Luther, Martin – An Johannes Lang (1520)

An den ehrwürdigen Pater Joh. Lang Doctor der heil. Schrift, Augustiner zu Erfurt, seinem Freund in Herrn.

Meinen Gruß zuvor. Wir erfreuen uns über die Zurückkunft unsers Fürsten, und ich bitt Euch, ehrwürdiger Pater, für unsre Sache zu beten. Herzog Georg ist unsinnig, ja mehr dann rasend. Wir erwarten täglich von dorther Hagel und Blitze. Ich bin ganz entschlossen bey der Appellation zu verharren. Ich sehe, daß alles zu grossen Unruhen sich anspinne. Gott lenke es glücklich! Wir lasen die gelehrte und sinnreiche Antwort Eures Fürsten an die päbstlichen Gesandten Aleander und Marinus, woraus wir zugleich absehen, wie sie nichts bey ihm ausgerichtet haben. Ich werde sie Euch zu rechter Zeit senden. Eben dieser Aleander wird in einer sehr witzigen Schmähschrift vieler Laster halber durchgezogen. Meine Schriften haben die Cölner und Löwner verbrannt. Was noch geschehen wird, weis ich nicht. Lebet wohl im Herrn. Unser P. Vikarius ist unter Begleitung des Laybruders Frater Johannes nach Strenberg gereiset.

Wittenberg 1520. Am Vorabend vor Andreas. [29.11.]

Euer
Martin Luther

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.

Luther, Martin – An Johann Lange (18.8.1520)

Heil! Ob mein Büchleins , das ihr, mein Vater, eine Posaune nennt, so heftig und grimmig sei, mögt ihr und alle andern zusehen. Es ist freilich heftig und freimüthig, gefällt aber doch vielen: ist auch unserm Hofe nicht ganz unangenehm. Ich kann über mich in dieser Sache nichts urtheilen: vielleicht bin ich der Vorläufer unsers Philippus, dem ich nach dem Vorbild des Elias den Weg bereite.

Wir glauben hier fest, daß das Papstthum des wahren und leibhaften Antichrists Stuhl sei und meinen, wir dürfen um der Seelen Heil willen Alles wider seine Büberei und Betrug thun. Ich bekenne, daß ich dem Papst keinen Gehorsam schuldig sei, als den, den ich dem wahren Antichrist schuldig bin.

Philippus nimmt die Catharina Crappin zum Weibe und sie schreien, ich habe es angestiftet. Ich thue dem Menschen willig Alles zu gute, was mir möglich ist und kehre mich an all‘ ihr Geschrei nichts. Gott lasse es wohl gerathen! Ich hasse den Menschen der Sünde und das Kind des Verderbens mit seinem ganzen Reich, darin nur Sünde und Heuchelei genährt wird, von Grund des Herzens.

Gehabt euch wohl im Herrn.

Wittenberg, 18. August 1520.

Euer Bruder Mart. Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Johann Lange (21.3.1518)

Wider mich donnern die Ablaßkrämer von der Kanzel herab, daß sie fast nicht schimpfliche Namen genug haben mich damit zu nennen; sie drohen auch und verheißen dem Volk, der eine, daß ich in vierzehn Tagen, der andere ehe ein Monat vergangen, verbrannt sein solle. Auch geben sie Streitsätze aus, so daß ich fürchte, sie werden noch vor viel und großem Zorn bersten. Die Freunde rathen mir, daß ich nicht nach Heidelberg gehen soll, damit sie nicht durch Tücke und Aufpassen vollbringen, was sie mit Gewalt nicht können. Ich will aber doch gehorsamen und zu Fuße kommen und geliebt’s Gott durch Erfurt reisen: wartet aber nicht auf mich, denn ich werde mich kaum die Mittwoch nach Quasimodogeniti auf die Reise machen. Unser Fürst, der dem ernstlichen Studium dieser Theologie herzlich zugethan ist, nimmt mich und Karlstadt ungebeten eifrig in Schutz und will durchaus nicht zugeben, daß sie mich nach Rom locken: welches jene wohl wissen und sich halb todt ärgern.

Daß ihr aber doch Nachricht habt, wenn ihr irgend etwas von Verbrennung der Tetzel’schen Sätze hören solltet und daß keiner die Sache vergrößere, so ist die Geschichte so: die Studenten, die auf das alte sophistische Wesen sehr verdrüßlich sind und hingegen nach der heiligen Bibel groß Verlangen tragen, auch wohl um meiner Gunst willen, hatten gehört, es wäre ein Mann aus Halle gekommen, der sei von Tetzel, dem Urheber der Sätze, geschickt. Sogleich sind sie zu ihm gegangen und haben den Mann bedroht, daß er dergleichen hierher zu bringen wage: einige haben etwas gekauft, andere aber auch ihn geplündert und das Uebrige ungefähr 800 Zeddel verbrannt, nachdem sie vorher kund gemacht und ausgerufen, daß, wer bei dem Verbrennen und dem Leichenbegängniß der Tetzel’schen Sätze sein wolle, sich um 2 Uhr auf dem Markte einfinden möchte. Und das Alles ohne Vorwissen des Fürsten, des Raths, des Rectors und unser allerseits. In der That ist mir und Allen das große Unrecht, das diesem Manne von den Unsrigen widerfahren ist, sehr zuwider. Ich bin außer Schuld, glaube aber doch, daß man mir Alles zuschreiben wird. Es ist überall viel Redens , am meisten aber bei Jenen und wird nicht unbillig von ihnen gezürnt. Was daraus werden wird, weiß ich nicht, nur daß meine Gefahr dadurch noch gefährlicher wird.

Wittenberg am Tage des h. Benedict (21. März) 1518.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Johann Lange (18.5.1517)

Ich habe keinen andern Anlaß, Euch zu schreiben, als daß ich den pater, der Euch dies überbringt, nicht ohne Brief und Gruß zu Euch entsenden will. Ich habe mich, Gott sei Dank, beruhigen können, da Frater Johannes Gumann wohlbehalten heimgekommen ist. Der ehrwürdige Vater Vikarius schreibt, er wolle ehestens bei uns eintreffen.

Unsre Theologie und St. Augustinus kommen wacker vorwärts und herrschen unter Gottes Beistand auf unsrer Universität. Aristoteles steigt immer mehr von seiner Höhe herab und ist dem Fall für alle Zeit gar nahe; allen sind die Vorlesungen über die Schulbücher der Sentenzen wunderbar widerwärtig und niemand kann auf Zuhörer hoffen, wenn er nicht diese Theologie, das ist die Bibel oder St. Augustinum oder über einen andern hochgeehrten Kirchenlehrer lesen will. Gehabt euch wohl und betet für mich. Dienstag nach Vocem Jucunditatis (18. Mai) Anno 1517.

Bruder Martin Luther.

Es grüßt euch Meister Christian Goldschmidt, der eben gegenwärtig ist.

Luther, Martin – An Johann Lange (1.3.1517)

Ich lese jetzt unsern Erasmus, aber täglich gefällt er mir weniger. Das ist schon recht, daß er die Mönche und Priester so beständig und gelehrt widerlegt und sie einer eingewurzelten und schlafsüchtigen Unwissenheit beschuldigt. Aber ich fürchte er breitet Christum und die Gnade Gottes nicht genug aus, von der er gar wenig weiß. Das Menschliche gilt mehr bei ihm als das Göttliche. Wir leben in gefährlichen Zeiten und ich sehe, daß nicht jeder deshalb weil er ein guter Grieche oder Hebräer auch ein wahrer Christ ist. Anders urtheilt wer menschlichem Willen und Willkür Alles einräumt, anders der nichts kennt als die Gnade Gottes. –

Aus unsrer Wüste Wittenberg, am Sonntag Invocavit (l. März) 1517.

Euer Bruder Martin Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Johann Lange (26.10.1516)

Jesus.

Heil! – Ich brauche fast zwei Schreiber oder Kanzler; ich thue fast nichts den Tag über als Briefe schreiben, daher weiß ich nicht, ob ich etwa ein Ding zweimal schreibe; ihr werdet es sehen. Ich bin Klosterprediger, Lehrer bei Tisch, täglich werde ich abgefordert als Pfarrprediger, bin Rector der Schule, bin Vicarius, das ist elfmal Prior, bin Fischaufseher in Leitzken, Herzbergischer Sachwalt in Torgau, Ausleger des Paulus, Mitausleger der Psalmen und außerdem, wie schon gesagt, nimmt mir die meiste Zeit das Geschäft des Briefschreibens. Sieh, was ich für ein müßiger Mann bin. Ihr schreibt, daß ihr gestern das zweite Buch der Sentenzen angefangen: ich werde morgen den Brief an die Galater anfangen, wiewohl ich fürchte, die Pest werde mich, wenn ich angefangen, nicht fortfahren lassen. Sie reißt höchstens zwei oder drei, doch nicht täglich, bei uns hin, aber dem Schmid uns gegenüber ist ein Sohn gestern noch gesund, heute todt und der andere liegt angesteckt darnieder. Ja, sie ist da und schreitet fort grimmig und schnell, zumal unter der Jugend. Ihr rathet mir zu fliehen. Wohin soll ich fliehen? Ich denke die Welt wird nicht untergehen, wenn Bruder Martin zu Grunde geht. Aber die Brüder will ich, wenn die Pest weiter um sich greift, in alle Welt aussenden: ich aber bin hieher gestellt; um des Gehorsams willen darf ich nicht fliehen bis derselbe Gehorsam, der es mir geboten, auch das mir gebietet. Nicht, daß ich den Tod nicht fürchtete, denn ich bin kein Apostel Paulus, sondern mir sein Ausleger, ich hoffe aber, der Herr wird mich auch von dieser Furcht befreien.

Gehabt euch wohl. Gedenkt unser, Amen. Den 26. Oct. im Jahr 1516.

Bruder Martin Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867