Geryon Sailer an Martin Bucer

Ich kann nicht leicht sagen, mit welchem Schmerz ich die kühne und nichts weniger als evangelische That Zwingli’s vernommen habe. Es ist Niemand eine andere Macht gegeben, als die zur Erbauung dient, und nicht zur Zerstörung. Es ist eine große Schande, daß wir durch das eigene Schwert zu Grunde gehen. Wie oft haben wir nicht gegen den Papst und die Seinen den Vorwurf erhoben, daß sie Kriegsunruhen erregen! Wie oft haben wir diese Menschen blutgierige Verbrecher, ehrlose Räuber, Vaterlandsverräther und Gewissens-Tyrannen genannt! Wie oft haben wir es ihnen als Verbrechen angerechnet, daß sie die Ersten im Kampfe seien! Jetzt aber kehrt der Pfeil auf uns zurück. Wäre es nicht besser gewesen, die V Orte und ihre Vogteien ihrer Denkungsart zu überlassen, als durch solch‘ ein Gemetzel unglücklicher Leute den Schwachen Anstoß zu geben? Welch eine Thorheit, auf diese Weise Christen machen zu wollen! Wenn das ewige Wort, die Predigt vom Kreuz dies nicht vermag, wie könnten es die Waffen ausrichten? Wenn man einmal zum Schwert gegriffen hat, so jammert oft der Sieger und geht der Besiegte zu Grund. Und wenn man überhaupt die Waffen zur Vertheidigung des Nächsten ergreifen darf, so sollen die Diener des göttlichen Wortes dies nicht thun. Ihr Amt besteht darin, durch Wort und Beispiel zum Kreuz zu mahnen. Zwingli stand in großem Ruf auswärts und hat um so Mehreren Anstoß gegeben. Daß noch andere Diener des Wortes dem Treffen beigewohnt haben, ist in den Augen aller frommen Seelen, sowie der Gegner ein Anzeichen großer Kampfgier. Sind deren 16 getödtet worden, wie viel müssen dabei gewesen sein, indem man nicht annehmen kann, daß alle umgekommen sind! Da die Gesinnung des Volkes großentheils durch die Predigten des Geistlichen bestimmt wird, so liegt die Vermuthung nahe, daß diese Letzteren das ganze Gewebe angezettelt und ausgesponnen haben. Für die große Menge, Du weißt es, mein bester Bruder, besteht eine so enge Beziehung zwischen dem göttlichen Wort und seinen Dienern, daß die Vergehen Dieser dem Evangelium zur Schuld gelegt werden. Deshalb wird den Geistlichen niemals dasselbe gestattet sein, was die Laien thun dürfen, und selbst wenn es ihnen erlaubt wäre, würde es nicht frommen. Ich werde immerfort von dem Krieg abmahnen, denn ich sehe, daß die Kirche Christi durch ganz andere Mittel, als durch kriegerische Unternehmungen und Blutvergießen zu fördern ist.