Luther, Martin – An Spalatin

29.10.1540

Daß man Deine Ehe für Hurerei erklärt, das darf Dich nicht nur nicht kränken, sondern muß Dich vielmehr freuen, da Du ja gewiß weißt, daß diese Lebensweise von Gott gebilligt, von den Engeln gelobt und von allen Heiligen geehrt wird. Dazu kommt noch dieß Siegel, daß sie mit dem Kreuze gezeichnet wird, nämlich, weil sie von den Teufeln und gottlosen Leuten, sowie auch von den falschen Brüdern gelästert wird, wie es allem Werk und Worte Gottes zu gehen pflegt. Siehe also zu, daß Du jene gotteslästerlichen, wider Dich ausgestoßenen Worte der Pfaffen nichts anders achtest, als edle Steine, mit denen Du zwar vor der Welt befleckt, aber vor Gott verherrlicht wirst, indem Du bedenkst, daß die Welt nicht werth sei, die ehre und Herrlichkeit solches Werkes Gottes zusehen, welche Du siehst und hast. Dasselbe mußt Du mehr und mehr auch von Deinem Amte denken. Laß´ die Welt und ihren Fürsten mit seinen närrischen, verwegenen, blinden und rasenden Urtheilen und Verleumdungen fahren. Es steht geschrieben: Es müsse der Gottlose vertilgt werden, daß er nicht sehe die Herrlichkeit des Herrn. Die Himmel erzählen die Ehre Gottes. Ohne Zweifel schäumt die Welt nur Schmach Gottes aus. Was Du von der Gefahr Deiner Einkünfte schreibst, verstehe ich nicht, denn ich glaube nicht, daß Dir die Priester zu Bethaven zu schaffen machen. Wer sie auch seien. Du hast nun das Amt der Visitation, ferner einen sehr gnädigen Fürsten, der nicht gestatten wird, daß man Dir Deinen Lebensunterhalt entziehe. Der Herr Jesus stärke Dich mit seinem Geiste und leite Dich bei diesem Aufsichtsamte.

Quelle:
Meurer, Moritz u.a. – Das Leben der Altväter der lutherischen Kirche, Band III
fur christliche Leser insgemein
aus den Quellen erzählt.
In Verbindung mit Mehreren
herausgegeben von
Moritz Meurer
III. Band. Aeltere Freunde und Kampfgenossen: Spalatin’s Leben von Engelhardt – von Amsdorf’s Leben von Meier – Hausmann’s Leben von Meurer – Link’s Leben von Caselmann
Leipzig und Dresden.
Justus Naumann’s Buchhandlung.
1863

Corvinus, Antonius – Brief an Spalatin über Verhör und Hinrichtung der Täufer von Münster

Aus dem Lateinischen übersetzt

Dem hochgelehrten und geneigtesten Georg Spalatin wünscht Anton Corvinus Gnade und Frieden durch Christus.

Dein Schreiben, hochgelehrter Spalatin, was zu Schmalkalden zur Zeit des Geburtsfestes des Kindes Jesus geschrieben, hat mir am Hofe des Fürsten zu Münster ein Hessischer Bote übergeben. Obgleich er mich beschäftigt fand mit dem Aufzeichnen dessen, was zwischen mir, Johannes Kymeus, und dem Könige der Wiedertäufer verhandelt war, so hat er mich doch wunderbarer Weise erheitert. Wer sollte nicht erfreuet sein über eine so wenig gefärbte Zuneigung gegen sich von Seiten eines so großen Mannes? Ja, ich will bekennen, nicht zum geringsten Theil meines Glückes zähle ich es, von Dir und Deinesgleichen fortan unterbrochen zu werden, theils weil man durch Schreiben dieser Art die gegenseitige Liebe bewahrt und erwärmt, theils weil fast etwas Ernstes darin liegt, was von eben so gelehrten als frommen Männern geboten wird, so daß es theils erfreut, theils belehrt, theils Gelegenheit gewährt, wissenswürdige Sachen zu erforschen. Von dieser Art war Dein Brief, voll von Freundlichkeit und Gelehrsamkeit. Zu Anfang nämlich schriebest Du, es würde Dir ungemein angenehm sein, wenn ich bei den Westphalen, wo ich mich damals befand, nachforschen würde, was die Gelehrten über den Wald des Herkules und das Bildniß Irmenseul meinten oder wüßten. Dir scheine Irmenseul, Harmanseul genannt werden zu müssen, so daß es in Zusammenhang stehe mit Harmonius oder Arminius, nach der Meinung des Cornelius Tacitus, Strabo und Paterkulus; oder dieses ist nicht, so sei Gelegenheit, über die anziehende und wissenswürdige Sache sorgfältiger nachzuforschen. Ich habe in der Stadt sehr gerne in dieser Sache gethan, warum ich gebeten war; aber mir ist es hier in der Erfahrung begegnet, wie es jenem Demiphon des Terenz, der nach Anhörung der Meinungen einiger Männer sagt, ihr habt es gut gemacht, ich bin viel ungewisser, als vorher. Je fleißiger ich über diese Sache nachforschte, desto ungewisser ging ich davon. Von Einem wurde ich gewiesen zur sächsischen Chronik, worin gewiß eine Erwähnung dieses Bildnisses geschehn; ebenso wurde ich verwiesen an Albert Krantz, einen fleißigen Forscher des Alterthums und der Geschichte. Da ich aber wußte, daß weder hier noch dort sich finde, was besonders zur gegenwärtigen Frage beitrage, so war ich nicht sehr geneigt, diese Schriftsteller zu lesen. Jedoch erwähnt einigermaßen Krantz in seiner Saxonia diese Gegenstände, nämlich im zweiten Buche, im elften Kapitel, und bestätigt sogar, daß die meisten der Meinung seien, daß sie Irmenseul als Bildniß des Merkur erklärten, weil Hermes einst Merkur genannt sei. Er selbst, nach welcher Vermuthung weiß ich nicht, erklärt Irmenseul als Jedermannsseul, gleichsam als gemeinsame Zuflucht und Asyl Aller. Aber ich zweifle hierbei nicht, daß auch Du nicht schon früher es gelesen und sehr sorgfältig erwogen hast. Ein anderer sagte mir, es seien in der Osnabrücker Bibliothek sehr alte Denkmäler des Alterthums, aus denen man leicht Gewißheit in diesen Sachen gewinnen könne. Aber sie sei im Besitz der dort weilenden Stiftsherren und ihre Sorge für Frömmigkeit und für wissenschaftliche Förderung, daß sie außer den Motten und Würmern sonst niemand den Genuß jener Bücher gewährten. Ich bin sehr geneigt es zu glauben, da ich einst durch die Sache selbst erfahren habe, wie jene Bestien gegen Frömmigkeit und gute Studien gesinnt sind. Ich traf auch einen Mönch, einen gewiß guten, aber alten Mann. Sein Gespräch, obgleich es gelehrt war und mich sehr bewegte, brachte doch nichts zu Tage, was Deinen Wünschen entspräche oder Genüge thäte, ausgenommen, daß er sagte, bei ihnen hätte man etwas über diese Sache auffinden können, wenn nicht die Schwärmerei der Wiedertäufer gerade die besten Schriftsteller, deren sie eine beträgliche Anzahl gehabt hätten, geraubt hätten. Ihm gefiel jedoch sehr Deine Vermuthung; er schied in der Weise, daß er sagte, nicht eher seine Meinung hier zu ändern, bis irgend etwas Gewisses aus bewährten Schriftstellern sich aufweisen lasse. Weil ich deshalb bis jetzt nichts gehört habe, was Dir zum Nutzen oder Freude sein könnte, so will ich lieber hier offenherzig meine Unwissenheit bekennen und dieses solange, bis ich irgend etwas Gewisses erfahren haben werde, als Ungewisses für Gewisses Dir zu schreiben. Wenn jedoch Freunde mir inzwischen irgend etwas mittheilen werden, oder anders woher es zu erfahren die Gelegenheit sich bieten wird, so werde ich aufrichtig selbst dieses Dir mittheilen.

Was übrigens die Angelegenheit der Münsterer und des Königs betrifft, so ließe sich hier eine rechte Geschichte beschreiben, wenn irgend einer theils Muße, theils die Darstellungsgabe besäße. Denn man darf nicht ebenso, wie diese Tragödie von nichtswürdigen Menschen begonnen ist, das, was sie begingen, für leer halten. Ferner wenn man den Schaden, den sowohl der Fürst sowohl seiner Untergebung empfindet, als auch die Stadt selbst empfangen hat, nach Billigkeit mißt, so würde man schon nicht ungehörig das Wort genommen haben. Der Besiegte trauert, der Sieger ist untergegangen. Gewiß wenn mich die Bewohner der Stadt, die noch übrig sind, und die Spuren seltenen Glücks nicht täuschen, so war dort einst das Gemeindewesen sehr blühend, es war ein Reichthum vieler Sachen, es war eine ungeheuere Menge von Menschen, es war eine seltene Freundlichkeit und Gefälligkeit. Aber dieses Glück, das vielleicht Undankbare nicht anerkannt haben, haben nicht berühmte Menschen getrübt, sondern Menschen des niedrigsten Standes, wenn man den einen und den anderen ausnimmt, und welche weder Bildung noch Rechtschaffenheit auszeichnete und empfahl. Die Pflanzschule von diesen Uebeln war ein gewisser Rulle, ein Holländer, und zur Verwirrung bürgerlicher Verhältnisse und zur Treulosigkeit offenbar geboren. Als er aus der Stadt verwiesen und anderswo die Strafe seiner Treulosigkeit erlitten hatte, hatte er Rothmann zu seinem Nachfolger, ebenso unruhig, ebenso schlecht, ebenso treulos. Dieser wurde unterstützt durch das Treiben eines gewissen Knipperdolling. Zuerst begann er in geheimen Zusammenkünften das Gift der Wiedertaufe auszusäen. Als darauf er mit sich gerade den unruhigsten verbunden hatte, so daß er sich gegen das Unrecht der Gegner leicht gesichert glaubte, begann er öffentlich die Wiedertäuferei zu bekennen und sogar auf Erregung des Haufens hin zu arbeiten. Und es läßt sich nicht sagen, wie oft man nachher auf dem Markt zusammengelaufen ist, wie oft zu den Waffen gerufen, wie oft die lächerlichen Stimmen der Aufrührer, um zur Buße zu ermahnen, wenn man nicht den schon bevorstehenden Tag es Herrn erfahren wolle, gehört.

Hier soll Knipperdolling oft, gleichsam von Raserei getrieben, durch alle Straßen der Stadt gelaufen sein und sogar jeden, der ihm begegnete, angeblasen und mit den Worten angeredet haben: Nimm hin den Heiligen Geist. Was ließe sich Thörichteres und Lächerlicheres denken, als diese Gaukeleien? Und diese Tragödie ging so weit, daß weder durch die Gesandten des durchlauchtigen Herrn unseres Landgrafen, – die doch vorher die Verwirrung des Verhältnisses zwischen dem Bischof und der Stadt beigelegt hatten – noch durch Briefe anderer Städte sie beruhigt werden konnte. Dort traten alsdann die Propheten hervor, die Bessern wurden aus der Stadt vertrieben, fremdes Gut geraubt und sogar begangen, was unmöglich nicht einmal der Türke, obgleich wild und roh, bei den Seinigen dulden würde. Als daher alle Hoffnung der Besinnung genommen war, erfolgte die Belagerung, und als wenig glücklich, zweimal und wiederum der Angriff versucht war, und sogar die Stadt selbst durch Errichtung einiger Schanzen ringsumher durch Umzingelung eingeschlossen wurde, wagten sie anderes zu unternehmen, bis der eine und andere Sieg sie übermüthig machte. Freilich wählten sie einen König, in dessen Händen nach ihrer Meinung die höchste Gewalt sein sollte; die meisten glauben, daß er vom Volke gewählt sei, aber der König selbst sagte mir, er sei von einem gewissen Propheten, dem Gott die Sache durch eine Erscheinung geoffenbart habe, zu dieser Würde erhoben; wie es auch sei, gewählt benahm er sich so, daß offenbar alles in seiner Umgebung auf königliche Weise gehandhabt wurde. Er trug eine Krone und ein königliches Diadem, er ritt durch die Stadt, gebrauchte goldene Sporen, ihm gingen zwei Knaben voran, außer einem anderen Haufen Trabanten, von denen der eine das Schwert, der andere das Alte Testament trug, und es war eine Strafe bestimmt für die, welche den Vorübergehenden nicht knieend verehrten. Den Hof hatte er so mit Stellen und Aemtern eingerichtet, daß, wenn er ein geborener König gewesen wäre, es hätte nicht besser sein können. Denn er war in der Erfindung dessen, was sich für diesen königlichen Hof paßte, außerordentlich geschickt; zudem in seiner Muttersprache beredt, listig, trügerisch und verschmitzt.

Er hatte eine Königin, mit ihm von gleicher Würde, der er auch die übrigen Frauen, oder, wenn man lieber will, Mätressen, untergeordnet hatte und zu gehorchen befahl. Eine von diesen, – es waren an der Zahl vierzehn – tödtete er mit eigener Hand, weil sie die Dinge, die da vorgenommen wurden, verachtete und sogar einen Uebergang zu den Feinden bereitete, und dieses in dem Pallaste der Königin, vielleicht daß den übrigen Furcht eingejagt würde. Als ich ihm später diese Frevelthat als ebenso roh als barbarisch vorwarf, antwortete er, was er auch hierin gethan habe, er habe es auf Geheiß und Befehl des Propheten gethan. Mit gleicher Grausamkeit ließ er alle tödten, so oft sie wagten, sich seinen schändlichen Plänen und Unternehmungen zu widersetzen. Hiervon ist noch ein Lindenbaum Zeuge, nicht weit von der Stiftskirche, an den sie gebunden wurden und mit erzenen Spießen durchbohrt.

Ich will von der Thorheit und Verwegenheit ein Beispiel anführen. Es fand sich ein Weib zur Zeit der Belagerung, welches versprach, dem Bischofe zu thun, was Judith einst dem Holofernes gethan hätte. Sie würde nicht eher in die Stadt zurückkehren, als bis sie das Haupt des Bischofes zugleich mit sich brächte. Es fehlte nicht an solchen, die den so thörichten Versprechungen ebenso thöricht Glauben schenkten und sogar meinten, schön geschmückt sei sie zu entlassen zur Ausführung einer so großen That. Aber es fand eine so auffallende Verwegenheit, oder wenn man lieber will Wahnsinn, sogleich ihr Ende; sie wurde ergriffen, bekannte ihr Verbrechen und wurde getödtet.

Deßhalb machten wir, als wir einmal nach Horstmar zu Wagen reiseten, diese Spottverse1): Während der Fürst die Stadt Münster einschloß und alle Straßen durch die Belagerung gefüllt hatte, erhob sich inmitten des Volkes ein trunken Weib; ich bringe, ruft sie, das Verderben des fürstlichen Feindes; Judith hinterging mit Worten und Kunst den Holofernes und sie gab ihm, der um würdige Belohnung bat, die unheilvolle Gabe. Gott selbst hat mir den Plan gegen den Feind geoffenbaret und ich glaube, daß er mir gegenwärtig und gnädig sein wird. Sie schreitet aus der Stadt also, begibt sich kühn in das Lager und sucht Zeit und den Ort für ihre Treulosigkeit, aber ergriffen giebt sie etwas anderes vor, erdichtet und lehrt, bis durch die Folter die Sache an den Tag kommt. Dann aber empfing sie für solches Beginnen die Strafe und starb durch das Schwert, nach ihrem Rechte hingerichtet.

Was soll ich sagen von dem Propheten Johannes Matthis, der einen verständigen Bürger, der seine Lehre in Zweifel zog, mit einer ähnlichen Art Strafe, das ist mit erzenen Spießen, tödtete; inzwischen bezeugte er bei dem Volke, der himmlische Vater habe dieses da geheißen und befohlen. Ich will hier schweigen, damit dem Ohre seine Ehre bleibe, wie große Rohheit und Bosheit er bei der Schändung der Mädchen zeigete, die noch nicht reif zur Ehe. Und dieß habe ich nicht ohne Grund noch aus dem Gerede der Menge vernommen, sondern habe ich gehört von einer alten Frau, der die Sorge für die so Geschändeten aufgetragen war.

Obgleich alles dieses ungewöhnlich schlecht war und bis jetzt unerhört, so hätten sie doch noch weit Schlechteres ohne Zweifel begangen, wenn nicht endlich Gott Barmherzigkeit gehabt hätte und sie nicht angefangen hätten Mangel an allem zu leiden und die Stadt selbst durch Verrath eingenommen wäre. Sie wurde eingenommen, indem ein Verbannter durch das Kreuzthor einige Soldaten des Bischofs nach Ermordung der Wache in die Stadt führte. Deßhalb dichteten wir sogleich, als man uns die Spuren des Sieges zeigte, auf diese Weise2): Die Taufe ist das Zeichen des Todes, des Kreuzes und des Schmerzes; das Kreuz war immer den Wiedertäufern im Munde. Deßhalb damit sie durch ihr eigenes Wort untergingen, diente den Wahnsinnigen das Kreuz, das zerstörte Thor des Kreuzes.

Alsdann war aber den so großen Frevelthaten ein Ende und es folgte solchen Thaten nun die würdige Strafe. Denn welche das Schwert ergriffen hatten, ohne Geheiß von Gott, sie wurden auf jammervolle Weise einige Tage ununterbrochen hindurch getödtet und niedergemetzelt, und zwar wurde gegen alle männlichen Geschlechtes auf das Grausamste gewüthet. Wenn jedoch einer das, was diese kriegerische Wuth gereizt hatte, genauer betrachtet, so wird er schon deutlich erkennen, daß sie viel Grausameres verdient hätten. Der König selbst wurde gefangen genommen und zum Fürsten geführt. Auch Knipperdolling wurde gefangen genommen, zugleich mit einem gewissen Krechting, der der Rath des Königs gewesen war.

Uebrigens vernahm man erst damals nach Eroberung der Stadt, wie großen Mangel an allen Dingen sie gelitten hatten, obgleich auch die Verbannten etwas hiervon vorher berichtet hatten. Es war in Sagunt eine ganz unerträgliche und heftige Noth des Hungers, als dasselbe von den Punieren durch die Belagerung bedrängt wurde; es war in Jerusalem eine ungeheuere Noth, als es von Vespasian belagert wurde. Aber gar nicht geringer empfanden dieselbe die Münsterschen Wiedertäufer. Ich habe selbst dort viele Bücher gesehen, deren Häute abgerissen waren und den Unglücklichen Nahrung gegeben hatten. Und nachher kam es so weit mit dem Hunger, daß keine Art von Haut so hart war, welche nicht für sie eßbar gemacht worden wäre. Ja ich weiß, daß auch Kinder dort gegessen sind; dieses habe ich von solchen gehört, die auf einige Ueberbleibsel als Zeugen dieser Sache nach Einnahme der Stadt gestoßen sind. Aber doch ist durch so viele und so große Uebel sogar die Schlechtigkeit der verworfenen Menschen nicht vermindert, daß sie nichtsdestoweniger zuweilen Tänze aufführten und Schauspiele gaben und alle Kirchen und heilige Gebäude zerstörten und niederrissen. Den Bildern waren sie so sehr feind, daß sie auch das Gesicht, die Augen und Mund auf den Bildern an den Wänden und Fenstern kläglich schändeten. Von Uebergabe durfte niemals bei ihnen Erwähnung geschehen, indem die Propheten stets freilich Befreiung von der Belagerung auf die leerste Weise versprachen.

Aber was soll ich mit der Aufzählung dessen, was nun fast Jedermann bekannt ist, Dir, Spalatin, einen Ekel bereiten? Ich will zum König zurückkehren, von dem Du Dir etwas Gewisses dargestellt verlangst. Ferner ist derselbe nach Einnahme der Stadt, als er nach Art eines Schauspiels hierhin und dorthin geführt war, endlich in ein Gefängniß geworfen, nicht zu Münster, sondern in einer Burg des Fürsten, die ausgezeichnet befestigt war, welche man Beverger3) nennt, nachdem Knipperdolling und Krechting nach Horstmar geschickt waren und in Fesseln gelegt. In welcher Absicht sie nachher so lange im Gefängnisse gehalten, ehe sie getödtet wurden, das weiß ich nicht, wenn man nicht vielleicht die Absicht hatte, daß die Güte Gottes ihnen Zeit zur Buße und zur Reue gewähren möchte. Gewiß sind sie dazu mit vielen Worten aufgefordert. Was mich betrifft und Kymeus, so haben wir nicht nur den Irrthum dieser Parthei ihnen aus der Heiligen Schrift vor ihre Augen gestellt, sondern wir haben es auch unternommen, die Ueberführten mit solcher Milde auf den Weg zurückzuführen, daß wenn wir leibliche Brüder gewesen wären, wir hätten es nicht liebevoller vermocht. Mit dem König kamen wir zusammen in einer ordentlichen Unterredung und haben nach der Ordnung diese Stücke behandelt: Ueber das Reich Christi, über die Obrigkeit, über die Rechtfertigung, über die Taufe, über das Mahl des Herrn, über die menschliche Natur Christi, über die Ehe.

Schon über das irdische Reich Christi, welche Dinge, guter Gott, schwatzte er! wie verdrehete er die Schrift für seine Träume! wie erfüllte er die Räume mit seinen Worten! Du würdest es das Dodonäische Becken nennen. Keiner Stelle der Schrift vertrauete er so, als jener, die er aus der Offenbarung über die tausend Jahre sich gewählt hatte. Diese brachte er so vor, mit dieser machte er so viel Lärm, daß es leicht zu Tage trat, daß diese hoffnungslose Parthei sich bloß und allein auf Träume stützte. Denn es ist seltsam zu sagen, wie er uns, die wir jene tausend Jahre von dem geistigen Reiche Christi, was durch das Wort verwaltet werde, verstehen, verachtete. Er verstummte jedoch etwas, als er hörte den Beweis unserer Erklärung, daß auch wir aus der Offenbarung schöpfen, freilich von demjenigen, der auf dem weißen Pferde sitzt, wahrhaft, treu, und das Wort Gottes genannt wird. Mit derselben Unwissenheit schwatzte er von der Obrigkeit, und obgleich er dieselbe als eine Ordnung Gottes bekannte, so billigte er doch die Auflehnung, wenn sie irgend etwas anders befehle, als Christus lehrt, gestützt auf jenen Ausspruch des Petrus, man müsse Gott mehr gehorchen, als den Menschen. Als wir bekannten, Gehorsam sei man zwar nicht schuldig der Obrigkeit, wenn sie wage, uns von der Lehre Christi abgewandt zu handeln, jedoch folge hieraus nicht, daß deßhalb es Privatpersonen erlaubt sei, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, sondern es sei das zu thun, was Christus lehre: Wenn sie euch in dieser Stadt verfolgen, so ziehet in eine andere; so antwortete er, ich weiß nicht was, über die Tyrannei derer, welche ihnen die Gelegenheit des Widersetzens gegeben hätten.

In der Sache der Rechtfertigung wurde er so von unsern Beweisen gefangen genommen, daß er zu unserer Meinung trat und offen bekannte: Nur der Glaube an Christus, nicht wegen der Würdigkeit oder Verdienst der Werke, auch derjenigen, welche dem Glauben folgten, mache gerecht und heilig, wozu jedoch weder die Papisten noch andere Wiedertäufer zu bringen sind, daß sie es glauben.

Die Kindertaufe verwünschte er auf alle Weise und vertheidigte die Wiedertaufe der Erwachsenen ebenso als mit den evangelischen Schriften auf alle Weise übereinstimmend und billigte sie. Auf die Frage: mit welchen Schriften oder Gründen er diese Neuerung in der Kirche beweisen wolle? gab er zur Antwort: Als Christus die Taufe eingesetzt habe, habe er zuvor über die Lehre, zu deren Auffassung die Kinder noch wenig fähig sind, Unterricht gegeben und gesprochen, vorzüglich jedoch sagte er, hasse er die Taufe der Kinder, weil sie eine neue Sache sei und in den Versammlungen der Priester ausgedacht sei. Als wir nun dagegen antworteten, der Glaube sei ein Geschenk des Geistes, dem Geiste sei es ebenso leicht, in dem Kinde, als in dem Erwachsenen zu sein, seine Kraft zu zeigen, die Kinder seien zur Taufe ebenso geeignet, als einst zur Beschneidung; zudem die Kraft der Sakrament hange nicht ab von dem Glauben des Gebenden, noch des Empfangenden, sondern vom Worte und der Einsetzung Christi, sagte er, hierin werde er seine Meinung niemals ändern, so daß er wisse, daß sie von der Heiligen Schrift nicht verschieden sein könne.

Ueber das Sakrament der Communion sprach er unter anderm auf diese Weise: Obgleich er in dieser Sache Zwingli’s Meinung lange Zeit angenommen habe, so sei es ihm jetzt anders geoffenbaret, als er es vorher gemeint habe; freilich weil die Bedeutung des Mahles durch die Worte nicht verringert werden könne, noch dürfe, und dieses geschehe, wenn sie nicht ebenso als sie lauten: Dieses ist mein Leib, dieß ist der Kelch meines Blutes, ohne Bildlichkeit genommen würden. Jedoch stimme er hierin mit uns nicht überein, daß wir behaupteten, auch Judas habe den Leib Christi genossen und sein Blut getrunken. Also, sagte ich, werden die Werke Christi nicht eher ihre Kraft und Wirksamkeit haben, als unser Glaube dazu kommt. Oder haben wir nicht schon gesagt, die Kraft der Sakramente hänge nicht ab von unserer Gläubigkeit, sondern von den Worten und der Einsetzung Christi ab? Wir bekennen, daß der Glaube hier verlangt wird und da sein muß. Jedoch dürfen wir nicht deßwegen Gott, wenn der Glaube nicht da ist, der Lüge zeihen, sondern vielmehr der Meinung des Paulus beistimmen, der behauptet, der Juden Unglaube habe Gottes Glaube nicht aufheben können. Aber wohlan, wir wollen den Beweis von der Aehnlichkeit nehmen: Zu welchem Zwecke ist die Sonne geschaffen? Nicht, daß sie leuchte und den Tag regiere? Wenn wir nun Lolch äßen oder gänzlich blind wären, würde dann nicht nothwendig die Sonne auch ihren Schein verlieren und ihren Glanz? In derselben Weise verhält es sich mit den Sakramenten. Der König sogleich darauf: Wie es von meiner Seite euch freisteht, dieses oder jenes zu meinen, so duldet es auch, daß ich glücklich bin bei meiner Meinung.

Die menschliche Natur Christi ließ er so weit zu, daß er bekannte, er sei von dem heiligen Geist empfangen und nachher von der Jungfrau Maria geboren. Uebrigens fügte er hinzu, von dem Fleische der Jungfrau habe Christus etwas angenommen, und es sei nicht wahrscheinlich, noch dürfe man deßwegen glauben, daß er nicht anders von Maria geboren sei, als die Sonne durch das Glas dringe, oder der Regen durch den Kanal in die Erde dringe. Diesen Irrthum verwarfen wir sorgfältig und mit vielen Worten, als sehr schädlich. Und obgleich der König seine Meinung sehr hartnäckig behauptete, so sagte er doch, als wir darauf ihm den Nachdruck in diesen Stellen der Schrift: In DeinemDeinemSamen etc.; ebenso, von der Frucht Deines Leibes etc.; ebenso, welcher geboren ist aus dem Samen Davids nach dem Fleische etc. einschäften, die Lutheraner vermöchten nicht ihren eigenen Vortheil anzuerkennen; wenn sie hier seine Meinung annähmen, so könnten auf seine Weise alle Beweise sämmtlicher Zwinglianer im Streite über das Abendmahl erschüttert und vernichtet werden. Aber wir haben es, sagte ich, hier nicht mit Zwinglianern zu thun, sondern mit Wiedertäufern, uns wir sind so gesinnt, daß wir weder zu derer Gunst noch zum Hasse jener das thun wollen, was sich für uns wenig ziemt.

Obgleich er in Hinsicht der Vielweiberei bekannte, die Sache sei in dieser Zeit neu und kaum zu ertragen, so wollte er doch keineswegs anerkennen, daß hierin gesündigt sei. Dieses thun gewöhnlich nur, welche von der Volksgunst abhängig sind, um dem Volke wegen ihrer Beharrlichkeit zu gefallen. Denn sie urtheilen so, es sei besser, auch den anerkannten Irrthum nicht zu gestehen, als mit Verlust des durch Laster gewonnenen Namens anzuerkennen, wenn sie etwas begangen haben. Als wir ihm dagegen vorwarfen, Nichts sei thörichter, als Beispiele von Heiligen, die nicht empfohlen werden weder nach dem Worte noch Befehle Gottes, zur Nachahmung aufzustellen, antwortete er: Gott, der es den Vätern erlaubt habe, werde es auch ihnen nicht zur Sünde anrechnen.

Dieses etwa ist der Inhalt und gleichsam ein Auszug dessen, worüber wir mit dem Könige in der ersten Zusammenkunft verhandelt haben. Aber in der zweiten Unterredung waren seine Antworten etwas milder. Obgleich er jenes irdische Reich Christi, was tausend Jahre nach der Auferstehung dauern solle, etwa bis dahin festhielt, so bekannte er doch, daß weder er, noch Rothmann, noch irgend ein anderer von den Propheten, irgend eine gewisse Meinung über diese Sache wisse, jemals gehabt oder gelehrt hätten.

Aber wie begann er nun die Obrigkeit zu erheben? Die Obrigkeit, sagte er, ist eine Ordnung Gottes, der wir Gehorsam schuldig sind, sei es, daß die, welche vorgesetzt sind, rechtschaffen oder schlecht sind; das läßt sich reichlich sehen bei Paulus. Dann erkenne ich hier auch meine Sünde an, der ich gegen das Gebot Gottes und gegen die kaiserlichen Gesetze, Schwert und königliche Würde, von dem Propheten nur geheißen, mir angemaßt habe und sogar soviel Blut dieser Sache wegen auf beiden Seiten habe vergießen lassen.

In der Sache der Rechtfertigung änderte er nichts und billigte die Meinung, die er bei der ersten Zusammenkunft gehabt hatte.

Die Kindertaufe verwarf er noch so, daß, wenn ihm das Leben geschenkt würde, er doch versprach, daß er alle Wiedertäufer zum Schweigen und zum Gehorsam bringen wolle. Er sei jetzt der Meinung, daß er glaube, es sei besser, daß den Kindern die Taufe mitgetheilt werde, aus Gehorsam, als daß dieser Sache wegen die menschlichen Verhältnisse zerrüttet würden.

In der Sache der Communion und des Abendmahls blieb er sich gleich in dem Bekenntniß, in dem Brode werde zwar der Leib Christi genossen, in dem Weine sein Blut genommen; aber doch sei für den Ungläubigen das Brod nichts als Brod, und der Wein nichts als Wein.

Hinsichts des Irrthums über die menschliche Natur Christi konnte er auf keine Weise dahin gebracht werden, daß er widerrief; versprach jedoch, wenn ihm das Leben geschenkt würde, nicht einmal ein Wort jemals davon zu sagen, und er werde in kurzer Zeit bewirken, daß alle Wiedertäufer hiervon schwiegen und in keiner Hinsicht jemals irgend etwas darüber lehrten.

Die Vielweiberei sei, sagte er, bis dahin frei, bis durch einmüthigen Beschluß der Obrigkeit sie in der ganzen Kirche zugelassen würde. Wenn sie von der Obrigkeit verhindert würde, so könne sie nicht frei sein, und deßwegen habe er und alle Wiedertäufer, die anders gehandelt, gesündigt, mehre Frauen zu nehmen, und wegen der Störung des Zustandes des christlichen Staates sei er nicht mit Unrecht in die Hände seiner Feinde gefallen. Was soll ich zögern? In diesem Gespräche hörten wir vieles, was die große Unbeständigkeit und Bosheit des elenden Menschen zum Vorschein kommen ließ.

Nach dieser Zusammenkunft folgte ein anderer Kampf mit Knipperdolling und Krechting, die wie weder in Schlauheit noch Gewandtheit der Rede dem Könige gleichkommen, sie flößten sie uns einen noch größern Ekel und Widerwillen ein. Auch würde Knipperdolling viel passender sein zum Fechteramte, als zur Behandlung religiöser Streitpunkte. Wenn Jemand eine Beschreibung dieses Menschen wünscht, Sallust hat über Catalina nichts geschrieben, was nicht auf das Genaueste auf diesen paßt. Er war von großer Kraft des Leibes und des Geistes, aber von schlechtem und verdorbenem Charakter, dem auch von Jugend auf innerer Krieg, Mord, Raub, bürgerliche Uneinigkeit angenehm gewesen sind und darin seine Jugend geübt hat; sein Geist, kühn, listig, unbeständig, der sich den Schein jeder Sache geben oder nehmen konnte, begierig fremden Gutes, mit dem Seinigen verschwenderisch, in Leidenschaften entbrennend, einige Beredsamkeit, wenig Weisheit, ein wüster Geist, ungezügelt, phantastisch, immer noch zu Hohem waren seine Wünsche.

Dieses sage ich, wie es Sallust vielleicht wirklich von Catalina schrieb, so läßt sich ebenso richtig gegen Knipperdolling sagen, dessen Verwegenheit und Bösartigkeit auch der König selbst tadelte, während wir es hörten. Er sagte nämlich, er sei einmal gekommen und habe öffentlich geschrieen: Was Johann von Leiden sei in irdischen Dingen, das müsse er in geistlichen sein, und wenn sie einen irdischen König hätten, so sei es billig, daß sie auch einen geistlichen hätten; das sei der Wille des Vaters, was der Geist in seinem Herzen bezeuge. Er bekannte, auch ein ander Mal sei derselbe gekommen und habe gesagt: Der Heilige Geist bezeuge in seinem Herzen, alsdann erst würden die Münsterer wahrhaft nach dem Willen des Vaters leben, wenn ein jeder nach Beseitigung der Bücher neuer, wie auch alter Einrichtung seinen Gedanken und Vorstellungen folgte. Seine Thorheit befolgte nachher ein gewisser Phryso, indem er für einen geistlichen Pabst gehalten sein wollte.

Nichts besser war Krechting, obgleich er einst nicht gänzlich der Schrift fremd gewesen war, die er jedoch nachher, in die Gebräuche der Wiedertäuferei eingeweihet, vor zu großer Heiligkeit verachtete. Hinsichts seines Trotzes und unruhigen Geistes war er offenbar mit einem Gleichen zusammengerathen. Als nun diesen Ungeheuern übergeben, guter Gott, welchen Unsinn, welches lächerliche Zeug, wie der Schrift widersprechend, haben wir vernommen! Krechting wagte unter anderem, den freien Willen auf’s Neue zu vertheidigen. Er läugnete ebenso die Kraft und die Wirksamkeit der Erbsünde. Wie? die Vielweiberei mischte er in die Sache der Rechtfertigung; ein Mensch ist nicht durchaus ungerecht, wenn er mehrere Frauen hat, und diese fleischliche Lust macht ihn gerecht. Weil man in der ganzen Zusammenkunft eben diese List gebrauchte, so haben wir lieber durch Schreiben, als durch unnützes Unterreden, dieses Geschäft abthun wollen. Als sie deßhalb wiederum in ihr Gefängniß gebracht, schrieben wir und antworteten ihren schriftlichen Antworten, indem wir in Kürze das, was sie falsch oder weniger richtig behauptet, widerlegten. Dieses alles wirst Du, wann unsere Unterredung mit dem König erscheinen wird, – und sie wird in Kurzem erscheinen – ausführlicher sehen und lesen, als es sich hier darstellen läßt.

Uebrigens sind sie nach diesen unsern Zusammenkünften nicht lange mehr im Gefängniß behalten, sondern alsbald nach Münster zur Hinrichtung geführt. Der zweite Tag nach Agnes war für diese Verrichtung bestimmt. Der König wurde einen Tag zuvor, ehe er hingerichtet sollte werden, gefragt, ob er nicht einen Priester zu sich kommen lassen wolle, dem er seine Sünden bekenne; er antwortete, vor dem Gespräche und Rathe eines verständigen Mannes erschrecke er nicht, ja er halte es für eine große Wohlthat, wenn man eines Gespräches wegen den Herrn Johannes von Siberg, des Fürsten Kaplan, zu ihm lasse. Kein Wunsch wurde ihm abgeschlagen. Sogleich wurde gesandt, welchen er wünschte, damit er Jemand habe, in dessen Busen gleichsam er alle Bewegungen des Herzens ausschütten könne. Als dieser nachher zu uns zurückkehrte, verkündete er, daß die Reue des unglücklichen Menschen außerordentlich gewesen sei, so daß er auch offen bekannt habe: Wenn er zehnmal getödtet werden könne, er den Tod gewiß zehnmal verdient habe. Jedoch habe er nicht dahin geführt werden können, daß er den Irrthum über die Taufe und über die menschliche Natur Christi widerrief. Vor allem, sagte er, habe er es beklagt, und es sei ihm der größte Schmerz, daß er des Durchlauchtigen Herrn, des Landgrafen, treuesten Rath so oft und so übermüthig verschmähet habe; und er erkenne jetzt endlich, daß er in frommem Eifer seine Waffen mit dem Bischofe gegen sowohl seine als der Stadt Schwärmerei verbunden habe, als sie die Ermahnungen aller Art verschmähet hätten. Wenn der Landgraf gegenwärtig sei, würde er fußfällig um Vergebung dieses Vergehens bitten; das wünsche er, daß es jetzt von Corvinus und Kymeus, sobald sie in ihr Vaterland zurückkehrten, geschehe.

Knipperdolling bat, weder des Rathes noch der Unterredung halber solle irgend Einer zu ihm zugelassen werden. Auch vorher mitten auf der Folter rühmte er, daß er sich gar nichts bewußt sei, sondern er habe nur Gottes Ruhm und sein eigenes Heil gesucht mit Hintansetzung aller Dinge. Mit derselben Anmaßung hatte er auch uns vorher vorgeworfen, die Lutheraner seien nur darin evangelisch, daß sie von Zeit zu Zeit zusammenkämen und unter sich einige Psalmen sängen; er aber habe seit der Zeit der Wiedertaufe nicht durch Lieder, sondern durch die Sache selbst sein Christenthum und Bekenntniß bewiesen; ja auch nach seines Vaters Willen habe er immer gelebt und sei in keinem nachher schuldig geworden. Ich bitte Dich, mein Spalatin, was wird man Pharisäismus nennen, wenn dieß nicht die Spiele eines Pharisäers ist? Dieselbe Hartnäckigkeit war bei Krechting.

Am folgenden Tage also wurden sie der Reihe nach zum Richterstuhle geführt und angeklagt. Den König klagte man zuerst an; man warf ihm die größten Laster und Verbrechen vor, und diese ließen auf keine Weise den Stand des Läugnens zu, wie sie ja ganz Deutschland bekannt waren, wenn er etwa zur Verzweiflung getrieben oder durch die Schrecken des Todes außer sich sei. Er gab zur Antwort: Gegen die Obrigkeit habe er gefehlt, aber nicht gegen Gott, gleichsam als wenn nicht auf dieselbe Weise gegen Gott und Gottes Ordnung gesündigt würde. Er bekannte jedoch sowohl die Wiedertäuferei, als das Verbrechen des Aufruhrs und der verletzten Majestät, als er zum Tode verurtheilt war. Auf dieselbe Weise wurde gegen Knipperdolling und Krechting, als sie wegen ebenderselben Verbrechen angeklagt wurden, und nicht zu leugnen vermochten, was sie verübt hatten, das Todesurtheil ausgesprochen.

Als von allen zuerst der König zum Richtplatz geführt wurde, der etwas über den Boden erhöhet war, sprach er knieend und mit gefalteten Händen nur dieses: Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist; er wurde an einen Pfahl gebunden und nachher mit feurigen und glühenden Zangen gemartert und getödtet, gewiß unter großem Beifall und Freude der Priester, an denen Münster immer sehr reich gewesen ist. Diesen fehlte zur vollen Freude auch nichts, als daß nicht auch die Lutheraner durch eben dieselbe Art Strafe aus ihrer Mitte weggeschafft würden. Ich will hier nicht sagen, wie große Standhaftigkeit er bei der Ertragung jener Qualen bewies – nicht einmal einen Laut, als Zeugen des Schmerzes, ließ er hören -, weil diese Tugend auch die Heiden einst zeigten und es sogar gewiß ist, daß der Satan denen, die er in seinen Schlingen verstrickt hält, Kraft und Standhaftigkeit insgemein gibt. Oder hat nicht Sokrates, obgleich er schon den Schierling zu trinken im Begriffe war, noch gescherzt gegen Phädon, indem er ihn aufforderte, ihn von einem Gelübde zu befreien und dem Aeskulap einen Hahn zu opfern? Und Photion sollte schon hingerichtet werden, als er mit so hoher Gesinnung den Tod verachtete, daß er auch den Athenern, die ihn unverdient zum Tode führten, das Glück erflehete, daß sie sich niemals des Photion erinnern könnten.

Als der König gestorben war, wurde Knipperdolling zur selben Strafe geführt; ich weiß nicht, ob er, an den Pfahl gebunden, irgend etwas gesprochen hat. Welche nicht so weit von dem Richtplatze entfernt waren, als wir, sagen mit Gewißheit, derselbe habe gesagt: Gott sei mir Sünder gnädig! Sonnst war unter der Qual ein ununterbrochenes Stillschweigen. Zuletzt starb Krechting durch dieselbe Strafe, welchen wir bei der Anwendung der Zangen zweimal ausrufen hörten: O, Vater! O, Vater! Es waren hier viele zu sehen, denen nichts angenehmer begegnen konnte, als dieser Anblick. Aber uns und andern, die mit uns bedachten, was immer hier geschehen, sei unserer Sünden willen geschehen, war es keinesweges so angenehm. Zwar sind sie mit Recht und nach Verdienst weggeschafft; wer nämlich von gesundem Sinne sollte das nicht bekennen? Aber doch mußten wir unterdessen auch unsere Sünden bekennen, deren Uebermaß und Größe Gott gleichsam durch diese Geißeln rächen wollte. Hätten wir nun auf gleiche Weise als nach Vollendung des Krieges angefangen sorglos zu schlafen, mit derselben Weise als vorher den Lauf des Evangeliums hemmend, so befürchte ich, daß auch uns in der Erfahrung begegnen würde, was Christus in dem Evangelium von dem Satan sagt: Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausfährt, so durchwandert er dürre Stätte, suchet Ruhe und findet ihrer nicht; so spricht er: ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er es mit Besemen gekehrt und geschmückt. Dann geht er hin, und nimmt sieben Geister zu sich, die ärger sind, denn er selbst; und wenn sie hineinkommen, wohnen sie da; und wird hernach mit demselben Menschen ärger, denn vorhin. So wird es auch diesem verkehrten Geschlechte ergehen.

Wer wollte leugnen, daß die Verachtung des Evangeliums und seine Verfolgung irgendwo größer gewesen ist auf der ganzen Erde, als in Niederdeutschland? Dann, wer wollte nicht bekennen, daß nirgends ein größerer Reichthum von Sekten ist, als eben dort? Offenbar rächt Gott der Herr die Verachtung seiner, oder wie der Apostel bezeugt: Dafür, daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, daß sie selig würden, darum wird ihnen Gott kräftige Irrthumer senden, daß sie glauben der Lüge; auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit etc. Doch zur Sache. Als die verdiente Strafe an den verbrecherischen Menschen verübt war, wurden sie endlich eingeschlossen, einzeln in Körbe, von Eisen und gitterförmig, so daß sie von Weitem gesehen und erkannt werden konnten, und nachher hoch an den Thurm von St. Lamberti befestigt, nicht bloß darum, daß ein fortdauerndes Andenken hieran sein sollte, sondern auch, daß sie allen unruhigen Geistern zur Warnung und Schrecken dienten, daß sie nicht etwas Aehnliches in Zukunft versuchten und wagten. Das Jahr und den Tag, an welchem dies geschehen, haben wir in Versen aus dem Stegreife 4) so zusammen gefaßt: Wenn du dreimal fünf hundert Jahre richtig fortfährst zu zählen, dann hinzuzufügen sechs und dreimal zehn, so hast Du die bestimmte Zeit des jetzt mit Recht getödteten Königs. Kaum war auf Erden ein anderer schlechter, als er. Wenn Du dann wissen willst den Tag, Vincentius hat für alle Zeit denselben durch seinen Märtyrertod geheiligt.

Ueber die Angelegenheit des Evangeliums, von dem DU vielleicht geglaubt, daß es unter dieser Herrschaft guten Fortgang haben würde, habe ich nichts, was ich besonders rühmen könnte. Ja, ich bin den Wiedertäufern um so abgeneigter, je sicherer ich es erfahren habe, daß durch ihre Bosheit und Treulosigkeit es gekommen ist, daß die jetzt kaum leise zu reden wagen, welche vorher der Wahrheit am zugethansten waren. Freilich fürchten immer diejenigen, in deren Händen die Herrschaft liegt, die Art der Lehre, welche wir bekennen, sei nicht verschieden von der Lehre der Wiedertäufer, obgleich doch der Himmel nicht so weit von der Erde entfernt ist, als unsere Gemein mit jenen Wühlern in Kirche und Staat.

Gewiß, der Bischof selbst ist ein guter und milder Mann, ist menschenfreundlich und aufrichtig, den auch ich wegen seiner seltenen und wahrhaft heldenmüthigen Gaben des Körpers wie des Geistes nur lieben, schätzen und verehren muß aus vollem Herzen. Hiervon ist sein eigener Hof Zeuge, reich an seltener Vortrefflichkeit, als nichts vorher. Dort schätzt man das Ansehen nicht nach dem Besitze von Titeln und Ahnen, sondern nur nach der Tugend, die bei den Alten auch wirklich der Ursprung des Ansehens gewesen ist. Was soll ich sagen von denen, welche er zu seinen Räthen hat? In seinem Umgange kann man Männer, durch Bildung, Frömmigkeit und viele Erfahrung ausgezeichnet, sehen. Mich und Kymeus hat man wirklich so behandelt und so gehalten, wie, wenn wir leibliche Brüder gewesen wären, sie es nicht liebevoller konnten. Hierdurch haben sie sich uns so verbunden, daß in keiner Zeit jemals bei uns ihr Andenken erlöschen wir. Es wird sich einmal die Gelegenheit darbieten, ausführlicher davon zu reden. In diesen Tagen starb bei uns Johannes Campe, des durchlauchtigen Herrn unseres Landgrafen Prediger, ein rechtschaffener Mann, gelehrt, und um die Frömmigkeit verdient, und dem wir nächst Gott am meisten die Frömmigkeit unseres Herrn verdanken. Wenn irgend etwas durch Wünsche gefördert würde, so möchte ich wünschen, daß an seine Stelle ein ebenso rechtschaffener und lauterer Mann gewählt würde. Denn es ist nicht wenig wichtig, daß man gute Prediger bei denen sieht, welche in dieser Zeit die Vornehmsten sind und besonders die evangelische Lehre begünstigen. Aber gewiß wird Gott, wenn wir nur unablässig bitten, dafür sorgen. Aber gebeten will und muß er sein, wie Christus sagt: Bitte den Herrn der Ernste, damit er Arbeiter in seine Ernte sende. Lebe wohl, mein Spalatin, und habe immer, wie Du es thust, mich lieb, der ich Dich sehr wieder liebe.

Aus Witzenhausen, 1536

Quelle:
Die Wiedertäufer in Münster von Heinrich Dorpius. Zur Geschichte des Communismus im sechszehnten jahrhundert. Nach dem ältesten Drucke neu herausgegeben von Friedrich Merschmann. Magdeburg, 1847 Heinrichshofen’sche Buchhandlung

Luther, Martin – An Georg Spalatin, nach Augsburg. 1530

Daß die Könige, Fürsten und Völker bei Euch wüthen und toben wider den Gesalbten des Herrn, das halt ich für ein gut Zeichen, und viel besser, als wenn sie gute Wort gäben. Denn es folget: Der im Himmel wohnt, lachet ihrer (Ps. 2). Wenn nun dieser unser Fürst ihrer lachet, weiß ich nicht, warum wir weinen sollen, ihrethalben. Er lachet freilich nicht Seiner sondern unserthalben, auf daß wir desto getroster seyen, ihr nichtiges Fürnehmen zu verachten. Es ist allein Glaube vonnöthen, auf daß des Glaubens Sache nicht ohne Glauen sey. Der aber dieß Werk hat angefangen, der hats wahrlich ohn unsern Rath und Anschlag angefangen, und eben Derselbe hats bis hieher beschützt, über und ohne unsere Rath und Anschläge. Er ist auch eben Der, so dasselbe hernachmals zum Austrag und Ende wird bringen, ausser und über unsern Rath und Anschläge. Daran zweifle ich nichts.

Ich weiß und bin gewiß, an wen ich glaube; Derselbige kann überschwinglich thun über Alles, das wir bitten und verstehen, obgleich Philippus (Melanchthon) gedenkt und wollte gern, daß Er thät nach seinem (Philippi) Rath, damit er dürft rühmen: wahrlich, also sollts gehen! so hätte ichs gemacht! – Nein, es muß nicht heißen: So ich, Philippus; das Ego, der Ich, ist zu gering. Sondern es heißt: Ich werde seyn, der ich seyn werde. Das ist Sein Name: Der ich seyn werde. Man siehet nicht, wer Er ist; aber Er wirds seyn; so werden wirs sehen. Doch hievon genug.

Seyd stark im HErrn, und vermahnet Philippum von meinetwegen, daß er nicht zum Gott werde, sondern streite wider die angeborne Begier, Gott seyn zu wollen, welche uns der Teufel im Paradies eingepflanz. Denn die ist uns nimmer gut. Solche Göttlichkeit hat Adam und Eva aus dem Paradies gestoßen; dieselbe, und nichts anders, stößet uns auch heraus und treibet uns aus dem Frieden. Wir sollen Menschen, und nicht Gott seyn. Das ist die Summa; es wird doch nicht anders, oder ist ewige Unruhe und Herzeleid unser Lohn. – Gehabt Euch wohl in Christo. – Am letzten Juni 1530.

Quelle:
D. Martin Luthers Glaube, Trost und Hoffnung während des Reichstages zu Augsburg im Jahr 1530. Dargestellt in ausgewählten Briefen desselben. Stuttgart. In Commission der J. B. Metzler'schen Buchhandlung. 1830

Geryon an Spalatin über die Vermittlungsversuche Melanchthons mit der katholischen Kirche 1530 (Fragment)

Wenn man auf diese Art den Frieden suchen wolle, so hätte man schon vor 6 oder 8 Jahren nicht so heftig schreiben dürfen, und gerade über Dinge, die man jetzt zugestehen wolle. Das sei kein rechter Friede, wo das göttliche Wort und die Wahrheit bei Seite gesetzt würde. Die Papisten seien keine Schwachen, die zu dulden, sondern blind und böse. Nun würde auch den Wiedertäufern Thür und Thor geöffnet, wenn das Volk sehe, daß sie die Führer der Lutheraner so betrügen.

Luther, Martin – An Spalatin (1528)

Dem theuersten, ehrwürdigen Dr. G. Spalatin, dem treuesten Diener Christi.
Wittenberg den 3. September 1528.

Gnade und Friede in Christo. Dieser Bote kam erwünscht hier an, mein lieber Spalatin: denn seit deinem Abschied wünschte ich nichts sehnlicher, als daß mir sobald als möglich ein geeigneter Bote begegnen möchte, um mit brieflichem Verkehr zu ersetzen, was durch deine plötzliche Abreise verhindert wurde. Ich freue mich daher, daß du mit deiner Heva wieder gesund nach Hause gekommen bist. Und wollte Gott, daß wir länger hätten mit einander umgehen können, oder doch öfters könnten! Die Visitation ist angeordnet: so schrieb der Fürst, die Abgeordneten würden demnächst gehen. Siehe zu, daß du die Gedanken des Ueberdrusses besiegest oder verachtest, womit du angefochten wirst, das Amt des Worts zu verlassen. Christus berief dich, diesem weiche, diene und richte dich nach seinem guten Willen: was du thust, das weißt du jetzt nicht, du wirst es aber hernachmals erfahren. Es ist eine reine Versuchung, von der du nicht recht erkennst, warum du sie leidest: wir, die wir deine Beobachter sind, sehen es besser. Deßhalb mußt du nicht dir, sondern vielmehr uns glauben, die im Herrn und vor dem Herrn, ja durch die der Herr selbst dich anredet, tröstet und ermahnt. Denn wir sehen auf nichts anderes, als auf die Ehre und den Willen des Herrn, nicht auf unsern Vortheil oder etwas der Art in deinem Berufe. Endlich ist es ein gewisses Zeichen deines Gott nicht unangenehmen noch bei den Menschen unfruchtbaren Amtes, daß du so mit Ueberdruß daran versucht wirst. Denn wäre es Gott zuwider, würdest du vielmehr darnach sehnlich begehren und trachten, sowie die thun, welche Gott undankbar und wider seinen Willen laufen, da sie nicht geschickt werden, reden, da ihnen nicht befohlen ist. So geschieht es, daß der Satan die, welche man angenehm sieht, mit Ueberdruß und Eckel abzuhalten versucht, die man aber unangenehm sieht, mit Eifer und heftigem Verlangen, darnach zu streben entflammt. Darum sollst du ein tapferer Mann sein, und den Geist des Ueberdrußes muthig verachten. Bitte aber Christum, so wird er dir beistehen: auch wir werden für einander beten. Lebe wohl. Den 3. September 1528.

M. Luther.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862

Hans Zeysen – An Spalatin

Hanß Zeysens, Schöffers zu Alstedt, Schreiben an Spalatinum, am Sonntag Jubilate 1525. abgelassen, und den Bauern-Aufruhr in Thüringen betreffend.

MEin willig Dinst alzeit zuuor, meyn lieber Her vnnd freundt, ich hab eur schreiben geleßenn, aber ich fug euch wissen, das es vbell vnnd jammerlich hie zugehett, es sein alle closter hie vmb verwüstett. Die domina zu nauendorff ist zu Halle, es ist keyn herschafft hie meer angesehen, sondern ein grosse Verachtung außgossnn. Muntzer vnnd pfeiffer zu molhaussen sein in Irem hehre selber Rottmeister vnnd haubtleuth, sturmen vnnd plundern allenthalben, wue sie konnen, sie halten bey XV M starck, etliche sagen vber LM es gehen die sag nit gleich zue, aber im sey wie es wolle, so ist es ein jemerliche sach, das also vil fursten in disem landt sein sollen, vnnd keyner keyn schwerdt dogegen zucket, sie haben hern apel von ebleben schlos geplundert vnd geprant ebleben gnant, eyns dobey schlotheyn gnant, ein schloß vffm eyffelt, die harenburg gnant, ist der von Boltzungsleben. Aber von Rostenberg hat er mussen abzihen. So ligen bey VI M man hie zwue meyl von alstet, ghorn Im auch zue, die meren sich alle tag, zihen alle tag auff, reissen edelhoff vmb, weyl sie keyn closter meer haben. Item nemen kue vnnd neren sich also. Aber sie sein viel redlicher dan Muntzers hauff, sie sein nit so blutgirig als Muntzer, domit seyt got alweg beuolhen, ich thue euch was euch lieb ist. Datum Jubilate Ao.XXV.

Hanß Zeys, schosser zu Alstedt.

Johann Erhard Kappen
Kleine Nachlese
Einiger, größten Theils noch ungedruckter,
Und sonderlich
zur Erläuterung
Der
Reformations-Geschichte
nützlicher Urkunden
Anderer Theil
Leipzig
Bey Joh. Friedrich Brauns, sel. Erben, 1727.

Hans Zeysens, Schöffers zu Alstedt, Schreiben an Ge. Spalatinum

Hans Zeysens, Schöffers zu Alstedt, Schreiben an Ge. Spalatinum, Mitwochs nach Alexii 1524. abgelassen, und die von ihm gesuchte Verhör Thomä Müntzers betreffend, aus Zeysens eigenhändigem Exemplar.

Salutem, meyn lieber Her, sonderlicher Freundt, wie ich euch am nechsten zur Lochau gebeten, wie ich dan auch vnsern gnedigsten Hern, dozumal schrifftlich ersucht bericht habe, das von großen nothen sey, das magister Thomas verhort werde, als habt ir zugesagt, euch des zu bevleissenn, vnnd, so bald mein gnedigster Herdaßmals von der Jagt kemen, getreulich anzubrengen. Nun ist es von grossen nothen, das eß forderlich vnnd bald geschee, wie uf nechts auch Doctor Bruckenn hie bericht habe, das er sich beclagt, man wolle in nit horen, noch verhoren, vnnd wirdt seine lere also hie vmb außgebreytt vnter den gemeyn man, dodurch sie sich auch rotten, vnnd mit der predigt darauff dringt. Es ist groß zeit diese sach mit der vorheer fürtzunemen, dan geschiehts nicht, so ist contemptus principum vorhanden, ist zu besorgen, das sich das volck mit hauffen zusamen wirt werffen, wie er dan offentlich prophezirt, das wird placknn vnnd rawben, vnnd ein solicher vnlust in diser art werden, dovon nie abort, dorumb kert vleys an, das ein tag zu eyner offentlichen verhore angesetzt werde, zu erfarn, ob sein lere recht sey, befyndt sichs, das sie rechtschaffen ist, darob zu halten, wue nit, solichs fuglich abzuschaffen, dan vnerhort eine anderung zu machen, ist nicht zu thun. Das volck hengt vest an im, er thett nechst vor mein g. Hern baden furstl. hie ein sermon, den schick ich euch hiebey, er hat dem cantzler zusagt, vff vnsers gnedigsten Hern beuehel kein dingk drucken zulassenn, seine f. G. oder m. g. H. Hertzog Hannß haben es dan besichtigt, kert vleis an, das er furbeschieden werde, es were gein weymar, erffert oder sonst an gelegene stette, er will allerley volck dobey habenn, wie ir vielleicht bericht seytt, den brieff zu sittichbach habe ich Er Volckmarn zustellen lasßen. Domit beuihel ich euch vnnd mich got dem almechtigen. Datum eylendts mitwochen nach Allexii Anno rel. XXIIII°. Ich bit Euer freundtliche anttwort.

Hans zeys
schosser zu alstedt.

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Johann Erhard Kappen
Kleine Nachlese
Einiger, größten Theils noch ungedruckter,
Und sonderlich
zur Erläuterung
Der
Reformations-Geschichte
nützlicher Urkunden
Anderer Theil
Leipzig
Bey Joh. Friedrich Brauns, sel. Erben, 1727.

Luther, Martin – An Georg Spalatin (1523)

An Georg Spalatin

Dem Beamten von Alstädt bat ich, da er bey mir war, daß er vor Münzers des Propheten Geist sich bewahre. Was unterdessen mag geschehn seyn, weis ich nicht. Ich kann einmal einen solchen Geist, wer er auch sey, nicht ertragen. Der Mensch lobt, wie seine Schriften zeugen, meine Lehre, und verachtet sie dennoch, und sucht Gerippe dafür auf. Dann redet und betet er in so abgeschmackten, nicht schriftmässigen Ausdrücken, daß man ihn für einen Wahnsinnigen und Trunkenbold halten mögte. Er flieht mich und eine Unterredung mit mir, und prahlt sich doch über die Maße. Ich ersuchte daher den Beamten, er mögte darauf dringen, daß der Mensch über seine Lehre mit uns conferire. Ich weis nicht, ob er etwas ausrichten wird. Unser Geist ist nicht so, daß er sich scheue, geprüfet zu werden und auch mit allen bösen oder guten Geistern sich in Unterredung einzulassen. Lebet wohl und betet für mich.

Wittenberg an Stephani. 1523 [26.12.]

Euer
Martin Luther

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.

Amsdorf, Nikolaus – An Georg Spalatin

Über die aus dem Kloster Niemptschen entflohenen Nonnen, für die Spalatin Fürbitte beim Kurfürsten einlegen soll. (Bruchstück)

1. April 1523

Es seind nich allein Neun sonder zwolff Nunnen außgetreten. Neun seind zu vns kummen Seind schon, feyn und alle vom Adel, under welchen ich keyn funfftzig jerige find. Die eldiste unter In, meins Gnedigen Hern und Ohemen Doctor Staupitz schwester hab ich dir mein lieber bruder zugerechenth zu eynem eelichen gemaheln, damit Du dich mügst eyns solchen schwagers berümen als ich mich eins solchen Ohemen berüm. Wiltu aber ein jüngere haben so soltu die wal vnder den schonsten haben.

Vnd wenn du armen wilt etwas geben, so geb es Inen. Dann sie seind ja arm elende und verlassen von irer freuntschafft.

Mich erbarmt der metzen. Sie haben wider schuch noch cleyder.

Mein liebster bruder ich bitt dich ob du kuntest von dem hofadel etwas fur sie erlangen, sie mit kost und claydung zu versehen. Du woltest vleis haben, dann sie seind in großer armut und angst gantz geduldig. Warlich mich nymbt wunder das sie so geduldig und frolich seind in so großer widerwertickeit und armut.

Und wenn du für sie von unserm gnedigsten Hern auch kuntest etwas zuwegen bringen, da thustu ein wunder Cristlichs werck an.

Es seind etliche under Inen, die wollen zu ir freuntschafft nicht wider wenn sie gleich von ir erfordert wurd, darumb das sie in Hertzog Jorgen Land musten des gotlichen worts mangel haben. Darumb wollest diser erbarn meydlen vorbitter am hof sein.

Von unserm Vatter Doctor Martinus hab ich nicht mügen erlangen das er doheym bliben wer. Er hat auch wider philippum noch mich horen wullen Sondern uns dise Antwort geben. Ich kan nicht beleydigt werden. Ich will mich mit gebet bewapen und wenn es von noten sein würd, so will ich sicherlich einst ein wundertzeichen thun. Und lacheth dortzu. Domit schlug er uns unser anschlag und bedencken zuruck. Es werden wenig Lection versaumt. Dann wir wollen bald wider kummen.

Dat am Sambstag in der Osterwochen Anno Dn. XV.XXIII.

Quelle:
Analecta Lutherana
Briefe und Actenstücke zur Geschichte Luthers
Herausgegeben von D. Theodor Kolde
Gotha.
Friedrich Andreas Perthes.
1883.

Luther, Martin – An Spalatin. 7. Junius 1522

Dem Wirdigen Herrn Magister Georgio Spalatino, Kurfürstlichem sächsischen Prediger und Capellan, meinem besondern Herrn und Freund.

Gnad und Fried in Christo, Amen. Mein lieber Magister Spalatine! Es hat sich ein armer Fischermann vergriffen, und einmal nur meinem gnädigen Herrn zu nahe gefischet, hab ich aus Furbitt gegen den Schösser fur ihn gebeten: so hör ich nu, er hab ihn von sich an meinen gnädigen Herrn geweiset. Bitt ich nu, ihr wollet in meinem Namen meinen gnädigen Herrn fur ihn bitten, daß die Straffe gewandelt werde. Denn ich höre zehen silbern Schock von ihm foddern. Nicht will ich ihn ungestrafft haben, auf daß ein Exempel der Furcht und Regiment bleibe, sondern daß es ein Straffe sey, die ihm sein Nahrung nicht verdrucke. Ich wollt ihn in Kerker etliche Tage werfen, oder Wasser und Brod lassen fressen acht Tage, damit man sehe, daß nur Besserung und nicht Verderbung gesucht würde. Und das dünkt mich auch eine rechte Straffe seyn für die Armen; die Reichen soll man im Beutel räufen. Hoffe, ihr werdet dieß ausrichten. Hiemit Gott befohlen. Am Pfings-Abend, Anno 1522.

Martinus Luther

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedencken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Professor der Theologie zu Basel. Zweyter Theil. Luthers Briefe von seinem Aufenthalt auf Wartburg bis zu seiner Verheurathung Berlin, bey G. Reimer 1825