Conrad Grebel und Marx Bossart – Bittschrift an den grossen Rath zu Zürich

daß er ihnen sicheres Geleit gäbe.

HErr Bürgermeister! ehrsame, weise, gnädige, liebe Herren! Wir Conrad Grebel und Marx Bossart haben euerer Weißheit Brief und Gebot an alle diejenigen, welche sagen, daß Mr. Ulrich Zwinglin in seinem Tauff-Buche lüge, auf datum dieses Briefs gelesen und verstanden. Derowegen ist unsere Antwort, Bitt und Anschreyen, daß ihr unsere gnädige Herren uns vor euch Rath und Bürgeren auf künftigen Samstag zu erscheinen ein freyes, sicheres Geleit in euere Stadt und wiederum daraus an unsere Gewahrsame gebet, so werden wir erscheinen. Wenn wir solches nicht von euch unseren gnädigen Herren erwerben mögen, wie wir nicht hoffen, auch nicht verschuldet haben, so bewegen uns viele billiche, christliche Ursachen auszubleiben, biß Gott anderes ordne nach seinem Wohlgefallen. Die Ursachen zu erzehlen, wird füglicher vor euch geschehen, als daß wir sie hierher setzen. Euren Geleits-Brief möget ihr in Rudi Thomanns Hauß zu Zollikon thun und schicken, so werden wir ihn wohl empfangen und verstehen, ob wir zu euch und wiederum von euch ein sicheres Geleit biß an unsere Gewahrsame haben werden, dahin wir dann geführt werden sollen nach dem Willen Gottes. Hiermit nichts mehr dann so wir euch unseren gnädigen Herren in allerley zeitlichen, dienstlichen Händlen mit Gehorsame dienen können, so sind wir willig und bereit darzu, Wir bitten, ihr wollet unser einfältig Schreiben nicht verarben und das nothwenige Anbringen gewähren. Gott bewahre uns alle mit seinem Frieden nach seinem Willen. Euere gehorsame, willige Bürger und Diener, Conrad Grebel und Marx Bossart. Donnerstags nach St. Ulrich 1525.

Quelle:
Beyträge Zur Erläuterung der Kirchen- Reformations-Geschichten des Schweitzerlandes; Herausgegeben von Johann Conrad Füßlin. Dritter Theil. Zürich, bey Conrad Orell und Comp. 1747.

Grebel, Konrad – Brief an Joachim Vadian vom 30. Mai 1525

Heil und Friede sei mit dir in Gott, nicht in der Welt, damit sie im Herrn bestehen können.

Für das, was du mir Gutes gethan hast, bin ich dir zu großem Dank verpflichtet, und wünsche und begehre, daß es dir reichlich vergolten werden von Gott dem Geber des Guten. Erwäge ich aber und kommt mir in den Sinn dein Streit gegen meine ächt christlichen Brüder, so gestehe ich offen und mit christlichem Freimuth, daß ich lieber einem Anderen als dir den Dank für das Gute, was mir ward, schulden möchte, damit ich dir ohne Schuld sagen könnte, was zu sagen wäre, was du zwar selbst weißt, aber dennoch dich dadurch nicht bestimmen lässest, eher der Stimme des Geistes ein freies Gehör zu geben als der Lehre des Fleisches. Ich sage es gleichwohl: Alle oder doch die größte Schuld trifft dich, wenn gegen Jene mit Gefängniß, Geldbuße, Verbannung oder Tod vorgeschritten wird. Hüte dich, hüte dich vor unschuldigem Blut! Unschuldig ist es, ob du es auch weißt und zugleich nicht weißt, ob du es willst oder nicht, es ist unschuldig: ihre Geduld, ihr Lebensende und der große Tag des Herrn wirds zeigen. Zu deinem Verderben bist du so hoch in der heiligen Wissenschaft, in Würde und Ansehen deiner Stadt gelangt, wenn du nicht umkehrst und deinen Sinn änderst, ich rufe Himmel und Erde zu Zeugen.

Erlaube mir, daß ich dir sage, was bei Christus unserem Herrn und Heiland in der Wahrheit wahr ist. Ich werde, so es der Herr erlaubt, bis in den Tod die Wahrheit bezeugen, in welcher Jene wahrhaftig sind und du sein könntest. Ich weiß, was dich drückt, der Wucher nemlich oder deine fleischliche Weisheit oder die Partei des in diesem Punkt der Wahrheit feindlichen Zwingli. Stürze dich nicht ins Verderben. Täuschest du hier die Menschen, so bist du doch nicht verborgen vor dem Herrn, dem Herzenskündiger und gerechten Richter. Verzichte lieber auf Zinse und Wucher, traue Gott, demüthige dich, sei mit Wenigem zufrieden, zieh dich von der blutdürstigen Rotte eines Zwingli zurück, flüchte dich von deiner eigenen zur himmlischen Weisheit, damit du ein Thor der Welt, ein Weiser Gottes werdest, werde ein Kind, sonst kannst du ins Reich Gottes nicht eingehen.

Warum glaubst du dem Zwingli nicht auch zu deinem Heil, der gemäß dem klaren Bibelworte (Psalm 14. Ezech. 18.) offen erklärte, das Zinsenehmen führe zur Verdammniß, wie auch Papst Gregot IX. vom Tisch des Herrn den ausschloß, der über Gebühr etwas vom Schuldner fordere. Willst du nicht zu den Brüdern halten, so widerstehe ihnen wenigstens nicht, damit du eher Entschuldigung finden könnest, und gib nicht andern Städten das Beispiel der Verfolgung.

Ich bezeuge dir bei meinem Glauben an Christus, bei Himmel und Erde und Allem, was darin ist, die untrügliche Wahrheit, daß ich dich also nur aus Liebe zu dir ermahnt habe. Darum beschwöre ich dich bei Christus, daß du meine Mahnung nicht verachtest, sondern ängstlich sorgst, daß dir dieses zur Besserung, nicht aber zum Zeugniß gesagt sei. Gibst du nach, so will ich mein Leben für dich einsetzen; gibst du nicht nach, so will ich es für jene unsere Brüder gegen Alle, welche dieser Wahrheit widerstreiten werden, einsetzen. Denn ein Zeugniß für die Wahrheit will ich geben durch Dahingabe meiner Güter, nemlich meines Hauses, des einzigen Besitzthums, das ich mein nenne; ein Zeugniß will ich geben durch Gefängniß, Verbannung, Tod und ein geschriebenes Buch, wenns Gott nicht hindert; komme ich nicht mehr dazu, so werden alle Andern nicht schlafen.

Du billigst die Lehre, Zwingli mißbilligt sie. Was wartest du noch, da du es schon vorher weißt? Wartest du etwa, um einen Deckmantel zu bekommen, auch die Lehre zu verfolgen und zu mißbilligen? Mein Vadian, warum leget ihr nicht in unserer Weise Zeugniß ab? Nu mit Gewalt und fleischlichem Arm handelt ihr, indem ihr die Schrift willkürlich gegen uns ausleget. Meinest du, wir seien wahnsinnig oder nicht nur von bösen Geistern, sondern von der ganzen Hölle besessen, wir, die wir bereit sind, Zeugniß abzulegen bis in den Tod, welchen Zwingli und Andere uns drohen, indem sie die Wahrheit in Lüge aufhalten?

Quelle:
Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der reformirten Kirche. Herausgegeben von Dr. J.W. Baum, Professor in Straßburg, R. Christoffel, Pfarrer in Wintersingen, Dr. K.R. Hagenbach, Professor in Basel, Dr. H. Heppe, Professor in Marburg, K. Pestalozzi, Pfarrer in Zürich, Dr. C. Schmidt, Professor in Straßburg, Lic. E. Stähelin, Pfarrer in Basel, Lic. K. Sudhoff, Pfarrer in Frankfurt a.M., u. A. Eingeleitet vpm Dr. K. R. Hagenbach. IX. (Supplement=)Theil: J. a Lasco, L. Judä, F. Lambert, W. Farel und P. Viret, J. Vadian, B. Haller, A. Blaurer Elberfeld Verlag von R. L. Friderichs 1861