Zwingli, Huldrych – An Balthasar Stapfer, Landschreiber zu Schweitz

Lieber, Geehrter, Getreuer! Ich freute mich sehr über Eure in Eurem Schreiben ausgesprochene Gesinnung. Bleibet bei derselben! denn dieß ist der einige Weg zur Seligkeit. Daß Ihr mir aber solchen Dank wegen der Euch einst erwiesenen unbedeutenden Wohlthaten sagtet, war nicht nöthig; doch verräth es ein gutes Gemüth. Denn nichts ist schändlicher als ein undankbares Herz. Das aber, wessen ich von boshaften Menschen beschuldigt werde, würde ich nicht zum Mindesten beachten, wenn es nicht zum Nachtheil des göttlichen Worts vorgebracht und verbreitet würde. Denn das habe ich nun durch Gottes Gnade gelernt, daß die Lügen, welche mich allein berühren, mich nicht kümmern, und ich sie jederzeit zu übersehen pflegte. Wenn man sie aber so häuft, nur die Wahrheit zu unterdrücken, so schütze ich mit Einer Arbeit meinen Ruf und den Glauben oder die Achtung des göttlichen Worts. Weil Ihr aber so ängstlich Abwehrung der Anklagen begehrt, die nur deßhalb wider mich vorgebracht werden, damit das untrügliche Wort Gottes nicht Statt noch Glauben finde, so vernehmet erstlich, daß ich nie irgend aus einem Hasse gestritten, geschweige das heilsame Gotteswort gepredigt habe. Mein ganzes Leben bezeugt mir dieß. Denn bei meinen Herren in Glarus erging ich mich so friedlich und freundlich, daß nie ein Zwist obwaltete, und zog von ihnen mit einer solchen Gunst fort, daß sie mir die Pfründe noch 2 Jahre ließen in der Hoffnung, ich werde wieder zu ihnen kommen, was auch geschehen wäre, wenn ich nicht nach Zürch gekommen wäre; und bei meinem Abzug schenkten sie mir 20 fl. wegen der Kosten, die ich der Pfründe halber erlitt, welche mich weit über 100 fl. gekostet hatte. Zu Einsiedel aber stehe ich noch jetzt in Gunst und Liebe bei dem Herrn und dem Volk. Was Alles beweist, daß ich kein schädlicher Mensch bin: denn schädliche Menschen hadern, rechten, streiten, dergleichen ich nichts that. Wo Haß ist, da besteht keine Sorge für Andere. Wenn ich nun dem wankenden Regiment und gemeinen Besten der Eidgenossenschaft zu Hülfe zu kommen suche, so zeigt sich hierin wahrlich nicht Haß, sondern die Liebe, welche ich, ich rufe Gott zum Zeugen an, von Kindheit an jederzeit so groß und stark gegen die ehrsame Eidgenossenschaft hegte, daß ich mich als Jüngling desto fleißiger in jeder Kunst und Wissenschaft übte zu dem Zweck rc. (Hier ist der Brief abgebrochen.)

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Zwingli, Huldrych – An den Rath zu Memmingen.

Den 10. Okt. 1530.

Gnade und Friede von Gott zuvor. Ehrsame, weise, günstige, theuerste Herren und Brüder in Gott! Ich bitte Euch durch Jesum Christum, unsern Herrn, um dessentwillen Ihr in Gefahr steht, mein Schreiben nicht übel aufzunehmen, das ich fürwahr nicht aus Frechheit oder Vorwitz, sondern aus Sorgfalt und Treue schrieb. Denn weil wir uns mit den Fröhlichen freuen, und mit den Weinenden trauern müssen, sollen wir uns auch mit den Aengstlichen ängstigen und bekümmern, nicht als solche, die an ihrem Gott zweifeln, sondern als solche, die sich vorsehen, daß Niemand in Zweifel falle oder geärgert werde. Wie denn auch der h. Paulus sagt: wer wird geärgert, und ich brenne oder ängste mich nicht? Ich sandte daher, so wenig Ansehen ich auch besitze, um so vortreffliche Männer zu ermahnen, in bester Absicht Euch, liebste Herren und Brüder, diesen meinen Trost, nicht daß ich an Eurer Treue und Standhaftigkeit zweifelte, sondern um Euch zu warnen, an Nichts, das Euch begegnen könnte, Euch zu ärgern. Nun ist kein Zweifel, wie auch die heidnischen Philosophen bekennen, daß Tugend und Gerechtigkeit eine so große und köstliche Sache ist, daß sie niemand völlig erlangt, als wer zu sterben wagte. Denn das ist gewiß, daß alle Rechtschaffenen so vielen und so großen Nachstellungen ausgesetzt sind, daß wenn sie sich überhaupt nicht verschätzten, eher den Tod erleiden, als von der Rechtschaffenheit abtreten, sich abführen und aus Furcht die Gerechtigkeit verlassen würden; darum muß die Verachtung seiner selbst auch in der gemeinen Gerechtigkeit an die Spitze gestellt werden, oder man wird flüchtig. Wie viel mehr müssen wir in der Sache der christlichen Religion und des Glaubens, der nichts Anderes ist, als der völlige Tod des Fleisches und das Leben des Geistes, uns schon längst verachtet, und es dahin gebracht haben, daß wir allein dem himmlischen Hauptmann gefallen, in dessen Heer wir uns einschreiben ließen. Bedenket, theuerste Herren und Brüder, ob es nicht in der ganzen Christenwelt so wenig christlich, so gottlos und elend stehe, daß jedes Menschen Gewissen selbst dieß Urtheil spricht: wir müssen uns durchaus bessern, oder Gott wird uns strafen; da nun dieß Aller Gemüther bekennen und Alle sehen, daß diese gottlosen Sitten durch die verkehrte Lehre des Papstes entstanden und erwachsen seien, so daß man nicht hoffen darf, sie werden durch diese Lehre auf den rechten Weg geführt werden, so ist durchaus kein Zweifel, daß wir keine andere Lehre festhalten sollen, wenn wir unsere Sitten bessern, und mit Gott versöhnt ^Verden wollen, als das Wort Gottes selbst. Denn wer kann uns den Willen Gottes besser lehren, als sein Wort? Wo also Gott sein Wort offenbart und darstellt, da sind wir gewiß, daß seine Gnade offen steht und angeboten wird: denn wenn er seinen Willen durch sein Wort offenbart, thut er es nur deßhalb, damit wir die Dinge, die in seinem Wort als ihm gefällig erkannt werden, annehmen, und hingegen die, welche seinem Wort widerstreiten, verwerfen und verabscheuen. Da aber der allmächtige Gott Euch sein heiliges Evangelium geoffenbaret hat, worin uns sicheres Heil verheißen, und die Weise eines frommen Lebens in Christo Jesu vorgebildet ist, so sollt Ihr ohne Zweifel Gott den größten Dank sagen, daß er Euch in der Gefahr und Drohung seines Zorns den Weg zeigte, auf dem Ihr mit ihm versöhnt werden könnt. Und wenn die Menschen Euch darum zu hessen, ja zu verfolgen und zu tödten wagen, sollen diese Drohungen Euch etwas Geringes sein, wie wenn Einem eine reiche, schöne, sittsame Tochter zur Ehe beworben werden sollte, um die ein Anderer auch werben würde, der, welchem sie folgen will, sich nicht schrecken oder vertreiben ließe, darum, daß es heißt: laß ab, denn der andere Freier wird dich besiegen. Also, wenn Euch die Leute von der theuren Tochter, der Kirche Jesu Christi abziehen wollen, darum, daß sie Euch als Feinde zu verfolgen drohen, sollt Ihr die Menschen verachten, und Euch nichts um sie kümmern, denn der Gewinn und die Güter, die wir von Gott empfangen werden, sind ganz andere, als die, welche uns die Menschen versprechen. Was nutzt es aber einem, wenn er sich auch aller Leute Gunst verschafft, dabei aber Gottes Gnade verliert? Steht unsre Hoffnung auf Zeitliches oder Ewiges? Müssen wir uns nicht vor dem allein fürchten, der Leib und Seele in das ewige Feuer senden mag? Da nun jetzt, wie mich däucht, die Zeit vorhanden ist, wo Ihr aufgefordert seih. Euren Glauben zu bekennen, so erwäget, liebste Herren und Brüder, daß Christus unser Feldherr droht, wer ihn verläugne, den werde er auch verläugnen bei seinem Vater, und wiederum, wer ihn vor den Menschen bekannt habe, den werde er auch vor seinem Vater bekennen. Da nun dieß so ist, so bekennet die Wahrheit frei, und überlasset dem Feldherrn Christus Eure Sache bei dem höchsten Könige, dem himmlischen Vater zur Besorgung in der festen Zuversicht, er, der Euch Licht und seinen Geist gab, werde, was er angefangen, vollführen. Er führte uns zuerst durch kleine Dinge an, sollte er uns in den wichtigsten verlassen? Verachtet Eure und der Feinde Kräfte, dagegen sehet, wie mächtig der ist, dessen die Sache ist, die ihr annahmet, und der Ihr glaubet und dienet. Wo hat er, die ihm vertrauten, je verlassen? Hat er nicht durchaus alle Macht der Menschen geschwächt und zu Boden geschlagen? Er ists, der Pharaoh, Abimelech und Amorrheus schlug. Er ist die Kraft aller Dinge, und nichts lebt, als nur in ihm; so müssen auch Eure Feinde durch seine Kraft leben, ja so kann er ihnen alle Kraft nehmen, und Euch geben, und ohne seinen Willen werden die Feinde nichts vermögen. Sehet vor Allem, theuerste Herren und Brüder, daß ihr unter einander einmüthig und einträchtig seid; denn wo Eintracht ist, da war kein Städtchen so klein, daß es nicht bei Ehren blieb, dagegen, wo Zwietracht, da war kein Reich so groß, daß es nicht zerfiel. Seid klug, liebste Herren, und sehet Euch um auch nach andern Christen, was Gott ebenso gefällt, daß die, welche eines Geistes sind auch Gottes Werk und Streit mit einander ausrichten, Alles im Herrn, in Eintracht und Treue. Denn ich verspreche Euch bei Gott, den ich predige, wenn Ihr einmüthig seid und keine betrüglichen Zinse und Untreue herrschen lasset, so wird Euch Gott gewiß erhalten, aber lasset Euch nur nicht trennen, und falls Einige über den Glauben noch nicht genug unterrichtet sind, sollen sie doch bedenken, daß ihr Glück und Gut zugleich mit den Eurigen zu Grunde gehen würde, wenn sie sich von Euch trennen würden. Seid dem mächtigen und „ungczweifelten“ Gott befohlen. Gehorchet Simpert Schenk, dem treusten Diener des Evangelii, dann wird es mit Eurer Sache gut stehen. Nehmet Alles Bestens an.

Eurer Ehrsamen Weisheit allzeit williger Ulr. Zwingli.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Zwingli, Huldrich – An den Pfarrer Blarer – 1528

Der rechte Christ sucht Gott und dem Nächsten zu leisten, was je die Besten geleistet haben, mögen sie Abraham oder Odysseus, Miltiades oder Mose geheißen haben. Die Religion war nicht in die Grenzen Palästinas eingeschlossen, weil der himmlische Geist nicht nur Palästina, sondern die ganze Welt geschaffen hat und mit seiner Liebe umfasst.

Quelle:
Neukauf-Heyn Evangelisches Religionsbuch Teil IV B., Kleine Ausgabe. Lesebuch zur Kirchengeschichte für höhere Schlen von Ernst Heyn. Vierte verbesserte Auflage. Leipzig Verlag von Ernst Wunderlich. 1925

Zwingli, Huldrych – An Johannes Vannius, Prediger zu Constanz.

Zürich d. 29. Oktbr. 1526.

Gnade und Friede vom Herrn! Man schließt, daß Du krank darnieder liegst, theuerster Vannius; dieses Leiden rührt uns nicht wenig, denn wir wissen wohl, wie schmerzlich sein Paroxismus ist. Allein auf diese Weise übt und macht Gott mürbe, er peinigt Dich, edles und treues Werkzeug des Evangeliums, also, um zu prüfen, ob Du ihn von ganzem Herzen liebest; uns aber versucht er, ob wir mitleiden können, wenn ein Glied leidet. Deßhalb kannst Du dadurch, daß Du es trägst, denjenigen zum Mitleiden bewegen, welcher tödtet und wieder erquickt, in dessen Hand alles steht. Denn wenn er das Kreuz nicht zu unserem Besten schicken würde, hätte er nicht gesagt: „alle Haare eures Hauptes sind gezählt;“ und sein Apostel würde uns nicht so deutlich eben hierüber berichten, da er spricht: „wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“ Nun aber bleibt uns eben dieß, was uns seine Weisheit zum Glück widerfahren läßt, häufig verborgen, so lange es noch nicht zum Ziele gelangt ist; aber wenn wir den Ausgang haben, dann merken wir erst, warum er es gethan hat. Ich selbst rede unter den so vielen Verwirrungen in der Welt, bei dem jetzt Alles erschütternden Sturm unserer Stadt, bei der Pest oder einer Krankheit selbst mit häufigen Seufzern davon, wie er uns übel geneigt sei, doch Alles umsonst, ich predige tauben Ohren. Wenn aber der Ausgang herbeikommt, dann werden wir durch einen Spiegel und ein Gitter sehen, zu welchem Nutzen er Jegliches austheilte. So ward auch Deine Krankheit zu Deinem Nutzen Dir auferlegt; dieß wirst Du aber einst erfahren. So viel hierüber. Neulich sagte mir ein Freund, in welch üblem Ruf ich bei Einigen stehe wegen der Scheinankläger oder vielmehr Verräther, an welchen diese Zeit so fruchtbar ist, als ob die Verfolgung derselben ursprünglich von uns ausginge. Dieß Gerücht würde ich, wenn es wahr wäre, so wenig abbitten, daß ich es mir vielmehr zum Lob und Ruhm rechnete, wenn ich nehmlich dieß Uebel vertilgen könnte. Wird dasselbe nicht gehoben, so wird es wenigstens unserer Stadt Verderben bringen. Allein es ist dem nicht also. Wir sind weder gewaltthätig, noch verursachen wir Lärm, sondern sind vielmehr einzig darauf bedacht, daß nicht Aufruhr und Verwirrung stattfinde. Grüße alle Brüder, hauptsächlich Zuiccius, Blaurer und Meulishofer, und sage, ich werde nächster Tage, sobald dieß Geschäft beendigt ist, schreiben. Schicke dieses Schreiben bei der ersten Gelegenheit unserem gemeinschaftlichen Freund und Bruder, Wilhelm von Cella, und genese, soviel der Herr gibt. Grüße auch Dein Weib.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Zwingli, Huldrych – An Michael Cellarius, Prediger zu Augsburg

Zürich, d. 17. Sept. 1526

Gnade und Friede vom Herrn. Auch wir sind krank (ich bitte, daß dieser Anfang des Briefs nicht von schlimmer Vorbedeutung sein möchte!) tapferster Michael, während Du schon lange krank bist. Denn da wir Ein Leib sind, so werden wir auch eine gemeinsame Empfindung aller Leiden haben. Und o, daß ich eine Hand wäre, die, seis durch Arznei oder durch Zauberei, allen Schmerz vertreiben könnte! Da ich aber dieß nicht vermag, so flehe ich zu dem Arzt, der in Wahrheit ein Heiland ist und heißt, daß er heile, und den Geheilten seinem Amte wieder geben wolle, doch unter der Bedingung, daß sein, nicht unser Wille geschehe. Denn wenn wir unschuldig geschlagen werden, so geschieht es zu unserem Besten, damit Gott erforsche, ob wir ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieben. Wiewohl, wer ist unschuldig? Da selbst die Gestirne vor seinem Angesichte unrein sind. Auf diese Art bereitet uns Gott für das künftige Leben. Denn wer das gegenwärtige liebt, verliert das zukünftige. Wohlweislich also und aus Liebe zu unserm Besten vermischt er dieses Leben mit so vielem Bitteren und Herben, damit wir um so bereitwilliger dasselbe verachten. Denn würde uns Alles nach unserer Meinung widerfahren, wer würde nicht fest bei demselben bleiben, so schlüpfrig und hinfällig es auch sein mag? Nun aber, wer wollte es nicht hingegen willig und gerne fahren lassen, das nie ohne Plage ist? So bedenke nun, mein l. Michael, nur eben dieß recht. Dein Kreuz sei eine Zucht, und zwar keine solche leichte und nichtige, welche durch Worte geschieht, und gewöhnlich mit der Luft zergeht, sondern eine wirksame, wahrhafte und kräftige, dadurch man die Kunst zu sterben und die Welt gering zu schätzen erlernt, welche über jeder Kunst und jedem Geschäfte steht. Was fehlt den Reichen dieser Welt, wenn sie sich nach dem Apostel in so viele Stricke verwickeln, anders als die Kunst zu sterben und die Welt zu verlassen! Denn könnten sie oder wüßten sie diese zu verlassen, so überließen sie sich nicht soweit ihrem Verkehre. Du hast Andern fleißig gelehrt: man müsse die Welt gering achten, und das Unglück gelassen ertragen; nun erfährst Du, was Du lehrtest. Es ist auch einem Stoiker, geschweige einem Christen, überaus leicht, während er nichts leidet, von der Geduld zu philosophiren; aber geduldig ertragen, dieß ist erst die lebendige Philosophie. Denke so bei Dir: Gott wollte, daß Du eine Zeitlang mit dem Wort im Dienste seines Evangeliums stehst, nun aber läßt er die Sache vollführen. Ohne Kriegs-Gefahr und Verdacht läßt sich prächtig von Tapferkeit sprechen; aber in der Gefahr selbst standhaft und unbeweglich sein, dieß ist erst ein Beweis eines tapferen Herzens. Der Herr gebe Dir ein unversehrtes Gemüth und Frieden. Amen. Allen Freunden, besonders Sigismund Grimm und Peter Gynorianus, der jetzt bei jenen ist, ein Lebewohl! Lebe wohl und genese im Herrn.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Zwingli, Huldrych – Brief an die Drei Bünde von Rhatien

Zürich d. 14. Jan. 1525.

Gnade und Friede von Gott zuvor, tapfere, gestrenge, kluge, ehrwürdige, weise, gnädige, günstige, geliebte Herren und Brüder in Christo! Der heil. Paulus sorgte nicht nur für die, welche er zum Glauben brachte, sondern für alle Kirchen, d. i. für alle Gläubigen, daß kein Unglaube, keine Uneinigkeit oder Trennung unter den Jüngern Gottes einreiße. Deßwegen hoffe ich auch, es sei mir nicht ungeziemend, an Euch zu schreiben, theils weil ich erfuhr, wie Ihr das wahrhaftige unüberwindliche Wort Gottes angenommen habt und an mehreren Orten predigen lasset, theils weil ich auch aus dem Churer Bisthum gebürtig bin.

Ich will daher Eure vorzügliche Weisheit um Gotteswillen gebeten haben, mein Schreiben darum nicht zu verschmähen, weil mich die Feinde Gottes und der Wahrheit wider die Wahrheit so ungebührlich einen lasterhaften Menschen, Ketzer und Schelmen schelten, worin mir Gewalt und Unrecht geschieht. Ich bekenne mich als einen großen Sünder, aber der Ketzerei mich zu überführen oder einer Uebelthat zu beschuldigen, dürften alle meine Feinde umsonst versuchen. Gleichwohl erdulde ich so rasende Beschimpfungen mit stillem Geiste; denn unser Herr Jesus Christus sagte zuvor, daß es also zugehen werde, wie ihm selbst auch geschehen, und: der Jünger ist nicht über den Meister; es ist somit kein Wunder, wenn mir armen Sünder so unmäßige Lügen zugemessen werden. Allein dieß schrieb ich nur darum, daß Ihr Euch durch die lügenhaften Schmähworte nicht zur Verwerfung meines aufrichtigen Schreibens verderben lasset. Ihr Männer von den drei Bünden waret bei mir in alleweg von meiner Kindheit an besonders geliebt und empfohlen, so wenig es auch Euch nützen mag; was ich auf mancherlei Weise durch Zeugnisse der Eurigen beweisen könnte, die in der Fremde mit mir umgegangen und nun bei Euch in gutem Rufe, Ehren und Ansehen stehen, die mich wohl kennen, ob ich gleich Eurer Weisheit unbekannt bin. Nun schrieb ich Eurer Weisheit aus keinem andern Grunde, als wegen des Evangeliums des Sohnes Gottes, worin Gott mich täglich übet durch viel Arbeit, Sorge, Angst, Nachstellungen und Widerstand; aber es überwindet doch stets der Herr aller Herren, dem sei Lob und Preis. Ich gebe nun dieß Eurer Weisheit zu bedenken, daß dieselbe wohl sehen möge, wie des Papstes Gewalt das göttliche Wort verschlossen, unterdrückt und verdunkelt habe, so daß uns die Wahrheit verhalten und an deren Statt ein eitler Schein dargestellt ist, wodurch wir nicht nur um die zeitlichen Güter, die wir auf Ablaß, Pfründen, Klöster und Kirchenhoffahrt verwendeten, sondern, wie zu besorgen ist, um unsere Seelen betrogen sind, und das besonders eben jetzt, da die Wahrheit am Tage liegt, viele aber durch die Lehre des Papstes so verblendet sind, daß sie dem Evangelium nicht gehorchen können, für die ich weit mehr fürchte, als für die, welche die Wahrheit nicht erkannten, da ich glaube, daß Niemand dergleichen Leute richten darf, sondern sie der Barmherzigkeit Gottes zu überlassen seien. Eure Weisheit sieht in der That, wie das Papstthum steht, und wiederum, wie offenbar die Wahrheit überall hervortritt, so daß das ganze Papstthum nichts dagegen vermag, sondern sich zu Gewalt und Schimpf, auch zu Lügen und Bestechung mit Geld wendet; woher zu befürchten ist, wo die Obrigkeiten diejenigen, welche das Wort Gottes öffentlich lehren, nicht sicher stellen, doch allein darin, daß sie von ihrer Lehre aus dem Wort Gottes Rechenschaft geben, Gott möchte seine Gnade von Neuem entziehen, und in die alten Irrthümer zurückfallen lassen. Würde dieß geschehen, so dürfte jeder leicht ermessen, welch großer Schaden für die ganze Christenwelt an Leib und Seele erwachsen würde. Da nun ausgemacht ist, daß es auch bei Euch Einige gibt, die das heilige und untrügliche Gotteswort recht und treulich predigen, wie besonders der ehrenwerthe, äußerst gebildete und an Glauben reiche Joh. Comander, deutsch Dorfmann genannt, Lehrer der edeln Stadt Chur, mir von Jugend auf durch seine Sittenreinheit und seinen Fleiß im Studiren wohl bekannt, und viele andere, deren Namen aufzuzählen zu lang wäre (Gott stärke sie zu allem Guten): so lege Eure Weisheit Hand an, daß denselben wider Gottes Wort in keinem Stück Gewalt geschehe, und lasse sich hierin keiner ängstigen, ob einer vielleicht in einigen Dingen noch etwas unerfahren sich verletzt oder verführt glaubt. Denn wenn die Menschen endlich die Wahrheit erlernen, werden sie sich darüber freuen; und was sie zuerst für schrecklich erachteten, darüber werden sie nachher lachen, wie unser hochgeliebter Herr Jesus Christus sagte: was bei den Menschen hoch ist, das ist bei Gott ein Gräuel“ (Luc. 16, 15). Besehet also das Wort Gottes in den heiligen Büchern des N. und A. Testaments, und lasset Euch durchaus nicht davon abbringen. Denn Gott kann uns nicht belügen, noch sein Wort trügen; die Menschen aber können betrügen, so hoch und so viel sie auch sein mögen. Betrachtet das Heil und den Frieden unserer Gewissen, die allein im Worte Gottes sich beruhigen können, und laßt Euch nicht zu Schulden kommen, daß ihnen dieses je entrissen und des Papstes geiziges, trügerisches, verfängliches Wort wieder ihnen beigebracht werde. Denn wie der Prophet Amos sagt: „wenn ein Löwe brüllt, wer sollte ihn nicht fürchten?“ so, wenn Gott sein Wort hervorrüstet und stellt: wer sollte nicht zuhören und gehorchen? Gott öffnet sein Wort nicht ohne schwere Beschwerden und Strafen derer, welche es nicht hören wollen, dagegen zum großen Nutzen für Leib und Seele derer, welche ihm folgen. Ein Denkmal hievon ist die furchtbare Zerstörung Jerusalems darum, daß sie das Wort, das ist, den Sohn Gottes nicht aufnahmen, und umgekehrt das Beispiel Ninive’s, das, da es sich nach dem Wort Gottes reformirte, unversehrt blieb. Deßhalb fromme, würdige, weise, geliebte Herren! lasset Euch nicht von denen verführen, welche mit heimlichen falschen Beschuldigungen gegen Gottes Wort, seine Prediger und treuen und gehorsamen Diener reizen und die Menge hetzen. Der Teufel pflegt nicht anders zu handeln: er kann und vermag nichts mit der Wahrheit; deßhalb flüchtet er sich zu seinen Waffen, die Lügen, Verwirrung und Zerrüttung sind. Obwohl die Feinde der Wahrheit deren Verehrer allweg der Unwahrheit beschuldigen, ist doch offenbar, daß die welche das Wort Gottes annehmen, so redlich sich darstellen, und die Feinde nichts gegen sie vermögen, daß Kinder sehen mögen, welches die Aufrührer, und welches die seien, die nach christlicher Sitte Frieden stiften. Wie auch heutiges Tags meinen Herrn von Zürch begegnet, von welchen man Euch hinterbringt, sie seien aufrührerisch, suchen fremde Hülfe, verachten das Recht, lassen Vergehen unbestraft, nehmen billige Verträge und friedliche Uebereinkünfte nicht an, was doch alles erfunden und gegen die Wahrheit gesagt ist. Denn sie duldeten um des Friedens und der Ehre Gottes willen seither Unleidliches, so daß, wenn sie sich nicht vor Zerwürfniß hüteten, solches nicht zu erleiden gewesen wäre. Deßhalb laßt Euch nicht gegen die Frommen zu Zürich irgendwie hetzen oder erbittern, sondern vertrauet auf die alte edle christliche Stadt, daß sie auch ferner lauter, heilig, ehrbar und christlich handle. Erkennet nichts gegen jemand, ohne zuvor beide Theile gehört zu haben; Gott wird die Seinen nicht verlassen. Bedenket endlich, wenn auch Zürch nicht so lauter und redlich handelte, daß doch keine Stadt in der ganzen Welt Euch günstiger zu all Eurem Nutz und Frommen ist, und Euren Vortheil vielfach so sehr förderte, wie, so Gott will, noch sehr viele redliche Schüler sich wohl erinnern werden. Nehmet dieses mein Schreiben bestens auf, und wenn ich Eurer Weisheit in etwas dienen kann, so befehle und gebiete sie, da ich den Zürchern und Bündnern, die in so schönem Einvernehmen mit einander stehen, wenn ich mit Gott und Glimpf irgend begegnen kann, wohl gerathen wissen, und es nicht soweit kommen lassen möchte, daß sie durch falsche Angaben einander entfremdet werden. Der Gott, der bei Euch das Papstthum zu brechen und in seine Erkenntniß Euch einzuführen begonnen hat, leite und befestige Euch, daß wir alle fröhlich am jüngsten Tage vor seinem Gericht erscheinen dürfen. Amen. Eurer edlen Weisheit williger und getreuer Verehrer Ulr. Zwingli, Prediger des Evangeliums Christi meines Herrn.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Zwingli, Huldrych – An Erasmus, Bischof in Schaffhausen

Den 1. Jan. 1524

Gnade und Friede vom Herrn. Schon lange nahm ich mir vor, an Dich zu schreiben, lieber Erasmus, doch unterließ ich’s mehr durch Deine als durch meine Schuld; denn unsere Briefe haben ein so wundersames Geschick, daß sie ihrem Verfasser am Wenigsten, dagegen dem, an den sie gerichtet sind, am meisten schaden können. Ich schreibe Dir also einmal, doch als Christ einem Christen; daher Du nicht unwillig sein wirst, und auch ich nichts schreiben werde, was sich nicht mit Gleichmuth ertragen läßt. Denn wenn wir einen und denselben Geist geschöpft haben und athmen, so werden wir auch die gleiche Denkart haben; wenn wir einerlei Meinung, so wird aller Streit sehr weit entfernt sein. Die Sache, die ich mit Dir verhandeln möchte, ist also nicht mein noch Dein, vielmehr mein und Dein, ja nicht mein und Dein, sondern Aller. Was ist sie ferner? Das Evangelium Christi. Da Du die Samen desselben zwischen die Stachel- und Dornsträucher wirfst, glaubte ich, nicht unbillig zu handeln, wenn ich Läufer den Laufenden ermahne. Denn in diesem Streit ist der Neid nicht Begleitet: hier können alle siegen und die Gabe hinnehmen. Wie aber im Treffen ein Krieger den andern zur Erwerbung des gemeinsamen Heils ermuntert, so sollen auch wir einander ermuthigen, und zwar um so mehr, je kühner wir den Feind einfallen sehen. Doch möchte ich von Dir nicht so verstanden werden, daß ich Dich nicht mehr zum tapfern, als zum klugen Kämpfen mahne. Denn ich bin längst derjenigen gehörig überdrüssig, welche durch ihre Freiheit Alles zu Grunde richten; aber bei Deinem richtigen Gemüthe und Glauben (wie ich höre) lebe so vorsichtig, und lehre Alles fest und ohne sonderliche Bissigkeit, daß Niemand Deine Lehre widerlege, noch Dein Leben mit Recht tadeln kann. Wenn es Einige gibt, die das Wort des Herrn für nichts achten, was thut dieß? Ist es doch denen köstlich, die des Herrn sind, die nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Gott geboren sind. Um dieser willen darf uns kein Ueberdruß ankommen, selbst wenn jene es nicht nur verachten, sondern auch durch Schmähworte geißeln und verfolgen. So muß man meines Erachtens der Heerde des Herrn, wenn sie ganz klein und gering ist, ebenso Glauben schenken, als wenn sie sehr groß wäre. Den, der nur Ein Talent empfangen hatte, entschuldige es nicht, daß ihm am Wenigsten anvertraut war. Gleicherweise wirst Du denken: weil nur Wenige Christum aufnehmen, darf ich nicht läßiger handeln, sondern soll um so klüger wachen, damit die Heerde meines Herrn ins Unendliche wachse. Dieß übermache ich Dir, lieber Erasmus, als Gast- oder Neujahrsgeschenk, an diesem meinem Geburtstage, zugleich als einen glücklichen und günstigen Anfang unserer Freundschaft, damit Du meine Gesinnung gegen Dich und meine Geneigtheit zu jedem Dienste erkennest. Was in diesen Tagen zu Bern verhandelt wurde, mag Hubelmann erzählen.

Lebe wohl durch den Herrn.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Zwingli, Huldrych – An Berthold Haller am 29.12.1523

Was du von mir wünschest, nimm selbst kräftig an Hand, auf daß deine ziemlich wilden Bären durch das Hören der christlichen Lehre anfangen, zahm zu werden; doch ist dies ein Geschäft, das, wie ich glaube, ganz sachte muß vorgenommen werden; denn es läßt sich bei euch durchaus nicht auf dieselbe Weise verfahren, wie bei den Unsrigen. Da nämlich die Eyern noch gar zarte Ohren haben, so darf man sie nicht sofort mit einem so scharfen Eisen kratzen, wie denn auch Christus wohl dies gemeint hat, wo er verbietet, die Perlen vor die Säue zu werfen, da sie vielleicht gegen dich sich wendend in großer Wildheit dich möchten zerreißen und auf immer das Evangelium Christi verabscheuen. Diese rauhen Geschöpfe muß man also ziemlich sachte streicheln und je nach ihrem Tritt ein wenig weichen, bis sie, durch unsere Geduld und unerschütterliche Herzensfestigkeit überwunden, zahm werden. Auch Petrus nahm darauf Rücksicht, als er sprach: Nun aber, lieben Brüder, weiß ich, daß ihr aus Unwissenheit Solches gethan; ebenso Paulus, so lange er die Galater mit Milch, nicht mit starker Speise nährte.

So bitt‘ ich, suche Allen Alles zu werden, damit nicht Christus sammt dir verworfen werde! Diene ihm, auch uns zum Besten, bei den Deinigen!

Zwingli, Huldrych – Herrn Nikolausen von Wattenwyl, Propst zu Bern im Uechtland,

Gnade und Frieden von Gott, unsern Herrn Jesu Christo!

Wie es allen Christen zur Freude gereicht, o allerliebster Bruder in Christo Jesu! daß der Glaube in deinem Vaterlande, in der frommen Stadt Bern, täglich wächst und zunimmt, so freut mich besonders deine Bekehrung von der Finsterniß zum Lichte. Denn viele Dinge sind, die dich daran hätten hindern können: dein vornehmes Geschlecht (Dein eigener Vater vorzüglich bekleidete oft das Schultheißen- und andere Aemter), Reichthum, eigene Verdienste und deine bekannte Milde und Güte gegen die Menschen, und endlich, was dich am meisten hätte hindern können, die Hochachtung, die dir von Seite so vieler Päpste und Bischöfe zu Theil wurde. Diese Dinge alle hätten dich ohne Zweifel an einem freien Bekenntniß des Evangeliums Christi verhindert, wenn nicht Gott dich, mit allem Volke, bei euch besonders gezogen hätte. O wie wahr ist „Niemand kommt zu mir, es ziehe ihn denn mein himmlischer Vater.“ Dieser wirket alle Dinge in allen Menschen; dem sollen wir Alle um eures Glaubens willen Lob und Dank sagen in Ewigkeit. Amen. Daß ich so kühn bin, Dir, mit dem ich früher keine besondere Freundschaft gepflegt, in einer öffentlichen Schrift entgegen zu kommen, geschieht aus keinem anderen Grunde, als aus dem Glauben an den gemeinsamen Christus, der uns zu Brüdern und Gliedern eines Leibes gemacht. Die Heiden schon haben ein Sprichwort: „Fromme kommen ungeladen zu Frommen;“ und demnach hat jeder Christ Grund genug, den Mitchristen um die Freundschaft anzugehen, da sie eines Gottes, einer Taufe und eines Glaubens sind in Christo Jesu. Da ich nun auf letzten Johannis des Täufers Tage von der göttlichen und menschlichen Gerechtigkeit predigte und später von vielen ehrsamen Männern gebeten wurde, diese Ansichten schriftlich zu veröffentlichen: durfte ich, wiewohl ich dazu starke Lust hatte, diese Schrift nicht eurer frommen Stadt zuschreiben. Denn ich habe vernommen, daß ein Gerücht (-) unter euren Mitbürgern verbreitet werde, wie es bei uns zu Zürich so jämmerlich stehe, was doch nicht der Fall ist. Denn es wächst, Gott sei gelobt und gedankt, die Liebe und Freundschaft täglich unter den Gläubigen, und es unternimmt Niemand irgend Etwas, als nach Entscheid und mit Gutheißung der Obrigkeit.

Es giebt wohl auch bei uns Widerspenstige, die vielleicht auf Anderes absehen als auf die Verbreitung der Lehre Christi; diese muß man dulden, bis sie Gott auch zieht, damit die Stärke seines Wortes desto ehrenvoller siege; es muß Widerstand haben, damit man seine Kraft sehe. Wiewohl ich nun diese Schrift nicht eurer Kirche zuschreiben durfte, so wollte ich sie doch dir, als einem ernstlichen, getreuen Diener Gottes, widmen, in der zuversichtlichen Hoffnung, es werde dich solches nicht befremden, sondern du werdest es im Besten aufnehmen, wie es auch gemeint ist. In dieser Schrift wirst du sehen, daß das Evangelium nicht wider die Obrigkeit ist, daß es um zeitlichen Nutzens willen nicht Zerrüttung gebiert, sondern daß es im Gegentheil die Obrigkeit befestige, diese auf dem rechten Wege leite und sie mit dem Volke, in sofern sie christlich fährt und dasjenige Maß beobachtet, das Gott ihr vorschreibt, wahrhaft vereinigt. Darum lies diese Schrift mit den Gläubigen eurer Kirchen; und wo du meiner armen Dienste bedarfst, so thu es mir kund und gebiete über mich! Gott, der uns Alle in das wunderbare Licht seiner Erkenntniß geführt, befestige in uns Alles, was er angefangen! Grüße mir Thomas Wittenbach , Heinrich Lupulus, beide meine Lehrer, Sebastian Meyers), Berchtold Haller (l), eurer Gemeinden Lehrer, meine Mitarbeiter im Evangelio Christi, die edlen, festen, deinen Vater, meinen Herrn, und I. Hans Rudolf Hetzel (?) von Lindach, die strengen Beschirmer christlicher Lehre, Valerius, den Stadtarzt, und Lienhard Tremp, meinen Schwager, und euere ganze Gemeinde.

Gegeben zu Zürich am 30. Tage Heumonats MDXXIII.

Huldreich Zwingli,
dein und aller Christen Diener.

Zwingli, Huldrych – An Werner Steiner (Lapidanus).

Zürich d. 19. Febr. 1523.

Ich weiß wohl, liebster Werner, wie richtig Du von der Lehre Christi denkst. Deßhalb bedarf ich dießfalls keines Erinnerns; denn ich bin überzeugt, daß man so von Dir denken müsse, wie von einem frommen Jünger Christi, welcher Jedermann Christo zu gewinnen wünscht, wenn nicht Einige eine verderbliche Blindheit auf einen verkehrten Sinn führen würde, da sie in ihrer Blindheit sogar zu den Sehenden sprechen: sehet an uns das Falsche und Eitle, prediget uns Irrthümer, saget, was uns gefällt! Sie zischen Christum, den einzigen Heiland unserer Seelen, aus, schmähen seine Boten, ja sie gehen in ihrer Wildheit so weit, daß sie jeden Nächsten unmenschlich behandeln. Die göttlichen Rechte vermögen bei ihnen nichts, die menschlichen aber (ich meine das Naturrecht, daß Du nicht etwa glaubst, ich spreche von den Traditionen der Antichristen) treten sie dergestalt mit Füßen, daß ich von ihnen nichts Besseres als von Krokodilen, Tigern, Löwen und Bären zu hoffen wage. Doch dieß sind die Uebel dieser Welt, womit Gott seine Gläubigen prüft. Ich sage es in Christo, und lüge nicht, daß kein Schmerz uns so sehr quält, als der Unglaube einiger Schweitzer: dieser begleitet, plagt und schreckt mich jeden Augenblick, doch nicht, als befürchtete ich für mich Uebles, sondern vielmehr für jene. Denn es fliegt nun gleichsam alle Art des Bösen vor den Augen umher; die Bosheit ist nicht ferne, sie waltet bei dem nächsten besten; sofort warten unser aber auch Heimsuchungen so bedrohlich, daß, wenn sie uns einmal in ihrem Ungestüm erhafchen, ich fürchte wir möchten es nicht tragen können, und doch tragen müssen. Herr, Dein Wille geschehe! Franziskus wird Dir ohne zweifel das Ganze treulich berichtet haben, weßwegen Du unserer Erinnerung nicht bedarfst. Ich arbeite jetzt Tag und Nacht an der Erklärung jener Artikel. Auch Du wirst dort unsern gemeinschaftlichen Christus anflehen, daß er mich nirgends fallen lasse; denn er wird gleichsam der vermischte Inhalt (famago) aller Meinungen sein, die heut zu Tage im Streit liegen. Ich schreibe aber deutsch; denn die Sätze sind in jeder deutschen Sprache herausgekommen.

Faber von Constanz plaudert gar zu dreist alles, was ihm in den Mund kommt, heraus; doch wird er einmal seinen Rächer und an demselben ein Scheermesser finden. Wiewohl er an gesunder Bildung so arm ist, daß es mir vorkommt, als habe er alles, was ihm einst im Christenthum gelehrt worden, zu Rom verlernt, und mit Recht. Denn was hat Rom mit Christus zu schaffen? Wenn man diesen dahin zu bringen wagt, so ist’s ein Wunder, wenn man nicht Schläge bekommt. Es gibt nichts Neues, das Dich sonderlich interessiren könnte. Wenn aber etwas vorkommt, will ich Dich davon benachrichtigen. Constanz hat seinen Apostel, den Prediger Vannius, welchen es auch gegen die päpstlichen Schriftgelehrten und Pharisäer tapfer vertheidigt; ich hoffe daher, daß die Rabulisten (Zungendrescher) bei dem Constanzer Gericht in Bälde sich vermindern werden. Grüße in unserem Namen Barthol. Stocker und eure christliche Gemeinde, welche Du auch unablässig in der heilsamen Lehre befestigen und unterweisen wirst, damit sie nicht für sich fürchten, obgleich sie eine sehr kleine Heerde sind. Denn ich bin in so viele Geschäfte verwickelt, daß ich dießmal nicht an sie schreiben kann; sobald es sich aber geben wird, will ich mit Vergnügen an sie schreiben. Christus erhalte Dich sammt ihr unversehrt.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862