Calvin, Jean – An Syndics und Rat von Genf.

Nr. 507 (C. R. – 2527)

Wen Calvin mit dem Moricaud meint, der sich über Genfs Verhalten gegen die Verbannten beschwerte, ist nicht ersichtlich. Eine Genfer Gesandtschaft bereiste damals die Schweizer Städte, um sich gegen solche Anklagen zu rechtfertigen.

Die momentane Lage im Streit mit den Verbannten.

Hohe, sehr verehrte Herren, da ich hier einen zuverlässigen Boten gefunden habe, will ich nicht unterlassen, meine Pflicht zu tun. Wir sind durch Gottes Gnade heute Morgen wohlbehalten in Basel angekommen, ließen dann aber die Pferde für den ganzen Tag rasten. Unterdessen besuchte ich Herrn Alt-Bürgermeister Bernhard Meyer, dem ich Ihre Empfehlungen ausrichtete. Auf der Reise durch Payerne habe ich die Beschwerden Moricauds erfahren: nämlich, Sie hätte gezeigt, dass kein Grund zur Verurteilung der Verbannten vorgelegen habe, da Sie nun noch neue Erkundigungen eingezogen und in aller Heimlichkeit Aussagen von allerlei eingeschüchterten Leuten eingeholt hätten, dass Perrin, Vandel und ihre Anhänger Verschwörer seien; darauf hätten Sie dann einen neuen Prozess aufgebaut, um ihn in Baden vorlegen zu können. In Solothurn ging das Gerücht, man treffe große Vorbereitungen, gleich nach der Tagsatzung die Fürsprecher [in den Burgrechtsverhandlungen] zurückzurufen. Doch halte ich dies bloß für herum gebotenes Geschwätz, das die Verbannten ausgestreut haben, um sich Vertrauen zu erwecken. Die Genfer Gesandten waren bereits hier in Basel, und heute nach dem Essen kam ein Brief aus Zürich, aus dem ich erfuhr, dass sie auch dort schon gewesen sind. Morgen, so Gott will, brechen wir auf, um unsere Reise fortzusetzen.

Damit empfehle ich mich nun Ihnen, hohe, sehr verehrte Herren, und bitte den lieben Gott, er möge Sie allezeit in Gnaden erhalten, Sie durch seinen Geist in allem Guten leiten, damit Sie ihm treulich dienen, und Ihre Stadt möge er behüten.

Basel, Sonntag, den 30. August 1556.
Ihr ergebener Diener
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An den Rat von Genf.

Ein gewisser Lambert Le Blanc war wegen widernatürlicher Unzucht verbrannt worden; der Rat forderte von einer Kommission, an deren Spitze Calvin stand, ein Gutachten, was mit den in den Prozess verwickelten jungen Leuten und Knaben geschehen solle.

Gutachten über die Bestrafung einiger Päderasten.

In Erwägung der Geständnisse und Aussagen, die die jungen Leute bei ihrer Konfrontation abgelegt haben in Gegenwart der hochedeln Herren Syndics und der Unterzeichneten, wegen des Vergehens der Sodomie, und nachdem wir alles wohl gehört, betrachtet, geprüft und verglichen haben, ist unsre Meinung: Genanntes Vergehen ist genügend erwiesen in Bezug auf genannte Knaben, und wie solches Vergehen eins der furchtbarsten und abscheulichsten ist, die es gibt (was aus heiliger Schrift und gemeinem Recht erhellt), so ist es bei solcher Jugend ein sonderlich seltsames, ungeheuerliches Vorkommnis. Immerhin finden wir, dass ein Unterschied besteht im Vergehen und in der Strafwürdigkeit bei genannten Knaben. Denn die beiden Jüngsten ließen nur solches Vergehen an sich ausüben und konnten bei ihrer großer Jugend das Furchtbare und Entsetzliche an genanntem Vergehen nicht so leicht begreifen, wie die andern drei. Nichtsdestoweniger können sie nicht ganz von der Strafe befreit werden, denn eine gewisse Urteilsfähigkeit und Überlegung konnten sie doch auch haben. Deshalb, und damit sie für die Zukunft einen Abscheu und eine Erinnerung an ihr Übeltun haben zur Vermeidung eines Rückfalls, scheint es uns, ohne besserer Ansicht vorgreifen zu wollen, richtig, dass sie mit Ruten gestrichen werden in verschlossenem Raum in Gegenwart genannter Herren und einiger ihrer Angehörigen. Die Knaben sollen durch das Erdulden solcher Strafe in Gegenwart ihrer Angehörigen lernen, sie in Zukunft mehr zu fürchten und sich ihrer Zucht und Ermahnung williger zu fügen. Und damit sie besser erkennen, dass ihnen damit noch Gnade erwiesen wird, und wie gräulich ihre Übeltat war, wird es gut sein, ihnen die Feuerstrafe vorzuführen, indem man ein paar Bündlein Holz vor ihnen verbrennt unter scharfer Androhung genannter Feuerstrafe, falls sie rückfällig werden. Über alles das soll ein Protokoll geführt werden.

Was nun die drei Älteren betrifft, so finden wir: in Anbetracht dieses ihres Alters sind sie zurechnungsfähig in genanntem Vergehen; dazu tritt die Gewohnheit, Vertrautheit und Kenntnis besagten Verbrechens und seiner Strafbarkeit und sein fortgesetztes, wiederholtes Tun; das nicht allein, nachdem sie gesehen haben, wie der letzte Sodomit zum Tod verurteilt und verbrannt wurde, sondern auch noch nach besagtem Verhör, wie sie alle drei gestanden. Dadurch wird ihre große, bewusste Bosheit erwiesen, in der jeder von ihnen auch schon versucht hat, kleine Mädchen zu schänden. Aus diesen Gründen finden wir nicht, dass sie um ihrer Jugend willen von der Strafe genannten Vergehens befreit werden sollen. Denn wenn die Gesetze vom Entschuldigen der Verbrechen Jugendlicher reden, so brauchen sie den deutlichen Ausdruck unmündige Kinder, und damit sind solche gemeint, die noch nicht zurechnungsfähig sind und wirklich nicht wissen, was sie tun, und nicht bereits mannbare oder der Mannbarkeit nahe junge Leute, die der Bosheit fähig sind, solche Vergehen fortgesetzt zu verüben. So können wir nach Anordnung des Rechts nicht finden, dass die Burschen die Todesstrafe nicht verdient hätten; immerhin nicht in der scharfen Ausführung, wie wenn sie schon älter gewesen wären. Es würde nach der Strenge des Gesetzes, um die Strafe dem Vergehen entsprechen und doch um ihrer Jugend willen nicht gar zu streng sein lassen, genügen, wenn sie ertränkt würden. Sollten jedoch Ew. Exzellenzen geruhen, ihnen die Todesstrafe in Gnaden zu schenken, so scheint es uns doch unumgänglich, dass sie einer um der Abschreckung willen öffentlichen, körperlichen Züchtigung unterworfen werden. Denn es ist unmöglich, das Vergehen zu verbergen und zu verschweigen, und es läge in der Straflosigkeit oder Verheimlichung der Strafe größere Gefahr, als im öffentlichen, abschreckenden Strafvollzug, wobei auch zu erwägen ist, dass man den Zorn Gottes fürchten müsste, der nicht darum ein solches Vergehen bei solchen Leuten aufgedeckt hat, damit es sogar in dieser Stadt ungestraft bleibe. Es bestünde Gefahr, dass der Herr durch eine viel entsetzlichere Strafe offenbar machte, was die Menschen verbergen wollten, und dass sein Zorn dann auch andere mit ins Unglück brächte. Deshalb scheint es uns, verdienen die drei größern Burschen mindestens, an den Kreuzwegen öffentlich ausgepeitscht zu werden, den Strick um den Hals, und an einigen Stellen, wo sie ausgepeitscht werden, soll ein Feuer angezündet werden, um ihnen zu zeigen, welche Strafe ein so abscheuliches Verbrechen verdiente; auch soll ihnen damit angedeutet und gedroht werden, was sie bei einem Rückfall erwartet. Und damit sie, nach genannter Strafe der Auspeitschung, nicht dem Abscheu des Volkes zu sehr ausgesetzt sind, sollen sie dann für bestimmte Zeit irgendwo, wo es Ihnen gut scheint, in Haft gehalten werden, z. T. bei Wasser und Brot, und wenn Sie beschließen, sie ihren Angehörigen zum Hausarrest anzubefehlen, so soll diesen eingeschärft werden, was ihnen damit überbunden wird.

[März 1554]

Germ. Colladon Johannes Calvin
Francois Chevallier Abel Poupin.

Calvin, Jean – An den Rat von Genf.

Am 1. September 1552 fand vor dem Rat eine Auseinandersetzung zwischen Trolliet und Calvin über die Prädestination statt; dazu reichte nachher Trolliet eine Begründungsschrift ein, in der Calvin beschuldigt wurde, er mache Gott zum Urheber der Sünde, und ihm Melanchthons Lehre entgegengehalten wurde. Calvins Antwort ist nur um einen kleinen, unwichtigen Abschnitt gekürzt.

Ist Gott der Urheber der Sünde?

Erstlich, gnädige Herrn, wenn Trolliet seine Schrift nennt: Begründung der Disputation, die er gegen mich gehalten habe, so weiß ich nicht, worauf das geht und mit welchem Recht er das tut, als bloß etwa, um vor Unkundigen den Ruhm zu erwerben, er habe gegen Johannes Calvin disputiert. Dabei wissen doch Ew. Exzellenzen, wie der Vorgang war, dass er nämlich bestürzt verstummte und nichts antworten konnte als, er verstehe das nicht. So täte er gut, sich solcher Prahlereien zu enthalten, die ihn nur zu sehr dazu gereizt haben, Verwirrung und Händel anzurichten, die unnötig waren für ihn wie für andere. Denn wäre er bei der Bescheidenheit geblieben, die ihm nach seiner Begabung anstand, so hätte er diesen Zank nie begonnen.

Der Hauptpunkt ist, dass er dergleichen tut zu begründen, was er gegen mich vorbrachte, und dabei alles verdreht. Denn die Streitfrage, die am 1. September verhandelt wurde, war, dass er mir vorwarf, ich mache Gott zum Urheber der Sünde. Ich leugnete das und zwar mit Entrüstung, die ein solches Vorgehen verdiente; denn das wäre eine zu abscheuliche Gotteslästerung. Darauf bemühte er sich, es zu beweisen, indem er die Stellen [aus meinen Werken] anführte, die er auch in seiner Schrift zitiert. Der springende Punkt unserer Sache liegt also darin, ob ich Gott zur Ursache des Übels und der Sünde mache oder nicht, wie er es in Ihrer Gegenwart mehr als zehnmal behauptet hat. Und außerdem bestand gar keine Schwierigkeit in Hinsicht des ersten Punkts, [den er anführt]. Denn ich leugne durchaus nicht, was ich geschrieben habe, aber ich sage, wie müssen ein Grauen davor empfinden, das Wort Sünde auf Gott anzuwenden, da in ihm nichts ist als Recht und Gerechtigkeit, ja da er Wesen und Quelle der Gerechtigkeit ist. Deshalb wundere ich mich, dass Trolliet sich nicht geschämt hat, diese meine Aussage zu leugnen. Wie dem auch sei, – wenn er auf diese Leugnung beharrt, so fordere ich nach Recht und Vernunft, dass die gnädigen Herren geruhen wollen, Ihrem Schreiber vor dem Fortgang des Prozesses aufzutragen, mich davon in Kenntnis zu setzen. Denn ich kann und darf nicht dulden, dass ein solcher Schimpf mir angetan werde, ohne dass ich mich davon reinigen kann, wie es sich gehört.

Im Übrigen tut mir Trolliet in den Zitaten, die er aus meiner Instituio in seinem Bericht aufführt, schweres Unrecht, das es aus dem Zusammenhang gerissene, verdrehte Worte sind. Ja er mengt und mischt sogar unter das, was ich lehre, die Einwürfe, die in meinem Buch genannt sind als die der Lästerer. Er musste sich darüber ja schon sehr schämen, als ich ihm bewies, in der Art könne man St. Paulus vorwerfen, er habe Gott ungerecht genannt. Aber dass Trolliet nun in der gleichen Handlungsweise beharrt, ist unerträglich. So ist also, was er zitiert von der ersten Seite des Blatts 461 [der Institutio], schlecht angebracht und dem entgegen, was ich in Wirklichkeit sagen wollte, denn er häuft da an, was ich die Bösen sprechen lasse, um sie zu widerlegen und zu verurteilen. Doch bekenne ich durchaus, geschrieben zu haben, dass Gott den Fall Adams nicht nur vorausgesehen, sondern auch angeordnet hat, und halte es als wahr aufrecht, nicht ohne gute Gründe und Zeugnisse aus der heiligen Schrift. Mein Gegner rührt die Beweise, die ich bringe, nicht an, sondern sagt bloß, ich hätte übel geredet, bringt aber nichts vor zum Beweis, dass es so ist, als dass es ihm gefällt, so zu entscheiden. Urteilen Sie selbst, gnädige Herren, ob das billig ist.

Zum Zweiten: Wenn er mich anklagt, ich hätte geschrieben, der Mensch sei durch Gottes Anordnung und Willen zur Sünde genötigt, so wünschte ich, wie ich schon oft sagte, man legte mir nicht solche mönchische Ausdrucksweise bei, wie ich sie nie gebraucht habe. Tatsächlich haben nur Kaffern so schwatzen können nach ihrer Dummheit. Meine Lehre aber sollte doch so betrachtet werden, wie ich sie aufstelle. Ich bekenne, dass die Bösen aus Notwendigkeit sündigen, und dass diese Notwendigkeit nach Gottes Anordnung und Willen besteht; aber ich füge bei, dass trotzdem diese Notwendigkeit nicht in der Weise ein Zwang ist, dass der einzelne Sünder zu seiner Entschuldigung sagen könnte, er sei dazu gezwungen worden. Und ich kann diese Lehre aus der heiligen Schrift so gut und gehörig begründen, dass es allen Menschen auf Erden unmöglich wäre, zu widersprechen. Ich wundere mich, dass mein Gegner seine Feinheit nicht benutzte, mich in dem zu widerlegen, was ich vor Ihnen sagte, und dass er sogar die mehr als einleuchtenden Beweise mit Stillschweigen übergeht, die ich dazu in meinen Büchern vorbringe. Er sagt, er habe das Gegenteil aufrecht gehalten und meine Meinung wolle und könne er nicht billigen. Wäre er der weiseste Mann der Welt, so hieße das doch, sich zu viel Autorität anmaßen, dass man ihm glauben soll, wenn er einfach sagt, er wolle und könne dem nicht beipflichten, was man ihm vorschlägt. Umso weniger Grund hat ein Mann, der in der heiligen Schrift nicht geübt und überhaupt kein kompetenter Richter in theologischen Fragen ist, zu verlangen, dass man um seines einfältigen Kopfes willen die verwerfe, denen Gott die Gnade gegeben hat, etwas mehr davon zu verstehen. Wenn nun, hohe Herren, die Beweise, die Sie von mir gehört haben, Ihnen nicht genügen, so anerbiete ich mich, noch mehr zu erbringen, sofort, wenn Sie wollen. Im Übrigen berufe ich mich auf den Inhalt des Buches von der Prädestination und Vorsehung Gottes.

Zu den Widersprüchen, die Herr Trolliet erfunden hat: Mein Gegner meint, ich widerspreche mir selbst, wenn ich lehre, der Mensch habe die Ursache seiner Verdammnis viel mehr in seiner verdorbenen Natur als in der Prädestination Gottes zu suchen. Er sieht aber nicht, dass ich dabei ausdrücklich sage, dass die Verdammung zwei Ursachen hat, die eine, die verborgen liegt im ewigen Ratschluss Gottes, und die andere, die ganz offen vorliegt in der Sünde der Menschen. Da Trolliet nun bekennt, dass das wahr sei, so verurteilt er sich selbst mit eigenem Mund und eigner Unterschrift, und ich meinerseits nehme dies sein Bekenntnis gerne an, da es zeigt, dass er nie auch nur einen einzigen Punkt von der Frage verstanden hat, in der er so kühn mitredet. Der Knotenpunkt der ganzen Frage, gnädige Herrn, ist doch der: Ich sage, alle Verworfenen werden überführt von ihrem Gewissen, dass sie schuldig sind und so auch ihre Verdammnis gerecht, und dass sie Unrecht tun, wenn sie das übersehen, was ganz offen liegt, und dafür eindringen wollen in den geheimen Ratschluss Gottes, der uns unzugänglich ist. Trotzdem zeigt uns die Schrift wohl, dass Gott die Menschen vorausbestimmt hat zu dem Ende, zu dem sie kommen sollen. Warum und wie er das tut, können wir nicht wissen; denn es wird uns darüber nichts gesagt. – – –

In Beziehung auf die Zitate aus dem Werke Melanchthons bekenne auch ich, dass Gott nicht der Urheber der Sünde ist. Ja ich habe in besondern Schriften diesen Glaubenssatz so energisch festgehalten, wie man es von einem treuen Diener Gottes verlangen kann. So ist es ganz überflüssig, diesen Satz als Streitfrage zwischen uns aufzustellen. Doch bekenne ich freilich, wie ichs schon früher erklärt habe, dass die Lehrart Melanchthons von der meinigen abweicht. Ich habe Ihnen, hohe Herren, auch schon gezeigt, woher das kommt. Melanchthon, der ein ängstlicher Mann ist, hat sich, um nicht neugierigen Leuten Anlass zum Eindringen in Gottes Gemeinde zu bieten, nur zu sehr dem gesunden Menschenverstand anpassen wollen. So redet er deshalb mehr als Philosoph denn als Theologe in dieser Frage, was sich schon darin zeigt, dass er am Schluss keine bessere Autorität weiß, um seine Darstellung zu stützen, als Plato. Und da er seine Meinung deutlich als vermittelnde bezeichnet, so bedeutet das eben so viel, wie wenn er bekennte, in zwei Wassern zu schwimmen, was mein Gegner etwas mehr hätte betonen dürfen.

Übrigens, hohe Herren, wer uns beide, Melanchthon und mich in Gegensatz bringen will, tut uns beiden und überhaupt der ganzen Kirche Gottes schweres Unrecht. Ich ehre Melanchthon ebenso wohl um des ausgezeichneten Wissens, über das er verfügt, als um seines edlen Charakters willen, vor allem aber wegen seiner treuen Wirksamkeit zur Erhaltung des Evangeliums. Finde ich etwas an ihm, was Widerspruch fordert, so verschweige ich es ihm nicht, wie er mir auch volle Freiheit lässt, so zu handeln. Was nun ihn angeht, so sind Zeugen genug vorhanden, die wissen, wie er mich liebt, und ich weiß, er würde die verabscheuen, die ihn zum Vorwand nehmen, meine Lehre in irgendeiner Weise anzuschwärzen. Solche Leute suchen auch nichts anderes, als Unkraut und Ärgernis auszusäen, um das Evangelium in seinem Lauf aufzuhalten. Ich will mich nicht damit versäumen, die von meinem Gegner zitierten Stellen zu widerlegen, in denen Melanchthon keinen Gelehrten zufrieden stellt, in denen er mit allzu menschlicher Vorsicht ausweicht und sich nicht getraut zu sagen, was er für wahr erkannt hat, weil er fürchtet, es könnten nicht alle fähig sein, es zu hören. Ich könnte Ihnen Briefe von Melanchthons Hand vorlegen, in denen bewiesen war, was ich sage. Wenn aber meinem Gegner die Freiheit zugestanden würde, sich für die Seite zu entscheiden, die ihm besser gefällt, und beliebige Schlüsse über die Schriften gelehrter Leute abzugeben, so wären Sie seiner Gnade oder Ungnade ausgeliefert und müssten drei Sakramente annehmen, darunter die Beichte, weil es Melanchthon so hält. Ich sage das nur, damit Trolliet selbst sich besser kennen lernt und nicht mehr so sehr geneigt ist, ins Blaue hineinzuschwatzen.

Was mich angeht, hohe Herren, so bin ich in meinem Gewissen sicher, dass, was ich gelehrt und geschrieben habe, nicht in meinem Kopf entstanden ist; sondern von Gott habe ich es, und ich muss festhalten, wenn ich nicht zum Verräter an der Wahrheit werden will, wie ich bereits zur Genüge gesagt zu haben glaube. Falls es Ihnen gut scheint, bin ich zu weiterer Antwort bereit, bis mein Gegner überführt ist, mich zu Unrecht angeklagt zu haben, wider alle Wahrheit und Vernunft.

[6. Oktober 1552.]

Calvin, Jean – An den Rat in Genf.

Wohl infolge von Calvins Klage reichte Trolliet Gegenklage wegen Beleidigung in einer Predigt ein, in der Calvin diejenigen, die in den Wirtschaften seine Lehre lästerten, Kanaillen genannt habe.

Verteidigung gegen Trolliets Vorwürfe.

Erstlich bestreitet besagter Calvin, dass der Wortlaut in der Sonntags, den 12. Juni, gehaltenen Predigt so gewesen sei. Aber weil im Text, den er erklärte, die Rede war von dem Bann, den St. Paulus und St. Barnabas aussprachen, und dem Fluch, den sie gegen die Verächter und Gegner des Wortes Gottes schleuderten [Apg. 13, 7 ff.], da wendete besagter Calvin dies, wie es sich gehörte, auf unsere Zeit an und erklärte, es gebe, wie man heute sehe, verschiedene Arten unglückseliger Menschen, die dem Wort Gottes widerständen. Unter ihnen nannte er die, die seine Lehre in den Wirtshäusern verlästerten. Damit man ihm aber nicht erwidern könne, dass Widerstand gegen ihn noch kein Angriff auf Gott sei, so bezeugte er, wie es seine Pflicht war, dass er von Gott habe, was er lehre, wie sein Gewissen es ihm bezeuge. Auch rief er dafür als Zeugen auf alle wahren Gläubigen und sagte, wenn sie im Glauben seine Lehre aufgenommen hätten, so hätte sie eine gute, genügende Beglaubigung dafür in ihrem Herzen. Endlich zum Schluss mahnte er alle guten Christen, fest und standhaft zu sein gegen alle solchen Gottlosigkeiten, Gegenreden und Spöttereien über Gottes Wort, alle solche Kanaillen zu verabscheuen und sie für fluchwürdig zu halten, umso mehr, als man sich selbst an ihnen beflecke, wenn man sich nicht fern von ihnen halte nach dem Gebot unseres Herrn Jesu Christi, und sagte auch, er würde sie verwerfen und bannen, wenn es bei ihm stünde. Das ist der Wahrheit gemäß und ohne alle Verkleidung die Art, wie er vorging.

Wenn besagter Trolliet zu diesen Leuten gehört, so beruft sich Calvin damit auf ihn selbst. Wens juckt, der kratzt sich, wie das Sprichwort sagt. Was besagter Trolliet noch beifügt, er hätte Calvin widersprochen, wenn ihn nicht eine gewisse Furcht abgehalten hätte, das zeigt, wie bescheiden und ruhig er ist und beweist zur Genüge, dass er sich damals schon schuldig fühlte. Deshalb ists auch gar nicht nötig, dass man [seine Schuld] erst nachweist. Übrigens, hohe Herrn, eine solche Klage sollte gar nicht von Ihnen angenommen und gehört werden; vielmehr ist es Ihre Pflicht, sie energisch zu unterdrücken und zu strafen als Schmähung und Geschwätz, das keinen andern Zweck hat, als den Frieden der Kirche zu stören, alle Ordnung und Zucht, die wir von Gott haben, umzustoßen und die Ehrfurcht, die man der Predigt schuldig ist, zu vernichten. Und wenn genannter Trolliet schon vorher gefehlt hat, so macht er sein Vergehen nur immer noch schlimmer.

Wenn nun besagter Trolliet sich rühmt, er sei ebenso gut imstande, die Sakramente zu empfangen, wie besagter Calvin, sie zu verwalten, so musste er sich doch zuerst besser darauf vorbereiten. Übrigens möge er sich daran erinnern, dass St. Paulus sagt: Darum ist einer noch nicht tüchtig, dass er sich selbst lobet [2. Kor. 10, 18]. Wenn er benannten Calvin beschuldigt, ihn ohne Ursache beleidigt zu haben, so tut er ihm großes Unrecht. Und an Ihnen, hohe, sehr verehrte Herren, ists, nicht zu dulden, dass einer so frech ist, zu schmähen gegen einen Pfarrer, der seine Amtspflicht erfüllt. Denn zum mindesten war es wohl getan, dass besagter Calvin die Lehre festhielt, die er vorträgt, da er weiß, dass sie von Gott ist. Denn St. Paulus sagt, die Diener am Wort seien nicht nur geordnet zu lehren, sondern auch den Widersachern das Maul zu stopfen [Tit. 1, 9 – 11], und Menschen dürfen ihnen das Recht nicht rauben, das Gott ihnen gegeben hat. Ja, sie müssen notwendig auch Verteidiger der Lehre sein, die sie predigen, wie derselbe Apostel sagt. Nicht, dass besagter Calvin verlangte, bloß unter dem Vorwand seines Amtes unterstützt zu werden, sondern nur, wenn Sie wissen, dass er sich darin treulich, und wie er soll, benimmt.

Calvin, Jean – An den Rat in Genf.

Jean Trolliet, ein früherer Mönch, dessen Aufnahme ins geistliche Amt Calvin sich widersetzt hatte (vgl. 134), jetzt Übersetzer beim Genfer Rat, war der Theologe unter den Genfer Gegnern des Reformators; als Zensor des Rats hatte er Calvins Schrift über die Prädestination (vgl. 333) zu begutachten gehabt. Calvin reichte am 15. Juni folgende Klage gegen ihn ein (vgl. 183).

Klage gegen Trolliet.

Besagter Trolliet hat, als er im schwarzen Kopf in Gesellschaft zu Nacht aß, gesagt, er habe Calvin predigen gehört, der Teufel habe einen Mann von Genf geholt, und das sei nicht wahr.

Ferner, genannter Calvin maße sich zu viel Macht an, indem er in den Predigten schimpfe und sich gewöhnlich sehr ereifere. Ebenso wisse er wohl, das Leben der andern zu verdammen, ihnen das Gericht Gottes zu verkünden und ihnen ihren Untergang zu prophezeien, sich selbst stelle er aber in eine besondere Linie und rühme sich als gerecht und vollkommen, wie wenn er kein Mensch wäre.

Ferner habe er gesagt: Folgt mir nach, – als ob er von untadeligem Lebenswandel wäre; mindestens hätte er aber, wie St. Paulus, dazu setzen müssen, soweit ich ein Nachfolger Jesu Christi bin [1. Kor. 16, 17]. Ferner sei die Lehre besagten Calvins durchaus nicht evangelisch, und er wolle darin mehrere Widersprüche nachweisen.

Ferner rühmte sich genannter Trolliet, das Buch über die Prädestination auf Befehl der gnädigen Herren gelesen zu haben, um festzustellen, ob es gedruckt werden dürfe, und es stehe darin allerlei, was Widerspruch herausfordere.

Nun fordert genannter Calvin, dass über den dritten Punkt, wo davon die Rede ist, er rühme sich als gerecht, genanntem Trolliet die Frage vorgelegt werde, ob er nicht, als einer aus der Gesellschaft antwortete, Calvin bekenne sich wohl als Sünder, von größern und gerichtlich strafbaren Vergehen geredet habe?

Calvin, Jean – An den Rat von Genf.

Nach der am 22. Dezember 1551 erfolgten Verurteilung Bolsecs zu ewiger Verbannung bei Strafe der Stäupung widmete Calvin im Namen aller seiner Kollegen der Obrigkeit die gegen Pighio und den Sizilianer Georg gerichtete Schrift über die Prädestination, die als Consensus Genevensis den Charakter einer Bekenntnisschrift erhielt. Weggelassen ist eine Charakterisierung der Lehre Bolsecs, die in den folgenden Briefen wörtlich wiederholt wird.

Der Genfer Rat als Beschützer der Prädestinationslehre.

Derselbe Grund, der uns zur Abfassung dieser Schrift bewog, bringt uns auch dazu, sie Euch, edelste Herren, zu widmen, damit sie unter Eurem Namen und Ansehen ausgehe. Die Gnadenwahl Gottes, durch die er aus dem verlorenen und verdammten Menschengeschlecht zu Kindern annimmt, welche er will, ist bisher nicht weniger ehrfurchtsvoll und besonnen, als ehrlich und ungeschminkt von uns in Genf gelehrt und vom Volk ruhig angenommen worden; erst jetzt hat der Vater aller Unruhen, Satan, einen wandernden Marktschreier angestiftet, er solle versuchen, unsere Lehre, die aus dem reinen Worte Gottes genommen ist, zu zerstören und den Glauben des ganzen Volkes ins Wanken zu bringen. Weil aber dieser Hungerleider, der nach einem kleinen Rühmlein trachtete, durch seine Brandstiftung am Tempel Gottes nur bekannt werden wollte, so soll er nun auch diesen Preis seiner freveln Frechheit, den er möchte, nicht erhalten, und sein Name von uns mit Schweigen begraben werden. Im Übrigen ist es, da die Unannehmlichkeit, die er uns bereiten wollte, Euch ebenso sehr angeht, nur billig, dass auch Ihr einige Frucht davon erntet, und da wir Euch kennen lernten als energische, beherzte Verteidiger der guten Sache, so halten wir es für unsere Pflicht, Euch unsrerseits unsere Dankbarkeit zu bezeugen. Auch wird dadurch offen bekannt gemacht, welcher Art der Lehre Ihr Euren Schutz angedeihen ließet. Denn wenn es sich auch weder für die edeln Leiter eines freien Staates, noch für die Diener Christi ziemt, sich ängstlich vom Gerede abhängig zu machen, sondern vielmehr beide die vielen übeln Nachreden, die schon durch ihr heiseres Geschrei allmählich zunichte werden, getrost und wohlgemut verachten dürfen, so liegt doch sehr viel daran, dass eine Zusammenfassung des Sachverhalts, gleichsam an öffentlicher Stelle angeschlagen, vor den Augen und in den Händen der Menschen ist, die die unwahren Reden der Törichten, Leichtfertigen oder Bösen verstummen macht, und zugleich das leichtfertige Getuschel des Volkes unterdrückt. Ging doch manchen Orts das Gerücht, er liege in harter Haft, als er täglich noch über den offenen Markt laufen konnte. Wie boshaft auch die Erfindung giftiger Leute ist, wir wollten seine Todesstrafe, dafür seid Ihr uns die besten Zeugen. Solche Verleumdungen nur durch Verachtung und ruhige Größe der Gesinnung zu widerlegen, bis sie von selbst vergehen, ist die Pflicht des Ernstes und der Klugheit. Damit aber auch viele Leute, denen man doch Rechnung tragen muss, nicht im Ungewissen bleiben, ist ebenso nützlich als pflichtgemäß, den Sachverhalt allen offen darzulegen. Wie ein Krebs frisst um sich die Gottlosigkeit, sagt Paulus [2. Tim. 2, 17], wenn man ihr nicht entgegentritt. Diese Verteidigungsschrift nun, die wir unter Eurem Namen allen Frommen darbieten, wird hoffentlich zur Heilung der noch Heilbaren eine ebenso kräftige, wirksame Arznei, wie ein heilsames Vorbeugungsmittel für die noch Gesunden und Unberührten sein. Auch ists der Stoff wohl wert, dass Gottes Kinder ihren Eifer darauf richten, damit sie ihrer himmlischen Abstammung nicht vergessen. Denn töricht ist es, wenn einige die Gnadenwahl bestreiten, weil das Evangelium eine Gotteskraft genannt wird, selig zu machen alle, die daran glauben [Röm. 1, 16]. Es müsste ihnen doch in den Sinn kommen, woher der Glaube entsteht. Nun spricht es aber die Schrift überall aus, dass Gott seinem Sohne gibt, die sein waren, dass er beruft, die er erwählt hat, und durch seinen Geist wiedergeboren werden lässt, die er als seine Kinder angenommen hat; schließlich, dass die Menschen glauben, die er selbst innerlich gelehrt hat und hat ihnen die Macht seines Armes offenbart. Jeder nun, der festhält, dass der Glaube ein Angeld und Pfandder Annahme aus Gnaden ist, der bekennt auch, dass er aus dem Quell der ewigen Erwählung fließt. Und doch brauchen wir unsere Heilsgewissheit nicht in dem verborgenen Ratschluss Gottes zu suchen. In Christo ist uns ein Leben vor Augen gestellt, das sich im Evangelium nicht nur offenbart, sondern sich uns zum Genusse bietet. Auf diesen Spiegel sei der Blick des Glaubens gerichtet und begehre nicht dahin zu dringen, wohin kein Zugang ist. Das ist der Weg, den Gottes Kinder wandeln sollen, damit sie höher fliegen, als recht ist, noch in ein Labyrinth geraten, das tiefer ist, als mans wünscht. Und wie nun keine andere Tür zum Himmelreich führt als der Glaube an Christum, der zufrieden ist mit den klaren Verheißungen des Evangeliums, so ists allzu grobe Unempfänglichkeit, wenn wir nicht erkennen, dass Gott es ist, der uns die Augen aufgetan hat, weil er uns auserwählt hat, Gläubige zu sein, ehe wir im Mutterschoß empfangen waren. Dass es nun dieses unreinen, windigen Menschen Vorsatz war, nicht nur die Heilsgewissheit aus den Menschenherzen zu tilgen, sondern auch ihre Wirksamkeit ganz aufzuheben, das erhellt klar aus seinen Wahnideen, die Ihr von seiner Hand aufgeschrieben in den Akten habt. – – –

Dass wir ihn nun bei Seite ließen, und uns mit zwei andern, Alberto Pighio und Georg, dem Sizilianer, auseinandersetzen, schien uns aus einem doppelten Grunde nützlich. Denn da dieser ungelehrte Schwätzer nichts vorbrachte, was nicht aus diesen beiden Pfützen geschöpft war, und nur, was hier schon schlecht dargestellt war, noch geringer machte, so wäre der Kampf mit ihm doch gar zu gering. Ein Beispiel genüge dem Leser. Mit welchen Wortklaubereien Pighio und Georg das erste Kapitel im Epheserbrief verdunkeln, ist an seinem Ort gezeigt. Sind nun sie schon recht abgeschmackt, so ist doch die Dummheit des Menschen noch stinkender, der nicht errötete, in Eurem Ratsaal und vor so Ehrfurcht gebietender Versammlung zu behaupten und, was er frech behauptet, hartnäckig festzuhalten, es handele sich da nicht um die Seligkeit aller Gläubigen, sondern nur um die Erwählung Pauli und seiner Genossen zum Apostelamt. Ihr besinnt Euch noch, wie schnell wir bereit waren, ein so nichtiges Geschwätz zu widerlegen. Wir sagten: Wer sich einem solchem Lehrer als Schüler anschließe, lerne eine unglückliche Theologie, die uns alle der Zuversicht auf ewige Seligkeit beraube, da ja dann nur die Apostel teilhaft wären der Gotteskindschaft, nur sie mit Gott durch Christum versöhnt, gesegnet und zur Gemeinschaft der Heiligen berufen [Eph. 1, 5 – 14]. Solche Widerlegung war im Augenblick selbst am Platz, aber durch ein eignes Buch eine solche unvernünftige Kreatur zu widerlegen, dass würde sich nicht wohl passen. Es ist uns auch nicht verborgen, wie selbstgefällig er ist, und es ist auch nicht verwunderlich, dass einer, der gleich, nachdem er die Mönchskutte abgeworfen, die Maske eines Arztes anzog, so frech ist; aber um seinetwillen zum Ärger vieler auch uns zu Narren zu machen, dazu sind wir wirklich zu bescheiden. Ferner, da jene zwei Schriftsteller bekannte, offene Feinde des Evangeliums sind, der eine von ihnen den Calvin auch mit Namensnennung angegriffen und uns und der Genfer Kirche den Krieg erklärt hat, schien es uns ratsamer, das öffentlich in gedruckten Büchern verbreitete Gift der falschen Lehre auszufegen, als durch die Veröffentlichung trauriger Geschichten, die besser verborgen bleiben, die Ohren der Leute zu belästigen und zu ermüden, die schon genügend mit unnötigen Händeln geplagt sind.

Gott der Herr gebe, dass Ihr, großmächtige, edle Herren, wie Ihr bisher löblicher Weise tatet, auch fernerhin unermüdet bis ans Ende die reine evangelische Lehre, die von der feindseligen Leidenschaft der Welt vertrieben wird überall, mit treuem Schutze schirmet und nicht aufhöret, alle Frommen, die sich in Euren Schutz begeben, in Eure Gemeinschaft aufzunehmen, dass so Eure Stadt in all den furchtbaren Wirren ein starkes Heiligtum Gottes und ein sicherer Zufluchtsort für alle Glieder Christi sei. Dann wird’s auch geschehen, dass Ihr ihn als den ständigen Schirmherrn Eures Heils spürt, und das Gemeinwesen, das ihm ein heiliger Wohnsitz ist, wird sicher durch seine Kraft nie wanken.

1. Januar 1552.

Calvin, Jean – An den Genfer Rat.

Im Hause des 1547 hingerichteten Jacques Gruet (vgl. 205) fand sich ein Manuskript blasphemischen Inhalts. Der Rat ersuchte Calvin um ein Gutachten und verurteilte dann das Buch Gruets zur Verbrennung durch Henkershand; am 25. Mai 1550 wurde das Urteil vollstreckt.

Gutachten über Gruets gotteslästerliche Schrift.

Da die gnädigen Herren geruhen, mich um meine Meinung über das Buch Gruets zu fragen, so scheint mir, vor allem müsse man auf rechtlichem Weg die Identität der Handschrift feststellen lassen, nicht sowohl wegen der Verdammung des Menschen, der schon genug verdammt ist, als vielmehr um der Folgen willen, nämlich, dass man nicht denke, es sei nur eine leichte Aufregung über ein Buch ungewissen Verfassers gewesen, und auch im Blick auf mögliche Anhänger und Helfershelfer. Ist das geschehen, so darf die Vernichtung des Buches nicht wie ein stilles Begräbnis sein, sondern ein öffentliches Zeugnis, dass man es verabscheue, wie sichs gehört, und das schon um des Exempels willen.

Freilich, da es sich ziemt, sich aller unanständigen Worte zu enthalten, und solche nicht aus unserm Munde gehen dürfen, so dürfen so abscheuliche Lästerungen nicht vorgelesen werden, als wir darüber keinen Schauder empfänden. Andrerseits aber ist es nach dem Gebot, das uns der Herr in seinem Gesetz gegeben, richtig, dass eine gute Obrigkeit die Frevel, die sie strafen will, auch genau bezeichnet. Ferner wissen die gnädigen Herren, dass das auch nötig ist aus vielen andern Gründen, die ich Ihrer eignen Erwägung überlasse, wiewohl, was uns von Gott geboten ist, für sich allein uns schon genügen muss.

Die Formulierung schiene mir, Verbesserung vorbehalten, gut, wenn sie folgenden Wortlaut oder Ausdruck hätte: Wie es geschehen ist, dass in dem und dem Jahr, an dem und dem Tag, Jacques Gruet sowohl wegen entsetzlicher Lästerungen gegen Gott und Verspottung der christlichen Religion, als auch wegen böswilliger Verschwörung gegen das gemeine Wohl dieser Stadt, Aufruhr und andere Übeltaten und Verbrechen verurteilt wurde, so ist nun auch die Auffindung einer Schrift erfolgt, geschrieben von seiner Hand, wie zur Genüge erkannt ist. In dieser Schrift sind mehrere so abscheuliche Lästerungen enthalten, dass keine menschliche Kreatur sie hören kann ohne Zittern; wie denn der Spott über das Christentum im allgemeinen so weit geht, dass gesagt wird, unser Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes und König der Ehren, vor dessen Majestät selbst die Teufel sich beugen müssen, sei gewesen ein Lump, ein Lügner, ein Narr, ein Verführer, ein Bösewicht und Elender, ein unglückseliger Phantast, ein geringer Mensch, der sich die höchste Ehre angemaßt habe, ein Frevler, der mir Recht gekreuzigt worden sei. Seine Wunder seien nichts als Zauberstücklein und Affenpossen gewesen, und der Sohn Gottes zu sein habe er vorgegeben, wie die Hierarchen etwas zu sein vorgaben in ihrer Synagoge; ein Heuchler sei er gewesen und gehängt worden, wie ers verdient habe, elend gestorben in seinem Wahnsinn, ein unvernünftiger Narr, ein großer Säufer, abscheulicher Verräter, gehenkter Bösewicht, dessen Auftreten der Welt nichts gebracht als Bosheit, Unglück und Unsinn, jede Schmach und Schande, die man ersinnen könne. Die Propheten seien nichts als Narren, Träumer und Phantasten; die Apostel Schurken und Spitzbuben, Abtrünnige, Tölpel, Wahnwitzige. Von der Jungfrau Maria sei zu behaupten, dass sie eine Hure gewesen, vom Gesetz Gottes, dass es nichts tauge, noch die, die es gemacht hätten; das Evangelium sei nichts als Lüge; die ganze Schrift sei falsch und böse, enthalte weniger Sinn als die Fabeln Aesops, und sei eine falsche, törichte Lehre.

Und nicht allein schäumt er so hässlich über gegen unsere hochheilige christliche Religion, sondern er leugnet jede Religion und alles Göttliche, indem er sagt, es gebe keinen Gott, und die Menschen den Tieren gleich stellt durch Leugnung des ewigen Lebens, und solche Lästerungen ausstößt, dass einem die Haare zu Berge stehen müssen, Lästerungen, die eine so stinkende Pest sind, dass ein ganzes Land dadurch verflucht sein kann, so dass alle, die ein Gewissen haben, Gott um Verzeihung bitten müssen, dass sein Name so gelästert worden ist unter ihnen.

Darauf sollte das Urteil in dieser oder ähnlicher Form folgen: Es ist nun zwar so geschehen, dass der Verfasser dieses Buches durch gerechtes Urteil bereits verurteilt und hingerichtet ist; damit aber die Rache Gottes nicht über uns bleibe, weil wir eine so entsetzliche Gottlosigkeit ertragen und verschwiegen hätten, und auch damit ein Exempel gegeben wird allen Helfershelfern und Anhängern einer so bösen, mehr als teuflischen Sekte, ja um allen das Maul zu stopfen, die solche Gräuel entschuldigen oder schützen wollen und um ihnen zu zeigen, was sie verdienen, haben die gnädigen Herren angeordnet – – – –

Je bälder, desto besser, denn das unglückselige Buch ist schon zu lang in den Händen der gnädigen Herren.

Calvin, Jean – An den Genfer Rat.

Die Verhandlungen über die Disputation in Metz zogen sich in die Länge und blieben schließlich ohne Erfolg, so dass Calvin und Farel wieder heimreisten. Der letzte Brief aus Straßburg lautet:

Weitere Verzögerung.

Hohe, sehr geehrte Herren, die acht Tage, die die gnädigen Herren von Straßburg uns noch zu warten baten, haben sich in drei Wochen verwandelt, und immer haben wir noch keinen endgültigen Entscheid. Denn ihr Hauptgesandter ist noch nicht vom kaiserlichen Hof zurückgekehrt, und gerade der ist es, der die Sache erklären sollte, so dass man nach seinem Bericht Beschluss fassen könnte.

Doch drängt mich mein Gewissen, nicht länger zu zögern. Denn ich darf mich nicht so sehr von meinem Willen, der Stadt Metz zu dienen, führen lassen, dass ich darüber vergäße, meine Pflichten Ihnen gegenüber zu erfüllen. Ich will lieber eine Reise umsonst unternommen haben, als Sie so lange im Stiche lassen. Deshalb habe ich mir fest vorgenommen, in drei Tagen zum letzten Mal vor die Herren vom Rat zu treten und ihnen zu erklären, dass ich nicht länger warten kann und heimkehren werde, wenn nicht der Eintritt in Metz uns schon offen steht, was kaum zu hoffen ist. Denn der Rat von Metz hat, statt den Protestanten zu antworten, zum Kaiser gesandt, um Aufschub zu erreichen, und wird sich auch weiterhin bemühen, immer auszuweichen, so weit er kann. Freilich könnte der Herr ja ihre Ränke durchbrechen und zerstreuen, und die Hauptsache ist, dass wir ihn bitten, er wolle uns helfen in seinem Werk. Denn sonst werden wir nichts erreichen, weder in der Beratung, noch in der Ausführung alles dessen, was wir vorhaben. Aber ich will den geradesten Weg gehen, den er mir zeigt; d. h. mich verwenden für die Evangelischen von Metz, aber nur so, dass ich Sie nicht verkürze in meinem Dienst, da er mich vor allem Ihnen verpflichtet hat.

Unterdessen, hohe und sehr geachtete Herren, bitte ich, mich Ihrer Gunst untertänig empfehlend, unsern lieben Gott, er wolle sie leiten durch seinen Geist zu seiner Ehre und zum Wohl Ihrer Stadt und Sie erhalten in gutem Wohlergehen.

Straßburg, 13. August [1543].
Ihr untertäniger Diener
Johann Calvin.

Calvin, Jean – An den Genfer Rat.

Caroli, der wieder katholisch geworden, forderte von Metz aus Farel und Calvin in den hochtrabendsten Worten zu einer Disputation auf – zu Rom, Trient oder einer spanischen oder französischen Universität. Calvin reiste nun nach Straßburg, wo Farel schon war, um Caroli zu einer Disputation in Metz zu bringen. Über diese Verhandlungen schreibt Calvin. Der Herzog von Cleve im Bund mit dem König von Frankreich lag seit 1542 im Krieg mit Karl V. Der Teton ist eine französische Münze von etwa 4 1/2 Franken Wert.

Entschuldigung wegen verlängerten Ausbleibens in der Caroli-Angelegenheit.

Hohe, sehr geehrte Herren. Ich hoffe, M. Pierre Viret wird mich bei Ihnen entschuldigt haben, dass ich Ihnen nicht schon von Bern aus schrieb, da ich damals gerade unwohl war. Gleich nach meiner Ankunft in Basel übergab ich Ihren Brief den Herren vom Rat. Diese gaben ihrerseits mir ein Empfehlungsschreiben an die gnädigen Herren von Straßburg mit, mit der Bitte, mir Rat und Hilfe zu meiner Reise zukommen zu lassen.

Hier habe ich nun, dank Ihrem Brief sowie dem der gnädigen Herren von Basel, wie auch wegen des großen Wohlwollens, das man hier für mich hat, besonders aber der Sache selbst wegen, so gute Hilfe gefunden, als ich mir überhaupt wünschen konnte. Die gnädigen Herren haben sich sehr bereitwillig erboten, zu tun, was in ihrer Macht stünde. Nur möchten M. Guillaume [Farel] und dich die Mittel erwägen, die gut anzuwenden seien. Darauf schlugen wir ihnen drei Wege vor. Erstens uns ganz direkt nach Metz geleiten zu lassen, obwohl das nicht ungefährlich wäre; oder zweitens nochmals den Rat von Metz zu ersuchen, uns Gehör zu schenken; oder drittens eine Botschaft nach der Stadt Schmalkalden zu senden, in der gegenwärtig der Bund der Protestanten versammelt ist, und die Fürsten und Städteboten dringend zu ersuchen, die Sache in die Hand zu nehmen.

Auf den ersten Vorschlag antwortete man, dass man uns gerne eine Gesandtschaft mitgäbe zu sicherem Geleit und mit der Forderung an die Metzer, uns anzuhören, und sich darin gar nicht zurückhaltend zeigen würde, wenn man nicht sähe, dass es doch nicht ohne Gefahr für uns geschehen könne und wenig Hoffnung auf Erfolg böte. Ebenso wäre es aber auch vergebliche Mühe, wenn man von Straßburg aus ein Schreiben nach Metz sendete. Denn die Papisten seien äußerst zuversichtlich geworden, weil der Kaiser komme und versprochen habe, auf dieser Reise alle Religionshändel zu schlichten, als ob er zurzeit nichts anderes zu tun hätte. So wird, wenn man ihnen von Straßburg aus schreibt, das die einzige Antwort und der einzige Bescheid sein, dass man das Schreiben wieder zurücksendet. So wurde denn der dritte Vorschlag als der beste erfunden, nämlich Botschaft nach Schmalkalden zu senden. Das hätten sie auch schon getan, hätten sie nicht gerne noch unsere schriftlichen Forderungen gehabt, um darlegen zu können, was uns gut scheine. Morgen aber, so Gott will, wird der Bote abgehen. Sie versprachen uns, die Sache so rasch und mit so gutem Willen zu besorgen, dass wir dabei ihren Eifer und Mut wohl anerkennen müssten. Wie ich sie kenne, zweifle ich sogar nicht, dass sie noch mehr tun werden, als sie versprechen. Es sind sechs Tagereisen bis nach Schmalkalden, bei der Schnelligkeit, mit der ihr Herold reisen wird. Denn gewöhnlich rechnet man gut acht Tage. Weil ich nun aber hier warten muss, solange diese Botenreise dauert, habe ich mich entschlossen, großmächtige, sehr geehrte Herren, Ihren Herold, den Überbringer dieses Briefes, an Sie zurückzusenden, um Ihnen zu melden, wie die Sache geht. Denn ich scheute mich, so lange auf bloße Hoffnung hin hier zu sein, ohne Ihnen Nachricht von mir zu geben. Es konnte ja auch geschehen ohne viel größere Auslagen, als wenn ich den Boten bei mir behalten hätte. Im Übrigen entscheiden Sie, ganz wie es Ihnen gut scheint, ob Sie ihn mir wieder schicken wollen. Ich habe ihm auf alle Fälle sechs Taler gegeben für die Kosten auf der Hin- und Herreise, dazu drei Tetons, die ich schon früher gegeben. Handeln Sie aber ganz nach Ihrem Gutdünken. Ich sage es nur, weil, falls Sie ihn wieder zurückschicken wollten, er in etwa vierzehn Tagen wieder hier sein müsste, um rechtzeitig zu kommen. Denn dann werden wir wohl nach Metz aufbrechen müssen, wenn es Gott gefällt, uns dort Einlass zu schaffen.

Ich weiß persönlich wohl, dass ich nicht solange abwesend sein dürfte, ohne Vernachlässigung Ihrer Kirche. Da ich nun aber soweit gereist bin, wäre es doch zu lächerlich gewesen, unverrichteter Dinge umzukehren, besonders da ja gute Hoffnung ist, wenn man noch ein wenig wartet, und so wollte ich doch, bevor ich wieder heimreiste, versuchen, ob Gott nicht etwas tun will. Deshalb bitte ich Sie, noch Geduld zu haben, bis die erwähnte, ja recht kurze Zeit verstrichen ist. Dann werde ich mich beeilen, so bald als möglich zu Ihnen zurückzukommen.

Unterdessen, hohe Herren, ersuche ich Sie, die Ehre Gottes wie bisher sich angelegen sein zu lassen und die Kirche in gutem Stand und guter Ordnung zu halten.

Damit Sie sehen, wie notwendig es ist, nach Metz zu gehen und Caroli Stillschweigen zu gebieten, schicke ich Ihnen eine Kopie seiner letzten Antwort, in der er sich hochmütiger und frecher als je zeigt, umso mehr, als er sich darauf verlässt, dass man in Gegenwart des Kaisers ihn nicht zwingen wird, zur Vernunft zu kommen. Denn vorher hatte er fliehen wollen.

Es gehen hier allerlei verschiedene Gerüchte um über die Ereignisse in Niederland; bald, er sei geschlagen worden. Da alles noch ganz ungewiss ist, unterlasse ich es, Ihnen davon mehr zu schreiben. Immerhin ist die Erhebung so bedeutend, dass selbst zwei Meilen von hier vorletzte Nacht ein Auflauf stattfand und fünfzig Kaufmannsrosse geraubt worden sind.

Unterdessen, hohe, sehr geachtete Herren, bitte ich, M. Guillaume und mich Ihnen untertänig empfehlend, den Herrn Jesus, er möge Sie behüten und bewahren, und Ihnen die Gnade geben, Ihr Volk stets in gutem Frieden recht zu leiten zur Ehre seines Namens.

Straßburg, 1. Juli [1543].
Ihr gehorsamer Diener im Herrn
Johann Calvin.

Calvin, Jean – An den Genfer Rat.

Im September reiste Calvin nach Genf, ausgerüstet mit Empfehlungsschreiben des Straßburger und Basler Rats an die Berner. Farel hatte in Neuchatel eine vornehme Dame, Tochter des Landvogts, die Ärgernis gegeben, von der Kanzel getadelt und dadurch eine heftige Opposition wachgerufen. Deshalb nahm Calvin den Weg über Neuchatel.

Auf der Reise nach Genf.

Hochmächtige, ehrenfeste Herren, wenn ich in Genf ankomme, werde ich Ihnen die Gründe auseinandersetzen, die mich aufgehalten haben, und ich hoffe, Sie damit leicht zufrieden stellen zu können. Dieses Schreiben soll Sie bloß benachrichtigen, dass ich in Solothurn vernahm, es sei in der hiesigen Gemeinde Unruhe entstanden, und dass ich mich deshalb genötigt sah, nach Gottes Willen von meinem Wege abzuweichen, um zu sehen, ob ich etwa meinerseits dabei zu Hilfe kommen könne. Nachdem ich meine Pflicht erfüllt, habe ich beschlossen, so Gott will, morgen in aller Frühe nach Bern abzureisen, um dort den gnädigen Herrn die Briefe abzugeben, die man ihnen von Straßburg und Basel schickt. Habe ich das getan, so werde ich meine Reise fortsetzen, ohne mich irgendwo aufzuhalten; denn mein Wunsch, nach meinem Versprechen wieder vor Ihnen zu erscheinen, wird mich nicht verweilen lassen, sei es wo es wolle. Den Herold, den Sie geruht haben, mir zur Begleitung zu senden, habe ich bei mir behalten, in der Meinung, dass das nicht wider Ihre Absicht sei. Aber ich will die Entschuldigung dafür und für Anderes lassen bis zu meiner Ankunft. Bis dahin, großmächtige, ehrenfeste Herrn, empfehle ich mich gehorsamst Ihrer Gnade und bitte den Herrn, er möge Sie durch seinen Geist stets leiten, die Stadt gut und fromm zu regieren, und die Stadt und Ihre Herrschaften in gutem Wohlsein behüten.

Neuchatel, 7. September abends.
Ihr gehorsamer Diener
Johannes Calvin.