Theodor Bibliander an Oswald Mykonius

Dem frommen und weisen Oswald Myconio, Bürger zu Zürich, meinem guten Freund und Gönner.

Bei der letzten Leipziger Messe, welche zu Michaelis abgehalten wurde, schickte ich Briefe dorthin, welche ich St. Galler Kaufleuten übergeben ließ, vor allem einen an Dich, worin ich meine sämtlichen Reiseerlebnisse mitteilte, wie ich meine Aufträge ausgerichtet und welches mein Schicksal von meinem Abschied an bis auf diesen Augenblick gewesen sei. Da Du, wie ich hoffe, jenen Brief erhalten hast, will ich nicht wiederholen, was darin stand, nur das Eine, dass Johannes Frumentarius, Geheimer Rat des Herzogs von Württemberg, sich viele Mühe gegeben hat, dass die Briefe und Schriften, welche Zwingli und Oekolampadius aufgegeben, so gut und zuverlässig als möglich besorgt würden. Nun vernimm meine persönlichen Nachrichten!

Ich bin körperlich gesund, fühle mich aber geistig nicht wohl teils wegen minder wichtiger Dinge, die ich übergehen kann, teils darum, weil ich von Euch keine Briefe bekomme, was ich mit ruhigem Gemüte nicht mehr zu ertragen vermag. Wie dies mich beunruhigt, kann ich kaum ausdrücken. Daher, bester Myconius, gib Dir Mühe und sinne doch auf Mittel, damit ich einmal einen Brief von Dir erhalte, wenn es nicht öfters sein kann. Durch St. Galler Kaufleute, welche die Leipziger Messe besuchen, könnte es wahrscheinlich wohl geschehen, dass ich von Euch Nachricht erhielte. Wenn irgend eine Gelegenheit sich darbietet, so beschwöre ich Dich, dass Du sie nicht vernachlässigst. Wenn Du mir aber schreibst, so vergiss nicht zu sagen, ob Du etwas von meinen Büchern weißt oder etwas darüber erfahren kannst; denn bis auf den heutigen Tag habe ich kein Wort davon vernommen. Ich weiß, dass Du dies mit Deiner gewohnten Güte und Umsicht für mich wohl besorgen wirst.

Die Schule hier hat wenig Zuwachs, ich weiß nicht, ob durch die Ungunst der Zeit, welche die Schulen so ziemlich in Abnahme bringt?

Der Fürst selbst steht fest im Glauben, als ein Vorbild der Fürsten steht er da für Christum. Das Verständnis des Abendmahles beginnt immer Mehreren aufzugehen, ob auch Papisten und Lutheraner widerstreben. Übrigens ist der Gebrauch (Form) nicht wiederhergestellt worden, außer bei den Wiedertäufern, deren Halsstarrigkeit, wie ich beiläufig bemerke, man aufs Strengste zu unterdrücken und zu bezwingen unternimmt.

Mehr zu schreiben will der eilende Briefbote dies Mal nicht erlauben. Wenn ich wieder einen Boten und Zeit haben werden, so will ich Dir ausführlich über Alles schreiben. Denn ich hätte mit Euch (den Zürchern) Mehreres schriftlich zu verhandeln. Grüsse von mir die ganze christliche und wissenschaftliche Genossenschaft bei Euch und sage besonders Deiner guten Gattin meinen besten Gruss. Das will ich noch beifügen, dass von den Straßburgern Briefe hier angekommen sind, von den Zürchern keine. Wie das kommt, darüber kann ich mich nicht genug wundern.

Liegnitz den 11. December 1527.

Theodor Buchmann, immer und von Herzen der Deine.