Calvin, Jean – An Sulzer in Basel.

Nr. 715 (C. R. – 3882)

Der Marschall de St. Andre und der Herzog de Nemours waren Führer der Katholiken; mit letzterm schloss des Adrets (vgl. 706) aus gekränktem Ehrgeiz einen Waffenstillstand, der die Dauphine von Truppen entblößte. Auf die Nachricht vom Nahen der Engländer wandten sich die Katholiken gegen Rouen, das am 26. Oktober in ihre Hände fiel; bei der Belagerung fiel der König von Navarra. Jacques Spifame, Sieur de Passy (vgl. 674), wurde von de Conde an den deutschen Reichstag nach Frankfurt gesandt. Matthieu Vatel, Pfarrer in Montbeliard, hatte sich bei Calvin beklagt, dass er von Toussaint (vgl. ) wegen der Prädestinationslehre angefochten werde, und bat um Fürsprache bei Sulzer, der auf den Statthalter von Montbeliard Einfluss habe. Pietro Martire Vermigli, der seit der Rückkehr aus Frankreich kränkelte, war am 12. November 1562 in Zürich gestorben.

Nachrichten aus Frankreich. Gegen Toussaint in Montbeliard.

Wenn ich seltener an dich schreibe, als du möchtest, so musst du mein Säumen entschuldigen, trefflicher Mann und verehrter Bruder; denn erstens hält mich die Traurigkeit so in ihren Banden, dass ich zu jeder Art Tätigkeit unlustig bin, wenn mich nicht die Notwendigkeit drängt und wider meinen Willen treibt, und zweitens mag ich bei den verworrenen Verhältnissen nichts Ungewisses schreiben, um nicht bald beschämt zurücknehmen zu müssen, was ich für wahr hielt. Denn du glaubst nicht, wie zügellos drauflos gelogen wird. Der Ärger darüber hat mich ganz stumpf gemacht, so dass kein Gerücht mehr mich aufregt. Schon seit einem halben Jahr sind die Straßen so gesperrt, dass keine sichere Kunde zu uns dringt. Was unsere Führer eben tun, wissen wir nicht, nur dass sie gegen Ende vergangenen Monats noch in Corbeil waren. Das ist ein kleines, nicht sehr festes Städtlein, nur vier Stunden von Paris entfernt. Seine günstige Lage bewirkte, dass die Feinde es auf jede Weise festzuhalten vorhatten, weil dort eine Brücke die Getreidezufuhr aus Burgund sperrt. So hatte de St. Andre die Stellung mit einer starken Besatzung inne, machte sich aber davon, ehe es zum Sturm kam. Die Königin-Mutter greift wieder zu den gewohnten Künsten, einen Frieden zustande zu bringen. Die Unsern müssten aber sehr dumm sein, wenn sie, so oft schon durch trügerische Schmeichelreden getäuscht, ihr wieder ins Netz gingen. Die Gesandtschaft der Unsern ist vom Kaiser, seinem Sohn und den Kurfürsten freundlich empfangen worden, hat aber noch keinen Bescheid erhalten. Das Gerücht vom Türken, das bei Euch umgeht, halte ich für falsch; denn der eine der Gesandten, dem die Fürsten vertraulich mitteilen, was für uns von Interesse ist, hätte in seinem Brief sicher ein Wort davon geschrieben. Die Königin von England hat ihre Hilfeleistung allzu freigebig herausgestrichen; durch ihre Eitelkeit ist uns Rouen verloren gegangen. Der Herzog de Nemours hat mit Baron des Adrets einen Waffenstillstand geschlossen, der aber bereits abgelaufen ist. Da der Kommandant von Lyon krank war, bat er um eine Unterredung mit ihm; sie wurde ihm abgeschlagen. In Lyon herrscht Ruhe, aber Geldmangel.

Deinen Brief erhielt ich, als ich eben von der Kanzel kam. Die Dänen hatten schon anderswoher erfahren, dass sie bei uns nicht gut Aufnahme finden könnten. Als sie also erklärten, sie kehrten morgen wieder um, brauchte es keiner langen Entschuldigung; tatsächlich ist die Stadt mehr als je von armen Refugianten überfüllt. Scharenweise strömen sie zusammen, von allen Hilfsmitteln entblößt, viele Waisen und Witwen. In diesen Nöten findet sich für Leute, die eine fremde Sprache reden, nicht leicht eine Stelle. Sie hatten übrigens schon vor, ehe sie ein Wort sagten, bis Ostern in Basel zu bleiben.

Nun zu etwas anderem. Du bist schon oft auf die arge Treulosigkeit und Grausamkeit Pierre Toussaints aufmerksam gemacht worden, wolltest aber stets lieber dein Urteil in der Schwebe lassen als von deiner vorgefassten Meinung weichen. Und dieses Krokodil ist ja stark darin, mit schönen Schmeichelreden die Leute zu betrügen. Jetzt hat er seinen Kollegen mit neuen Listen angegriffen und bewirkt, dass er zeitweilig von seinem Amte suspendiert wurde. Ich will mich in einer zum Greifen deutlichen Sache nicht auf lange Erörterungen einlassen. Es handelt sich um die Prädestinationslehre, die abzuschwören er den guten Mann zwingen wollte. Brauche ich dir die Sache Christi noch zu empfehlen? Damit du nicht glaubst, es sei Vatel etwas Unvorsichtiges entfahren, was Ärgernis gegeben hätte, so kannst du aus allen Akten sehen, dass dieser Mann, der jetzt von jenem Feind aller Frommen so heftig angegriffen wurde, nur zu vorsichtig war. Dass ein gelehrter, frommer Mann mit unserer Zustimmung so schändlich geplagt wird, will sich gar nicht schicken. Da ich aber gar keine Möglichkeit sehe, ihm zu helfen, bitte ich dich um Hilfe. Beim Bailli oder Landvogt bist du außerordentlich beliebt und angesehen, und obwohl ihn Toussaint mit seinen Kunststücken ganz bezaubert hat, wirst du ihn ohne Mühe wieder auf den rechten Weg zurückbringen. Ich will nicht, dass du dich in einen unklaren Handel einlassest. Deshalb habe ich den Bruder aufgefordert, alle Akten darüber dir zuzustellen. Nach reiflicher Prüfung der Sache wirst du, klug und gerecht wie du bist, am besten beurteilen können, was zu tun ist. Obwohl ich mich darauf verlasse, dass du auch weiter gehst, möchte ich dich nur darum gebeten haben, den Landvogt so umzustimmen, dass der sonst ganz rechtschaffene Mann die Verteidigung einer so frommen und gerechten Sache selbst übernimmt; denn wie ich höre, hat er nur gefehlt, weil er im Irrtum war, und braucht nur eines Besseren belehrt zu werden. Wenn du dich also ernstlich dessen annimmst, zweifeln wir am glücklichen Ausgang nicht. Lebwohl, bester, von Herzen verehrter Bruder.

Ein neuer Anlass zur Trauer ist uns der Tod Pietro Martires. Unser lieber Beza ist im Feldlager. Ribit ist vor einem halben Jahr nach Orleans gereist, an ein Lehramt berufen. Der Herr erhalte dich gesund und mache dich mehr und mehr reich an seinen Gaben. Meine Kollegen lassen dich vielmals grüßen.

Genf, 6. Dezember 1562.

Calvin, Jean – An Sulzer in Basel.

Nr. 673 (C. R. – 3489)

Johann Karg war Hofprediger des Herzogs von Württemberg und strenger Lutheraner. Vgl. 664, 669, 671.

Von Bezas Reise nach Poissy. Nur keine Lutheraner nach Frankreich!

Deinen Brief an Beza, hochberühmter Mann, habe ich erhalten, einen Tag, nachdem Beza nach Frankreich abgereist war, und zwar mit der Kurierpost, weil es nicht sicher genug gewesen wäre, ganz offen zu reisen. Einen so genannten Geleitbrief konnte er nämlich nicht erwirken, weil die Königin-Mutter sich keinen Vorwurf vom Papste zuziehen wollte. Nur der König von Navarra hat sich in einem Brief an unsern Rat für seine Sicherheit verbürgt. Er selbst, sein Bruder, Prinz de Conde und der Admiral haben persönlich Beza dringend ersucht, seine Abreise nicht aufzuschieben, denn Eile tue not, wenn er im rechten Moment da sein wolle. Auch mich haben alle beschworen, ich möchte ihn doch eher gleich fortschicken als ihn aufhalten. An Herrn Piertro Martire ist längst ein Schreiben gesandt worden, das ihn nicht eigentlich beruft, aber allen Provinzstatthaltern den Auftrag gibt, ihm, wenn er durchreise, für sicheres Geleit zu sorgen. Nachher hat dann der König von Navarra vom Zürcher Rat dasselbe verlangt wie von unserm. Der Bote ist noch nicht zurück; doch werde ich vor drei Tagen erfahren, ob Vermigli kommt. Wenn du dich wunderst, dass von den deutschen Theologen keiner eingeladen wurde, so musst du wissen, dass man noch nicht soweit ist, dass die Unsern frei gestehen dürften, ihre Absicht sei eine gänzliche Loslösung vom Papsttum. Sie dürfen nicht mehr zu sagen wagen als, man müsse ein Mittel suchen, die Unruhen zu stillen; von einer Religionsänderung ist noch gar nicht die Rede. Aber selbst wenn das alles ganz leicht ginge, so weiß ich nicht, was dir in den Sinn kommt, gerade das zu wünschen, was den schönsten Anfang verderben könnte. Gewiss gehört zu den Fürsten, bei denen wir nach deiner Meinung uns hüten müssen, Anstoß zu erregen, auch der Herzog von Württemberg. Der würde seinen Brenz schicken und vielleicht auch den Karg, der, wie ich höre, jetzt die zweite Rolle bei ihm spielt. Schon früher hat Brenz in seiner Schrift über die Allgegenwart des Leibes Christi krasseren Wahnsinn verraten als der ganze Haufe der Papisten, und eben jetzt hat er wieder im Bund mit seinem Gesellen Karg einen hartnäckigen Kampf gegen den wahren, rechten Glauben begonnen. Wahrlich, wollen wir nicht unsern Feinden ein ergötzliches Schauspiel bieten, so müssen wir alles anwenden, dass nicht diese Leute wie Furien mit Feuerbränden einbrechen und heftigere Kämpfe erregen, als je bisher in Deutschland tobten. Hundertmal lieber will ich sterben, als mich so verderblichem Rat nicht kräftig zu widersetzen! Mit den Papisten müssen wir kämpfen; zu diesem Kampf, aber nicht zu Zänkereien im Innern, wollen wir ins Horn stoßen. Ich beklage mich umso offener bei dir, weil ich wohl weiß, was der Württemberger bereits durch die Sendung von Vergerios Neffen angezettelt hat; ich glaube fast, der Onkel habe sich dazu mit Geld erkaufen lassen, sicher hat er irgendein Entgelt für seine Kuppelei schon gekriegt. Sind die Verhältnisse einmal reif dazu, dann wir man ernstlich an irgendein Bündnis denken können, aber es darf den Hausfrieden nicht stören. Die Männer, die die Wiederherstellung des Reiches Christi in Frankreich wünschen, sind nicht so töricht, wissentlich die Urheber des Zankes einzulassen. Ich bin von der Aufrichtigkeit deiner Gesinnung so überzeugt, dass ich nicht zweifle, du werdest bei näherer Überlegung deinen früheren Plan gern aufgeben. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite dich und segne dein Wirken.

23. August 1561.

Christo und seiner Kirche hast du einen guten Dienst geleistet an den Brüdern aus Piemont, indem du bewirktest, dass ihre Not durch eine Unterstützung gelindert werde.

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Sulzer in Basel.

Nr. 646 (C. R. – 3291)

Weggelassen einige unwichtige Bemerkungen über einen Verstorbenen. König Franz II. von Frankreich starb am 5. Dezember 1560 plötzlich an einem Geschwür am Ohr, das ins Hirn drang. Da sein Bruder Karl IX. erst zehnjährig war, wurde nun eine wirkliche Vormundschaft nötig.

Conde gefangen. Der Tod des Königs Franz II.

– – Von den französischen Verhältnissen habe ich nur soviel zu schreiben. Der König von Navarra, der zuerst die beste Hoffnung auf hochgemute Festigkeit gegeben hatte, änderte plötzlich seinen Plan und zog zu Hofe, wo sofort nach der Ankunft sein Bruder verhaftet wurde. Der König hatte stets meine und Bezas Ratschläge gebilligt, die sicher gut waren und nicht weniger ehrenhaft als zuträglich für seinen persönlichen Nutzen und das Wohl der ganzen Kirche. Denn wir wollten immer sowohl für seine Machtstellung sorgen, als auch verhüten, dass nur ein Tropfen Blut fließen musste, und die Verhältnisse waren so, dass er ohne jegliche gewaltsame Erhebung seine Gegner hätte überwinden können. Da er aber nachgiebigen, kleinmütigen Charakters ist, so ließ er sich teils durch trügerische Versprechungen täuschen, teils machte er sich auch selbst Einbildungen, weil er für unmöglich hielt, was alle voraussahen, nämlich dass die Guisen es wagen würden, Hand an seinen Bruder zu legen. Dass sie nun aber kühn so weit gehen konnten, hat ihre Frechheit noch gesteigert. Es lässt sich kaum sagen, wie gewalttätig sie im Herzen von Frankreich hausen. Als nun fast alles vor diesem Ansturm des Fanatismus erschrocken war und die Mehrheit ganz mutlos daniederlag, da hat Gottes Hand sich aufs Neue wider alle Hoffnung plötzlich gezeigt. Denn der Tod des jungen Königs, von dem Ihr jedenfalls auch schon gerüchtweise gehört habt, muss notwendig einen Umschwung aller Verhältnisse mit sich bringen. Lebwohl, trefflicher Mann und verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite und behüte dich und mache dich von Tag zu Tag reicher an seinen Gaben. Meine Kollegen, vor allem Viret und Beza, lassen dich grüßen. Grüße auch die Deinen, bitte, vielmals von mir.

[11. Dezember 1560.]

Calvin, Jean – An Sulzer in Basel.

Nr. 637 (C. R. – 3253)

Der Brief enthält eine Schilderung der gleichen Vorgänge, die im Folgenden an Bullinger erzählt werden; es sei deshalb nur eine Stelle hervorgehoben. An wen in Basel Calvin vor kurzem geschrieben, ist unbekannt und der Brief nicht erhalten; ebenso ist unbekannt, woher Calvin Kunde erhielt von den Verhandlungen des geheimen Rats des Königs von Frankreich.

Vom Interesse der französischen Diplomatie an Calvins Briefen.

Ich habe schon lange nicht mehr an dich geschrieben, trefflicher Mann und bester Bruder, weil mich mancherlei Beschäftigung davon abhielt und mir mein ständiges Kranksein auch einen guten Teil meiner Zeit wegnimmt; dazu begehren die Brüder aus allen Teilen Frankreichs meine Hilfe, und ich enthalte mich auch gerne aller Privatkorrespondenz, wenn sie nicht unbedingt nötig ist, weil ich sehe, dass meine Briefe sofort verbreitet werden. So wunderte ich mich neulich, dass, als ich an einen in Basel wohnenden Freund über die Unruhen in Frankreich schrieb, der Teil meines Briefes im geheimen Rat des Königs von Frankreich zur Verlesung kam; der unveränderte Wortlaut ließ mich unabweisbar meinen Brief erkennen. – – –

Genf, 30 Sept. 1560.

Calvin, Jean – An Sulzer in Basel.

Weggelassen ist eine ähnliche Bemerkung über die Antwort an Westphal, wie die im vorigen Brief; in Castellio sah Calvin wohl mit Unrecht den Verfasser der in Nr. 401 erwähnten anonymen Schmähschrift.

Beschwerde über Castellio.

– – – – Glaub mir, Castellio ist eine ebenso giftige, als unzähmbare und verstockte Bestie. Er heuchelt christliche Liebe, natürlich auch Bescheidenheit, und dabei lässt sich nichts Frecheres als er denken. Das Schriftchen voll furchtbarer Vorwürfe gegen mich haben er und andere zusammengestoppelt mit dem Plan, einen unerwarteten, neuen Angriff auf mich [in Genf] hervorzurufen. Sie haben sich aber sehr getäuscht. Der Rat hat gleich beschlossen, das Pamphlet sei mir zu lesen zu geben. Mir aber wars nicht nur leicht, die Wolken von Verleumdung zu zerstreuen, sondern sogar zu meinem Lob zu wenden, was mir gehässig vorgeworfen wurde. Es ist mir erträglicher, persönlich angegriffen zu werden, als zu sehen, wie die armen um Christi willen Vertriebenen, die hier leben, mit stets neuen Schikanen misshandelt werden. Freilich, der Herr hat uns auch darin bisher die Hand gereicht, dass wir uns nicht brechen ließen. Doch, wenn du mehr von unserer Lage wissen willst, so wird dir der Bote getreulich berichten; er ist der Sohn unseres Ratsschreibers, ein rechtschaffener und tüchtiger junger Mann. Lebwohl, hochgeachteter Mann und verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir, leite und behüte dich. Meine Kollegen lassen dich ehrerbietig grüßen. Grüße die Deinen von uns allen vielmals.

Genf, 7. August 1554.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Antistes Simon Sulzer in Basel

Nr. 379 (C. R. – 1793)

Simon Sulzer (vgl. 229, 230, 233) war nach Mykonius Tode 1552 Antistes von Basel geworden; in Erinnerung an seine frühere Stellung in Bern nennt Calvin die Berner seine Schüler. Der Genfer Stadtseckelmeister, der den Brief an Sulzer brachte, hieß Claude du Pan. Die in Lyon verbrannten Märtyrer waren die Brüder Marsac und Gravot; Pelloquin wurde ebenfalls anfangs September zu Villefranche verbrannt.

Von Servet und den Lyoner Märtyrern.

Da Michel Servet schon vor zwanzig Jahren die christliche Welt mit seinen giftigen, verderblichen Lehren verseuchte, so ist dir jedenfalls sein Name nicht unbekannt. Hast du sein Buch nicht gelesen, so wäre es doch kaum möglich, dass du nicht von der Art seiner Lehre gehört hättest. Er ist der, von dem Herr Butzer, der treue Diener Christi seligen Angedenkens, der doch sonst milder Art war, auf der Kanzel gesagt hat, er verdiene, dass man ihm die Eingeweide aus dem Leibe reiße. Wie er nun seither nicht aufgehört hat, sein Gift zu verbreiten, so hat er kürzlich zu Vienne einen umfangreicheren Band, aber aus denselben Irrlehren zusammengeschustert, heimlich drucken lassen. Als die Sache aber herauskam, wurde er eingekerkert. Doch gelang es ihm, ich weiß nicht wie, zu entkommen, und er irrte etwa vier Monate in Italien umher. Schließlich kam er zu seinem Unglück hierher, und einer der Syndics ließ ihn auf meine Veranlassung hin ins Gefängnis führen. Denn ich will nicht verhehlen, dass ich es für meine Pflicht hielt, diesen mehr als verstockten und unbezähmbaren Menschen, soviel an mir lag, unschädlich zu machen, damit die Ansteckung nicht weiter um sich greife. Wir sehen, wie ungehindert überall die Gottlosigkeit herrscht, so dass infolgedessen neue Irrlehren hervorquellen, und wie groß die Trägheit derer ist, denen Gott das Schwert gegeben hat, seines Namens Ehre zu rächen. Wenn doch die Papisten so strenge, leidenschaftliche Schirmherren ihres Aberglaubens sind, dass sie in furchtbarem Wüten das Blut Unschuldiger vergießen, so müssten ja christliche Obrigkeiten sich schämen, wenn sie nicht den Mut hätten, die sichere Wahrheit zu schützen. Freilich gestehe ich, nichts wäre weniger nach meinem Sinn, als die Maßlosigkeit ihres Wütens nachzuahmen. Aber ein gewisses Maß muss da sein, damit nicht jeder Gottlose seine Lästerungen ungestraft ausspeien darf, wenn mans hindern kann. Dreierlei ist an dem Menschen zu beachten. Erstens, mit welch ungeheuerlichen Irrlehren er die ganze Religion verdorben hat, mit welch abscheulichem Gespött er versucht hat, alle Frömmigkeit zu untergraben, mit welch hässlichen Wahnideen er das Christentum vermengt und alle Grundsätze unseres Glaubens umstürzen will. Zweitens, wie hartnäckig er sich benimmt, mit welch teuflischem Hochmut er alle Warnungen verachtet, mit welcher verzweifelten Verstocktheit er sich Hals über Kopf auf die Verbreitung seines Gifts geworfen hat. Drittens, wie hochmütig er auch heute noch seine freveln Behauptungen festhält. So weit ist er davon entfernt, auf Reue hoffen zu lassen, dass er vielmehr nicht zögert, so heiligen Männern, wie Capito und Ökolampad den Makel anzuheften, sie seien seine Gesinnungsgenossen gewesen. Als man ihm Briefe Ökolampads zeigte, sagte er, er wundere sich, durch welchen Geist Ökolampad von seiner frühern Meinung abgebracht worden sei. Weil ich hoffe, du werdest es dir angelegen sein lassen, die Gottlosigkeit dieses Menschen mit den Worten zu schildern, die sie verdient, so will jetzt nicht mehr beifügen. Nur auf eins will ich dich aufmerksam machen: unser Stadtseckelmeister, der dir diesen Brief bringt, ist in dieser Sache recht gesinnt, so dass er wenigstens den Ausgang, den wir wünschen, nicht scheut. Wären nur deine alten Schüler [in Bern] auch so gesinnt!

Von den französischen Verhältnissen will ich nichts schreiben, da ich glaube, wir wissen hier nichts Neues, das Euch nicht auch bekannt wäre. Außer dem etwa, dass letzten Samstag drei fromme Brüder zu Lyon verbrannt worden sind; ein vierter wurde zur selben Strafe in einen Nachbarort gesandt. Kaum glaublich ist es, da es ungelehrte Leute waren, mit welch hellem Licht des Geistes Gottes sie zur höchsten, vollendetsten Bezeugung der Lehre erleuchtet wurden, soweit es die Sache erforderte, und mit welcher Kraft zum unüberwindlichen Festhalten Gott sie ausrüstete. Einer war zuerst, von Furcht betäubt, vom reinen Bekenntnis abgewichen. Als die Richter schon fest entschlossen waren, ihn freizulassen, da bekannte er seine Untreue und Heuchelei und bot sich fröhlich zum Feuertode dar. Auch in andern Gegenden Frankreichs flammen ähnliche Brände, und es ist keine Hoffnung, sie löschen zu können. Lebwohl.

Genf, 9. September 1553.

Calvin, Jean – An Simon Sulzer in Basel.

Nach Pfingsten reisten Calvin und Farel nach Zürich, worüber Calvin an Sulzer, von dem er nicht wusste, dass er in Basel war, berichtet. Sulzers Nachfolger in Bern, Hans Haller, bis 1547 Pfarrer in Augsburg, dann in Zürich, war schon anfangs Mai nach Bern gekommen, nach Pfingsten aber wieder nach Zürich gegangen, um seine Familie abzuholen. Der Schluss des Briefes ist abgerissen. Der zitierte Vers ist aus Ovid.

Erfolglose Bemühungen für die Berner Pfarrer.

Als Viret von Bern heimkam mit der Nachricht, dort sei nichts mehr zu hoffen, hielt ich dafür, nun bleibe nichts anderes mehr übrig, als nach Zürich zu reisen und den Versuch zu wagen, ob man dort irgendwie Hilfe finde für dies Unglück. Es kam mir nämlich der Vers in den Sinn:

Einst schlug dem Feinde Achills sein Speer eine schmerzliche Wunde,
Doch derselbige Speer heilte die Wunde dann auch.

Ich reiste über Neuchatel, wo sich mir Farel anschloss. Anfänglich fanden wir wenig freundliche Gesichter, doch wurden wir sonst ehrenvoll und freundlich aufgenommen. Nur eins missfiel uns gar sehr, dass die Zürcher sagten, es sei ihnen zuwider und sie würden es nicht dulden, dass wir nur ein Wort über die Sakramentsfrage redeten. Ein wenig sprachen wir doch davon, konnten aber nicht erreichen, dass man es zu einem ernsthaften Gespräch darüber kommen ließ. Trotzdem unterließen wir nichts, eine Ratsaudienz zustande zu bringen. Immer wieder flog uns die Antwort entgegen, wo der Prozess rechtmäßig geführt worden sei, da sei aller Gerechtigkeit genug getan. Wir antworteten, was die Verhältnisse mit sich brachten. Als wir von den Amtsbrüdern Hilfe verlangten, sagten sie, sie hätten in der Sache gar nicht so viel getan, wie wir meinten, sie hätten zu Hause so viel Arbeit, dass sie sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischen könnten, auch sei in Bern ihr Einfluss gar nicht so groß, dass sie es nur wagten. Schließlich merkten wir, dass von dieser Seite gar keine Erleichterung zu erwarten ist, und ich glaube, es bleibt uns jetzt gar nichts mehr übrig, als das Unheil der Kirche zu beklagen, da man ihm nicht steuern kann.

Mit Viret und den Übrigen ist noch alles beim alten. Ich vermute aber, lange werden sie nicht mehr Ruhe haben. Als wir schon gestiefelt und gespornt zur Reise waren, ja als die Pferde schon gesattelt vor der Tür der Herberge standen, kam zufällig Haller vom Lande heim und eilte gleich herbei, uns zu begrüßen. Der junge Mann ist, soviel ich aus unserm kurzen Gespräch mehr erraten als merken konnte, bescheiden und aufrichtig, und er wird, wie ich hoffe, wenigstens nichts Unrechtes und Freches tun. Denn zu guter Naturanlage tritt bei ihm eine gute Erziehung, und auch der Gottesfurcht ist er, glaube ich, nicht bar. Doch kann man erst bestimmteres Vertrauen auf ihn setzen, wenn man ihn besser kennt.

Wir stehen zwar im Hintertreffen, sind aber doch nicht weit vom Geschoss. Auch fehlen die Funken nicht, die das Feuer entzünden können. Gut ists, dass wenigstens nichts Unvorhergesehenes geschehen kann, weil wir, – komme, was mag, – bereit sind, es zu tragen.

Wo du nun auch seiest und welche Stellung sich dir bietet, wünsche ich dir Glück dazu. Wie freilich jetzt die Verhältnisse liegen, gibt’s keinen Winkel mehr, da – –

– – die elende – – – – – –