Johannes Oekolampad an Martin Frecht und andere

Theuerste Brüder, ich kann Euch den ganzen Schmerz nicht verhehlen, der mich ergriff, als ich erfuhr, daß unser Zwingli in die Hände grausamer Feinde gefallen und mit solcher Wuth zerrissen wurde; denn ich weiß wohl, wie sehr die Verbreitung dieser Nachricht der Welt zur wilden, ausgelassenen Freude, den Schwachen zum Aergerniß gereichen wird. Ich sprach mir selber Trost zu, obwohl bald ein Unglück dem andern auf dem Fuße folgte. Auch fiel Zwingli nicht allein, sondern angesehene Männer mit ihm, der Abt von Kappel und der Komthur von Küsnacht, und auf die erste blutige Niederlage folgte eine zweite, um so schmachvoller, weil sie mit der Flucht endigte. Ich gedachte, daß diese Männer, die ja sterblich waren, durch Krankheit oder ein anderes Geschick hätten umkommen können; sie sind ja nur vorangegangen, wir werden folgen, wenn auch durch eine andere Todesart. Wenn niemand Anderes als der große Haufe sich daran ärgerte, das würde mich wenig kümmern, denn ich kenne ihren Glauben und ihre Gottesfurcht und weiß, daß kein eigentliches Uebel ihnen begegnen konnte. Es schmerzt mich aber am meisten, daß überall die Verleumdungen Eingang finden und der Vertheidigung kein Gehör geschenkt wird. Der Tod unserer Brüder ist an sich nicht unehrenhaft. Ist es doch nichts neues in der Schweiz, daß die ersten Geistlichen bewaffnet die Banner in die Schlacht begleiten. Unser Bruder ist nicht als Heerführer ausgezogen, sondern als guter Bürger, als getreuer Hirt, der mit den Seinen sterben wollte. Wer unter seinen Verleumdern hat auch nur eine Unze seines Edelmuths? Auch ist er nicht aus eigenem Trieb in’s Feld gezogen: ein Unglück ahnend und verheißend, hatte er sich erbeten, in der Stadt bleiben zu dürfen; der Rath verweigerte es ihm, rücksichtslos bestürmte man ihn, ja riß ihn beinahe fort. Es fehlte auch nicht an Verräthern, die ihm vorwarfen: Er sei feig, wenn er zu Hause bleibe. Zudem war er, wie in anderen weltlichen Dingen, in der Kriegskunst wohl erfahren … Gestützt auf unsere Freundschaft rieth ich ihm wiederholt ab, sich in Geschäfte zu mischen, welche mit dem Evangelium wenig zu thun hätten. Er schrieb mir zurück: Die Sitten seines Volks seien mir wenig bekannt, er sehe das schon gezückte Schwert und werde thun, was eines treuen Wächters Pflicht sei, er handle nicht blindlings. Dies seine letzten Worte. Mag sein, daß dieser Eifer zu unbändig war, warum tadelt man denn nicht auch Diejenigen, welche die Fürsten zu schonungslosem Verfahren gegen aufrührerische Bauern antrieben? Es war sein Plan nie, die Sache zum Krieg kommen zu lassen. Hat er noch so sehr geirrt, was ich nicht gesagt haben will, obgleich ich keineswegs seiner Meinung beistimmte, so war er deshalb noch nicht der Menschen schlechtester. Die Schlechtesten waren es auch nicht, welche der Thurm von Siloah erschlug und deren Blut Pilatus mit dem Opfer mischte. Was ist bekannter, als daß die Gerichte Gottes an seinem eigenen Hause anheben, daß der Vater die Söhne züchtigt, die er liebt, wie nun diese Verleumder und Doktoren der Verzweiflung es auslegen mögen? Es darf aber nicht als der geringste Vortheil angesehen werden, daß unsere Gemüther gedemüthigt worden, und wir gelernt haben, unser Vertrauen nicht auf den fleischlichen Arm, sondern auf Gott zu setzen. Beides lernen die Auserwählten von ihrem Unglück.

Möchten doch die Spötter überlegen, was es den Ammonitern, den Philistern, den Tyreern und Idumäern eingebracht hat, über die Verwüstung Jerusalems geklatscht zu haben! Uns halten sie für die Babylonier; der Herr aber wird’s offenbaren. Kein billiger Vertrag war von den V Orten zu erlangen; die Unsrigen begehrten nichts als Frieden; Nothwendigkeit und nicht Kampflust trieb sie zum Krieg. Mit fremden Söldnerscharen hat der Feind zuerst die Grenze überschritten, die Witwen und Kindlein unbarmherzig behandelt, und wir hätten ihn nicht zurückschlagen sollen? Es ist eine grundlose Behauptung, daß die Unsrigen durch den Krieg das Evangelium verbreiten wollen; es verhält sich nicht also. Jene Tyrannei war unerträglich. Wir Alle wären auf einmal verloren gewesen, wenn die Zürcher nicht Widerstand geleistet hätten. Aller evangelischen Staaten Schicksal steht auf dem Spiel. Die braven Zürcher haben für uns und für euch ihr Leben daran gesetzt. Weil aber der himmlische Vater uns züchtigt, so geziemt es uns, nach dem Wort des Propheten, den Zorn des Herrn zu tragen. Er wird nicht ewiglich zürnen. Unser Muth ist noch nicht gebrochen …

Oekolampad, Johannes – Brief an Fracht und Sam über den Tod Zwingli’s.

Meinen vielgetreuen Brüdern, Martin Fracht und Konrad Somius, den Predigern in Ulm. 1531.

Seid mir in Christo gegrüßt! Ich kann nicht verhehlen, allerliebste Brüder, was ich in menschlicher Schwachheit zu leiden hatte, als mir die Kunde zukam, unser Zwingli sei in der blutdürstigen Feinde Hände gefallen und auf so schreckliche Art zerrissen worden; mir wohl bewußt, zu welcher Freude der Welt, zu welcher Entmuthigung der Kleingläubigen dieses Gerücht sich ausbreitet. Indessen tröstete ich mich selber wieder, obgleich Schlag auf Schlag bald neues Unglück folgte. Ist doch Er nicht alleingefallen, sondern mit ihm eine gute Zahl vortrefflicher Männer1)! Und es ist nicht bei einer Niederlage geblieben; eine zweite folgte, der Flucht halber nach schmachvoller als die erste. Doch ich gedachte des Wechsels, dem ja alle Dinge dieser Welt unterworfen sind. Diese Sterblichen hätten von einer Pestilenz oder einem andern Mißgeschick weggerafft werden können. Sie sind uns nur vorausgegangen, wir werden folgen, wenn auch in anderer Todesart.

Was der große Haufen darüber urtheilt (wenn’s niemand Anders irre macht), das würde keinen Eindruck auf mich machen; denn jener Männer Treue gegen Gott und die Menschen ist mir bekannt, und diese läßt es ihnen nicht übel ergehen. Aber wenn ich an die Verläumdungen denke, womit die Arglosen umstrickt und beschwert werden, so schmerzt es mich nicht wenig, daß Schutzreden keine Ohren finden, Verlästerungen aber so viele. Ist denn unserer Brüder Tod an sich etwas Ehrwidriges? In der Schweiz ist es gar nichts Ungewöhnliches, daß unter dem Hauptbanner, selbst in Waffen, auch die höchsten Priester mit ausziehen. Und unser Bruder ist nicht ausgezogen als ein Feldhauptmann, sondern als ein guter Bürger und bester Hirte, der da nicht gezögert hat, mit den Seinen zu sterben. Wo hat Einer seiner Schmäher und Verkleinerer auch nur den hundertsten Theil eines so edeln Geistes! Dann ist er nicht gerade mit besonderer Lust ausgezogen; sondern sein Ansuchen, noch eine Weile zu Hause bleiben zu dürfen, wies der Rath ab. Er hat das Unglück vorausgesehen und vorausgesagt, auch waren Solche, die ihn ungestüm fortdrängten und mitrissen, unter ihnen Verräther, die ihm Feigheit vorwarfen, wenn er zurückbliebe. Zudem war Zwingli, wie in anderen weltlichen Künsten, in dem Kriegswesen gar nicht ungelehrt. Man sagt aus, er habe selbst von der kanzel herab vom Frieden abgerathen; darüber wird sich aber nicht wundern, wer die Sitten der Feinde kennt, wie wenig sie Friedensbitten Gehör geben.

Noch war ihr Absagebrief im Rathe nicht verlesen, stürmten sie schon aus Hinterhalten in das Zürchergebiet und griffen an, wo man noch gar nichts gefürchtet hatte. Das ist ihre Bundestreue, die da geworden sind vom päbstlichen Gelde, und alle Bünde und Verträge der Väter verachten und mit Füßen treten! Als von mehreren Seiten her der Wunsch gestellt wurde, er möchte mit mehr Nachdruck die Regierung an ihre Pflichten mahnen, so habe ich nach unserer Freundschaft mehr als einmal ihn gerade abgemahnt, er solle sich nicht in Dinge mischen, die mit dem Evangelium wenig zu thun haben. Er schrieb mir wieder: Dir sind des Volkes Sitten nicht wohl bekannt; ich sehe ein Schwert und werde thun, was einem treuen Trabanten obliegt; unüberlegt handle ich nicht. Das sind die letzten Worte, die er mir geschrieben hat.

Mag sein wie es will, der Eifer zu ungemessen, zu ungestüm; warum schilt man Die nicht, welche die wuthentbrannten Fürsten haben so blutgierig wüthen machen gegen das rebellische Landvolk, von dem Viele konnten gerettet werden? Sein Wunsch ist es nie gewesen, daß die Sache zum Blutvergießen käme. Aber so war einmal seine Ueberzeugung, und sollte er auch noch so groß geirrt haben (was ich noch nicht gesagt haben möchte, obschon ich ihm nicht völlig beipflichten kann), so ist er um dessen willen doch nicht der Schlechteste der Sterblichen. Die Schlechtesten waren es auch nicht, auf die der Thurm von Siloah fiel, und deren Blut Pilatus mit ihrem Opfer vermischte. Was ist bekannter, als daß das Gericht mit dem Hause anfängt? Der Vater züchtigt die Söhne, die er liebt; wie auch die Verläumder und Lehrer der Verzweiflung die Sache auslegen mögen. Die Demüthigung unseres Sinnes und das Vertrauen auf Gott, nicht auf unsern fleischlichen Arm, verdienen, nicht für die geringsten Güter angesehen zu werden. Dieses Beides lernen die Auserwählten aus diesem Unglück. Möchten doch unsere Beschimpfer bedenken, was den Ammonitern, Palästinensern, Tyriern und Idumäern zu Theil geworden ist, nachdem sie über das verwüstete Jerusalem frohlockt hatten. – Es konnte von Jenen keine Billigkeit erlangt werden; Nothdrang, nicht Kriegslust, führte zum Kampfe. Ihre Tyrannei ist unerträglich und verloren wären wir Alle, wenn sich die Unsrigen nicht widersetzt hätten. Es handelte sich um die Sache aller evangelischen Gemeinwesen. Nun haben jene wackern Männer für Euch und für uns ihre Leiber als ein Bollwerk hingeworfen. Und hat jetzt der himmlische Vater Züchtigung über uns ergehen lassen, so sollen wir des Herrn Zorn zu tragen wissen; denn er wird nicht ewiglich zürnen. Noch ist indessen der Muth der Unsrigen nicht vollends gebrochen. Gewiß wollen die Basler mit den Zürchern und mit den Bernern von jenen keinen schimpflichen Frieden annehmen. Wir flehen zu Gott, daß er uns die Furcht vor dem Feinde benehme und seinen Frieden schenke u.s.w. –

Lebet wohl! 8. November 1531.

Quelle:
Baslerische Stadt- und Landgeschichten aus dem Sechszehnten Jahrhundert. Von Dr. Buxtorf-Falkeisen. Basel. Schweighauserische Verlags-Buchhandlung. (Hugo Richter.) 1868.

Oecolampad, Johannes – An den Bürgermeister und Rat der Stadt Ulm

Den fursichtigen, ersamen wiszen Burgermeistern vnd radt der stadt Vlm, meinen besonders gunstigen vnd lieb herrn.

Ersame, weiszen besunder gunstig vnd lieb Herren meine gantz willig, vnd mit begird berait Dienst sein E. E. weissheit zu voran entbotten, samt wunschlicher bitt, meerung des reichs vnd der gnaden Christi, bei euch. Besunder gunstig lieb Herren, Wie ich vernommen hab auss E.E.W. schrifften, vnd ouch sunderlichen befelch, hie meiner gunstigen herren Burgermaiser vnd rads, euch radt slags halb uff den kunfftigen richstag gen Speir zu fertigen, vnd E.E.W. zuzuschicken wiewol das wenig ja so vil als nichts ist, das mein klein suge E.E.W. vnd hie mein gunstigen herren, zu wilfaren, soll an meinem fleiss, was ich sampt den brudern vermag nit erwinden, Gott gebe gnad. Weitter, dass ouch E.E.W. bittlich begeredt an mich, wo es sach were, das uff zukunfftigen richstag gen Speir oder Straspurg, doch uf vergleitten, mein begeret wird, dass ich mich wolle gutwillig finden lassen, were on not zu bitten mich, der zum tail ewer eigen bin, zuvorab in den sachen szo Christum betreffend. Dann ich uff eins slechts ermanung so ferrn es mir erlaubt wurdt von mein herren, mich gutwillig erzeige. Bin ouch gantzer zuversicht, mein gnädig herren, werden hierinnen noch E.E.W. noch ander stedten, so das begeren werden abziehen, sunder alle freundtlikait, als christlich nachbuwern bewissen, wie ich schon bei etlichen geneigten willen find, die die andern, ouch wol vermögen. Hiemit wil ich mich E.E.W. als iren willigen befolhen han. Datum zu Basel am 24. Augusti. (1531)

E.E. weisshait willig

Jo. Ecolampadius

Quelle:
Zeitschrift für die historische Theologie. herausgegeben von Dr. Christian Wilhelm Riedner, Neunzehnter Band. Leipzig: F.A. Brockhaus. 1849

Oekolampad an die Waldenser (Auszug)

„Nicht ohne christlich freudige Bewegung habe ich von euerm treuen Seelsorger Georg Morel vernommen, wie es um euern religiösen Glauben und um die Uebung desselben stehe. Ich danke unserm allgütigen himmlischen Vater, daß er in dieser Zeit, wo fast überall dichteste Finsterniß das Erdreich bedecket, und da der Antichrist übermächtig geworden, euch zu solchem Lichte geführt hat. Ich erkenne wahrlich Christum in euch und liebe euch daher als Brüder, und möchte diese meine Herzensgesinnung euch durch die That beweisen. Was wäre ich nicht trotz aller Schwierigkeit bereit zu thun! Für jetzt bitte ich euch, was ich euch in brüderlichem Ernste vorlegen werde, nicht als im Tone hochfahrenden Befehls geschrieben anzusehen, sondern als freundlichen Rath eines Mannes, der an euern Schicksalen den innigsten Antheil nimmt.“ Auf die Uebung, die Sakramente aus den Händen der römischen Priester zu empfangen, übergehend, fährt Oekolampad fort: „Wie vieles ich an euch gutheiße, so ist vieles, daß ich gebessert wünschte. Ihr wisset, daß wir mit dem Herzen glauben zur Gerechtigkeit, mit dem Munde aber bekennen zum Heil, daß hingegen diejenigen, welche sich des Bekenntnisses Christi vor der Welt schämen, einst auch von seinem Vater nicht werden erkannt werden. Weil unser Gott die Wahrheit ist, so will er auch, daß die, welche ihm dienen, ihm in der Wahrheit dienen und ohne Schminke der Heuchelei. Er ist ein eifriger Gott und will nicht dulden, daß wir zugleich am Joche des Antichrists ziehen. Es gibt keine Gemeinschaft zwischen ihm und Belial. Nun aber haben wir gehört, daß ihr aus Furcht vor den Verfolgungen euern Glauben so verheimlicht und verbergt, daß ihr auch mit den Ungläubigen Gemeinschaft haltet und ihren verabscheuungswürdigen Messen beiwohnt, von denen ihr doch euch selbst überzeugt habt, daß der Tod und das Leiden Christi in ihnen gelästert werde, denn da jene sich rühmen, durch ihre Opfer genug zu thun für die Sünden der Lebendigen und der Todten, was bleibt dann übrig, als daß Christus nicht genug gethan habe mit seinem Opfer und daß Christus nicht ist Jesus (d. i. Seligmacher) und der Erlöser, sondern gewissermaßen vergeblich für uns gestorben ist? So wie wir ihres verunreinigten Tisches uns theilhaftig machen, so geben wir uns dar als solche, die zu einem Leibe verbunden sind mit den Gottlosen, wenn auch mit verbittertem Gemüthe. Wenn wir „Amen“ sprechen zu ihren Gebeten, verleugnen wir dann nicht Christum? Welche Todesarten sollten wir uns nicht lieber wählen, welche Henkersqual nicht eher erdulden, ja, in welchen tiefen Schlund der Hölle lieber uns werfen lassen, als wider das Gewissen den Blasphemien der Gottlosen beistimmen. Ich kenne eure Schwäche, aber denen, die sich durch Christ Blut erkauft wissen, geziemt es, tapfer zu sein. Der ist mehr zu fürchten, der die Seele sammt dem Leibe in die Hölle werfen kann. Was sind wir doch für unser Leben besorgt? Soll uns das lieber sein als Christus? Werden wir uns zufrieden geben mit den Lockungen dieses Lebens und nicht lieber zu dem ewigen Frieden eilen? Die Siegerkronen sind ausgestellt, und wir wollen das Angesicht von ihnen wegwenden? Wer wird von der Wahrheit unsres Glaubens sich überzeugen, wenn derselbe nachläßt in der Hitze der Verfolgung? Ich bitte daher, daß der Herr euch den Glauben mehre. Wahrlich lieber möchte ich sterben, als der Versuchung unterliegen. Darum so ermahne ich euch, Brüder, daß ihr die Sache reiflicher erwäget, denn wenn es erlaubt ist, unter dem Antichrist den Glauben zu verheimlichen, so wird es euch auch freistehen, mit den Türken in ihren Moscheen, es wird euch freistehen, mit Diocletian zu den Altären des Jupiter und der Venus zu flehen, und vielleicht mit geringerer Gefahr. Dann wäre es auch dem Tobias erlaubt gewesen, das Kalb in Bethel anzubeten! Wo bleibt dann unsre Hoffnung auf den Herrn? Ich fürchte, daß wenn wir den Herrn nicht nach Gebühr verehren, unser ganzes übriges Leben vom Sauerteig der Heuchelei durchsäuert werde und daß der Herr die Lauen ausspeien werde aus seinem Munde. Wie sollten wir uns des Kreuzes Christi rühmen, wenn wir aus Furcht vor Drangsal den Herrn nicht verherrlichen? Nicht ziemt es sich, Brüder, die Hand vom Pfluge abzuziehen; nicht ziemt es sich, Gehör zu geben den Einflüsterungen des übel rathenden Eheweibes (ich meine des Fleisches), die bei allem, was sie verbietet, doch den Schiffbruch im Hafen herbeiführt.“ Zum Schlusse ruft er noch aus: „Das Fleisch soll nicht siegen zu seinem eigenen Verderben, sondern besiegt werden zu seinem Heile; denn wenn wir unser Leben auch verlieren um Christi willen, so werden wir es wiederfinden in der Auferstehung der Gerechten zum ewigen Leben, das uns allen durch die Gnade Christi möge verliehen werden. Ich bitte euch, diese brüderliche Vermahnung nicht zu verachten; denn ich wollte nichts reden oder schreiben, von dem ich glaubte, daß Christus nicht dazu stehen werde. Bittet Gott für uns und unsere Kirche, denn wir werden auch euer eingedenk sein im Herrn.“

Johann Oekolampad – Aus einem Brief an Zwingli

September 1530

Unerträglicher als der Antichrist selbs ist eine Obrigkeit, welche die Autorität der Kirche sich anmaßt. Die Obrigkeit führt das Schwert, und das mit Recht. Christus aber hat uns Arzneien und Heilmittel gegeben, wodurch wir den gefallenen Brüdern helfen sollen. Zudem bessern wir sie nicht, indem wir sie der Obrigkeit vorzeigen, sondern wir geben sie Preis. Christus hat nicht gesagt (Matth. 18,17): „Hört er dich nicht, so sage es der Obrigkeit,“ sondern „der Kirche (Gemeinde)“.

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861

Johannes Oekolampad – Aus einem Brief an Berthold Haller (1528)

Sieh, mein Lieber, die Kraft des Wortes wirkt mehr als die Strafe; sie vermag besser, steinerne Herzen zu erweichen. Nicht genug läßt sich’s sagen, wie viel wir an Wirksamkeit verlieren und wie verächtlich wir werden, wenn wir mit einem andern Schwerte als mit dem des Geistes uns bewaffnen, und wie sehr der Haß des Volkes uns trifft, das uns alsdann neue Tyrannen, Verräther, Hierarchen schilt, welche die weltliche Herrschaft an sich ziehen wollen.

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861

Johannes Oekolampad an Farel

„Wenn du es noch nicht erfahren hast, so wisse, daß mir der HErr an die Stelle meiner verstorbenen Mutter eine recht christliche Schwester zur Gattin gegeben hat. Sie ist zwar arm, aber geehrter Familie, ist Witwe und seit einigen Jahren im Kreuztragen geübt. Ich wünschte zwar, sie wäre etwas älter, doch habe bis dahin noch keine Spur von jugendlicher Ausgelassenheit an ihr wahrgenommen. Bitte du auch den HErrn, daß unser Ehestand glücklich und dauerhaft sein möge.“

Oekolampad, Johannes – An Zwingli (1526)

Basel, d. 12. Juni 1526

Gnade und Friede von Christo, mein Bruder. Wir kamen gesund nach Hause, unter großer Erwartung und Begrüßung aller Frommen. Ich fürchte aber, es möchte etwa eine Freude von Stunden sein, und Satan sie in Traurigkeit verkehren. Unsere Versammlungen wurden noch nicht verboten, was bei dem Abgang der Schweizer die Häupter den Legaten aufgetragen haben sollen. Christus ist zu bitten, daß er die Seinen nicht verlasse, und in Bälde den Satan unter die Füße trete. Ich danke Dir für die häufigen Zuschriften und Grüße in Baden, durch welche mich der Herr nicht wenig erfreuete und befestigte. Die Gesandten der Basler konnten keine Abschrift der Disputation erlangen, was den Meisten hier äußerst unangenehm ist. Dieses Schreiben fand ich daheim. Urbanus gibt die Freundschaft noch nicht auf.

Lebe wohl.

Dein Oecolampadius

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862

Oekolampad, Johannes – An Zwingli, Dez. 1525.

Basel, d. 6. Dez. 1525

Christi Gnade sei immer mit Dir, mein l. Bruder. Dein Urtheil über meinen Brenz scheint mir leider nur zu wahr. Er war vor wenigen Jahren der Wildeste von Allen, die ich sah. Ich aber weiß nicht, welche Erinnye1) ihn aufgestachelt. Ich fürchte für den Absolon, er möchte die Heere seiner Redekunst zu seinem größten Schaden unterhalten. Ich bete, Gott wolle Besseres geben. Ich ermahnte ihn hinlänglich, wenn er anders die Ermahnungen nicht verschmäht. Auch die Straßburger Brüder, namentlich Capito, erinnerten ihn. Es wird aber, wie ich höre, in der Markgrafschaft des Brenz ein ziemlich anmaßender Brief an Buzer gegen unser Buch verbreitet, welchen ich jedoch noch nicht sah. Die Straßburger Brüder sind besorgt, wenn die Sache in einem Gespräch verhandelt werden könnte, und ich würde es wünschen. Denn die Abwesenden widerstehen sehr, weniger die Anwesenden. Ferner, wenn in der That der Freund sich beklagen und das Buch herausgeben lassen wird, so will ich Deinen folgenden Rath ausführen, damit er sehe, was es sei, in so wichtigen Dingen jugendlich spielen. Die Standhaftigkeit Deiner Bürger, die mit solchem Glauben das Göttliche ehren und nicht klüger handeln könnten, erquickte mich außerordentlich. Denn wer mag gegen uns sein, wenn Gott für uns ist? Wäre dieser nicht für die, die auf ihn trauen, für wen sollte er denn sein? Möchten doch die Basler einmal nachahmen. Aber sie sind allzu weichlich, um nichts anderes zu sagen. Unser Weihbischof erhielt einen Nachfolger für den Predigtstuhl in dem Weihbischof von Freisingen, wenn ich nicht irre, dem Wolf, (vor dem keine Gefahr zu befürchten ist). Es heißt aber auch, Tregerius Augustinensis, der von der Landschaft ist, werde hier das Predigtamt bekleiden. Wie ich sehe fürchtet Satan für sich. Wir erwarten, welche Neuigkeiten unsere Gesandten vom Reichstag bringen werden. Denn es drohen die Gegner, die jedoch ohne des Herrn Willen nichts vermögen werden. In diesem ruhe unsere Hoffnung. Lebe wohl mit allen Deinen Geliebten in Christo.

Joh. Oecolampadius.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862

Oekolampad, Johannes – An Zwingli (1523)

Basel, 27. April 1523

Selig bist Du in Christo, l. Zwingli. der Du der übermüthigen und unglücklichen Tochter Babylons vergiltst, die täglich zu den Ihrigen schreit: vernichtet, vernichtet sie bis auf den Grund! Jene Thörin glaubt nicht, daß der Herr die Thore Sions befestigte, und daß alle Plane und Ränke wider den Herrn ohnmächtig seien. Heil Dir, der Du mit frommem Eifer ihre Kinder an einen Felsen schlägst. Der Sieg ist gewiß, so oft man unter der Leitung und Führung Christi wider die Unbeschnittenen und Fremdlinge den Krieg unternimmt und führt. Der hochgelobte Gott selbst lehre Deine Hände zum Krieg und Deine Hände zum Treffen. Ferner legten auch wir kürzlich etwas fleißiger die Hand an den Pflug, und es fanden sich viele Gegner, sobald der Eingang eröffnet war, doch ist nichts abgeschmackter, als sie, was Du, glaube ich, von Andern erfahren hast. Gott läßt das Werk wohl gerathen, und zeigt auf verschiedene Weise, wie man sie unerschrocken angreifen müsse und nicht zurückstehen dürfe. Es ist wohl begründete Hoffnung, daß auf ungewöhnliche Art ein Tag eintreten wird, da alle zu Schanden werden, die den Heiligen Israel schmähen. Indessen weil wir in diesen Fall gesetzt sind, fürchten wir so wenig für uns, daß wir vielmehr ihre Drohungen, Schmähungen, Beschimpfungen, Lästerungen, und was sie irgend gegen uns vorbringen, nicht nur nicht verlachen, sondern auch als Segnungen aufnehmen, durch den bestärkt, der uns selig nannte, wenn sie allerlei Uebels wider uns um Christi willen redeten, so sie darin logen. Es ist den Kindern der Pharisäer leid, ihrem Stolze etwas nachgeben zu müssen, da sie nicht beachten, daß der Name des Königs der Herrlichkeit gesegnet wird; aber sie wollten oder würden sich doch nicht darum kümmern, wenn der Name des tapferen Israel unter den Heiden befleckt würde. Es gilt daher zu wagen und ohne Ermüden den Feinden, die nicht schlafen, zu widerstehen. Wir sehen, die Ernte ist groß, der Arbeiter sind wenige; denn jene zahlreichen faulen Bäuche, die da vorgeben zu bauen, in der That aber zerstören und Unkraut und dergleichen säen, wo nicht wirken, sind auch ungerechte Arbeiter. Bitte den Herrn, daß er uns nicht von seinen Kindern verstoße und auch uns ein, sei’s noch so niederes Loos in seinem Hause gewähre. Denn ich brenne, daß ich sehen muß, wie das Volk anders wohin gerissen wird. – Wie verächtlich Fabers Stärke ist, hast Du schon längst erfahren. Auch die Wagnisse des erbärmlichen Greisen (des Hasius), der die fallende Wand voll Tollheiten schmieren will, werden nicht erschrecken, ja sie sind von Niemand zu fürchten. Entweder täusche ich mich, oder es herrscht in ihrem ganzen Lager Furcht und Zittern. Ich wollte, Du würdest uns öfters mit Briefen besuchen, da das mündliche Gespräch versagt ist. Doch wenn es soviele Geschäfte gibt, so soll auch wohl aufgenommen werden, was die Noth gestattet. Der Herr lasse Dich zunehmen, und segne Dich und Deine Kirche ewiglich. Es grüßen Dich Repos und Cratander.

Dein Joh. Oecolampadius.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862