Brenz, Johannes – An Markgraf Georg zu Brandenburg (30 Aug. 1531).

Durchleuchtiger hochgeborner fürst . Die gnad Gottes durch unsern HERRN Jesum Christum sampt meinem schuldigen gehorsamen dienst sey E. F. G. zuvor. Gnediger Herr. Ich hab E. F. G. schlifft, die frag, Ob E. F. G. mit gott und gutem gwissen die teeglichen Messen on Communicanten in Iren gnaden fürstenthumben wider auffrichten und hallten lassen mag oder nit, damit das Volck nit gantz roch und loss, Sonder zur gotsforcht gezogen wurdt etc., betreffendt, gantz undertheniglich entpfangen. Und ob woll mir mein geringer verstandt woll bewusst, yedoch will Ich durch gottes hilff E. F. G. zu underthenigen gefallen mein gutbeduncken hierin gantz gehorsamlich anzeigen und dise sach mit beweerung der heiligen gschrifft handeln. Anfenglich, So ist E. F. G. Christlich gmüet und wolmeinung (unser HERR gott wolle es für und für gnediglich erhallten) gantz fürtreffenlich hierauss zuspüren, das E. F. G. das heil und seligkeit Irer underthonen am allerhöchsten angelegen, und dasselb zu fürdern in allwegen gnediglich gesinnet ist . Es wurdt on zweiffell unser Herrgott sollich fürstlich und Christlich gemüet E. F. G. unvergolten nit lassen. Aber ye mehr E. F. G. Irer underthon selickeit zu fürdern begert, ye höher und grösser fleiss zu haben ist, damit sollich fürderung durch rechtmessig, ordenlich und göttlich mittell geschehe. Nun finde Ich auss Anweisung der heiligen schlifft, das die auffrichtung oder halltung der tseglichen Mess on Communicanten der meinung gethon, das das volck dardurch gotsförchtig werde und durch das selb werck die gnad gottes zur frumkait erwerbe, nit allein unnutzlich und vergeblich, sonder auch unrecht, unchristlich, lesterlich und der seel heill vast hinderlich sey. Dann unser Herr Christus hatt das hochwirdig Sacrament des nachtmals auffgericht und eingesetzt, das es soll aussgeteillt, entpfangen und genossen werden. Er hatt ye das brott und den wein nit allein in die hand genommen und den andern ein spiegelfechten vor Iren augcn darinit gemacht, Sonder er hats aussgeteillt und gsagt: Nempt und Essent, Nempt und trinckt. Darbey hatt er bevolhen, sollichs zu thuh, nemlich aussteilen, darreichen, nemen, essen und trincken. Und dise einsatzung und auffrichtung Christi soll der grund und fels sein, daruff man in disem handell fusse und bestehe, nemlich das Christus, wie die drey Evangelisten und Paulus beschreiben, das Sacrament zu keinem spiegelfechten der augen, Sonder zur aussteilung und zur leiblichen entpfahung, die doch auch im glauben geistlich gescheen muss. Demnach So das hochwirdig Sacrament in den kyrchen vor den leuten nit zur aussteilung sonder allein zum sehen gehandellt wurdt, So ist es kein christlicher gotsdienst, sonder ein eige menschlich satzung. Es sagen aber beid, Esaias und Christus von demselben also: Sie dienen mir vergeblich, dweill sie leeren sollich leer, die nichts dann menschen gebott seyen.

Und were noch leidlich, wan das werck der teglichen Mess on Communicanten allein ein unnutzlicher gotsdienst were. Aber nach dem der zusatz diser meinung geschieht, das die leut dardurch von Rolosen leben gezogen, und die gnad gottes und die frumkeit dardurch erlangen sollen, So seyen sollich taeglich Mess nit allein annutzlich, sonder auch unserm HERRN Jesu Christo schmelich und lesterlich. Dann es bezeugt die gantz heilig gschrifft, und ist auch die haubtsach unsers heiligen Christlichen glaubens, das allein der glaub in Jesum Christum die leut von dem Rolosen leben abziehe, und das wir allein durch Jesum Christum (welcher uns von gott gmacht ist zur weissheit, zur gerechtigkeit und heiligung) vor Gott frum gerechnet und die gnad gottes erlangen. Nach dem man nun sollichs wollt dem werck der tseglichen Mess und dem tseglichen Mess sehen zulegen, Nemlich, das dardurch einer vom Rolosen leben abgezogen und frum, auch gotsfürchtig wurde: was were das anderst dann Jesum Christum auss der lucken stossen und das werck der tseglichen Mess darfür an das ort stellen? Füret doch das heilig Evangelion kein andern zanck wider die Judenschafft, wider das babstum und wider die Mahumetisch religion, dann das es leeret, wie die leut allein durch den glauben in Jesum Christum und nit durch den verdienst der werck oder sonderlich erwellt gotsdienst vor got frum und von dem bösen oder Rolosen leben abgezogen werden. So dann die taiglich Mess on Communicanten der meinung sollt gehallten werden, das die leut dardurch frum wurden und durch das werck die gerechtigkeit erlangten, was were es anderst dann ein newe Judenschafft, Babstum und Mahumetisch religion in der Christenheit auffrichten und einsetzen. Dweill dise erzeelte frembd religion alle durch verdienst der werck und sonderlich erwelt gotsdienst die frumkeit suchen. Und nach dem uns die heilig schrifft zum fiirbild fürgeschriben ist, So hatt sie zwar klserlich gnug an den güldinen kelbern Aherons und königs Jorobeam anzeigt, was die taeglich Mess on Communicanten zur erwerbung der frumkeit gehallten für ein gotsdienst sey, Dann, als Mose auff dem Berg Sinai war und wollt das gsatz von Gott holen, begegnet dem Aheron mit dem volck gerad ein gleicher handell, wie er sich yetz zutregt: das Volck ward im abwesen Mosi Roloss und lebt in allem mutwillen, das Aheron bsorgt, es wurde hindennach kein gotsforcht under Inen bleiben. Darumb rieht er ein güldin kalb zu und opffert das selb gott zu Eer und lob, das er mit demselben gotsdienst das Volck zur frumkeit hielte und gottis gnad erwürb. Nun war das gold ein gute Creatur gottes, so opffert man auch sonst unserm HERRN gott kälber, so war die meinung Aherons gut, dann er verhofft das volck mit disem gotsdienst bey einander zu behallten und sie vom Rolosen leben abzuziehen. Aber was sagt Gott darzu? er schreit es für ein grosse lesterliche Sünd auss und will darumb das gantz volck vertilgen. Also geriet Aherons meinung dahin, das er eben mit dem gotsdienst über das volck alles unglück zurichtet, darmit er Inen glück und heill schaffen wollt. Desgleichen findt sich an Jerobeam, welcher, nach dem er könig in Israel wurd, besorgt er, sein volck wurdt abtrünnig, wann es auff die fest gen Hierusalem gieng. Sollt es dann kein gotsdienst haben, so besorgt er, es wurd Rolossj darumb richtet er zwey güldine kselber zu und opffert dieselben gott zu lob und zu Eer, das die andern opfter darbey gescheen sollten. Dann niemandt soll Aheron und Jerobeam darfür achten, das sie die kselber für götter gehallten haben, Sonder allein rar gotsdienst (welche dann zu zeiten in der schrifft under dem namen götter verstanden werden), darmit das volck in der gotsforcht erhallten wurd. Wie giengs aber Jerobeam von seines gotsdienst wegen? Er und sein gantz gschlecht musten darumb vertilckt werden. Also hellt es sich auch yetz gerad mit der tauglichen Mess on Communicanten, Dann dieselb ist wider die einsatzung Christi, wie auch die kselber waren, und soll doch dahin gerichtet sein, das durch söllich werck und gotsdienst die leut frum und vom Rolosen leben abgezogen werden. Aber gleich wie der kselberisch gotsdienst das Judisch volck mehr verruchter vor gott dann frummer macht, also wurde auch die tseglich Mess on Communicanten gehallten, so sie wider auffgericht sollt werden, die leut woll ausswendig gleissnerisch, aber vor Gott glaubloser, Christloser und schmelicher machen, dann sie ye gwesen seyen.

Darumb durchleuchtiger hochgeborner fürst, Gnediger herr, kan Ich gentzlich nit erfinden, das E. F. G. mit gott und gutem gwissen die tseglich Mess on Communicanten der meinung wider auffrichten lassen mög, das die leut durch das selb werck dester frummer wurden, dweill söllich Mess wider die einsatzung Christi seyen und der vorerzeelte meinung nach gehallten unsern HERRN Jesuin Christum schmehen. Und bitt E. F. G. gantz undertheniglich, sie wölle söllich eingeben ausschlahen und darfür hallten, das der böes feind hiemit E. F. G. als ein fürtreffenlichen Christen hinderlistiglich mit einem guten schein zu verfüren und beids in Seel und leib schaden zu werffen begere. Dann on das sollich ßuffrichtung an jr selbs unrecht und Sünd ist, so wurde sich auch E. F. G. mit frembden Sünden beladen. . Dann so auss verordnung E. F. G. die pfarhern oder andere priester müsten tseglich Mess hallten und entpfiengen also das Sacrament Irer ungeschicklicheit halben, auch von wegen der zwangnuss unwirdiglich, wer solt anderst daran schuldig sein dann E. F. G.? Was aber für grosse Sünd sey, das Sacrament unwirdiglich entpfahen oder ein unwirdigen darzu müssigen, kan sich E. F. G. woll auss Sanct Paul nach Irem hohen fürstlichen und Christlichen verstandt erinnern. Zu dem das auch der Aberglaub des gmeinen volcks, der es auff die tseglich Mess haben wurde, so man dardurch frumkeit suchte, über E. F. G. haubt gedeyen und vor Gott zugerechnet wurt, wie dem könig Jerobeam mit seinem gotsdienst geschahe. Das wurde fürwar E. F. G. vor Gottes gericht zu tragen vill zu schwer sein. über das alles hatt sich E. F. G. mit andern Christlichen fürsten und Stenden zu Augspurg in der Confession underschriben, in welcher under andern stücken auch die privatae Missae, das ist die Mess on Communicanten verworffen worden. So dann E. F. G. yetz sollich Mess wider auffrichten lassen wollt, wurde es bey andern Christlichen Stenden gantz ergerlich sein. Dann es ist ye mit den gotsdiensten nit zu schimpffen. Gross Sünd seyen Stelen, Rauben, Morden, Eebrechen etc., Aber vill ein grösser Sünd ist es, ein gotsdienst wider die ordnung gottes zur erlangung der frumkeit, die allein durch Jesum Christum zu erhalten ist, auffrichten. Dann von solcher Sund wegen hatt unser HERR gott offt gantz königlich gschlecht, offt gantze königreich gentzlich zerstöret.

Yedoch auss was ursach das gmein pöbell so Rochloss wurdt, will Ich E. F. G. zum teill undertheniglich anzeigen. Es kompt meins thorichten erachtens daher: E. F. G. hatt in Iren Gnaden fürstenthumben gantz Christlich mandata aussgeen lassen von dem zutrincken, von gotslesterung und anderen offenlichen Sünden und lastern, und feelet gar nichts an E. F. G. mandata, ordnung und gebotten; Aber Ich hör die pfarher hin und her klagen, das die amptleut E. F. G. mandata zu vollstrecken seumig seyen und selbs offt in solchen Spital kranck ligen. So dan die pfarher auff E. F. G. mandata tringen, werden sie verhasst und darnach umb ander sach willen verklagt. Hiezwischen füret das pöbel ein wüst leben, fürwar on E. F. G. wissen, wollen oder schuld. Hierauff bedunckt mich der best weg sein, dem verruchten leben des pöbels zu weeren, nach dem das Evangelion in E. F. G. landen rein und getreulich gepredigt wurdt, das E. F. G. die amptleut darzu hallte, das sie mit ernst E. F. G. ordnung und mandaten in eusserlicher erbarkait volnstrecken und vorab an den feyertagen das unzeitig zechen under den predigen, auch tantzen und andere offentlich unzucht, fluchen und bübereyen abstellten. Das wurde freilich mehr zucht und erbarkeit erziehen, dann wan man alle tag tausent Mess on Communicanten hiellte. Hiemit sey E. F. G. unserm HERRN gott bevolhen, and Ich bitt E. F. G. gantz undertheniglich, sie-wolle mein ungeschickt schreiben gnediglich auffnemen. Darin E. F. G. gehorsamen und underthenigen dienst zuerzeigen will Ich allwegen ungesparts fleiss erfunden werden. Datum zu schwebischen hall mitwoch nach Decollacionis Joannis Anno XXXI.

E. F. G. undertheniger und gehorsamer

Johan brentz, prediger zu Hall.

Quelle:
Anecdota Brentiana Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Th. Pressel, Archidiaconus in Tübingen. Tübingen, 1868. Verlag von J.J. Heckenhauer.

Brenz, Johannes – An Markgraf Georg den Frommen (Jan. 1531).

18 Januar 1531.

Darchleuchtiger Hochgebomer furst, Unsers HERRN gottes gnad sampt meinem underthenigen alzeit bereiten schuldigen dienst zuvor. Gnediger Herr. Ich hab E. F. G. schrifftlich beger sampt den beygelegten verzeichnussen undertheniglich vernummen. Und nach dem meine herrn ein Erbar Radt zu hall mir günstiglich erlaubt haben, so will Ich mit der hilff gottes auf den ernanten tag bey andere E. F. G. theologen zu Onoltzbach undertheniglich erscheinen, und mich hiezwischen in den verzeichnussen meins müglichsten fleis ersehen, auch darauff meins geringen verstands gutbeduncken nach E. F. G. beger verfassen. Dann E. F. G. gehorsame underthenigkeit zuerzeigen erkenne Ich mich alweg schuldig zu sein. Hiemit sey E. F. G. unserm HERRN gott bevolhen. Datum zu Hall. 18 die Januarii Anno XXXI.

E. F. G. undertheniger und gehorsamer

Johan brentz, prediger zu hall.

Quelle:
Anecdota Brentiana Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Th. Pressel, Archidiaconus in Tübingen. Tübingen, 1868. Verlag von J.J. Heckenhauer.

Ein anderes Bedenken Melanchthon’s an Markgraf Georg von Brandenburg, über die Privatmesse.

Durchlauchtigster Fürst, gnädigster Herr!

Eure Durchlaucht entbiete alle gehörige Dienste unterthänigst zuvor, und antworte wegen der in der Kirche wieder aufzurichtenden Stillmesse, um hierdurch dem Volk Anlaß zu geben, sich fleißig in der Kirche einzufinden, folgender Maßen: Nämlich, daß sie in keinem Wege wieder zugelassen werden könne, aus diesen Ursachen:

2) Denn erstlich ist bekannt, daß sie um deßwillen abgeschaffet worden, weil das Volk, durch falsche Meinungen bethöret, gewiß geglaubet, daß ein Pfaffe, der dergleichen Gottesdienst übe, nicht allein sich, sondern auch allen Umstehenden Vergebung der Sünden, ewiges Leben und alle andere nothwendige Güter verdiene. Was das aber für eine Gottlosigkeit, für ein grober, schädlicher Irrthum, für schreckliche Abgötterei sei, und wie sehr es gerade wider das Wort Gottes streite, ist Eurer Durchlaucht wohl bekannt. Denn was thut ein Pfaffe Andres, als daß er das Verdienst Christi niederschlägt, und seinen Werken das zueignet, was von Christo zu hoffen und zu erbitten ist? Auf die Art aber muß der Glaube nothwendig hinfallen, oder doch verdunkelt, und den Werken der Messe unsere Seligkeit zugeschrieben werden; wie ein Jeder, der nicht muthwillig blind ist, sehen kann. Denn wenn man diesen Irrthum annimmt und gellen läßt, so hat das Herz alsdann keine Zuflucht und Trost; denn wenn es voll solcher Irrthümer und Meinungen steckt, so weiß es gar nicht, daß der Grund unsers Heils darinnen bestehe, daß wir gewiß glauben und versichert sind, daß uns Gott um Christi willen, umsonst und ohne Werke oder Verdienst gnädig sein und die Sünde vergeben wolle; und daß wir daran im geringsten nicht zweifeln möchten, hat Christus das Sacrament seines wahren Leibes und Blutes eingesetzt, daß, die es brauchen, ihren Glauben starken und versichert sein, es seien ihre Sünden vergeben. Damit alle falsche und ungereimte Meinungen von dem gethanen bloßen Werk (opus operatum), welches unsere Widersacher sonst nicht allein dem, der es thut, sondern auch allen andern Umstehenden, für heilsam und nützlich, obwohl ohne allen Grund, ausgeben, zernichtet und vertrieben würden. Es ist aber ein anderer Gebrauch und Endzweck dieser Einsetzung, welchen wir aus Gottes Wort lehren und dem Volke vortragen, daß, die das Sacrament brauchen wollen, durch solche Zeugen erweckt werden, wahren Glauben und Buße mitzubringen, in der gewissen Zuversicht, daß Gott Allen, die zu ihm fliehen, gnädig sein und alle Frommen gnädig schützen und beschirmen, auch ihnen das ewige Leben umsonst, um Christi willen, ohne alles Verdienst geben wolle.

3) Wenn wir aber die Stille- oder Winkelmesse in der Kirche wieder Anrichteten, so richteten wir ein solch Werk an, dadurch der Glaube an Christum gleich zernichtet und verdunkelt werden könnte. Da doch ein solcher Dienst keinen Grund in der Schrift hat, noch von Gott befohlen ist. Denn es ist klar und offenbar, daß das Volk nur durch falsche Meinungen der Mönche und eitele Menschensatzungen dahin gebracht worden, daß es die Messe höret. Diese Meinung aber, daß die Messe ein Werk sei, dadurch wir Vergebung der Sünden und das ewige Leben erlangen, würde gewiß, wenn wir die Messe wieder anrichteten, in ihnen gestärket, und folglich die Lehre vom wahren Glauben und desselben Uebungen, wieder in die dicke Finsterniß und grobe, abscheuliche Irrthümer eingehüllet werden.

4) Eure Durchlaucht wolle sich demnach durch keine Gründe und Einreden bewegen lassen, die Stillmessen wieder anzurichten.

5) Daß man aber vorgibt: die Abschaffung der Messe sei Ursache, daß man nicht so fleißig zur Kirchen komme, so zweifele ich daran. Denn ich glaube gänzlich, daß die Messe Wenig dazu helfm werde; ich halte vielmehr, meines wenigen Bedünkens, dafür, daß gottselige Predigten und Ermahnungen mehr dazu helfen werden. Ich bin auch nicht in Abrede, daß die Prediger wohl selbst einige Schuld daran haben.

6) Denn wenn diese ihre Zuhörer zur fleißigen Erlernung des göttlichen Worts, zum rechten Gottesdienst, zum Gebet und Brauch der Sacramente, fleißig und oft ermahneten, und nicht so träge und schläfrig zu Werke gingen: so würden sie freilich die Herzen der Zuhörer schärfer bewegen, und mehr ausrichten, als wenn unzählige Stillmessen gehalten würden.

7) Hernach muß auch die Obrigkeit solchem Uebel zu steuern Fleiß anwenden; denn wenn sie sich der Sache ernstlich annähme, und das Volk bei Strafe, sonderlich des Freitags, die Kirchen zu besuchen und dem Gottesdienst beizuwohnen, anhielte, auch bisweilen Einige, die sich wahrend der Predigt in Zech- und Weinhäusern betreffen ließen, Geldbußen erlegen ließe: so thäte sie daran ein ihrem Amte wohlanständiges Werk.

8) Daß endlich Eure Durchlaucht wissen will, was wir vor Meßceremonien in unsern Kirchen haben und brauchen: so berichte Eure Durchlaucht, daß die Messe gänzlich abgeschafft worden, wobei sich nicht Leute einfinden, als die das Nachtmahl brauchen wollen. Alle Feiertage aber haben wir in den Kirchen eine ziemliche Menge Zuhörer und Communicanten. In Wochentagen aber, wenn die Predigt zu Ende (dabei sich so ein leidlicher Haufe findet), und die Litanei oder etliche Lieder gesungen worden, wird das Volk aus einander gelassen. An anderen Orten dieses Landes gibt es nicht gleich viel Zuhörer, sondern insgemein so viel, als der Prediger Ermahnung und Fleiß größer oder geringer ist.

Quelle:
Philipp Melanchthon's Werke, in einer auf den allgemeinen Gebrauch berechneten Auswahl. Herausgegeben von Dr. Friedrich August Koethe Erster Theil Leipzig: F.A. Brockhaus 1828

Brenz, Johannes – An Markgraf Georg zu Brandenburg. (31. December 1529)

Durchleuchtiger hochgeborner furst. Unsers HERRN gottis gnad sampt meinem underthenigen alzeit bereiten gehorsamen dienst zuvor. Gnediger herr. Nach dem Ich in vergangenen tagen ein buchlin mit des Schwenckfelds Annotationibus ad marginem verzeichnet von E. f. G. undertheniglich entpfangen, hab Ich darauff mein antwort, wie E. f. G. im hiebey gelegten libell finden wurdt, begriffen, nit der meinung, das des Schwenckfelds gegenwurff von wegen Irer ungeschicklicheit einer antwort werdt seyen, Sonder das der pfarher, dem das verzeichnet büchlin zustendig und villeicht dardurch in ein zweyfelung und Irthum gefallen, die andern partey weh höret und darauss in der sach ein underricht erlangte. Hiemit sev E. f. g. unserm HERRN gott bevolhen, und E. F. G. underthenigen gehorsam zu beweysen will ich allweg bereit erfunden werden. Datum zu schwebischen hall 31. die decembris Anno XXIX. E. F. G. alzeit undertheniger und gehorsamer

Iohann brentz prediger zu hall.

Quelle:
Anecdota Brentiana Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Th. Pressel, Archidiaconus in Tübingen. Tübingen, 1868. Verlag von J.J. Heckenhauer.

Brenz, Johannes – An Markgraf Georg zu Brandenburg. (27 November 1529.)

Durchleuchtiger hochgeborner fürst. Unsers HERRN gottis gnad und barmhertzigkeit sampt meinem underthenigen allzeit bereiten schuldigen dienst zuvor. Gnediger herr. Ich hab die verzeichnuss von E. F. G. mir zugeschickt mit fleissiger underthenigkeit verlesen und nach meinem geringen verstandt bewegen, kan mich demnach selbs auss der heiligen gschrifft nit anderst berichten, dann das solliche verzeichnuss mit begriffung jrer puncten gantz göttlich und Christenlich gestellt seye. Es ist je das Römisch reich warhafftiglich nach der Zeugnuss Pauli ein ordnung gotts, und als etlich der frummen heiligen leerer wollen, von dem propheten Daniel zuvor, ehe dann es auffkame, verkündiget und durch gottis wort bestetigt. Nun hatt dasselb Reich ein sollche gestallt wie vor augen, das darin fürnemlich der Oberst, der mittelst und der uriderst. Im Obersten ist allein der keyser, im understen seyen allein die gmeinen underthonen, aber im mittelsten seyen die Churfürsten, fürsten, graven und der Stet Ratt, welche dise gstallt haben, das sie nach Irem ansehen yetz für Oberkeit yetz für underthon gerechnet mögen werden. Dann gegen Iren underthonen zu rechnen seyen sie Oberkeit , und demnach, was für spruch in der heiligen gschrifft auff die Oberkeit lauten, nemlich Sie tregt das schwert nit vergeblich, Item Sie ist gottis dienerin, Item Sie ist ein recherin zur straff über den, der boses thut, seyen Inen billich in disem fall gegen Iren underthonen zugehörig. Aber gegen dem keyser zurechnen, seyen sie recht naturlich underthon, nach dem der keyser von Inen allen fur Ir naturlich Oberkeit erkent wurdt. Darumb wasserley spruch in der heiligen gschrifft auff die underthon lauten, nemlich Rechnet euch selber nit, dann es steet gschriben: Die Rach ist mein, Ich wils vergellten, spricht der HERR. Item Ir sollt dem übell nit widerstreben, Item Wer das schwert nimpt, der soll durchs Schwert umbkommen, und andere mehr derselben werden auch billich den Churfursten, fürsten, Stett Ratt und anderen in dem mitteln Stand begriffen, In disem fall gegen dem keyser zurechnen, zugezeelet. Hierauff, als wenig die bauren in der vergangenen auffrur mit gutem gwissen sich wider Ire Oberkait gweltiglich mit dem schwert haben widersetzen künden, ob Inen woll zu zeiten maniche unbilligkeit von Irer Oberkeit begegnet war, als wenig möchtein fürst oder Stett Radt des Römischen reichs wider keyserlich Mt. in gutem gwissen und frolicher anruffung gottlicher hilff mit gweltigem schwert widerstreben, ob schon k. Mt. ein unbillichs es sey in zeittlichen oder ewigen guttern furnemen hett. So dann gottis hilff im gweltigen widerstreben nit tröstlich verhofft noch frolich gesucht mocht werden, wie kunt man sich further einer hilff und beystand bey den menschen versehen. Dann es geht mit dem Christlichen glauben also zu, das in einem land oder Statt allweg der wenigst und geringst teill recht Christen seyen. Die andern und der gross hauff glauben der gwonheit nach, und so lang kein gfar darauff steet. So es dann an ein treffen gieng, wurden dieselben des evangelii halb, welches sie nie recht geglaubt haben, kein nodt erleiden und dorfften woll, wo Inen der raum wurde, die ersten under den verfolgern sein, wie Christus sagt: Es wurt ein bruder den andern nun todt überantworten und der vatter den Son etc. So aber in einer sollchen nodt der Vatter den Son zum todt verradt, wie sollt dann ein unglaubiger nachbaur für den glaubigen des glaubens halb streiten und sein leben wagen wollen. Zu dem, so ein wieder kriegender fürst oder Stadt von dem keyser mit dem schwert uberwunden, würde er oder sie nit als ein Christ sonder als ein auffrürer überwunden. Hierzu schreibet Petrus: Niemandt under euch leyde als ein ubeltheter, leidet er aber als ein Christ, so scheine er lich nit, sonder preyse gott in der sach. Nun leidet man dazumall als ein Christ, wan man* im recht thun leidet, darinn man dann •roch unsern HERRN gott umb hilff anruffen kan. Aber recht thun ist Christum unsern HERRN nit verlaugnen, sonder In offenlich bekennen. Unrecht thun ist der naturlichen Oberkeit mit dem schwert widerstreben. Welcher nun in disem thun leidet, der leydet als ein übeltheter und kann im selber thun gottis hilff warhafftiglich nit anruffen noch begeren.

Man findt woll im buch der Richter, das die Israeliten wurden in gwallt des konigs zu Mesopotamia acht Jar, des konigs der Moabiter achtzehen Jar, des konigs der Cananiter zwentzig Jar und anderen mehr konigen von gott ergeben, und sie (die Israeliter) sich darnach mit gwallt Inen widersetzten, auch von Inen mit dem schwert sich erredten: Das hatt aber kein vergleichniss gegen den unterthonen des Römischen reichs. Dann das volck Israel ware von gott den eegenannten konigen nit als einer ordenlichen Oberkeit Sonder als einem züchtiger eins sündigen volcks zur straff ein zeitlang ergeben. Es waren ye nach göttlicher ordnung und zusagung die israeliter recht verordnet Oberkeit (ob sie es woll noch nit in der hand betten) über dieselben könig der Cananiter, Moabiter, Philistiner und anderer, und möchten sie, wo Inen durch ir eigne Sünd ir hand nit verkürtzt worden wer, nach göttlichem rechten» und urteill erwürgen und todten. Das aber das spill sich mit den Israeliten wendet, und musten deren könig, so Irer Oberkeit von gott zugeteült waren, diener und underthon sein, ist für ein straff der Sünde und nit für ein ordenlich regiment zu zeelen, wie dann der HERR zum offter mall verhengt hatt, das die Oberkeit von Iren eigen underthonen undertruckt seyen worden. Demnach wan die Israeliter von den Sünden abstunden, mochten sie mit gutem gwissen und frolicher anruffung gottlicher hilff den selben königen, deren gfangen sie waren, mit gwallt widerstreben und sich erredten.

Aber unser HERR gott hatt die glider und die Stend des Romischen reichs dem keyser nit als einem unordenlichen zuchtiger der Sünd und als einem gwalltigen strassreuber, sonder als einer ordenlichen Oberkeit underworffen. Darumb mag man sich hierin der exempeln in dem buch Judicum beschriben nit behelffen. Und kan Ich meins bedunckens auch nit anderst erfinden, dann das alle Stend des Reichs gegen k. M. underthon seyen, und hierauff in den sprüchen der heiligen gschrifft den underthonen zugehörig begriffen. Das wollt Ich nach der lenge E. F. G. undertheniger meinung nit verhallten , dan E. F. G. underthenigen schuldigen gehorsam zu beweysen will Ich allweg mit der hilff gottis ungesparts fleiss erfunden werden. Hiemit E. F. G. unserm HERRN gott bevolhen, der wolle sie in rechtem glauben" und bestendiger bekantnuss unsers HERRN Jesu Christi und seines evangeliums erhallten. Datum zu schwebischen hall Sambstag nach katerinae Anno XXIX.

E. F. G. undertheniger und gehorsamer

Iohan brentz, prediger zu hall.

Quelle:
Anecdota Brentiana Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Th. Pressel, Archidiaconus in Tübingen. Tübingen, 1868. Verlag von J.J. Heckenhauer.

Luther, Martin – An Markgraf Georg von Brandenburg, vom 18. Julius 1529.

Dieser Georg war ein eifriger Beförderer der Reformation in seinem Lande, dem heutigen Bayreutschen und Ansbachschen.

Dem Durchlauchtigen, hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Georgen, Markgrafen zu Brandenburg, Herzogen zu Stettin, Pommern, Fürsten zu Rügen, Burggrafen zu Nürnberg, meinem gnädigen Herrn.

Gnade und Friede in Christo. Durchlauchtiger, Hochgeborner Fürst, gnädiger Herr! Ich habe E. F. G. lange verzogen mit der Antwort, wiewohl ungerne; dann zuerst war ich doch ja nicht müssig, da der Bote anreget, darnach hab ich nicht gewisse Botschaft gehabt; E. F. G. wollen mirs gnädiglich zu gut halten. Aber nun ich diesen Er Georgen Schlegel gewisses Ganges bekommen, will ich hiemit E. F. G., was ich sammt dem Rath und Bedenken M. Philipps Melanchthon für das Beste ansehe in dieser Sachen.

Erstlich achten wir für gut, daß man die Klöster und Stifte lasse so hin, bis sie aussterben; denn weil die Alten noch drinne leben, ist nicht viel Hoffens, daß friedlich zugehn würde, wo sie gezwungen würden, solche Neuerungen zu fördern oder dulden: auch würden zuletzt solche Lection und Ordnung, so aus den vorigen alten Exempeln wieder aufgericht, mit der Zeit wiederum ein unfruchtbar Wesen werden, wie bisher geschehen. Sondern was man solcher alter guter Ordnung von Kirchendiensten wollt wieder anrichten, das man thäte in den gemeinen Kinderschulen und Pfarrkirchen, daselbst der gemeine Mann auch zu komme und gereizt würde rc., wie wir allein zu Wittenberg und andern Städten thun.

Zum andern wäre das wohl fein, daß E. F. G. ein gelegen Ort (oder zween) im Fürstenthum anrichten zur hohen Schulen, da man nicht allein die heilige Schrift, sondern die Rechte und allerlei Künste lehret, aus welchen Schulen man gelehrte Leute nehmen könnte zu Predigern, Pfarrherrn, Schreiber, Räthe rc. für das ganze Fürstenthum. Und hiezu sollten der Kloster und Stift Erbzins verordent sein, daß man gut gelehrte Personen erhalten möchte mit redlichem Solde: zwei Theologen, zwei Juristen, einen Medicum, einen Mathematicum, und pro grammatica dialectica, rhetorica1) etc. , vier oder fünf Personen. Denn wo ein gut Studiren soll sein, da müssen nicht ledige Kreuzgänge sein oder leere Kloster und Stiftkirchen, sondern eine Stadt, darin viel zusammen kommen und unter einander sich üben und reizen und treiben. Einsame Studia thuns nicht, gemeine thuns, da viel einer dem andern Ursach und Exempel gibt rc.

Zum dritten, daß in allen Städten und Flecken gute Kinderschulen zugericht werden, aus welchen man nehmen könne und erwählen die zur hohen Schule tüchtig, daraus man Männer für Land und Leute ziehen mag. Und wo es die Städtlin oder Bürger nicht vermochten, daß man abermal von den verledigten Klostern und Stiften etliche geschickte Gesellen zu erhalten, Stipendia stiftet, daß eine jegliche Stadt ein oder zween Studenten hätte.

Mit der Zeit, wenn der gemein Mann sehen wird, daß Personen können zu Pfarrherrn, Predigern und andern Aemtern kommen, werden sie dieselbigen wohl wieder zur Schule halten, die jetzt wähnen, es könne kein Gelehrter nicht ernähret werden.

Ob nun etliche Gelehrte in solchen Schulen erzogen, vielleicht in andern Fürstenthümern zu Dienst und Amt kommen, und wollt fürgegeben werden, man zöge andern Herrn Leute für: ist zu bedenken, daß man derselbigen keinen Schaden hat; denn sie ohn Zweifel bei andern Fürsten und Leuten solche Schulen und Stiftung fördern würden und Gunst machen rc. Solch hab ich E. F. G. nach meinem geringen Verstand wollen anzeigen. Gott gebe E. F. G. seinen Heiligen Geist, das alles zu bessern, und in allen Dingen sein Wohlgefallen vollbringen, Amen. 18. Juli 1529.

E. F. G. williger Martinus Luther.

Ich bitte auch, gnädiger Herr, wo es E. F. G. zu thun, wollten gegenwärtigen Er Georgen Schlegel von Gunzenhausen mit einem Stück von den verledigten Präbenden etwa begnaden, daß er hie bei uns ein Zeitlang studiren möchte; denn es wird ein guter Pfarrer oder Prediger daraus werden, als wir ihn ansehen. So ist er auch ein Kind des Landes rc.

1) d. i. für Sprachlehre, Denk- und Redekunst.

 

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862