Gerücht brachte uns eine Kunde, die meine Sorge höbe. Wenn Gott nicht zur rechten Zeit eingreift, wird man alle Tage neuen Anlass suchen, unsere Sache zu unterdrücken. Von Eurer ersten Zusammenkunft ist einiges berichtet worden, woraus ich schließe, deine Ahnung, es werde alles in Rauch aufgehen, habe Recht gehabt.

Unsere Nachbarn [in Bern] sind in großer Angst; wir warten einstweilen noch ruhig ab, gegen wen der Angriff König Philipps sich richten wird. Es heißt, er sende unter der Hand nicht unbeträchtliche Truppenmassen aus Spanien herüber und hebe auch in Italien Militär aus. Doch kann ich nicht glauben, dass er gemeinsam mit dem Papst und Venedig zum Kriege rüste. Kannst du etwas auffischen, so wäre es für uns von großem Interesse, es möglichst bald zu wissen. Eine so schwerwiegende Unternehmung kann sicher bei Hofe nicht mehr verborgen sein. Sieh also zu, dass dein nächster Brief recht voll ist von Nachrichten über diese Kriegsrüstung. Wir werden eifrig auf der Hut sein, und ich verlasse mich auch darauf, dass Gott über uns Wacht hält, damit uns der Feind nicht unversehens überfalle. Wenns zum offenen Krieg kommt, wird noch Zeit genug sein, sich nach Hilfe umzusehen. Dass das Gerücht von dem neuen Haus beim Tor leeres Gerede ist, habe ich bereits geschrieben; es ist uns dort niemand verdächtig.

Wenn du meinen Brief dem Admiral übergibst, so sorge auch, dass er sich der Sache, die ich ihm empfehle, getreulich annimmt. Ich bitte ihn, er möge durch seine Macht uns helfen, eine Urkunde zu erwirken, wie ich sie hier in Abschrift beilege; ebenso eine Kopie des Bittgesuchs. Da der Bruder unseres de Trie nicht nur ein hochmütiger Narr, sondern auch hinterlistig und grausam, ja ein ganzer Schurke ist, so wird von ihm nur mit Gewalt etwas zu erhalten sein. Wir fordern auch gar nichts besonders Schlimmes oder Schwieriges, sondern nur, was schon allenthalben vielen Evangelischen zugestanden worden ist, nämlich die Zulassung der unmündigen Erben zur Erlangung ihres Rechtes. Bis uns diese Tür in der Sache aufgetan ist, wagen wir keinen Prozess anzustrengen, denn wir haben es mit einem ganz verzweifelten Kerl zu tun. Die ganze Geschichte wird hoffentlich Bernaut auf sich nehmen; doch bitte ich dich, so sehr ich kann, auch deine Mitwirkung dazu treten zu lassen, so weit du kannst, wenns auch nicht ohne Mühe für dich ist. Doch ich sage nicht mehr, denn ich weiß genug und übergenug, was du freiwillig um meinetwillen tust, auch wenn ich dich nicht bäte, und du weißt, dass von allen Diensten, die du mir persönlich leisten kannst, mir dieser der liebste wäre. Ich bin es dem unvergesslichen, ganz einzigartigen Freunde schuldig, dass ich für seine Kinder ganz so sorge, wie wenn es die meinigen wären. Denn durch seine unglaubliche Liebe zu mir, durch die wahrhaft kindliche Treue, die er mir erwies, durch seine Ergebenheit bis in den Tod hat er es verdient, und es wäre Sünde von mir, das Vertrauen, das er in mich gesetzt hat, zu täuschen. Stets werden in meinem Herzen seine letzten Worte haften, als er mir in Gegenwart von Frau und Kindern sagte: „Lieber Vater, wir sind Eure Kinder; da mich nun Gott heimholt, so bitte ich Euch, der ich Euch stets ein gehorsamer Sohn war, auch die nicht zu verlassen, die ich hier zurücklasse. Denn ich wollte nichts mehr von ihnen wissen, wenn sie Euch nicht mehr Respekt und Gehorsam erwiesen als mir; denn alles, was sie mir verpflichtete, übergebe ich Euch, und auch meine Pflicht gegen Euch sollen sie erfüllen.“ Ich zitiere dies, damit, wenn du siehst, dass sich die Sache durch anderer Leute Gleichgültigkeit verzögert, du sie stets wieder daran erinnerst, bis die Sache fertig ist.

Lebwohl wieder und wieder, bester Bruder. Ob Herr de Normandie noch festsitzt, werden wir vermutlich bald erfahren. Ich dachte, die Lösung, von der ich schrieb, werde zur Erledigung seiner Geschäfte genügen; doch wir werden sehen, was der nächste Brief bringt. Sind die Bande unlösbar, so möge er sie doch eher zerreißen, als dass wir ihn stets entbehren müssen. Nochmals und nochmals lebt wohl Ihr beide. Gott behüte und leite Euch; er mache Euch reich an Segen aller Art und halte Euch aufrecht bis zuletzt mit unüberwindlicher Kraft. Die Kollegen lassen Euch vielmals grüßen.

11. Februar 1562.

Dein

Carolus Passelius.

Calvin, Jean – An Beza in Paris (696)

Nr. 696 (C. R. – 3706)

Vgl. 692. In der Versammlung von Abgeordneten aller französischen Parlamente schien zuerst alles für die Evangelischen gut zu gehen; 22 Abgeordnete wollten ihnen Kirchen zuerkennen, 16 Versammlungsfreiheit ohne Kirchen, 11 gar nichts; die beiden Minderheitsparteien vereinigten sich, und es wurde im so genannten Januar-Edikt dann nur Versammlungsfreiheit außerhalb der Städte gestattet. Zur Fortsetzung des Religionsgesprächs wurden Beza und zwei andere evangelische Pfarrer, Perrucel (vgl. 245) und Marlorat, einigen Professoren der Sorbonne, darunter Salignac, gegenübergestellt; ob ihn Calvin mit dem Mönch meint, ist fraglich. Weggelassen sind einige unwichtige Sätze.

Von den Resultaten und der Fortsetzung des Gesprächs zu Poissy.

Deinen in den öffentlichen und persönlichen Angelegenheiten halt traurigen, halb erfreulichen Brief habe ich erhalten. Wenn du auch noch nicht wieder ganz gesund bist, so ist dein Leiden doch wenigstens teilweise gemildert, und mit Freuden erfuhr ich, dass du die Schmerzen los bist, wenn mich auch das noch Zurückbleibende zugleich ängstigte, besonders, weil du dich selbst fürchtest und es nicht recht zeigen willst. Über das Resultat der Abgeordnetenversammlung waren bereits so gute Berichte gekommen, dass in deiner Schilderung nichts Angenehmes für mich lag. Was bisher gut gegangen war, ist in einem Augenblick vernichtet worden. Was du für Gesellen haben wirst, sehe ich; der eine, ein von Selbstzufriedenheit aufgeblasener Schwätzer, der andere ein Narr und Dummkopf, dazu weltlich gesinnt und nur, weil er nichts weiß, frech, ja überhaupt nichts wert. Gegenübergestellt aber werden Euch Leute ohne alle Gottesfurcht und Scham. Denn der Mönch, der mir neulich geantwortet hat, will lieber in einem Herrn als in Gott leben und sterben. Du wirst schon spüren, welch verborgenes Gift er noch im Herzen trägt. Wenn Ihr mit Zitaten aus den Alten den Kampf führen müsst, so wird sich nichts Verworreneres denken lassen als Eure Disputation. Doch ich schreibe das ja unnötigerweise, denn die Sache wird schon vorbei sein, oder Ihr steckt mitten im Dreck drin, ehe mein Brief nach Paris kommt. Doch man muss eben Gott bitten, dass er dich mit seinem Rate leite, die Ränke der Bösen zerstöre und alle Schlingen und Fallen Satans auflöse und zerbreche. – – – –

Lebwohl, bester, allerliebster Bruder. Der Herr sei stets mit dir, er leite dich und halte dich aufrecht mit unüberwindlicher Kraft bis ans Ende.

28. Januar 1562.

Dein

Calvin, Jean – An Beza in Paris (692)

Nr. 692 (C. R. – 3617)

 

Vgl. 691. Antonio Caraccioli, Bischof von Troyes, wollte evangelisch werden und fragte bei dem evangelischen Presbyterium seiner Stadt an, ob sie ihn als evangelischen Bischof annehmen wollten; Calvin, in der Sache befragt, gab sein Gutachten dahin ab, dass übertretende Priester und Bischöfe nur dann an der Spitze der Gemeinde bleiben könnten, wenn sie zum Predigtamt tauglich seien und die Unrechtmäßigkeit ihres bisherigen Wirkens einsähen. Beza hatte vom Hof ein Edikt erwirkt, das den Evangelischen Versammlungsfreiheit zugestand bis zur Regelung der Religionsfrage durch eine Versammlung von Abgeordneten der verschiedenen Provinzial-Parlamente; doch waren viele Evangelische damit noch nicht zufrieden. Mit dem Geschäftsmann, der die deutschen Waren, d. h. Theologen, nach Paris gebracht hatte, meint Calvin Baudouin; der Heidelberger Professor Bouquin (vgl. 457, 458, 643) war unter ihnen. De Normandie war in Familienangelegenheiten nach Frankreich gereist. Der Genfer Pfarrer Bourgoing war nach Troyes gesandt worden. Jacques de Savoie, Herzog de Nemours, hatte mit den Guisen eine Entführung des jüngern Bruders des Königs von Frankreich nach Spanien geplant, um von dort aus in seinem Namen die hugenottenfreundliche Regierung zu bekriegen; die Verschwörung wurde entdeckt und de Nemours musste fliehen.

Persönliche und politische Nachrichten.

Gestern ritt ich zum Nachtessen und fand dort einen überheizten Ofen; gleich beim Eintreten gab man mir deinen ersten Brief, und während ich dran war, ihn zu lesen, schlug mir der heiße Dunst aufs Gesicht; zwar legte sich beim Essen das Niesen wieder, aber als ich heimkam, merkte ich, dass das Übel zunahm. Kurz darauf erhielt ich deinen zweiten Brief. Du siehst, was ich an Salignac geschrieben habe; lies den Brief durch und je nachdem vernichte ihn oder lass ihn besorgen. Ich glaubte, mit ihm nicht milder reden zu dürfen; denn seine Unentschlossenheit ist in dieser langen Zeit fast zum Todesschlummer geworden. Wenn er nur jetzt aufwacht und durch einen raschen Entschluss den Makel seiner bisherigen Feigheit von sich abzuwaschen sucht! Die Sache des Bischofs von Troyes habe ich, wie du wünschest, allgemein behandelt; verzeih aber meine Kürze, zu der mich jetzt die Not zwang, wenn schon sie mir auch sonst angeboren ist. Dazu kommt, dass ich in dieser Frage gerne zurückhalte, damit es nicht aussieht, als wolle ich gleichsam Besiegten Gesetze auferlegen.

Was du von dem verkehrten Übereifer der Unsern schreibst, ist sehr wahr, und doch haben wir kein Mittel, ihn zu mäßigen; denn gutem Rate folgen sie einfach nicht. Ich verkündige überall, wenn ich Richter wäre, strafte ich diese tollen Verstöße nicht minder streng, als es der König in seinen Edikten befiehlt. Nichts ist billiger als der Erlass, den du erwirkt hast; aber die andern werden durch ihre Maßlosigkeit diese große Wohltat um ihre Wirkung bringen. Doch müssen wir nichtsdestoweniger fortfahren in unserm Bemühen, denn Gott will, dass wir auch Schuldner der Unweisen seien [Röm. 1. 14]. Seit ich durch deinen Brief von der Ausschreibung einer neuen Versammlung erfahren habe, habe ich, wie du wohl von vornherein weißt, meine Ansicht über deine Rückkehr geändert. Du musst jedenfalls bleiben, wenn wir nicht unsere Sache verraten und verderben wollen, was jetzt auf dem entscheidenden Punkte steht. Vor allem freut es mich, dass die Königin-Mutter es so sehr wünscht; denn daraus glaube ich schließen zu dürfen, dass sie nicht bloß hinterlistig handeln will. Wenn aber von dir ein Entschuldigungsschreiben wegen dieser Verzögerung kommt, so wird es viele Befürchtungen und Bedenken heben; denn du glaubst nicht, von welcher Angst unser Rat gequält wird, weil man glaubt, dich nicht mehr zurückerhalten zu können. Wenn nichts von andrer Seite kommt, so ist es deine Pflicht, ihnen wieder etwas Mut und Hoffnung zu machen. Dein bisheriges Schweigen kannst du auf mich schieben und sagen, ich habe die Aufgabe übernommen, dich zu entschuldigen.

Der Geschäftsmann, der uns mit seinen deutschen Waren Konkurrenz machen wollte, hat nun den Lohn für seine Treulosigkeit; doch wunderts mich, dass er die Scham so völlig abgelegt hat und nicht einmal irgendetwas anderes vorgibt. Will man Hotman glauben, so ist Bouquin ganz andern Sinnes als Baudouin. Unserm de Normandie gratuliere ich zu dem freundlichen Empfang; wenns nur nicht bloß höfisches Wesen war; doch hoffe ich das Beste, denn auch Leute, denen ich zutraue, dass sie es ernst meinen, haben ihm von selbst ihre Hilfe angeboten. Lebwohl, bester, allerliebster Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite dich und erhalte dich gesund; alle Unsern lassen dich angelegentlich grüßen.

Bourgoing mussten wir wegen seiner Unvorsichtigkeit fort senden. Ihr werdet wohl schon wissen, dass der Herzog de Nemours in sein savoyisches Nest geflohen ist. Es hätte wenig gefehlt, so hätte der Landvogt von Gex Hand an ihn gelegt, obschon er ihn nicht kannte. Doch entkam er dort und traf nachts in Chancy ein; seine Begleiter fragten hier ängstlich, ob sie auf Genfer oder Berner Gebiet seien, nahmen einen Führer und ritten nach Leluiset, wo sie von ihren zwölf Pferden drei halbtot vor Müdigkeit zurückließen. An des Gallars, und wen du sonst noch weißt, viele Grüße. Bitte sorge für deine Gesundheit und lass dich nicht mit unangenehmen Geschäften überhäufen; denn es wäre mir sehr traurig, zu hören, du seiest angegriffen.

Nochmals lebwohl.

19. November 1561.

Dein

Carolus Passelius.

Calvin, Jean – An Beza in St. Germain (689)

Nr. 689 (C. R. – 3580)

Krankheit, Verhaltensmaßregeln für Poissy.

Seit die Leibschmerzen aufgehört oder wenigstens etwas nachgelassen haben, haben mich Schwindelanfälle gepackt, die mich aber nicht so arg mitnehmen. Mein Fuß ist noch nicht besser. Vorgestern habe ich gepredigt; doch musste ich mich auf meinem Lehnstuhl bis in die Kirche tragen lassen. Doch du erfährst das besser von unserm de Normandie, der vielleicht diesem Brief schon zuvorgekommen ist. Dass das Religionsgespräch bald abgebrochen werden soll, hat mir nie missfallen; nur soll es nicht durch Eure Schuld geschehen. Doch möchte ich nicht, dass Ihr, um bösem Geschwätz zu entgehen, allzu ängstlich wäret; denn ich fürchte stets, Eure Nachgiebigkeit könnte Euch und unserer Sache schaden; hütet Euch also davor, Euch betrügen zu lassen. Auf einem müsst Ihr bestehen: dass die Gläubigen eine befriedigende Freiheit erhalten; doch ist dabei die Hitze derer, die über das Ziel hinausschießen, streng zu tadeln, und Ihr müsst Euch beraten, wie Ihr sie im Zaum halten könnt, damit alle Provinzen halten, was Ihr beschließet. Wollen sie nicht folgen, so werden sie später, zu spät, erkennen, wie viel besser die Mäßigung ist als die Tollkühnheit. Wenn dann wenigstens nur sie die Strafe zahlen müssen! Aber wenn Gott nicht ihr maßloses Wesen bändigt, werden sie alles zu Grunde richten. Sieh das Muß ist ein scharfes Geschoss und macht verschwenderisch auch in der höchsten Not. Wenn Merlin noch vor Ende des Monats hierher zurückkommt, werden wir sagen, er habe gut an uns gehandelt. Die Frau Herzogin hat mich dringend gebeten, de Collonges nicht zurückzurufen; auch ihre Hoffnung auf dich wird man kaum enttäuschen dürfen; sie erwartet nämlich dich und Herrn Martire dringend und behauptet, man habe ihr das versprochen. Allerlei solche Aufenthalte werden den Termin deiner Abreise über Gebühr hinausziehen; auch wäre es nicht freundlich, Martire allein zu lassen; doch siehe vor allem zu, unserer verlassenen Schule rasch wieder aufzuhelfen. Denn ich, der ich an deine Stelle hätte treten sollen, musste fast den ganzen Monat liegen. Da du, wie ich vermute, kurz nach Empfang dieses Briefes abreisen wirst, so schreibe ich fortan nicht mehr, wenn ich nicht von einer Änderung deiner Pläne erfahren sollte. Lebwohl, trefflicher Mann und bester Bruder, samt Herrn Martire und den übrigen Brüdern, bei denen du mich wegen meines Nichtschreibens entschuldigen musst. Der Herr behüte und leite Euch alle und segne Euren Eifer.

21. Oktober 1561.

Dein

Calvin.

Calvin, Jean – An Beza in St. Germain (688)

Nr. 688 (C. R. – 3573)

Krankheit. Keine Hoffnung auf Erfolg in Poissy.

Am Tag nachdem ich dir das letzte Mal geschrieben, packten mich fürchterliche Leibschmerzen, die ohne Aufhören volle zwei Tage wüteten. Dann ließen sie für eine Weile etwas nach; drei Nächte nachher waren sie aber noch sehr schlimm. Auch wage ich mir nicht viel Besserung zu versprechen von den Klistieren und dem beständigen Salben. Von dem vielen Erbrechen, der Schlaflosigkeit, den heftigen Schmerzen, zugleich der Appetitlosigkeit und dem Durst ist mein Gaumen und mein Hals so trocken, dass es mir schwer fällt, auch nur diese paar Worte zu diktieren. Ich hätte jemand andern aufgetragen, dir zu schreiben, wenn ich nicht gefürchtet hätte, du könntest dir dann noch mehr Angst und Sorgen machen. Dass die Gegner Euer Religionsgespräch auf jede Weise abzubrechen suchen, macht mir keinen Kummer. Die Verhältnisse sind noch nicht reif genug dafür, dass der reine Glaube durch ihre Zustimmung gefördert werden könnte, und teilweise Zugeständnisse machen hieße nichts anderes, als den Fortschritt der Wahrheit hemmen. Ich möchte also, Ihr machtet ihnen in ihrer Bemühung keine Schwierigkeiten. Lebwohl, bester Bruder, samt Herrn Martire und den übrigen. Gott behüte, leite und segne Euch in allen Dingen.

15. Oktober 1561.

Dein

Calvin.

Calvin, Jean – An Beza in St. Germain (684)

Nr. 684 (C. R. – 3555)

Der 7. Oktober war Bezas Geburtstag.

Humor in Schmerzen. Die Schrift gegen Baudouin.

Heute, an unserm Festtage, habe ich deinen sehr reichhaltigen und ebenso lieben Brief erhalten. Du wirst aus meiner Antwort ersehen, dass ich wegen meiner Gelenkschmerzen noch auf alles Feiern verzichten muss. Doch hatte ich seither nicht einmal so Ruhe wie heute; denn volle zwei Tage litt ich die furchtbarsten Schmerzen im rechten Bein. Vorgestern begann die Krankheit zwar sich etwas zu legen aber soweit ließ sie nicht nach, dass sie meinen Fuß nicht mehr festhielte. Und, – damit du weißt, dass ich nichts erfinde, – gegenüber solchen Schmerzen ist mir sogar der ölige Salbengeruch noch fast angenehm, obwohl er mich oft zum Erbrechen bringt. So brauche ich dich um deine höfische Pracht nicht zu beneiden; denn auch ich bin reichlich und fett gesalbt. Glaube mir, mit solchen Späßen will ich weniger mich erheitern, als dir alle Sorge nehmen, damit du nicht etwa ängstlich wirst, wenn irgendein düsteres Gerücht von anderer Seite zu dir dringt. Denn ich sehe, wenn Gott dich nicht aufrecht hielte, wärest du nicht dem zehnten Teil deiner Aufgabe gewachsen. Du hast meinen letzten Brief erst nach Mitternacht beantwortet; ich tue es nun im Bett nach sieben Uhr, da ich es so bequem machen kann; so vorsichtig werden alte Leute, die das Podagra haben. Doch Scherz beiseite, ich kann mit Worten nicht ausdrücken, wie lieb mir dein Brief war, der mich mitten in die Sache hineinführte. Ist er auch nicht in allem erfreulich, so enthält er doch mehr Fröhliches als Ärgerliches und Verdrießliches. Drei- oder viermal gepriesen sei unser Gott, der uns über die Wolken emporhebt, dass wir zu Füßen des triumphierenden Christus sitzen und von dieser Höhe alle seine und unsere Feinde verachten können! Ich kann dich für deinen Bericht nicht belohnen, es wäre denn, du begnügtest dich mit Schulden statt Gulden. Damit du nun aber auch siehst, dass ich, während Ihr in heißem, ernstem Kampfe steht, hier im Schatten auch etwas plänkle, sende ich dir die Antwort auf Baudouins Büchlein. Hüte dich, es zu tadeln, sonst sage ich, du seiest von der gleichen Partei, wenn du mit dem übereinstimmst, dem es sehr missfallen wird. Merlin hat sich mit seinem Schreiben keine vergebliche Mühe gemacht, wenn ich ihm auch nicht mit gleichem vergelte; denn er hat nun an mir einen Schuldner, der ihm nicht entrinnen kann. Unsere Brüder lassen dich und die übrigen vielmals grüßen. Lebtwohl wieder und wieder, Ihr alle.

7. Oktober 1561.

Dein

Calvin.

Calvin, Jean – An Beza in St. Germain (683)

Nr. 683 (C. R. – 3542)

Weggelassen sind einige unwichtige Sätze über die Rückkehr der in Frankreich weilenden Genfer Pfarrer. Über Baudouins Wirksamkeit vgl. 675. Er stand im Solde des Königs von Navarra, der aus Furcht für seine Gebiete in Spanien wieder nach Rom schielte. Wegen seiner geringen Fortschritte im Evangelium bezeichnet Calvin den König von Navarra als Schildkröte.

Besorgnis um Bezas Gesundheit. Calvin will nicht nach Poissy.

Gestern habe ich gleichzeitig zwei Briefe von dir erhalten. Wenn es den Bischöfen beliebte und erlaubt worden ist, mit Euch zu disputieren, so seid Ihr jedenfalls jetzt schon tief im Gespräche drin; wenn mich aber nicht alle meine Vermutungen trügen, so wird alle Hoffnung geschwunden sein. Könnten wir dich sobald wie möglich gesund und heil wieder hier empfangen! Meinst du aber, dass ein solches Wegeilen gefährlich wäre, so wollen wir beide unsere Sehnsucht bemeistern. Indessen gib doch den zudringlichen Anforderungen der Leute nicht zu sehr nach, denen weder dein Leben noch das gemeine Wohl der Kirche am Herzen liegt. Ich höre, du seiest schon ganz abgemagert, und wundere mich nicht darüber bei deiner ständigen Überhäufung mit soviel Geschäften. Soviel auch bitter notwendig sein mag, – wenn du deine Gesundheit nicht schonst, so sorgst du schlecht für uns und die Kirche. Übrigens, willst du mir folgen, so führe deine begonnene Arbeit zwar fort, aber beurlaube dich wenigstens für kurze Zeit von Truggestalten, deren honigsüße Schmeicheleien doch nur tödliches Gift ausströmen. Ich möchte die andern zwar deiner nicht berauben, aber eine kurze Abwesenheit wird nur von Nutzen sein, glaube ich, wenn dieser Glaube nicht nur eine Vorspiegelung meiner Sehnsucht, dich wieder zu sehen, ist. Jedenfalls musst du dich nach einer günstigen Gelegenheit umsehen, wie du es übrigens schon von selbst tun wirst. Über das Augsburgische Bekenntnis habe ich eingehend an den Grafen Erbach geschrieben, damit er den bösen Plänen entgegenwirke; ich habe ihm gezeigt, aus welcher Quelle diese Hinterlist fließt und welche Sintflut daraus entstehen könnte. – – – –

Dass die, die Viret als Pfarrer zu haben wünschen, nicht längst ihren Wunsch erfüllt sehen, lag nicht an mir. Er ist jetzt nach Montpellier gereist, weil er einen unserer kalten Winter nicht mehr aushalten zu können glaubte. Gegen Ende des Winters wird er dann in die Gascogne reisen, dem ganzen Lauf der Garonne folgen, dann zu Loire hinüber und bis zur Normandie vordringen.

Es ärgert mich, dass bei gewissen Leuten ohne allen Grund und Vorwand der Verdacht besteht, ich sei eifersüchtig, weil ich nicht auch nach Poissy berufen worden sei. Neulich schrieb mir der Admiral gerade so, als ob er sich entschuldigen müsste, um mich damit auszusöhnen. Und doch kannst du es mir am besten bezeugen, dass ich dieser Aufgabe stets ausgewichen bin. Da ich dich doch bei deiner Abreise noch beschworen habe, kein Wort von mir zu sagen, so gefällt es mir nicht, dass du diesen Liebesdienst, den du mir doch nach meiner Ansicht schuldig warst, nicht ganz geleistet hast. Doch fürchte ich, es ist ihm auch von andrer Seite irgendetwas zugeflüstert worden; denn viele messen mich eben ganz an ihrem Empfinden. Nun, da gute und schlechte Nachrichten in gleicher Weise nach St. Germain kommen, sorgt Ihr ohne Zweifel dafür, das Los der Brüder zu erleichtern, wie es sich ziemt. Die Auvergner sind des Erbarmens im höchsten Grade würdig, und ihre gute Sache muss ihnen Gunst erwerben. Den Lyonern bald zu helfen, liegt im Interesse der ganzen Kirche. Im ganzen umliegenden Gebiet wachen nun die Gewissen aus ihrem Todesschlafe auf; wie von Wespen gestochen, würdest du sagen. Doch ich muss antworten, ich fürchte mich bei dieser neuen Kunde. Denn wie kommt es, dass sie die Übel, an die sie sich so gewöhnt hatten, nun mit einem Mal spüren? Bis du zurückkommst, werden sie dem Geruch der Fährte folgen, wie du im Scherz zu sagen pflegst. Sobald du aber hier sein wirst, wird ihr Spürsinn erlöschen. Lebwohl, bester Bruder, samt Herrn Martire und den andern Kollegen, die ich und unsere Brüder vielmals grüßen lassen. Der Herr sei mit dir; er leite Euch mit seinem Geiste und erhalte Euch gesund durch seinen Schutz.

1. Oktober 1561.

Dein

Carolus Passelius.

Eine kurze Antwort an Baudouin ist im Druck; nächste Woche wirst du sie erhalten. Es war mir in meiner Trauer kein angenehmer Trost, sie zu schreiben; aber man musste die frevelhafte Frechheit dieses Gesellen zurückweisen und ich wollte indirekt auch die Trägheit der Schildkröte strafen. Mag er sich mit solchen Ränken wohl gefallen, wenn wir nur zu seiner Schande das Verderben, das er sinnt, aufdecken dürfen. Deshalb will ich meine Schrift vielleicht auch ins Französische übersetzen lassen; doch bin ich noch nicht entschlossen.

Calvin, Jean – An Beza in St. Germain (680)

Nr. 680 (C. R. – 3533)

Am 9. September hatte Beza in Poissy in prächtiger Rede den evangelischen Glauben bekannt und dargestellt; die Königin-Mutter und der Hof hatten sich dazu beifällig geäußert, die Prälaten eine Stelle über das Abendmahl herausgerissen und angefochten. De l´Epine (vgl. 676) hatte das überreichte evangelische Glaubensbekenntnis mit unterschrieben.

Bezas Erfolg in Poissy.

Dass du meine zwei letzten Briefe miteinander erhalten hast, ist, wie du siehst, die Schuld des trägen Freundes, der die Besorgung übernommen hatte. Denn da er jeden dritten Tag Boten zur Hand gehabt hätte, so kann er sich nicht entschuldigen, wenn er es bis zum neunten Tag aufschob in seiner Pflichtvergessenheit. Was du mir von der herrlichen Verhandlung schreibst, war mir freilich schon von andrer Seite bekannt; doch war es mir viel lieber, durch deinen Bericht die Sache sozusagen mit Augen zu sehen, als die Erzählungen anderer davon zu hören, die meistens die geschichtliche Wahrheit durch allerlei Ausschmückung verstümmeln. Das war ein ganz glücklicher Tag, an dem den Kirchen die Freiheit errungen wurde, die man ihnen geben musste, die aber sehr schwer herauszubekommen war. Deine Rede ist uns gebracht worden; Gott hat darin wunderbar deinen Geist und deine Zunge gelenkt. Was darin die heiligen Väter ärgerte, musste gesagt werden, wenn du nicht schmählich ausweichen und dich ihren Vorwürfen aussetzen wolltest. Es wundert mich, dass sie nur über den einen Punkt sich aufregten, da andere Stellen sie nicht minder schwer verletzen mussten. Dass durch dieses eine Ärgernis das Gespräch abgebrochen sei, ist törichtes Gerede. Sie hätten hundert andere Anstöße finden können, obwohl sie sich jetzt nur auf einen verbissen haben und so gewissermaßen allem übrigen zustimmen. So ist auch das ganz glücklich ausgefallen. Dass de l´ Epine nun offen und ehrlich Christo die Ehre gibt, freut mich; ich will ihn in einem besondern Brief zum Fortfahren ermuntern. Ich bin nun gespannt zu hören, wie geschickt der Kardinal von Lothringen seine Lappen wieder zusammengeflickt haben wird. Ist nun auch dem Geplänkel ein Ende gemacht, so glaube ich doch nicht, dass es zu ernsthaftem Kampf kommen wird. Wenn ich dich auch bitte, nicht zu früh um Urlaub einzukommen, so leistet mir der Legat doch einen guten Dienst, wenn er dich bald gehen lässt. Ganz mit Recht hast du grüßen lassen, was von Freunden noch übrig ist; ich komme mir wirklich in dem Rest, der noch da ist, ganz vereinsamt vor. Unsere Kollegen lassen dich vielmals grüßen. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr leite dich stets; er stärke dich mit unüberwindlicher Festigkeit und Stärke; er sei mit dir bei deinem frommen Wirken und erhalte dich gesund und heil. Bitte grüße alle deine Begleiter. Wenn du wieder länger als zehn Tage nicht schreibst, wie es nun schon wieder geschehen ist, muss ich dich wirklich einen Faulpelz nennen.

24. Sept. 1561.

Calvin, Jean – An Beza in St. Germain (679)

Nr. 679 (C. R. – 3513)

Im Gefolge des Kardinal-Legaten von Ferrara war unter andern katholischen Theologen auch der Jesuiten-General Jacopo Lainez nach Poissy gekommen. Von den beiden genannten Schriften war die erste doch nicht von Calvins Gegner Baudouin (vgl. 675); sie hießt: „Von der Pflicht eines frommen und die öffentliche Ruhe liebenden Mannes in diesem Religionszwiespalt“ und ihr Verfasser war Georg Kassander, ein Holländer; doch brachte Baudouin sie nach Poissy und vertrieb sie.

Von den Schwierigkeiten und geringen Aussichten des Gesprächs von Poissy.

Gestern wurde mir dein Brief vom 30. August übergeben. Da andere uns so freigebig mit guten Gerüchten füttern, so solltest du dich eigentlich der Sparsamkeit schämen, die uns fast ganz hungrig lässt. Willst du vielen Genüge tun, so profitiere etwas vom Unterricht deiner Gegner, die ja deinen Namen hoch preisen, und lerne etwas frecher schwindeln. Alle andern erzählen Wunderdinge; nur du allein zeigst kaum irgendwelche Hoffnung. Doch Scherz beiseite, – denke daran mir zu schreiben; ich habe nichts lieber, als nach einem schlichten Bericht mir die Lage vergegenwärtigen zu können. Was andere auch meinen, – ich bin einmal überzeugt, was man von einem Gespräch prahlt, ist nichtig. Glaub mir, die Bischöfe werden sich nie zu einer ernsthaften Auseinandersetzung herbeilassen. Zwar zweifle ich nicht daran, dass unter ihnen solche sind, deren Wünsche und Hoffnungen ganz gut sind; aber die, die das Steuer führen, greifen eher zum Äußersten, als dass sie sich so zur Ordnung zwingen ließen. Wenn also der Legat in seinem großen Gefolge auch Theologen mitführt, und wie man einstmals in der Prozession Schaugerichte herumtrug. Also wenn du mir glauben willst, braucht dir das Religionsgespräch keine Sorgen zu machen. Könnten die Gegner die Bedingungen dazu aufstellen, so könnte es vielleicht ein müßiges Geplänkel geben; jetzt wo sie sehen, dass man ihnen Vorschriften gibt, werden sie offen jeden Kampf ablehnen. Die Ankunft des Legaten wird zwar ihren Geist etwas aufblähen; hat der seine Drohungen umsonst verbraucht, so wird, darauf baue ich, alles vorbei sein. Ehe du diesen Brief erhältst, wird man ihn donnern hören; täusche ich mich nicht sehr, so wird aber der Blitz nicht geschleudert, sondern erst eine Weile damit gedroht, ehe er losgeht. Bieten sich aber die Bischöfe, um Euch zu täuschen, doch zum Kampfe an, so habt Ihr ja jetzt den Pietro Martire bei Euch, der nach meiner Berechnung der Tage noch rechtzeitig angekommen sein wird. Obwohl ich dich dringend bat, von mir gar kein Wort mehr zu sagen, hörst du, wie ich sehe, doch nicht auf, etwas zu versuchen. Das ist meines Erachtens unnütz. Mit meiner Vorrede zum Daniel wollte ich mir absichtlich den Weg versperren; nicht als ob ich die Mühe scheute oder der Gefahr ausweichen wollte; aber weil genug taugliche, wohl ausgerüstete Leute da sind, hat es keine Zweck, dass ich auch dabei bin. Tatsächlich sind ja auch alle, außer dir und Merlin, genügend guten Mutes. Meine Ansicht über die aufgestellten Bedingungen für das Gespräch habe ich nicht geschrieben, teils weil ich dachte, mein Rat komme, da die Sache bereits fertig sei, doch zu spät, teils weil es mir höchlichst gefiele, wenn Euch zugestanden würde, was die Brüder darin verlangen. Ich hätte mich an ihrer Stelle gefürchtet, so drückende Vorschriften aufzustellen. Zum Erfolg gratuliere ich gewissermaßen schon, aber ich bin auf den Ausgang sehr gespannt. Du erinnerst dich wohl an das, was ich dir im Voraus sagte: Ihr brauchet Euch nicht zu fürchten; denn aus ihren geheimen Beratungen werde zu ihrer größten Schande ein herrlicher Sieg für Euch hervorgehen, wenn sie Euch auch noch so sehr von oben herab verachten. So müsse man sich hüten, allzu hartnäckig auf völliger Gleichberechtigung zu bestehen, damit man nicht auf Euch die Schuld am Scheitern schieben könne. Das Augsburgische Bekenntnis ist, das weißt du, für Euch einen Furienfackel und könnte einen Brand entzünden, der ganz Frankreich verzehrte. Man muss nur fragen, wozu es denn Euch aufgedrängt werde; seine Unentschiedenheit habe ja doch stets allen tapferen Leuten missfallen, und sein Verfasser habe sie selbst bereut; auch sei es in seinem größten Teil auf speziell deutsche Verhältnisse zugeschnitten; ganz zu schweigen von seiner missverständlichen Kürze und seiner Verstümmelung durch Weglassung einiger hochwichtiger Punkte. Übrigens wäre es unsinnig, das französische Bekenntnis fallen zu lassen und das Augsburgische anzunehmen. Welche Fülle von Streitobjekten würde für die Zukunft damit geschaffen! Denn die Mehrheit wiche doch nicht von dem einmal angenommenen Bekenntnis. Ich rede davon, als wollten der Kardinal und seine Anhänger wirklich und ehrlich das Augsburgische Bekenntnis annehmen. Doch ists ja nur eine List, die gegen Euch gesponnen wird, um die gegenwärtige Verhandlung zu stören und alles durcheinander zu bringen. Zu diesem Zweck ist in Basel auch ein Büchlein erschienen, dessen Verfasser, wie ich vermute oder fast sicher weiß, Baudouin ist. Ich möchte dem Kerl nach Verdienst antworten, aber ich bin mit persönlicher Korrespondenz zu überhäuft, und alle Frische, die ich hatte, ist dahin; doch will ich fortfahren, solang ich kann. Ich höre auch, es sei von ihm zu Paris irgendeine Schrift vom Zusammenhang der Geschichtsschreibung mit der Jurisprudenz erschienen, in der du gehässig drangenommen werdest. Jetzt heißts, er koche mit seinem Kassander ein neues Gift. Ich denke, Ihr werdet schon dafür gesorgt haben, dass wir es durch Eure Hilfe leichter bekommen; ist bisher noch nichts geschehen, so soll der, der kommt, doch jetzt recht eilen. Lebwohl, bester Bruder, samt der ganzen Schar. Der Herr leite Euch mit dem Geist der Klugheit und der Kraft; er behüte Euch und segne Euer Wirken. Unsere Kollegen lassen Euch alle vielmals grüßen, ebenso viele Freunde, die ich nicht alle aufzählen kann. Ach, wäre doch der eine, den der Tod uns entrissen, auch noch darunter!

10. September 1561.