Olevian, Caspar – Letzter Brief an seinen Sohn Paulus

Herzlieber sohn Paule /

Ich sage mit dem Altvatter Jacob / HERR / ich warte auff dein heil. Dann meine sachen stehen also / daß ich mit dem Apostel sage / Ich begere auffgelöset zu werden / und bey Christo zu seyn: Welchem ich auch dich gantz und gar gleich wie im heiligen Tauff / also auch jetzund in meiner hinfahrt zum HERREN / sampt deiner ganz freundlichen muter / bruder unnd schwester / befehle unnd ubergibe / unnd dem wort seiner gnaden.

Es were mir zwar lieb gewesen / daß ich dich hette mögen sehen / aber ich hab dich bey dieser kelt nit wollen in gefahr setzen / unnd da dein schienbein noch nicht genugsam wider zusammen gewachsen unnd gestercket ist. Ich hab aber anordnung gethan von allen dingen / wie einem gottsförchtigen vatter gebüret / Und unser gnediger Herr Graf Johann hat seine milte freygebigkeit gegen euch / welche mit ewer freyheit verfüget ist / mit seiner Gnaden brieff unnd sigel bekrefftiget.

Ich warte alle stund daß ich zum HERREN hinfahre. Begib dich nicht eilends und vor der zeit auff den weg: Wir werden einander sehen im ewigen leben / vermög des Gnadenbunds Gottes. Ich befehle dir deine gottselige muter / welche ich weiß daß du sie lieb hast: Deinen zarten bruder Ludwig nun auff als mein eigen herz / Unnd regire jn freundlich nach der weißheit welche dir Gott verliehen hat. Strebe nit nach hohen dingen / sonder laß dich genügen an mittelmessigen dingen / Und richte die arbeit deines studierens dahin / daß es vielen leuten nutz bringe. Der segen des HErrn seye in deinem außgang und eyngang / Amen. Und dein geist beruhe in der gnadenreiche kindschafft Gottes / und erwarte sampt mir das himlische erb / durch den sohn Gottes und umb seinetwillen / Amen. Gegeben zu Herborn den 12. tag Martii zwischen 4. und 5. uhren / Dictieret auß dem bett. Anno 1587.

Ich dein vatter Caspar Olevianus von Trier / Diener des worts Gottes / hab mit eigner hand underschriben.

HErr Jesu nim meinen geist auff. Act. 7.

Quelle:
Olevian, Caspar Der Gnadenbund Gottes, Erkläret in den Artickeln vnsers allgemeynen, vngezweiffelten Christlichen Glaubens, vnd in den angehengten zeichen vnd sigeln, welche man die H. Sacramenta nennet: Durch Casparum Oleuianum, der H. Schrifft Doctorem. Gedruckt zu Herborn in der Graffschafft Nassaw / Catzenelnbogen / ec. durch Christoff Raben. 1590

Brief von Caspar Olevian an Andreas Stephanus (Böhmische Brüder) (Auszug)

Es ist nicht zu sagen, wie hoch ich das Werk des Herrn halte, welches in euern Gemeinen nicht nur angefangen hat, sondern schon viele Jahre währet. Es bewegt mich und meine Kollegen, das Verderben dieser Zeit nicht wenig dazu, daß wir von der besten Einrichtung der Kirche mit Euch conferiren, dann wir wollten gerne so bauen, daß der Bau auch bei den Nachkommen bestehe. Wir sehen aber, wie vieler abwechselung und schneller Veränderung diejenigen Kirchen unterworfen sind, die ihres Rechts beraubt, blos von einem weltlichen Regiment abhangen. Wir erkennen, was der Herr euch hierin verliehen hat.

Gewiß, ich erstaune, wann ich die Gestalt der reformirten Kirchen in Deutschland ansehe. Der weltliche Stand ist vor diesem eine Herberge der Kirche gewesen, nun aber werden solche Herbergen an vielen orten in Herrschaften verwandelt, so, daß man über die Kirche, und selbst über die himmlische Lehre, nach eigenem Gutdünken herrscht. Eine Hauptursache dieses Uebels scheint zu seyn, weilen sich viele Kirchen allzuviel an das weltliche Regiment gehängt haben, nicht anders, als wenn dasselbe ein wesentliches Stück des Reichs Christi wäre. Ich muß also Eure Weise wohl sehr hoch halten, da Ihr wollt, daß Euere Kirchen zwar, dem weltlichen Regiment und allen menschen zum Guten und zur Besserung sollen unterthan seyn, doch, daß dabei ihrer durch Christi Blut erworbenen Freiheit nichts abgehe.