Calvin, Jean – An Viret in Lyon (740).

Nr. 740 (C. R. – 3999)

Eine evangelische Synode war nach Lyon einberufen. Im Auftrag des Königs verbot der Gouverneur d´ Agoult ihre Abhaltung, als es schon zu spät war, sie abzustellen. Viret wandte sich deshalb um Rat an die Genfer Freunde.

Über das Verbot einer evangelischen Synode in Frankreich.

Es konnte kaum anders kommen, als dass die, denen nichts lieber wäre als eine Zersplitterung der evangelischen Kirche, Eure Synode zu hintertreiben suchten. Denn sie hoffen, wenn wir nicht mehr zusammenkommen könnten, so seien wir auseinander gerissenes Reisig; tatsächlich würde dann ja auch alles bald auseinander fallen, und böse Menschen könnten sich einer zügellosen Freiheit hingeben. So wird durch diesen Kunstgriff die evangelische Sache mehr geschädigt, als wenn die Feinde sie offen verfolgten. Also muss man der Gefahr entgegentreten und alles versuchen. Doch sind wir nicht dafür, dass eine Synode gehalten wird, ehe man vom König die Erlaubnis dazu erwirkt hat. Es scheint uns in dieser schwierigen Lage das Beste, dem König eine Bittschrift zu übergeben, wie wir sie [in beiliegendem] entworfen haben, damit Ihr daraus nehmen könnt, was Euch gut dünkt, wenn Euch überhaupt dieser Plan zusagt. Vernimmt man bei Hofe Eure bescheidene Sprache und Euren guten Willen zum Gehorsam, so lässt man sich zwar wohl nicht ganz umstimmen, aber die Härte wird doch gemildert und schädlich gemacht. Sobald wir Bericht von Eurer Meinung darüber haben, werden wir Euch nach Kräften unterstützen und hoffen doch, schließlich etwas damit zu erreichen. Da nun aber an manchen Orten Streitigkeiten entstanden sind, Zwistigkeiten zugenommen haben, einzelne frech und wild geworden sind, einige Gemeinden auch nach ihrer Willkür Pfarrer beriefen oder ablehnten, kurzum eine ungezählte Menge von Traktanden auf diese Synode zusammengekommen sind, so kam uns in den Sinn, man könnte es so machen, dass Ihr eine kleine Zahl Delegierte bestimmtet, die dann nach Genf kämen und, wenn sie dann auch nicht alle Streitigkeiten schlichteten, doch dafür sorgten, dass die Gemeinden nicht größern Schaden litten, wenn gar keine Untersuchung stattfände. Die Delegierten bekämen von jeder Gemeinde kurze erläuternde Schreiben mit und teilten dann nach ihrer Rückkehr das Resultat der Verhandlungen den Gemeinden wieder schriftlich mit; denn wenn auf französischem Gebiet irgendwelche Verhandlung stattfände, so böte das gleich zu Verleumdungen Anlass. Erwägt also, was das Beste ist. Lebwohl, trefflicher Mann und bester Bruder. Alle unsre Kollegen und Brüder lassen vielmals grüßen. Der Herr sei mit Euch.

Genf, 1. August 1563.
Deine Brüder und Kollegen
Johannes Calvin.
Theodor Beza.

Calvin, Jean – An Viret in Lyon (711).

Nr. 711 (C. R. – 4210)

Viret, seit Januar 1562 Pfarrer in Lyon, hatte nach Genf gemeldet, er sei entschlossen, noch länger dort zu bleiben, und hatte, da er darauf wohl nicht gleich Antwort erhielt, ärgerlich geschrieben; am 4. September wurde Viret der gewünschte Urlaub erteilt. Louis Franc war der Gesandte Genfs in Lyon. Zu dem gestohlenen Briefe vgl. Nr. 239, 244.

Ärger über einen ungeduldigen Brief des Freundes.

Kurz vor dem Essen habe ich deinen Brief durch einen mir unbekannten Mann erhalten, von dem aber einer der Kollegen sagte, er sei der Diener Louis Francs. Wenn du dich über mein langes Schweigen beklagst, so könnte ich es leicht entschuldigen, wenn ich nicht bei dir den Verdacht wahrnähme, dass ich mich gekränkt fühle, sei schuld daran. Was dir deine Freunde berichtet haben, weiß ich nicht, und ich kümmere mich auch nicht sehr darum; doch will ich nicht verschweigen, dass mich recht geärgert hat, was du über einen abgefangenen Brief schriebst. Denn ich habe noch nicht vergessen, wie eifrig du mich vor vielen Jahren, als dein Famulus bei dir einen Brief von mir stahl, zur Vorsicht im Schreiben ermahnt hast. Meinst du denn, ich nähme dein Schelten so leicht, dass mich die Vorwürfe, mit denen du mich überhäufst, ergötzten? Aber das sollen diese deine Freunde, die ich für Verräter an mir halte, nie erreichen, dass ich mich so in acht nehme. Ich gefalle mir gewiss nicht in meinen Fehlern; aber dieser eine wird kaum je zu ändern sein.

Indessen, was hat dir denn mein Schweigen geschadet? Du sagst, man habe vieles verhandelt, ohne dir nur ein Wort zu melden. Wie, wenn ich von dem meisten selbst nichts weiß? Wie, wenn ich diesen Plänen, die ich nicht billigen kann, überhaupt ganz fern stehe? Wie, wenn ich öfters bezeugt habe, die ganze Verhandlung möge mir unbekannt bleiben, da ich nichts davon wissen wolle? Und doch glaubst du, es sei ein guter Witz und machst mir einen indirekten Vorwurf, wenn du schreibst, man berichte dir nichts, bis alles durcheinander gebracht sei. Hätten dir doch deine Spione treulicher berichtet, wie man mit mir umgegangen ist! Wenn ich dir bitter scheine, – aus deinem Briefe habe ichs gelernt. Freilich, du meinst nicht mich allein, wenn du klagst, man verachte dich, als ob du nicht auch ein Pfarrer seiest und zu unserm Kollegium gehörest. Doch mir genügt es, für mich persönlich zu reden; die Brüder können sich selbst entschuldigen, warum sie dir nicht geschrieben haben, was Tag für Tag vorfiel. Verzeih einstweilen meine Entrüstung, zu der mich der doch noch ein wenig herrische Ton deines Briefes gebracht hat, bis du gesund zu uns zurückkehrst, was, wie ich hoffe und sehr wünsche, bald geschehen wird. Deinem und der Brüder mündlichem Zuspruch will ich dann gern gehorchen. Lebwohl, trefflicher, verehrter Mann. Der Herr sei mit dir, er leite und segne dich.

Genf, 2. September [1562], zwei Stunden nach Empfang deines Briefes.

Dein

Johannes Calvin.

Charles, der bis vor kurzem Pfarrer zu Toulouse war, hat mir geschrieben, er habe nicht im Sinn, dorthin zurückzukehren. Es wundert mich, dass er von meiner Antwort auf seinen ersten Brief ganz schweigt. Wenn er sich nicht mit der Ansicht der Brüder zufrieden geben kann, so soll er seine Freiheit haben; zwingen wird ihn niemand.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (574)

Nr. 574 (C. R. – 2943)

Viret und seine Kollegen in Lausanne hatten dem Berner Rat einen Entwurf einer neuen schärferen Kirchenordnung eingereicht und eine scharf abweisende Antwort erhalten. Darauf hatte Beza, der sich nur widerwillig Virets Vorgehen angeschlossen hatte, seine Entlassung von der Lausanner Professur nachgesucht und erhalten und war nach Genf gezogen. Viret hatte sich nun bei Calvin bitter über Beza beklagt, der ihn so schnöde im Stich lasse und es nicht wage, es auf eine Absetzung ankommen zu lassen. Jean Cousin war Diakon von Payerne.

Verteidigung der Demission Bezas.

Ich zöge es zwar vor, dir gegenüber wie bisher schonend zu schweigend, aber ich fürchte, dies verletzt dich mehr, als wenn ich frei heraus dir allerlei Bitteres sage. Hieltest du an deiner vorgefassten Meinung nicht so fest, so wärest du, denke ich, gegen unsern lieben Beza auch gerechter. Erstlich ist mir seine Lauterkeit zu gut bekannt, als dass du mich davon überzeugen könntest, er habe nur unter einem falschen Vorwand von Euch fortkommen wollen. Ebenso so unfreundlich ist dein Vorwurf, er hätte ein anderes Vorgehen wählen müssen, da du ihn zu dem, was ihm nun als Fehler angerechnet wird, selbst wieder seinen Willen genötigt hast. Ist das gerecht, ihn erst leidenschaftlich zu etwas zu zwingen und ihn jetzt zu verurteilen, weil er dir den Gefallen getan hat? Beza sah gleich voraus, was jetzt tatsächlich so zutage getreten ist; es war sein sehnlichster Wunsch, ruhig, ohne Lärm und Ärgernis, von Lausanne fort zu kommen. Besinne dich, dass er sich deinen Bitten oder deinem autoritativen Befehl beugte und sich mit Wissen und Willen die Fesseln anlegen ließ, in denen du ihn nun gefangen halten willst. Hätte er dir doch nie nachgegeben oder sich los gebeten und das Ziel seiner eigentlichen Wünsche erreicht! So gäbe es jetzt nicht solche Klagen, die ihren Ursprung in seiner Gefälligkeit haben. Was sage ich Klagen? Dass er sich wider seines Herzens Neigung Eurem Gebot und Wunsche fügte, wird ihm jetzt fälschlicher und ungerechter Weise in die Schuhe geschoben. Jean Cousin hat mir erzählt, das habe ihm hauptsächlich den allgemeinen Hass zugezogen, dass er sich seiner eignen Meinung entgegen mit Euch verbündete. Nun bitte ich dich, durch wessen Schuld ist er jetzt solcher drohenden Leidenschaft ausgesetzt? Trotzdem schiltst du nun ihn und uns zugleich, weil er Eure Pläne gegenüber den unsern hintansetze. Was ich für meine Kollegen auf diesen Vorwurf erwidern soll, weiß ich nicht, da Beza nie mit ihnen gesprochen hatte. So ist also deine Eifersucht ihnen gegenüber nicht am Platz. Oder hast du etwa bloß den Ausdruck etwas weiter fassen wollen, um mich allein nicht gar zu hart zu treffen? Ich sehe aber nicht recht ein, warum dich das so zornig macht, dass Beza den Rat derer annimmt, die er für treue Knechte Christi und seine aufrichtigen Freunde hält, wenn du dir das Recht vorbehältst, den Rat von Leuten, die aufs beste für dich sorgen wollen, abzulehnen. Es darf dich wirklich nicht wundern, dass Beza, da du keinen Widerspruch duldest, sich lieber dem Urteil derer anschließt, von denen er fühlt, dass sie ihm gnädiger sind. Du hast dich ja noch über viel zu beklagen, und andrerseits würde es auch mir nicht an Erwiderungen fehlen, ohne sonderlich beredt sein zu müssen. Es plagt dich gewiss niemand, du müsstest deinen Posten auch aufgeben, und wenn ich darin auch andrer Ansicht bin als du, so habe ich doch nie einen so bösen Verdacht gefasst, als ob dich etwas anderes festhielte als Gottesfurcht. Vielmehr bin ich der Meinung und sage es auch, eben dein frommer Eifer mache dich allzu optimistisch und täusche dich. Es scheint dir freilich anders; das verzeihe ich dir gern und nehme es hin, nur eine gewisse Freiheit der Meinung will ich doch haben. Denn wenn du unsern Rat viel zu weitgehend nennst, so pflichte ich dem zwar nicht bei; aber meinetwegen kannst du ruhig von deiner Mäßigung Gebrauch machen. Forsche nach, ob ich je von dir scharf gesprochen habe und nicht vielmehr stets mich von der Befürchtung leiten ließ, es könne in Lausanne eine Parteispaltung eintreten, und ohne Zweifel wollte auch Beza dies sorgfältig verhüten; du wiederum musst dich fragen, ob nicht dadurch, dass du einen freien Bruder deiner Ansicht unterwerfen willst, das Übel, das ich bereits sich einschleichen sehe, vermehrt wird. Dazu wird Euch Eure Amtspflicht bald nötigen, die Verleumdungen, mit denen Beza jetzt überhäuft wird, selbst zu widerlegen. Dass du darüber so böse bist, weil ich dir neulich keinen Rat geben wollte, will ich hingehen lassen; nur darfst du mir nicht vorwerfen, ich hätte dich im Stich gelassen, und zugleich mich anklagen, weil ich nicht sehe, was gut ist. Dein Brief enthält nämlich beides; im einen Fall durfte ich doch gewiss schweigen. Du vergleichst uns solchen, denen es wohl geht, als ob uns Euer Leid gar keine Sorge machte oder als ob wir so stumpfsinnig wären, dass uns gar nicht zum Bewusstsein käme, welches Übel droht, wenn du von Lausanne fort gehst. Aber es ist kein gerechtes Urteil, wenn du meinst, du allein werdest von allen Seiten angegriffen, da doch die ganze Wucht des Sturmes auf uns zurückprallt. Der Herr leite uns beide mit dem Geist der Duldsamkeit und Milde, damit wir vereinten Herzens und in brüderlichem Wohlwollen einander helfen und fortfahren in unserm Wirken. Lebwohl, trefflicher Mann und verehrter Bruder. Bitte grüße alle Kollegen vielmals von mir.

Genf, 27. August.

Grüße auch deine Frau und dein ganzes Haus.

Mehreres mündlich, wenn es dir einmal passt, zu uns zu kommen, da mir eine Reise nach Lausanne nicht vergönnt ist.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (554).

Nr. 554 (C. R. – 2831)

Viret und sein Kollege Jacques Valier legten dem Lausanner Rat eine Kirchenordnung nach Genfer Muster mit strenger Sittenzucht und Kirchenbann vor; unter Berufung auf die Berner Reformationsbeschlüsse wurde sie abgelehnt. Ob der als zu ängstlich getadelte Kollege Virets Valier ist, ist nicht sicher. Zu Calvins Bemerkung über den Zustrom von Refugianten ist zu melden, dass im Oktober 1558 dreihundert auf einmal in Genf aufgenommen wurden.

Über Virets Kampf um den Kirchenbann.

Ich habe deinen Brief vor den Toren der Stadt erhalten, als ich eben vom Landhäuslein meines Bruders in ein anderes Dorf spazierte, nach der Vorschrift der Ärzte mir Bewegung zu verschaffen. Deine Gegner treibt, soviel ich sehe, der Satan kopfüber ins Verderben, da sie offenkundig verweigern, was sie wirklich ohne Gefahr hätten zugeben dürfen. Ich hätte sie tatsächlich für vorsichtiger gehalten und geglaubt, sie würden Ausflüchte suchen und, was ihnen Schmach und Entrüstung bringen könnte, auf andere schieben. Jetzt hast du mit ihnen ja nichts mehr zu schaffen, sondern musst nun den letzten Schritt tun, nämlich den Bernern offen erklären, dein Gewissen erlaube dir nicht, es länger beim Alten zu lassen. Das ist ein harter, aber notwendiger Kampf. Wenn du jetzt Bedenken hast, ihn zu wagen, was kannst du für später hoffen? Ich will die Gründe nicht aufzählen, weshalb du gerade jetzt das Äußerste wagen kannst, weil ich denke, dass du weißt und wohl erwogen hast, was ich dir auch immer vorbrächte. Und ich müsste mich auch sehr irren, wenn wir nicht auch darin einig wären, dass man gerade unter so bedauerlichen Umständen wenigstens das Beispiel mannhafter Standhaftigkeit geben muss. Du darfst auch nicht zu sehr auf die andern sehen; denn wenn auch alle Kollegen mit dir mutig auf dieser Sache bestehen müssten, so sorgt sich doch der, der der nächste dazu wäre, allzu sehr um seine Ruhe und seinen persönlichen Vorteil; andere säumen teils aus Dummheit, teils aus Gleichgültigkeit; ein Teil aber, und zwar nach meinem Urteil der bessere Teil, wird deinem Banner folgen. Die Sorge um deine Gemeinde macht dir zwar mit Recht zu schaffen, aber wir müssen das eben der Vorsehung Gottes überlassen. Verlierst du deine Stelle in Lausanne, so musst du eben wieder an deine alte hierher zurückkommen. Die Stadt wird bald die Menge der Zuströmenden nicht mehr fassen. Aber eher, – darauf baue ich, – wird man den Mauerring erweitern, als Kinder Gottes ausschließen. Zwar wird’s ein beschwerliches und kostspieliges Bauen geben, aber man muss eben daran denken, wie viel leichter das noch ist, als vierzig Jahre lang in Zelten zu leben, wie Israel in der Wüste. Wie, wenn dein Weggehen diese ungeschlachten Gesellen einmal aufweckte, die alle Lehre meinen verachten zu können in ihrer Trunkenheit? Wenn es den guten Brüderlein, die in ihren Häusern sitzen und sich der Ruhe freuen, Scham einflößte? Glaube mir und gehe freudig dahin, wohin dich die Notwendigkeit ruft, ja zwingt; denn es ist nichts besser, als ein gutes Gewissen, wenn wir unsere Pflicht getan haben. Lebwohl, bester Bruder und treuester Knecht Christi. Der Herr sei mit dir; er leite dich und mache dich immer reicher an seinen Gaben. Ich kehre nicht vor morgen nach Genf zurück; so grüßen dich nur die Freunde herzlich, die mit mir auf dem Lande sind, de Normandie, de Varennes, mein Bruder und unser Gastfreund in Sacconex.

16. März 1558.
In Wahrheit dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret und Beza in Lausanne (535).

Nr. 535 (C. R. – 2704)

Über Zurkinden, den Berner Stadtschreiber, vgl. 485. Gribaldo stand in Bern in Untersuchung wegen seines Glaubens.

Von einer Klatschgeschichte.

Ich meinte bisher, in Genf stehe das Klatschwesen am meisten in Blüte, aber Lausanne übertrifft uns darin noch weit, wie ich sehe. Ein Beispiel von vielen: Zurkinden beklagt sich, er sei sehr gehässig und schmählich in Lausanne verlästert worden, weil ich geschrieben hätte, er habe Gribaldo in einer sehr schlimmen, ja abscheulichen Sache beschützt. Ich möchte daher, dass der Brief, den ich dir oder Beza geschrieben habe, unserm Ratsschreiber gezeigt wird, damit er sieht, dass, was ich schrieb, böswillig verdreht worden ist. Zurkinden sagt, ein Diener am Wort habe es ihm berichtet, was mir nicht neu ist; denn ich weiß, dass in diesem heiligen Stand viele Verleumder sind. Ich hatte in der Art geschrieben, dass deutlich aus meinen Worten hervorging, Müslin solle die tolle Prahlerei des Arztes abweisen; von Zurkinden, den auch ein Makel getroffen, hatte ich gesagt, es wundere mich nicht; denn in seiner allzu großen Neigung zur Milde weiche er oft vom rechten Wege ab. Bringe womöglich heraus, welcher gute Bruder der Angeber gewesen ist.

Für Herrn Beza: Ich habe dieser Tage die Schrift, die du neulich mitbrachtest, angeschaut, aber mich noch nicht entschlossen, ob ich antworten soll. Indessen möchte ich wissen, wer der Verfasser ist und ob es nach Castellio schmeckt, schließlich wie du zu der Abschrift gekommen bist.

Lebt beide wohl, beste, treffliche Brüder. Der Herr behüte, leite, bewahre und segne Euch stets. Amen.

Genf.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (516).

Nr. 516 (C. R. – 2577)

Weggelassen eine Notiz über die Besetzung einer Pfarrstelle in Paris. Antoine Calvin wohnte mit seiner Frau Anne, geb. Le Fert, bei seinem Bruder; der bucklige Pierre Daguet war der Famulus des Reformators.

Von häuslichem Leid.

– – – Mehr kann ich vor Betrübnis des Herzens nicht schreiben. Denn die Buhlerin, die in meinem Hause wohnte und meines Bruders Weib war, hat, wie wir entdeckt haben, mit dem buckligen Pierre Unzucht getrieben. Als Trost in unserm Kummer hoffen wir nur, dass mein Bruder wenigstens durch Scheidung von ihr frei werden kann. Lebwohl, liebster, bester Bruder. Grüße deine Kollegen von mir, auch deine Frau und deine Töchterlein. Der Herr behüte, leite und segne Euch alle.

Genf, 7. Januar 1557.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (512).

Nr. 512 (C. R. – 2557)

Ribit war Professor in Lausanne; er hatte Calvin offenbar wegen eines nach Frankreich zu sendenden Pfarrers geschrieben. Antistes Sulzer von Basel hatte von der Reformation in der Grafschaft Baden-Durlach berichtet, zu der Superintendent Jakob Andreä aus Göppingen berufen worden war.

Von körperlichen Leiden. Die Reformation in Baden.

Auf den Brief unseres Bruders Ribit antworte ich dir, damit der Bote nicht meint, es sei zwischen uns eine Entfremdung eingetreten. Sobald der nach Montbeliard Geschickte zurückkommt, haben wir jemand zur Hand, der mit dem Schulmeister reisen kann. De Dommartin wird, ehe zwei Tage um sind, von mir Antwort erhalten. Eben greift mich das Leibweh so heftig an, dass ich nicht gut länger schreiben kann. Das ist nun schon der vierte Tag, und ich spüre noch nicht, dass es viel nachlassen will; dazu habe ich noch mit Klystieren zu tun.

Weil mir Ribit von der Reformation in der Markgrafschaft Baden geschrieben hat, lege ich dafür einen Brief Sulzers bei, aus dem Ihr einiges darüber erfahrt. Es freut mich, dass ein Gelehrter, wie dieser Jakob Andreä, der uns gar nicht fern steht, mit ihm dazu berufen worden ist; er wird ohne Zweifel auf fromme Mäßigung bedacht sein. Allen Kollegen viele Grüße. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Der Herr sei stets mit Euch, er behüte und leite Euch.

Genf, 29. November 1556.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (506).

Nr. 506 (C. R. – 2522)

Da die Händel in der französischen Gemeinde in Frankfurt fortdauerten, wurde Calvin dorthin berufen, sie zu schlichten. Der Lausanner Professor Eusthatius du Quesnoy (vgl. 467) war Belgier und dadurch wohl mit einzelnen Landsleuten in Frankfurt bekannt; deshalb wünschte Calvin seine Begleitung.

Vorbereitungen zur Reise nach Frankfurt.

Da die Notwendigkeit mich zwingt und nun auch Glauburg anderer Meinung ist und meine Reise nach Frankfurt billigt, darf ich diese Mühe nicht scheuen. Auch dem Rat und meinen Kollegen wars Gewissenspflicht, mich nicht zu hindern. Nächsten Mittwoch gegen Abend komme ich nach Lausanne. Welchen Weg ich dann einschlage, weiß ich noch nicht bestimmt. Reise ich zunächst zu Farel, so muss ich meine Begleiter, die zur Messe ziehen, verlassen, was mir recht unbequem wäre; doch lieber das, als dass ich an unserm lieben Farel vorbei reiste. Denn wenn er gesagt hat, er wolle mit mir reisen, so bin ich nicht gleicher Meinung; er soll sich doch solcher Mühe mit wahrscheinlich winzigem Erfolg und doch nicht ohne Gefahr nicht unterziehen. Wie ich höre, herrscht in Frankfurt die Pest; die Reisekosten werden vermutlich recht groß sein, ein Umstand, den ich selbst auch scheue. Wozu soll sich der alte, fromme Mann solchen Gefahren aussetzen und sich nichts holen als große Ermüdung? Aber beschließt Ihr, da ich jetzt keine Zeit habe, ihm alles das zu schreiben. Komme ich dann nach Lausanne, so will ich tun, was Ihr beschlossen habt. Wenn Herr Eusthatius, wie ich hoffe, sich auch zur Reise rüstet, so wird er wohl schon in Bern sein, ehe ich zu Euch komme. Lass ihn also die Briefe Valerands und seiner Presbyter lesen und behalte sie dann bei dir; denn vermutlich wird es sehr nötig sein, dass ich sie mitnehme. Lebwohl, bester, liebster Bruder. Über deine Gesundheit können wir dann auf der Durchreise reden, wenn ich dich sehe. Herrn Beza und den andern Freunden viele Grüße. Der Herr erhalte Euch alle gesund.

Genf, 21. August 1556.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret und Beza in Lausanne (461).

Wer der genannte Etienne ist, wird nicht klar. Die Gefangenen von Chambery (vgl. 455) hatten berichtet, sie seien zum Feuertod verurteilt. Die Genfer Verbannten, Perrin und seine Genossen, stellten in Bern und Lausanne Calvin als ihren Hauptgegner dar, der sie vertrieben habe.

Vom Hass der Feinde.

Ich schicke Euch hier den Brief unseres lieben Etienne, aus dem Ihr seht, dass Christus auch unter dem Kreuze herrscht, mag Satan auch noch so sehr wüten. Was er wegen eines Schulmeisters verlangt, müssen wir uns angelegen sein lassen. Ist jemand bei Euch, der fähig ist, diese Aufgabe fröhlich zu übernehmen, so sendet ihn. Hier wollte ich noch nichts unternehmen.

Von Chambery kam kein Bericht seit dem Brief von den Brüdern, den ich Euch zum Lesen sende. Lasst ihn mir gleich wieder zukommen, wenn Ihr ihn gelesen habt; denn ich habe ihn bisher für mich behalten und zwar im Einverständnis mit meinen Amtsbrüdern. Wie furchtbar mich die ganze gegnerische Partei herunterreißt, weiß ich wohl, und ich mache täglich an mir die Erfahrung, wie fremd doch einem gut gearteten Menschen der grausame Tyrannensinn ist, den der antike Dichter in die Worte kleidet: Mag man mich hassen, wenn man mich nur fürchtet! Hätte ich die Wahl, ich möchte lieber der Allerverachtetste sein. Doch da es Gott anders gefällt, muss ichs tragen; er wird schließlich den Seinen doch beistehen; unterdessen ist das Beste das gute Gewissen, das mich stützt. Berthelier hat heute wieder wie die andern versucht, seine Partei von aller Schuld rein zu waschen; sich selbst hat er des Todesurteils wert bekannt. Über all das mündlich mehr; nur das noch, er schien eine gewisse Reue zu fühlen. Lebtwohl, beste Brüder. Der Herr sei mit Euch; er leite und behüte Euch.

Genf, 9. September 1555.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (391).

In Orbe, Virets Vaterstadt, die von Bern und Fribourg abhängig war, standen sich Katholiken und Reformierte ziemlich gleichstark gegenüber, doch überwogen die Katholiken noch um ein Weniges, so dass trotz Virets Bemühungen die Reformation noch nicht zum Sieg gelangt war. Nachdem Berthelier (vgl. 350, 377) an Weihnachten nochmals vergeblich den Zutritt zum Abendmahl verlangt hatte, wurde im Januar vom Rat eine Kommission eingesetzt. Sie brachte eine Aussöhnung Calvins und Perrins zustande, die am 30. Januar mit einem Bankett gefeiert wurde; ohne dass jedoch die Frage, ob der Rat oder das Konsistorium das Bannrecht habe, prinzipiell entschieden worden wäre; weshalb Calvin noch weitere Kämpfe voraussieht. Baudichon de la Maisonneuve war der heftigste politische und persönliche Feind Perrins.

Offizielle Aussöhnung mit Perrin.

Dass der Erfolg, auf den wir so bestimmt hofften, trotz deiner Arbeit ausgeblieben ist, ist sehr schmerzlich. Weil aber die Verzögerung wahrscheinlich nicht von langer Dauer ist, so wollen wir sie geduldig hinnehmen. Dass du von einer Seite, die dir doch einigen Trost bieten sollte, so unbillig belohnst wirst, ist dir ja gar nicht neu. Es muss uns eben genügen, dass der Kampfrichter im Himmel unser Kämpfen billigt; er übt uns in einem Kriegsdienst, der nicht nur hart ist, sondern auch wenig Ehren einbringt, damit wir eben nicht um menschlichen Beifall und Siegeskränze buhlen sollen. Unsere Verhältnisse sind noch durchaus ungeordnet. Ich persönlich bin zwar mit Perrin und Vandel ausgesöhnt worden; aber schon nächsten Montag wird es gelten, wieder in den Kampf zu gehen. Als Syndics sind gewählt Amblard Corne, Pierre Tissot, Claude du Pan und Michel de l´ Arche. In der Ratswahl ist keine Erneuerung eingetreten. Jean Baudichon hat einen neuen Streit. Zwei Tage vor den Wahlen wurde er aufs Rathaus berufen, zur Aussöhnung mit Perrin, ließ sich aber von seiner Streitlust soweit hinreißen, dass er sich grober Beschimpfung nicht enthielt. Gestern wurde die Sache sehr stürmisch verhandelt. Weil in der Person des ersten Syndics die Würde des Rats verletzt war, wurde Baudichon befohlen, er müsse in Gegenwart des Rats der Zweihundert um Verzeihung bitten, doch ohne weitere schimpfliche Bedingung. Da Perrin damit zugestanden wurde, was er wollte, ließ er sich leicht dazu herbei.

Der Überbringer dieses Briefes reist zu dir, um eine Frau zu finden; er sagt, er habe mit Prevots Schwester vom Heiraten gesprochen; sie wolle wohl, aber der Bruder nicht. Ich glaube wohl, dass Prevot guten Grund hat, so zu handeln; damit die Geschichte aber nicht mehr zu lange geht, tust du ein die Mühe lohnendes Werk, wenn du die beiden zu dir rufst. Denn, wenn der frommen, bewährten Frau diese Ehe nicht wohl ansteht, so kannst du bewirken, dass der Freier nicht mehr länger in eitler Hoffnung hingehalten wird, ist aber die Sache entweder schon weiter gediehen, oder scheint es dir gut, rasch zu einem Abschluss zu kommen, so kannst du durch dein Ansehen auch das zustande bringen. Lebwohl, bester, trefflichster Bruder. Grüße Herrn Beza, Jacques und die übrigen Brüder, auch bei dir zu Haus deine Frau und deine Töchterchen. Der Herr behüte Euch alle und segne Euer Wirken.

Genf, 6. Februar 1554.
Dein
Johannes Calvin.