Katharina Zell an Bucer, 1549

„Ihr habt mich mit dem Geld, so ihr mir heimlich in dem Brief zurückgelassen, auf das Äußerste betrübt. Auf dass aber meine Schamröte einesteils hingelegt werde, hab‘ ich zwei Stücke Geldes wiederum in diesen Brief wollen legen, wie Joseph seinen Brüdern. Da ist ein des Interims wegen verjagter Prädikant mit fünf Kindern zu mir kommen, und eines Prädikanten Frau, deren Mann vor ihren Augen man den Kopf abgeschlagen hat. Die hab‘ ich zehn Tage lang bei mir gehabt und hab‘ das eine Stück Gold diesen beiden zur Zehrung geschenkt, aber nicht meins, sondern euretwegen; das Andere hab ich euch wiederum in den Brief getan, dass ihr es selber sollt brauchen und ein andersmal nit so gütig sein. Ihr werdet noch viel bedürfen, auch euer Volk, wenn es euch in Engelland nachkommen soll, und seid also Gott befohlen in seinem Schutz und Schirm ewiglich, wider alle seine und eure Feind‘.“

 

Catharina Zell an Bucer, um 1549

Calvin, Jean – An Butzer in Canterbury (314)

Verschiedene Nachrichten.

Da ich über die Zustände Deutschlands nichts zu schreiben habe, was dich sehr erfreuen könnte, und auch denke, dass Sturm und die andern dir das Wissenswerte davon schreiben, so will ich das gar nicht berühren. Bei den Schweizern ist alles ruhig; man meint, der Kaiser sei zu sehr mit dem Türkenkrieg beschäftigt, um in diesen Gebieten etwas zu unternehmen. Unsere Nachbarn [in Bern] lieben uns weniger und werden darum unsrerseits auch kühler behandelt, als ich wünschte. So, fürchte ich, werden wir, wenn es Unruhen gäbe, wenig Schutz bei ihnen finden. Neulich gab es auch aus geringfügiger Ursache ein Ärgernis; nämlich weil einige Festtage, die einst bei ihnen Gnade gefunden haben, von den Genfern, wie du dich erinnern wirst, plötzlich abgeschafft worden sind. Die Urheber dieses Beschlusses hatten gehofft, mit damit einen Gefallen zu tun und merkten erst zu spät, dass sie sich darin getäuscht hatten. Dabei habe ich hier in Genf selbst mit ein paar verzweifelt bösen Gesellen zu kämpfen. Doch ist die Not, die sie mir machen, leicht zu verwinden, wo Christus den Sieg davonträgt und das Regiment hat.

Ist es wahr, was ich kaum zu glauben wage, dass du gegenwärtig, auf besonderen Ruf des Königs, als Prediger nach London berufen bist, so kannst du von diesem Boten mehr über das alles erfahren; ob er gute Gelegenheit hat, selbst auch nach Canterbury zu reisen, weiß ich nicht. Ich denke, du weißt jetzt, welch ein heilloser Schwindler jener Florian [Susliga] ist, den du mir mit soviel Lob angepriesen hast. Als Herr Johann von Laski sich neulich seinetwegen verteidigte, fügte er irgendetwas bei, woraus ich entnehmen musste, wir seien in der Sakramentslehre nicht ganz einig; freilich setzte er gleich hinzu, er hoffe aber sehr, wie kämen zu voller Einigung. Ich wünschte, es erschiene eine Schrift, die nicht nur Eure Zustimmung zum Consensus bezeugte, sondern die ganze Sakramentslehre beleuchtete, da dieser sicher eine ausführlichere Behandlung zu wünschen wäre, als sie in unserer Consensusformel enthalten ist.

Auf Bitten oder besser Verlangen einiger frommer Leute habe ich meinen Kommentar zu den katholischen Briefen und einen andern zu Jesaja, den des Gallars [nach meinen Vorlesungen] ausgearbeitet hat, dem König von England gewidmet. Die Vorreden, falls sie dir etwa in die Hände kommen, zu lesen, wird dir nicht zu viel sein.

In einem persönlichen Schreiben habe ich ihn aber noch etwas freimütiger und schärfer ermahnt, besonders dass er sein Streben auf die Gesundung des Schulwesens richte. Wir wohnen zu weit auseinander, als dass ich dich um deinen Rat hätte bitten können über das, was ich kürzlich Herrn Philippus [Melanchthon] geschrieben habe; aber ich möchte wenigstens, dass du es weißt; so sende ich dir eine Abschrift des Briefes mit diesem. Lebwohl, trefflicher Mann und mir herzlich verehrter Vater. Der Herr halte dich und dein Haus in seiner Hut, er lasse deine Werke gedeihen und segne sie, er leite dich mit seinem Geiste in deinem ganzen Lebenslauf. Amen.

Farel und Viret, meine Kollegen und viele Brüder lassen dich ehrerbietig grüßen.

Genf, 22. Februar 1551.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Butzer in Lambeth bei London.

Butzer hatte neben allerlei Klagen aus England kritische Bemerkungen zum Consensus geschrieben; weggelassen ist in Calvins Antwort eine theologische Erörterung über einen dieser Punkte. Der Engländer John Hooper, später Bischof von Gloucester, hatte als Zwinglianer gegen Butzer polemisiert. Der Aufhetzer zwischen England und Frankreich ist Karl V.

 

Ermunterung für den alternden Freund. Vom Consensus.

 

Dein Brief war mir, obgleich Freudiges und Trauriges darin gemischt war, doch überaus angenehm. Könnte ich doch die Traurigkeit deines Gemütes und die Sorgen, die dich, wie ich sehe, quälen, dir ein wenig erleichtern! Wir alle aber beschwören dich, reibe dich nicht nutzlos auf. Dass du vergnügt und unbekümmert wärest bei so mannigfachen und zahlreichen Ursachen zur Trauer, entspräche ja weder deinem frommen Sinn, noch wäre es gut, noch dürften wie es wünschen. Nur Mühe muss du dir geben, dass du dich, so weit es möglich ist, dem Herrn und der Kirche erhältst. Eine weite Bahn hast du zwar schon durchlaufen, doch weißt du nicht, wie viel dir noch übrig bleibt. Vielleicht bin ich, der ich kaum vom Start bin, dem Ziel schon näher. Doch in Gottes Hand liegt unseres Laufens Regel und Ziel. Um mich anzuspornen im Blick auf die Gefahren, die von mancher Seite drohen, steht so manches Sterben täglich vor meinen Augen. Wenn Euch also dort der Kampf selbst auf die Probe stellt, so haben wir hier die langsam quälenden Befürchtungen: ich hoffe freilich, die inneren Unruhen seien bei Euch gestillt, und es geht auch ein Gerücht um von einem Waffenstillstand mit Frankreich. Ließe sich doch eine Grundlage festen Friedens finden! Denn den Aufhetzer, der die beiden Königreiche hintereinander gebracht hat, sehen wir indessen ruhig lachen und auf beiderlei Weise sein Glück versuchen, nämlich den Sieger dann mit ungeschwächter Kraft anzufallen und die Besiegten ohne Gefahr und Anstrengung noch vollends zu berauben, um so über beide zu triumphieren und reiche Beute zu machen. Wenn ich aber überlege, nach welch verkehrten Maßregeln Frankreich regiert wird, so habe ich fast keine Hoffnung auf Frieden. Den bewussten dritten fürchten sie zwar mehr als genug; andere aber verachten sie voll Hochmut und hüten sich so gar nicht von seiner Schlauheit. Und gewiss straft Gott sie ganz gerecht mit solcher Blindheit für ihre furchtbare Wut gegen die Heiligen, die sich von Tag zu Tag mehrt; so lege ich es mir wenigstens aus. Wenn doch, wie in Frankreich die Gottlosigkeit neue Kraft sammelt und immer stärker wird zum Bösen, so England in gegenteiligem Bestreben nach echter Reinheit des Christentums trachtete, bis man alles nach der einzig richtigen Vorschrift Christi eingerichtet sähe!

 

Den Herrn Protektor habe ich, wie du es wolltest, zu trösten versucht nach den Erfordernissen der gegenwärtigen Lage; nun ists aber auch deine Pflicht, mit aller Macht darauf zu dringen, wenn du Gehör findest (und ich bin gewiss, du tust es), dass besonders die Zeremonien, die noch nach Aberglauben schmecken, abgeschafft werden. Ich lege das gerade dir besonders ans Herz, damit du dich von dem Verdachte reinigst, in dem du dich fälschlich bei vielen weißt, denn sie schreiben vermittelnde Maßregeln immer deiner Anregung oder Billigung auf Rechnung. Ich weiß, dieser Verdacht sitzt in manchen Herzen so fest, dass er schwer herauszureißen ist, auch wenn du nichts unterlässest. Es gibt auch solche, die dich böswillig, ohne dass ein Irrtum sie dazu verführt, verleumden. Das ist schließlich fast ein böses Geschick für dich, dem du kaum ausweichen kannst. Doch musst du dich immerhin in acht nehmen, dass nicht den Unkundigen ein Grund zum Verdacht gegeben wird, die Böswilligen aber einen Vorwand zu ihrem Lästern bekommen. Dass Hopper dir so grundlos Mühe macht, tut mir sehr leid. Wollte er doch einmal Anstand lernen! Ich verzeihe es ihm etwas leichter, weil ich glaube, bemerkt zu haben, dass er nicht so sehr von Bosheit getrieben, sondern mehr von blindem Eifer hingerissen wird. Du glaubst nicht, wie furchtbar er uns einmal heruntergerissen hat in unsrer Abwesenheit, ohne unsre Schuld, ja uns, seine Freunde. Besonders gegen Viret, der damals, ohne es zu verdienen, durch die Ungerechtigkeit gewisser Leute und die Untreue anderer fast umgebracht wurde, fuhr er los wie auf den frevelhaftesten Verräter der Kirche. Hopper würde sich gewiss auch an Milde gewöhnen, wenn er wüsste, wie schädlich die Maßlosigkeit seines allzu hitzigen Eifers und seiner übertriebenen Strenge ist. Du musst eben diese Schmähung wie manches andere Übel hinunterschlucken. Die Zürcher wird Hopper nicht für seine Sache gewinnen.

 

Darin bin ich etwas anderer Meinung als du, wenn du glaubst, unsrer Gegenpartei geschehe Unrecht [im Consensus]. Wenn du sagst, die krasse Einbildung hätten sie doch nie gehabt, Christus sei seinem Leibe nach allgegenwärtig, so besinnst du dich wohl nicht mehr an das, was unter andern Brenz geschrieben hat: Christus sei, als er in der Krippe lag, zugleich dem Leibe nach im Himmel in der Glorie gewesen. Und offen gestanden, die Lehre der Papisten war gemäßigter und nüchterner, als was Amsdorf und seinesgleichen vorbrachten, die wie weissagende Apollopriesterinnen rasten. Du weißt, wie unmenschlich Herr Philippus geplagt worden ist, weil er einiges Maß hielt. Diese Verrücktheiten brachten selbst Götzendienst mit sich. Denn wo anders zielt jenes Wort Luthers vom anbetungswürdigen Sakrament hin, als dass ein Götze aufgerichtet wird im Tempel Gottes? Doch ich wollte, das wäre alles begraben! Ich drang zwar mit allem Eifer bei unsern Nachbarn darauf, sie möchten sich der Polemik enthalten; um sie aber zufrieden zu stellen, zögerte ich auch nicht, die Irrlehren alle, denen ich durchaus nicht zustimmen konnte, zu verurteilen, aber ohne Nennung der Namen [ihrer Vertreter]. – – – –

 

– Dass die Wirkung der Sakramente und was Gott durch sie uns gibt, reicher und ausführlicher erklärt würde, als es viele zuließen, ist ein frommer und kluger Wunsch von dir. An mir lag es nicht, dass einiges im Consensus nicht vollständiger ausgedrückt ist. So wollen wir denn mit Seufzen tragen, was sich nicht bessern lässt. Das Exemplar des Schriftstücks, das mir zugesandt wurde, hast du hier beiliegend. Die zwei Kapitel, von denen du fürchtetest, sie würden nicht angenommen, wurden sehr gern eingeschaltet. Hätten die andern Bullingers Sanftmut zum Vorbild genommen, so hätte ich alles leichter erreicht, doch ists schon gut, dass wir uns auf die Wahrheit geeinigt und die Hauptsache festgehalten haben. – – –

 

Der Anfang der Einigungsverhandlungen war rein zum Verzweifeln, aber plötzlich wurde es Licht. Die Zürcher wollten erst mit andern Kirchen in Verbindung treten. Wir haben es gern zugelassen; dass Hopper anderer Meinung ist, müssen wir eben mit Gleichmut hinnehmen.

 

Farel schreibt dir ausführlich, wie du siehst. Viret wagt es nicht; du glaubst nämlich gar nicht, wie ungerecht er behandelt wird. Doch lässt er dich aufs ergebenste grüßen und bittet dich, ihn zu entschuldigen. Auch alle meine Kollegen lassen dich ehrerbietig grüßen. Von hier ist nichts Neues zu melden, als dass Zürich und Bern alle Hoffnung auf ein Bündnis mit Frankreich abgeschnitten haben. Lebwohl, du hochberühmter Mann und mir im Herrn hochverehrter Vater.

 

[Okt. 1549].

Calvin, Jean – An Martin Butzer in Canterbury (267).

Butzer hatte infolge des Interims nicht mehr in Straßburg bleiben können und war einem Ruf nach Canterbury gefolgt. Am Schluss des Briefes, wo Calvin die Hauptpunkte des Consensus aufzählt, gibt das Corpus Reformatorum den Text verstümmelt wieder.

Trost für den Verbannten.

Dein Brief kam zu spät bei mir an, als dass du nun auch von Farel und Viret Antwort bekommen könntest. Auch mir bot sich dieser Bote wider mein Erwarten an; er käme aber erst gegen Ende der Messe dahin, von wo dir die andern schreiben könnten. Von deiner Ankunft in England hatte ich schon aus verschiedenen Briefen gehört, auch meldete das Gerücht beständig davon. Es nun von dir selbst zu wissen, ist mir umso lieber. Dass Gott dir für deine Verbannung diesen Ruhesitz angewiesen hat, hat nach meiner Überzeugung sicher darin seinen Grund, dass er dich nicht nutzlos lassen will. Ich höre, dass dir bereits eine Aufgabe gegeben ist, die deiner würdig und der ganzen Kirche überaus nützlich ist, und je mehr du nun Ruhe hast vor dem beständigen Getriebe der Beschäftigungen, mit denen du bisher überhäuft warst, umso reichere Früchte werden uns aus deinen Studien zufallen; dazu ist dir diese Wirksamkeit bestimmt, wie ich es mir auslege. Du machst mir nicht wenig Mut, wenn du meine Schriftstellerei für fruchtbringend für die Kirche Gottes hältst; aber nach deiner größern Bedeutung sollte lieber dir dieses Amt zufallen. Denn abgesehen davon, dass ich meine Kleinheit wohl erkenne, glaubst du gar nicht, wie wenig Zeit mir zum Schreiben bleibt. Predigten und Vorlesungen nehmen schon viel weg; beständige Besuche, und zwar oft sehr lästige, halten mich außerordentlich auf. Auch ist meine Gesundheit so gebrochen, dass ich mich aller übermäßigen Arbeit enthalten muss. Doch will ich nicht aufhören, aus meinem kleinen Bächlein den Kindern Gottes gelegentlich ein paar Tröpfchen zufließen zu lassen; du kannst ihnen mehr bieten. Bedenke auch, dass zur Hebung und Stillung deines Herzenskummers nichts besser ist, als solche schriftstellerische Tätigkeit, durch die du der Kirche, deren schlimme Lage allein dich ängstigt und quält, sichtlich in hohem Grade helfen kannst.

Wir hier in Genf sind wie gewöhnlich großer Gefahr ausgesetzt und daher gegen ihr tägliches Drohen abgestumpft. Wäre mehr Frömmigkeit und mehr Gottesfurcht bei uns, als bei vielen zu Tage tritt, so könnten wir sicher leben, weil wir dann glücklich wären im Leben und im Sterben; doch weil ich sehe, dass sich von allen Seiten fromme Leute hierher wie um ihr Banner scharen, so hoffe ich, der Herr werde Genfs Schutzherr sein. Die Witwe Budes ist mit ihren Kindern hierher gezogen; mehrere andere Glieder dieser Familie haben sich freiwillige Verbannung auferlegt, um mit uns Gott in Frieden dienen zu können. Käme doch unser Pharao einmal zur Vernunft, dass er nicht sich selbst und andern so schadete! Den frommen Regenten Englands wünsche ich Glück dazu, dass sie trotz der größten Schwierigkeiten nicht aufhören, Christi Reich zu fördern.

Farel und Viret sind ganz wohlauf. Ich bin nur noch ein halber Mensch, denn der Herr hat vor kurzem meine Frau zu sich heimgeholt; sie schied von dieser Welt, um in wunderbarer Glaubensfestigkeit gen Himmel zu eilen. Kurz nach ihrem Tod reiste ich nach Zürich (Farel schloss sich mir an), um den unglückseligen Zwist ein Ende zu machen, der immer wieder zu allerlei Übeln Anlass gegeben hatte. Wir haben eine Consensusformel verfasst, von der ich dir ein Exemplar sende. Wenn dir vielleicht auch scheint, sie lasse allerlei zu wünschen übrig, so scheint es mir doch zu genügen, dass wir drei Hauptpunkte durchgesetzt haben. Nämlich erstens, dass die Sakramente nicht bloß äußere Bekenntnisakte sind, sondern wahrhaft Zeugnisse und Siegel der Gnade Gottes. Zweitens, dass in ihnen die Gnade uns nicht nur [symbolisch] angeboten wird, sondern dass Gott wirklich . . . . . . . . . Drittens, dass die, die im Glauben sie empfangen, Christum mit allen . . . . . . finden. Doch bitte ich, lass mich dein Urteil darüber wissen.

Lebwohl, hochberühmter Mann und von mir stets verehrter Vater im Herrn. Ihn bitte ich, dass er stets mit Dir sein möge und seine Gnade über dir walten lasse. Alle meine Kollegen und die Schar der andern frommen Brüder lassen dich ehrerbietig grüßen.

[Genf], 28. Juni [1549].
In Wahrheit dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Butzer in Straßburg

Calvin hatte seine Familie nicht gleich mit sich nach Genf genommen; die Übersiedelung Idelettes erfolgte einige Wochen später auf Kosten des Genfer Rates. Über Virets Sendung nach Neuchatel Neuchatel stand, trotzdem es ein Fürstentum war, unter eidgenössischer Herrschaft; so dass Bern die Entscheidung in dieser Streitsache beanspruchte. Von seinen Abgesandten Schultheiß, Jakob v. Wattenwyl und Augsburger, war ersterer mit der von Farel beleidigten Dame verwandt. Viret, obwohl für unbestimmte Zeit nach Genf beurlaubt, stand doch als Lausanner Pfarrer unter bernischer Hoheit. Unter Wattenwyl hatte die Berner Regierung sich in Besitz alter Kirchengüter gesetzt. Das „Unglück in der Basler Kirche“ ist der Tod des Professors Simon Grynäus. Konrad Hubert, Pfarrer in Straßburg.

Von den staatskirchlichen Ideen des Berner Schultheißen und Farels Zorn. Die Pest naht.

Als meine Frau hier ankam, war Viret noch nicht von Neuchatel zurückgekommen. Wir hatten ihn vor kurzem dorthin gesandt, um, wenn nichts anderes möglich sei, doch wenigstens Guten und Bösen in unserm Namen zu bezeugen, wie sehr das von frommer, christlicher Art abweiche, wenn die Gemeinde aus ganz geringfügigen Gründen, oder oft sogar ganz grundlos sich gegen den Pfarrer auflehne. Es war uns gemeldet worden, es sei eine Besprechung zu freundlicher Beilegung [des Zwistes] angesagt worden; die Berner wollten daran teilnehmen. Von Wattenwyl und Augsburger waren anwesend. Gleich nach seiner Ankunft besprach sich Viret mit ihnen, was er tun wolle. Er wies ihnen eine Abschrift unseres Briefes vor, setzte ihnen seinen Auftrag auseinander, ja las es ihnen sogar vor, um nichts ohne ihre Zustimmung zu unternehmen. Denn er hatte deutlich bekannt, er werde nichts tun, wenn sie es so beföhlen. Wattenwyl trieb seiner Art mit zweideutigen Worten sein Spiel mit ihm. Es stehe ihm nicht zu, Viret Vorschriften zu geben; allerdings gehöre dieser ja unter das Regiment der Berner, aber er sei jetzt den Genfern überlassen, wenn auch nur für kurze Zeit. So solle er tun, was ihm gut dünke. Es waren auch Kollegen aus bestimmt zu Bern gehörenden Pfarrklassen da. Denen gab Wattenwyl in verblümter Rede zu verstehen, sie hätten nicht sehr klug gehandelt, dass sie es gewagt hätten [zu kommen]. Ihr seid Untertanen, sagte er. Schließlich aber wurde ihnen erlaubt, sich ins Mittel zu legen. Bevor etwas Weiteres geschah, hörte man Viret an, der in seiner Rede die Bösen so beugte, die Guten ermutigte, die Unentschiedenen und Schwachen aufmunterte, dass die Sache schon fast entschieden zu sein schien. Gewiss, hätten sie unter sich verhandeln müssen, so wäre leicht zu bemerken gewesen, dass die Gegner freiwillig nachgaben. Aber die Berner hatten schon verlangt, der Schiedsspruch solle ihnen überlassen werden. Nun verkündeten sie, nach einem Schriftstück, das sie von Hause mitgebracht hatten, wenn der Zwist nicht in zwei Monaten beigelegt sei, so müsse Farel Neuchatel verlassen. Als Farel diesen Beschluss hörte, wurde er so erregt, dass er Wattenwyl bedrohte, Gott werde ihn schwer strafen für den Schlag, den er damit der Kirche und dem heiligen Dienst am Wort versetzt habe. Dadurch wurde der Mann, der schon vorher Farels Freund nicht war, ihm natürlich jetzt noch feindseliger gesinnt. Und gewiss, es wäre besser gewesen, Farel hätte sich gemäßigt und hätte, wenn er´s nicht ganz verbergen konnte, wie ihm zu Mute war, doch etwas ruhiger und in mildern Worten geantwortet. Doch wir müssen gegen ein solches Rüstzeug Christi jedenfalls Nachsicht üben wegen dieses Übermaßes von Heftigkeit. Viret versuchte zwei Tage später die Beleidigung abzuschwächen; aber er erreichte weniger, als er wollte, da die Wunde noch zu frisch war. Farel hatte zwar gerechte Ursache, gegen Wattenwyl so zornig zu werden; aber er hätte doch besser erwägen sollen, was nützlich sei, um nicht, sich und seinem Zorn nachgebend, ohne Nutzen einen Mann zu erzürnen, der mächtig ist, zu nützen und zu schaden. Weils aber nun nicht mehr zu ändern ist, was er gefehlt hat, so müssen wir Gott bitten, er möge das Geschehene aus dem Gedächtnis tilgen. Zwar ich fürchte, Farels Ankündigung möchte eine Weissagung gewesen sein. Denn jener Mann, Wattenwyl, hat sich wunderbar verändert. Man könnte sagen, sein Verstand sei von ihm genommen, seit er aus unheiligen Gründen Kirchengüter angriff. Er ist vor allem ein Spötter; kein Wort fast lässt er aus seinem Munde gehen, ohne Stichelei, Neckerei oder Lästerung. Als in Farels Sache jemand ihm sagte, wie heilig die Berufung Gottes geachtet werden müsse, nahm er diese ganze Rede nur mit Spott auf. Er sagte: Wie könnte mich Einer zwingen, einen Dienstboten im Haus zu behalten, der mir missfällt? Und diesen Vergleich brauchte er nicht bloß einmal. Ich darf einem Dienstboten, wenn er mir nicht gefällt, den Lohn auszahlen und ihn dann gehen heißen, warum sollte ichs nicht einem Diener am Wort auch dürfen? Diese Ungebührlichkeit reizte Farel, mit ihm einmal strenger zu reden. Und ich fürchte wie gesagt, er hat wohl nur zu richtig prophezeit, da der Mann, der früher so erleuchtet, mit so ausgezeichneten Gaben ausgerüstet war, nun so Gott entfremdet ist, da er doch allen andern vorangehen sollte. Doch das soll begraben sein bei uns. Jetzt steht die Sache so: Weil die Mehrzahl, d. h. all Frommen Leute in der Stadt, Farel behalten wollen, so hat er selbst beschlossen, nicht zu weichen, wenn er dazu nicht durch gesetzlichen Befehl gezwungen wird. Aus keinem andern Grund aber bleibt er dort, als weil er es nicht wagt, den Platz zu verlassen, den Gott ihm angewiesen hat. Nun muss ein Weg gefunden werden, wenn es möglich ist, wie es ohne oder doch nur mit ganz geringem Anstoß bei den Bernern geschehen kann. In der so verwickelten Lage scheint mir aber nichts besser, als wenn Eure Kirche und andere, die großes Ansehen genießen, bevor die zwei Monate verflossen sind, durch ihr Urteil Farels Amtsstellung befestigen. So nämlich würde erreicht, dass Farel es nicht nötig hat, überhaupt dem Spruch der Schiedsrichter zu widerstehen. Du könntest es dann auch leicht bei den Bernern entschuldigen, dass er deshalb deinen Rat verlangt habe, um der Gefahr auszuweichen, sich einem gefällten Spruch widersetzen zu müssen; obwohl es gar nicht nötig sein wird, in Eurer Antwort des Schiedsspruchs irgendwie Erwähnung zu tun. Ihr werdet an die Obrigkeit, an die Pfarrer und an das Volk schreiben müssen. Wir zweifeln nicht im Geringsten daran, dass Ihr in einem Augenblick der Kirche die Ruhe wiedergeben werdet, so sehr sie jetzt noch von Parteiung erhitzt ist. Denn die Meisten der Bösen, die im Vertrauen auf diesen Schiedsspruch neuen Mut gefasst hatten, werden gleich zusammenbrechen, wenn sie nur Euern Namen hören. Ich will nicht heftiger in dich dringen, der armen Kirche zu helfen, damit es nicht scheint, ich misstraue dir. Ich will dich nur darauf hinweisen; denn einer Mahnung, das weiß ich, bedarf es bei dir nicht. Der Überbringer, ein Bruder, der Euer Zögling und Schüler ist, wird mündlich ergänzen, was in meinem Briefe fehlt. Auf die übrigen Punkte deines Briefes kann ich jetzt nicht so eingehend antworten, wie ich möchte und die Sache es erforderte. Die Hauptsache, den Entwurf einer Kirchenordnung, den wir verfasst haben, kann ich dir jetzt nicht schicken. Wir haben ihn dem Rat eingereicht, vierzehn Tage nachdem uns das Geschäft übertragen worden war. Die Antwort haben wir noch nicht. Das missfällt mir aber gar nicht so sehr, dass sie etwas langsamer sind, und wir hoffen umso bestimmter, sie werden es uns zugestehen. Um keinen Verdacht bei ihnen zu wecken, haben wir sie gemahnt, wenn es ihnen gut scheine, sollten sie sich zuerst mit den deutschen Kirchen in Verbindung setzen, damit nichts ohne deren Zustimmung eingeführt werde. Wir nehmen an, sie werden das tun. So werden wir den Entwurf bald senden.

Wegen Viret bitte ich dich, wenn du dir getraust, einen Brief von Euerm Rat zu erwirken, es ja eifrig zu tun. Denn wir wissen, wie schwierig die Berner sein werden, und nur deshalb, weil sie nicht zu gütig gegen uns sein wollen. Das werden sie aber vielleicht dulden, dass sie von Euerm Rat gebeten werden. Ich will alle Hebel in Bewegung setzen, dass Viret mir nicht entrissen wird. Ich will darauf dringen bei Sulzer. Kunz will ich demütig bitten. Kurz, ich will nichts unterlassen. Nur wird man sich zugleich in Acht nehmen müssen, dass für Lausanne gut gesorgt wird. Das kann geschehen, wenn du Kunz und Sulzer bittest, keinen hinzusetzen ohne den Rat Virets und Le Comtes, der zweiter Pfarrer ist. Dieser Le Comte hat, wenn er auch sonst nicht der Beste ist, doch das Gute, dass er sich einen guten Kollegen wünscht, und wenn er ihn hat, ihn nicht nur erträgt, sondern auch unterstützt. Hört man nicht auf Viret, so besteht Gefahr, dass dort irgendeine Pest eingeschleppt wird, die die ganze Nachbarschaft ansteckt. Der ganze Teil deines Briefes, in dem du entschuldigst, dass ich in Straßburg nicht nach Verdienst geachtet worden sei, ist überflüssig. Denn ich erinnere mich wohl und werde es stets anerkennen, dass Ihr mehr Ehre auf mich gehäuft habt, als ich je mit Recht erwarten durfte. Jener Ausdruck freies Geleit und anderes, was bei meiner Abreise geschehen ist, hat mich, ich gestehe es, ein wenig gestoßen. Aber nur deshalb wollte ich es dir offenbaren, damit ich es nicht in mir festhielte. Ich sollt also wissen, dass das Alles vergangene Dinge sind. Die Eintracht mit unsern Nachbarn [in Bern] und sogar brüderliches Wohlwollen zu pflegen, werde ich mich mit aller möglichen Treue und Sorgfalt bestreben; wenn sie es nur auch versprechen. Gewisslich will ich Niemandem, soviel an mir liegt, Anlass zu Verdruss bieten. Das aber bitte ich dich, dass du nicht nach meinen Briefen an dich abschätzest, was ich hier tue oder rede. Bis ich gestehen muss, weiter könne ichs nicht tragen, will ich, daran zweifle nicht, treulich halten, was ich Euch versprochen habe. Und wenn ich in irgendetwas Eurer Hoffnung nicht entspreche, so weißt du ja, dass ich unter deiner Gewalt stehe. Mahne, züchtige, tue alles, was einem Vater seinem Sohn gegenüber erlaubt ist. Verzeih meine Eile. Du glaubst nicht, in welcher Hast ich schreibe; denn unser Bruder [der Überbringer] drängt mich, wie ihn seine Kollegen geheißen haben, und ich stecke in soviel Geschäften drin, dass ich kaum zu mir selber komme.

Da ich höre, bei Euch wüte die Pest so sehr, so kann ich nichts Anderes sagen, als dass Gott mit gewappneter Hand gegen unsere Hartnäckigkeit kämpft; wenn wir auch fast schon zu abgestumpft sind gegen solche Schläge. Wie die Hand Gottes bei Euch scharf dreinfährt, so liegt sie auch [bald] auf uns. Denn die Pest schleicht gegen uns heran; bleiben wir diesen Winter noch verschont, so werden wir doch nächstes Frühjahr sicher nicht entrinnen. Was bleibt übrig, als unsere Zuflucht zu nehmen zum Beten und Weinen? Wir sind darin sicherlich immer noch zu träg. Umso mehr müssen wir fürchten, dass wir durch solche Gefühllosigkeit den Zorn unseres Richters noch mehr reizen. Um Euch sind wir in Sorge, wie es natürlich ist. Denn aus dem Unglück der Basler Kirche ermessen wir, wie uns geschähe, wenn Ihr uns entrissen würdet. Ich wollte gewiss nicht übrig bleiben und würde es nicht aushalten, wenn Gott mich nicht wunderbar stärkte. Lebwohl, im Herrn stets hoch verehrter Vater. Grüße mir aufs Angelegentlichste die Herren Capito, Hedio, Matthias, Bedrot und die Andern. Ebenso Konrad [Hubert]; entschuldige mich bei ihm, dass ich nichts schreibe. Es bestürmen mich beständig so Viele, dass ich rasch abbrechen muss. Grüße auch deine Frau freundlichst. Der Herr erhalte, leite und schütze Euch Alle. Amen.

Genf, 15. Oktober 1541.
Dein
Johannes Calvin.

Meine Frau grüßt die Deine freundlich und die ganze Familie.

Calvin, Jean – An Martin Butzer in Straßburg.

Der Straßburger Theologe Butzer suchte die schweizerischen Kirchen mit den Lutheranern zu vereinigen. Infolge dieser Bestrebungen wurde in Bern der zwinglisch denkende Pfarrer Megander, ein Zürcher, abgesetzt, und es blieben nur die beiden lutheranisierenden Sebastian Meyer und Peter Kuntz im Amt. Weggelassen sind einige einleitende Sätze.

Über Meganders Entlassung in Bern, den Abendmahlsstreit, Luthers Trotz und Butzers Behutsamkeit.

– – – Kurz darauf erfuhren wir, Megander sei als Verbannter [von Bern] weggezogen. Diese Botschaft erschreckte uns, wie wenn wir gehört hätten, die Berner Kirche sei zum größern Teil zusammengebrochen. Ich fange an zu fürchten, lieber Butzer, wir erstreben eine Einigung, die zur Bestätigung das blutige Opfer vieler frommer Männer braucht. Das will nicht sagen, dass ich mich unwillig zurückziehe, sondern nur, dass ich wünsche, die Einigung möchte so sein, dass sich alle Guten uns anschließen können. Wenn wir das im Sinn haben, müssen einmal alle die Hüllen, die Ängstliche zu hindern scheinen, weggehoben werden. Dem nämlich glauben wir entgegentreten zu müssen, dass es scheint, Luther träume von einer Umwandlung, sei es unseres Fleisches in das Christi oder umgekehrt, oder er erdichte die Unbegrenztheit des Leibes Christi, oder er fordere die örtliche Gegenwart dieses Leibes im Abendmahl. Denn alle, die bisher gegen die Einigung redeten, fürchten solche Dinge. Wenn Luther uns mit unserm Bekenntnis annehmen will, so ist mir nichts lieber; aber allein beachtenswert in der Kirche Gottes ist er doch auch nicht. Wir müssten ja dreifach grausame Dummköpfe sein, wenn wir nicht die vielen Tausende in Betracht zögen, die bei einer solchen Einigung hässlich beschimpft würden. Was ich von Luther halten soll, weiß ich nicht, obwohl ich von seiner wahren Frömmigkeit fest überzeugt bin. Wenn es nur falsch wäre, was selbst die meisten von denen, die sonst kein Unrecht auf ihn kommen lassen, behaupten, dass seiner Glaubensfestigkeit auch ein gut Teil Trotz beigemischt sei. Zu diesem Verdacht gibt er selbst nicht am wenigsten Anlass. Ist es wahr, was ich neulich gehört habe, es schwirre durch alle Gemeinden der Wittenberger das Gerücht, sie hätten nun fast alle Kirchen zur Erkenntnis ihres Irrtums gebracht; welche Eitelkeit wäre das! Wäre nicht dieser krankhafte Ehrgeiz unter uns, genügte es dann nicht, dass Christus für wahr gilt und dass seine Wahrheit aufleuchte in den Menschenherzen. Wahrlich, ich sehe, wie es kommen wird. Es kann nichts Gesundes geben, so lange uns die Wut solchen Ehrgeizes treibt. Also muss auf beiden Seiten die Erinnerung an das Vergangene begraben werden, wenn wir einen dauernden Frieden wollen. Der Kampf war zu scharf und zu bitter, als dass man ihn erinnern dürfte, ohne wenigstens einige Funken wieder aufzustören, und wenn Luther so sehr nach Siegesruhm verlangt, so kann nie eine aufrichtige Einigung zur reinen Wahrheit Gottes gedeihen. Denn sein Fehler ist nicht etwa nur sein hochmütiges Schmähen, sondern auch Unwissenheit und größte Selbsttäuschung. Wie töricht ging er anfangs ins Zeug, als er sagte: das Brot sei der Leib Christi selbst! Wenn er auch jetzt sagt: der Leib sei im Brot enthalten, so muss ich doch jenen ersten Ausdruck einen hässlichen Irrtum nennen. Und was sagten die andern Anhänger derselben Sache? Haben sie nicht ärger als [der Ketzer] Marcion vom Leib Christi geredet? Wenn sich´s nun die Schweizer in den Kopf setzen, auf solche Fehler Jagd zu machen, wäre damit der Weg zur Einigung bereitet? Deshalb, wenn du bei Luther durch Gunst oder Ansehen etwas vermagst, so sorge, dass er seine bisherigen Gegner in dem unseligen Kampfe lieber Christo als seiner Person unterwirft, und dass er selbst der Wahrheit die Hand reicht, wo er im Widerspruch mit ihr steht. Hier handelte es sich darum, dass jeder für sich seinen Irrtum ehrlich anerkannte, und ich konnte nicht umhin, dir, wie du dich erinnern wirst, zu bezeugen, dass die einschmeichelnde Art, wie du dich und Zwingli zu entschuldigen suchtest, mir nicht gefiel. Andererseits ziemt es sich aber auch nicht, dass Einer den Andern schmäht. Wenn doch auf mein Haupt alle die Schmähworte fallen könnten! – Obwohl ich mir wohl bewusst bin, dass mich Gott, seit ich sein Wort zu kosten bekam, nie so verlassen hat, dass ich nicht über den Gebrauch der Sakramente und das Teilhaben am Leibe Christi rechtgläubig gedacht hätte – so sollte dann doch gewiss die Einigung durch nichts verzögert werden. Aber nehmen wir an, es sei bei unsrer Partei eine verkehrte Scheu, ihre Fehler einzugestehen, wer müsste sie nicht entschuldigen gegenüber dem unmäßigen Trotz Luthers, von dem man spricht. Deshalb, lieber Butzer, musst du dich anstrengen, dass alles auf beiden Seiten gut vonstatten geht. Eine schwierige Aufgabe, meinst du. Gewiss, aber da du sie auf dich genommen, musst du auch ernstlich daran arbeiten, und ich sage ja nicht, du müssest Erfolg haben, sondern nur, du müssest es versuchen. Scheint es dir nicht unerträglich, dass so viele Kirchen, die doch auch ganz Sachsen gegenüber nicht zu verachten sind, so lange in der Schwebe gehalten werden, da sie sich doch zu einer billigen Einigung antrugen? Wenn du also von den Schweizern verlangst, dass sie rasch ihre Hartnäckigkeit ablegen, so wirke doch auch bei Luther dahin, dass er einmal aufhört, sich so herrisch zu benehmen. Ich komme auf Megander zurück. Er musste in die Verbannung gehen, weil ers nicht über sich brachte, deine Zurechtweisungen [zu seinem Katechismus] zu unterschreiben. Du sagst, das sei Grund genug, dass er der Wahrheit ohne Grund widerstrebe? Was nun, wenn er seinerseits bereit war, Zeugnis abzulegen für die Wahrheit? Wenn das also der Grund war, dass er auch das von einem Andern richtig Gesagte nicht annehmen konnte? Nehmen wir an, es sei ihm dabei etwas Menschliches widerfahren, war es nicht besser, trotzdem einen solchen Mann zurückzuhalten und ihm eine solche kleine Schwäche dreinzugeben, als ihn unter schwerer Beleidigung seines Amtes zu entkleiden, in großer Verachtung des Wortes Gottes, zum großen Verlust der Kirche, zu noch größerer Gefahr für die Zukunft. Wie schadenfroh triumphieren nun ringsum die Feinde des Evangeliums, dass man anfängt, die Pfarrer in die Verbannung zu treiben. Wie frech spotten sie über das Evangelium Gottes! Welchen Spaß haben sie nun an uns, die, rings umgeben von mächtigen, wohl gerüsteten Gegnern, uns gegenseitig verwunden und vernichten. Was sollen fernerhin die Einfältigen tun, wenn sie sehen, dass die Pfarrer, an deren Mund sie gehangen haben, mit Verbannung gestraft werden? Schließlich, du weißt gar nicht, welches Hirten durch diesen Verlust die Berner Kirche beraubt ist. Zuversichtlich sage ich, du weiß es nicht, weil wir ganz sicher wissen, dass du in dieser Beziehung blind bist oder träumst. Freilich, Sebastian und Kuntz bleiben. Aber was kann der Erste anderes, als mit seinen Tollheiten das reine Evangelium verdrehen. Neulich habe ich erfahren, welchen Samen des Aberglaubens er in sich trägt, als er kaum zugeben wollte, dass das Dogma von den sieben Sakramenten eitel Torheit der Scholastiker sei, und heftig zürnte, dass wir die Ehe und die Beichte nicht für Sakramente hielten. Aber lassen wir ihm das auch nach, so sehen doch alle, dass er der Aufgabe der Kirchenleitung, zumal in so schwieriger Zeit, keineswegs gewachsen ist; denn er ist selbst auf der Kanzel so vergesslich, dass er beim dritten Wort den Faden verliert. Wird er gereizt, so wird er von der Leidenschaft so weit gerissen, dass er seiner selbst nicht mehr mächtig scheint. Redet ihm einer nach dem Maul, so kann er ihn wie einen Buben bringen, wozu er will. Du wirst sagen, es sei meine Art, in meinen Briefen Blitze zu schleudern, bei persönlichem Zusammentreffen mild zu sein. Gewiss, es ist nicht meine Art, mich mit den Leuten herumzuzanken. Aber meine Gesinnung in geraden Worten, sei es in Gegenwart der Leute oder in Briefen, zu äußern, darin kann ich mich nicht zurückhalten. Du kannst ja dann urteilen, wie du willst; ich glaube in der Erwägung, wie viel mehr Wert die Offenheit hat als die Schlauheit, meiner Art keinen Zwang antun zu dürfen, sondern dir frei heraussagen zu müssen, was mir wahr scheint. Ich weiß ja, wem ich es anvertraue. Welch ein Mensch nun Kuntz ist, das allerdings wage ich kaum zu sagen. Durch euer mildes und bescheidenes Wesen schien er mir ein wenig gezähmt, und er hat ja neulich in unsrer Sache, eine seltsame Emsigkeit zur Schau getragen. Einen Augenblick darauf wurde er schlimmer, als er je gewesen. Farel erzählt, eine wütendere Bestie habe er nie gesehen, als sich ihm Kuntz ganz neuestens gezeigt habe. Seine Mienen, Gebärden, seine Rede und die Gesichtsfarbe sogar atmete Wut, wie er erzählte. Also, so sehr man mir ihn nachher entschuldigen mag, bis ich ihn als andern Menschen kennen gelernt habe, glaube ich, er sei voll Giftes. Warum, bitte, hasst er uns denn so gründlich, dass er stets das Äußerste versucht? Wenn du dich nicht überzeugen lässt, so siehts doch der Herr, der zu seiner Zeit sich als Richter zeigen wird. Wir verlassen uns auf sein Urteil, deshalb schauen wir nicht gar so ängstlich auf die Menschen. Dennoch suchen wir uns so aufzuführen, dass uns keiner mir Recht verurteilen kann. Wir verhalten uns so gegen ihn, dass er merkt, wir seien nicht seine Feinde, so sehr er selbst unser Gegner ist. Durch solche Mäßigung suchen wir ihn zu gewinnen, so dass er nicht anders als in offenkundiger Tollheit weiter gegen uns wüten kann. Freilich das muss ich sagen, in unserer Beurteilung der Menschen weichen wir stark von ihm ab: denn die Leute, die er zum Dienst am Worte einsetzt, halten wir für würdig, an den Galgen gehängt zu werden. Damit du weißt, wie verkehrt es geht: Gute Männer, die von uns bewährt erfunden sind, wagt er nicht anzunehmen, wenn sie nicht von der ganzen Pfarrklasse der Gegend, für die sie bestimmt sind, erprobt sind; andere aber, die von der ganzen Klasse als unwürdig erklärt sind, nicht nur des kirchlichen Amts, sondern auch der Abendmahlsgemeinschaft, die liegen ihm am Herzen. Notorische Wiedertäufer, ertappte Diebe drängt er den Kollegen wider ihren Willen auf. Währenddessen wird einer der allerfrömmsten, gelehrtesten und vorsichtigsten Pfarrer unserer Nachbarschaft von zwei Vögten auf den Tod angeklagt, mehr als unmenschlich geärgert, gewalttätig behandelt, da diese Sendlinge Kuntzens mit allem Eifer auf seinen Untergang hinarbeiten. Was sollen wir voraussehen nach diesen Anfängen? Ich glaube, wenn er meint, uns dadurch wie mit Geißeln zu hetzen, so arbeitet er an seinem eigenen Untergang. Und sicher, wenn es so Gottes Wille ist, so wird er in dem Netz gefangen, das er uns gestellt, und stürzt kopfüber in die Grube, die er uns gegraben, eher als dass er länger der Kirche Christi mit solcher Mühsal zu schaffen macht. Das hat in Bern eure Sache bei vielen mutigen Männern so verhasst gemacht, dass sie haben sehen müssen, wie ein Hirt abgesetzt und ein wildes Tier ihrer Herde gelassen worden ist. Du wirst sagen, welchen Zweck haben diese Klagen? Den, dass du, wenn möglich, auf irgendein Heilmittel sinnst. Und wenn du keines hast, so bitte mit uns den Herrn, dass er uns durch solche Versuchung nicht vom rechten Weg abweichen lässt, und seine Herde aus dem Rachen der Raubtiere rette.

Aber auch du selbst scheinst uns (ich rede in meinem eignen und meiner Kollegen Namen) einer Ermahnung zu bedürfen, und wir wagen sie im Vertrauen auf deine große Selbstbeherrschung. In deiner Behandlung des Gotteswortes, vor allem bei den heute strittigen Stoffen, suchst du deine Sprache so zu stimmen, dass du Niemandem Anstoß gebest. Wir sind überzeugt, dass du es in der besten Absicht tust. Und doch müssen wir das Bestreben durchaus missbilligen. Wir müssen, trotzdem du das von uns schon mehrfach früher gehört hast, dasselbe Lied von Neuem beginnen, da wir sehen, wie diese abschwächende Behutsamkeit von Tag zu Tag gefährlicher wird. Ich weiß wohl, du pflegst dich zu entschuldigen, man dürfe nicht durch streitsüchtigen Disput die Herzen der einfachen Leute dem Glauben entfremden, sondern solle sie auf jede Weise anziehen; es würden ja nur solche Dinge nachgelassen, die man, ohne unfromm zu sein, dran geben könne. Ich aber antworte drauf nach meiner Art: Wenn du einen Christus willst, der Allen gefällt, so darfst du deshalb doch kein neues Evangelium fabrizieren, und es ist klar zu sehen, wohin das führte. Hast du gesagt, die Anrufung der Heiligen sei mehr vom Aberglauben der Menschen erdacht als in Gottes Wort begründet, so fügst du gleich bei, das müsse man dem Urteil der Kirchenväter überlassen und solche Anrufung, die in ihren Schriften empfohlen, dürfe nicht ganz verurteilt werden. So führst du beständig die Autorität wieder ein, durch die jeder beliebige Irrtum als Wahrheit dargestellt wird. Aber heißt das, Gott wahrhaftig heilig halten, wenn man so viel dem Menschen überlässt, dass seine Wahrheit nicht mehr allein über uns herrscht? Ehrt man die Kirchenväter nicht genug, wenn man sie nicht verwerflich und nicht verächtlich nennt, trotz der Fehler, die man bei vielen von ihnen findet? Wenn der menschliche Mutwille, wo man ihm einmal die Zügel freigegeben hat, nicht gehindert werden kann, immer weiter zu schweifen, welches Maß sollen wir dann einhalten, wenn einmal zugegeben wird, wir dürften ungestraft über die Grenzen des Gottesworts hinausgehen? Das tust du aber nicht nur in einer Sache, vielmehr überall scheinst du die Herrschaft zwischen Christo und dem Papst teilen zu wollen. Wir sagen nicht, es sei so, aber wir sollten es nicht einmal fürchten müssen. Aber die ganz Schlauen durchschauen deine Absicht doch; die Einfältigen werden, da sie es als Rückzug erklären, ganz verwirrt. Begonnen hast du damit im Kommentar zu den Psalmen, einem sonst vortrefflichen Werk, wie es kein anderes gibt, aber diese fälschlich fromm genannte Schlauheit wurde dir immerhin noch nachgesehen. Ich freilich, um es dir ehrlich zu sagen, fand es stets unerträglich, dass du die Rechtfertigung aus dem Glauben gründlich zerstörtest. Aber man hielt es immerhin für gut, dass ein so köstlicher Schatz durch die Welt komme, gleichgültig welcher Wind ihn trage. Als man dann aber begann, dein Büchlein gegen Cenalis zu lesen, da war kein frommer Mann, der nicht laut gerufen hätte, es sei unwürdig, dass von einem solchen Herold des Evangeliums wie du das Evangelium nun mit soviel Hüllen verdunkelt werde. Das Buch ist, das wird niemand leugnen, voll tiefer Gelehrsamkeit und mit außerordentlicher Kunst und nicht geringem Fleiß geschrieben, aber mit soviel dunkeln Flecken bespritzt, dass die Meisten als Korrektur einen Strich durchs Ganze wünschen. Und ich zweifle nicht daran, dass das auch deine Meinung wäre, wüsstest du, welche Früchte die Schrift in Frankreich und England trägt. Allem, was du seither herausgegeben, ist etwas von dieser hässlichen Hefe beigemischt. Glaube ja nicht, dass ich aus Widerspruchsgeist so feindselig und böse über deine Schriften denke. Der Herr ist mein Zeuge, dass es mich jedes Mal nicht nur etwa oberflächlich, sondern im innersten Herzen beunruhigt, wenn ich sehe, dass ich mit einem frommen Mann nicht übereinstimme, besonders mit dir, dessen ausgezeichnete Begabung neben aller Frömmigkeit ich nicht anders als hochschätzen, ja bewundern kann. Aber wenn ich auch in mildester Liebe mich zusammennehme, in Einigem kann ich dir doch nicht beipflichten, ohne dem Zeugnis meines Gewissens zuwiderzuhandeln. Gewiss, ich habe immer die Absicht deiner Vermittlungsaufgabe bewundert. Denn wenn du mahnst, Einigung mit Luther zu suchen, schätzest du selbst das so hoch, dass du versicherst, nichts dürfe uns wertvoller sein, als mit vereinten Herzen und Waffen gegen Satans Lügen zu streiten. In dieser Mäßigung bist du selbst Luther so unähnlich, dass ich glaube, deine Handlungsweise wird ihn noch mehr erzürnen, als früher die Ansichten Zwinglis und Oekolampads. Denn nie hat er die Sakramentierer mit größerem Hass bekämpft, als wenn er ihnen vorwarf, die Gerechtigkeit aus dem Glauben werde von ihnen zerstört, oder doch herabgesetzt und verwirrt.

Über diese Dinge, liebster und von uns hoch verehrter Bruder, wollten wir mit schwerem Herzen bei dir Klage führen, weil wir überall den Anfang eines Endes mit Schrecken vor uns sehen, wenn du fortfährst, wie du begonnen hast. Du weißt, wie viel auf beiden Seiten die Leute wert sind, die Gott mit Gelehrigkeit, Geist und Klugheit geschmückt und gerüstet hat. Du bist zu solcher Höhe gestiegen, hast in der Kirche Christi eine solche Stellung, dass die Meisten auf dich schauen. So wirst du dich nicht wundern, dass wir in dir eine gewisse besondere Vollkommenheit eigensinniger verlangen als von andern, weil wir wissen, dass du Unzähligen vorangehen und voranleuchten solltest. Je geringer der Verlust, den uns der Abfall unbedeutender Menschen macht, umso freier sind wir von ihnen. Euch aber, deren schlimmes Beispiel viel gefährlicher wäre, muss die Kirche mit festem Band an sich gefesselt halten. Der Herr bewahre dich und mehre seine Gaben in dir, trefflichster, liebster Bruder. Capito grüße in meinem Namen herzlich. Farel und meine beiden anderen Kollegen grüßen Euch Beide.

Genf, 12. Januar 1538.

Dein Calvin.

Ich vergaß, was ich nicht zuletzt hätte schreiben sollen. Allen Pfarrern unserer Nachbargemeinden ist verboten worden, mit uns im Verkehr oder irgendeiner Gemeinschaft zu stehen. Schau, wohin die Anfänge solchen Zwiespalts anders hinzielen, als auf den völligen Untergang der Kirche. Das berichten wir, als etwas, was Kuntz billigt.

Berthold Haller – Aus einem Brief an Martin Bucer 1533

Du hast nun, lieber Martin, unsere Kirche gesehen, einige unserer Prediger gehört; mich hast du ganz gesehen, wie viel oder wie wenig an mir sein mag. Nichts kannst du thun, was mir willkommener wäre, als wenn du mir ganz offen schreibst, was du daran, zumeist aber an mir, vermissest. (…) Ich weiß, daß die Frömmigkeit allein nicht ausreicht zur führung eines so wichtigen Amtes. Es wird Klugheit, Treue, Gelehrsamkeit erfordert, um die Geheimnisse Gottes auszuspenden. Du kennst mich; befiehl, dringe, zeige mir, wie ich dasjenige möge verbessern, was leicht nicht bloß mir, sondern der Kirche schaden kann! (…) Ich weiß genug dessen, das Gott gern hätte und fürchte, es gebreche an mir. Hätte ich doch diese Furcht schon vor zehn Jahren gehabt.

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861

Ambrosius Blarer an Martin Bucer

Du wirst, mein lieber Bucer, ein Exemplar des Briefes gesehen haben, den Luther neulich an einen Augsburger, jedenfalls zur Unzeit, um nicht zu sagen in gottloser Weise, geschrieben hat. Dieser Brief quält mich so sehr, wie schon lange Zeit nichts mehr. Ich glaubte, daß jener zu erhitzte Geist sich etwas gemäßigt, und daß ihn unsere Offenherzigkeit und Bescheidenheit zu besserer Einsicht gebracht hätte. Wie ich aber sehe, steht es jetzt mit unserer Sache bei den Lutheranern schlimmer als je … wie entbrannte in mir das Herz, als ich las, daß diese schönen Helden uns die Papisten vorziehen, uns die Sakramente und jedes reinere Christenthum absprechen und dazu den Tod Zwingli’s als ein sicheres Zeichen des über uns ausgebrochenen göttlichen Zorns in’s Angesicht werfen! Steh auf, steh‘ auf, gütigster Vater, befreie uns von so schwerer Unbill, die nicht uns sowohl als Dich selber trifft!