Calvin, Jean – An Beza in St. Germain (677)

Nr. 677 (C. R. – 3507)

Pierre Davantes von Languedoc lebte als Philolog, Musiker und Komponist in Genf; Baduel (vgl. 639) war Professor der Philosophie an der Akademie; Nicolas du Feu (Igneus) ist unbekannt. Kardinal Ippolito d´ Este, der Schwager der Herzogin von Ferrara, war damals päpstlicher Legat in Frankreich; wohl auf der Durchreise von Italien nach Frankreich hatte ihn Calvin in Genf kennen gelernt. Am 22. August war Beza in St. Germain angekommen und schon am 23. abends vom König von Navarra dem Hof vorgestellt worden; dabei hatte er sich mit dem Kardinal de Guise über die Abendmahlsfrage auseinandergesetzt, wobei der Kardinal mit einem freundlichen Worte schloss. Am folgenden Abend hielt Beza bei den hugenottischen Herrschaften eine Andacht.

Todes- und Geburtsanzeigen. Von der Freundschaft mit Kardinälen.

Damit mich nicht bloß der Tod eines Mannes in Trauer versetze, musste meinem lieben Varennes zwei Tage darauf Davantes im Tode folgen. Auch für Baduels Leben haben wir keine Hoffnung mehr. Gestern ist auch die Frau unseres Stadtseckelmeisters plötzlich an einem Nervenkrampf gestorben, nach einer, wie man glaubte, gut verlaufenen Geburt. Um noch mehr Todesfälle zu berichten: auch Nicolas de Feu ist innerhalb neun Stunden von einer Erkältung hingerafft worden. Einigermaßen tröstlich ist es, dass Berauld sich allmählich erholt, und auch seine Frau nach einer Entbindung; beinahe wäre sie an der Frühgeburt gestorben, jetzt aber kommt sie doch wieder zu Kräften und auch das Kind ist gesund. Besorgt so schnell wie möglich, dass einer unsrer beiden Kollegen zurückkomme, worum ich ja neulich schon bat. Wäre es des Gallars möglich ohne Schaden für seine Gemeinde, so möchten wir ihn wieder hier haben. Da die Sache aber noch unsicher ist, so wollen wir nichts darüber sagen; die Zeit wird zeigen, war recht und gut ist. Damit dich übrigens deine Freundschaft mit dem Kardinal von Lothringen nicht gar zu eitel macht, so will ich dich gleich daran erinnern, dass auch ich ein Bruder des Kardinal-Legaten von Ferrara bin; denn als er mich hier vor dreizehn Jahren begrüßte, versprach er mir, er wolle stets mein guter Bruder sein. Hüte dich also, mir gegenüber hochmütig zu tun; ich könnte dir sonst mit Gleichem vergelten, besonders da ein Legat alle Kardinäle weit übertrifft. Lebwohl, trefflicher Bruder. Der Herr sei mit dir; er leite und behüte dich und mache dich reich an seinen Gaben; er rüste dich aus zu allen Kämpfen und wappne dich mit Klugheit gegen alle Ränke, mit Stärke gegen alle Drohungen. Grüße bitte unsere Brüder vielmals. Die Brüder und Freunde lassen dich grüßen.

Gestern berichtete ich im Rat, was du von Eurer nächtlichen Unterhaltung mir geschrieben, und es wünschten mir alle Glück. Was Ihr am folgenden Tag, in Abwesenheit der lauernden Pfründenjäger, getan, haben wir erfahren; über die folgenden Tage erwarten wir Bericht. Nochmals lebwohl.

3. September 1561.

Dein

Carolus Passelius.

Calvin, Jean – An Beza in St. Germain (674)

Nr. 674 (C. R. – 3495)

Calvins Freund, Guillaume de Trie, Sieur de Varennes war am 27. August 1561 gestorben. Francois de Morel, genannt de Collonges, war in St. Germain bei der Herzogin von Ferrara; Aireboudouze, Sieur d´ Anduze, war Pfarrer in Jussy, Nicolas Colladon Pfarrer in Vandoeuvres; Jacques de Spifame, Sieur de Passy, früher Bischof von Nevers, lebte als Refugiant in Genf. Der Gefangene Hugues in Reims ist nicht näher bekannt, ebenso der Schwiegersohn de Passys; beide waren bereits befreit, als Beza diesen Brief erhielt.

Varennes Tod. Allerlei Aufträge.

Ich muss diesen Brief vom Bette aus diktieren in großer Trauer, denn mein lieber Varennes ist mir genommen worden, der mich bisher noch aufrecht hielt, dass ich ohne allzu großen Gram lebte. Der einzige und nicht geringe Trost zur Linderung meines Schmerzes ist, dass sein Sterben das allersanfteste war; er empfing den Tod mit offenen Armen so heiter, als ob es die größte Wonne wäre. Seine Krankheit war von Anfang an lebensgefährlich; aber wir gaben die Hoffnung erst vorgestern Abend auf. Er bestellte noch sein Haus, und zwar so rasch, dass er in einer halben Stunde fertig war und doch nichts vergessen hatte. Von da an wars, als ob er der Welt den Abschied gegeben und auf das irdische Leben Verzicht geleistet hätte; er dachte und sprach nur noch von der ewigen Seligkeit. Er redete, als wäre er ganz gesund; er lebte noch bis gestern zu Beginn der Nacht. Nur eine Stunde lang war er der Sprache beraubt, doch bezeugte er durch Gebärden seine klare Besinnung bis zum letzten Atemzug. Er hauchte so ruhig aus, dass niemand den Übergang vom Leben zum Tode bemerkte. Er ist nun selig, ich elend.

Bei deiner Abreise neulich sind mir zwei Dinge eingefallen, über die ich noch mit dir hatte reden wollen. Du weißt, dass man in Bezug auf de Collonges sich anders besonnen hat, nämlich keinen Nachfolger für ihn zu wählen, da seine Stellung bei der Herzogin wohl doch nicht von langer Dauer sein werde. Wir sind nun aber bei unsrer geringen Zahl der Arbeit nicht mehr gewachsen. Zwei Tage nach deiner Abreise packte d´ Anduze das Podogra, Colladon ein Fieber. So ists nötig, dass de Collonges und Merlin unter sich ausmachen, welcher von ihnen mit geringerem Schaden und Verlust sobald als möglich zu uns zurückkommen kann. Die Notlage, in der wir sind, wird das genügend entschuldigen. Zweitens wollte ich dir auftragen: wenn Hugues noch zu Reims gefangen gehalten wird, so sorge, dass er befreit wird, sonst verfault er im Kerker, so ungerecht und unredlich sind seine Richter. Ähnlich ist die Lage eines andern, den ich bereits befreit glaubte. Es ist dies der Schwiegersohn des Herrn de Passy; er schrieb, es scheine ihm nicht erlaubt, die ihm vorgelegten Bedingungen mit ihrem Versprechen für die Zukunft anzunehmen; in die Verbannung zu gehen, weigert er sich nicht. Sein Schwiegervater lässt dir ihn warm empfehlen, und ich tue es auf seine Bitte auch. Damit er merkt, dass seine Bitte ernst genommen worden ist, so leiste ihm nicht nur diesen Dienst, sondern gib auch in deinem nächsten Brief einen Bericht von deinen Bemühungen. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr sei mit dir; er leite und behüte dich. Amen.

27. August 1561.

Grüße die Brüder und Freunde.

Dein

Carolus Passelius.

Calvin, Jean – An Beza in Nerac (636)

Nr. 636 (C. R. – 3243)

Auf was sich der absichtlich unklar gehaltene Brief eigentlich bezieht, ist nicht ganz ersichtlich; vielleicht handelt es sich um in Lyon (bei den „Nachbarn“) aufzubringende Gelder für den König von Navarra, den die Evangelischen als „Führer und Bannerherrn“ gewinnen wollten. Mit Fervidus (Hitzkopf) meint Calvin möglicherweise den jungen Edelmann Ferrieres de Maligny, der versuchte, Lyon in die Gewalt der Evangelischen zu bekommen, so dass sich das Ganze auch auf dieses Unternehmen beziehen könnte. Die „wilden Tiere“ sind die Guisen, mit denen die Bourbons sich nicht verbinden sollen. Makropolis (Großstadt) ist Paris. „Unsere hohe Schule“ bezeichnet wohl ironisch die Pariser Sorbonne, den Hauptherd der Hugenottenfeindschaft, wie „unsere Herren Magister“ stehender Ausdruck für die katholischen Theologen ist.

Vorbereitung der politischen Aktion der Hugenotten.

Weil mein Brief, in dem ich dir schon einmal angab, was ich dir jetzt schreiben will, wohl verloren gegangen ist, so muss ich es jetzt wiederholen. Unser Fervidus war rechtzeitig auf die Änderung des Plans aufmerksam gemacht worden, und schon vorher hatte sich ihm mit guten Gründen klar gemacht, man dürfe nichts unternehmen, bis man von Euch Bericht habe. So hat er mit seiner Eile schwer gefehlt. Übrigens traf es sich sehr ungeschickt, dass dein Brief vom 25. August fast vier Tage von irgendeinem Maultiertreiber zurückbehalten wurde, der versprochen hatte, ihn in fünf Stunden abzuliefern. Ich hatte mich eben aufs Bett geworfen, zurückgekehrt von einem überaus traurigen Gange, nämlich der Beerdigung unseres guten Bruders Macard, die ich gehalten hatte. Obwohl ich von der Trauerwoche ganz erschöpft war, stand ich sofort wieder auf und beschwor Fervidus, das Bereitliegende entweder an die in deinem Brief genannte Stelle zu übermitteln oder es selbst hinzubringen. Indessen hat er, um seine allzu große Raschheit zu entschuldigen, mir den Überbringer dieses Briefes mit einem Schreiben geschickt, aus dem zu entnehmen war, dass er keine Mäßigung gelten lässt. So kann der Bote selbst, der damals auch von seiner Ansicht eingenommen war, dir die ganze Sache besser berichten. Ich habe ihn als den allerpassendsten ausgewählt; denn keiner eignet sich besser zur Überwindung aller Schwierigkeiten als er. Wie schmählich dann der Misserfolg dieses Hitzkopfes war, der sich durch keinen guten Rat leiten lässt, brauche ich dir jetzt nicht zu erzählen; davon dann mündlich. Damit nun dieser widrige Wind unsern Führer und Bannerherrn nicht wankend mache, habe ich sofort jemand zu ihm zu senden beschlossen, um ihm zu berichten, was geschehen war. Außerdem sollten sie auch erfahren, dass wir das Versprochene treulich besorgt hatten. Ich will mit dem nächsten anfangen; unsere Nachbarn hätten ihr Versprechen gebrochen oder wären in völlige Mutlosigkeit verfallen, wenn ich sie nicht recht heftig davon zurückgebracht hätte. Sie hatten ganz mutig geschienen, als der bei ihnen war, der meinem Schelten sein Bitten und Drohen hinzufügte. Drei Tage darauf hörten wir, sie seien wieder ganz umgefallen. Ein anderer musste hin. Die Summe lag bereit; aber wir sollten uns dafür verbürgen. Ob nun auch diesmal wieder irgendein Sturm unsere Fahrt stört, weiß ich nicht; tatsächlich war das Geschäft in guten Treuen abgeschlossen. Davon suche den Führer und Bannerherrn zu überzeugen, dass wir eifrig genug waren, die Sache rasch zu erledigen, dass aber die Langsamkeit der andern die Verzögerung verursachte. Da dein Kommen allen Übeln am besten abhülfe, so schadete es uns sehr, dass nichts von Euch kam. Denn dadurch geschah es, dass der, der dann bei seinem eitlen Vorgehen so kläglich zusammenbrach, sich soviel erlaubte, und die andern so wankelmütig waren, weil sie sich verraten glaubten. Daher dann das Unglück, das aber eher aufmerksam machen soll, statt uns zu entmutigen. Anderswo mache ich mehr Hoffnung, weil energische Geldeintreiber mit meinen Aufträgen nach Makropolis, in die Nachbarstädte und die Provinz an der See verreist sind und keine Mühe sparen. Was bleibt nun noch anderes übrig, als dass der Führer so schnell wie möglich Streitkräfte rüstet, die ihm niemals zuströmen, wenn er ruhig sitzen bleibt? Wenn er klagt, es fehle ihm dazu die Kraft, so wird er viele finden, die alle ihre Kräfte anspannen werden. Er hätte nur schon etwas versuchen sollen, dann hätte er erfahren, welche Kraft in einer zuversichtlichen Energie ruht, und nun berät er sich ergebnislos, während die Gegenpartei handelt und eifrig ihre Zurüstungen trifft, ihn zu überwältigen. Es geht das Gerücht, man wolle ihn mit falschen Schmeicheleien gewinnen, um ihn nachgiebig zu machen; das scheint mir doch recht unwahrscheinlich, da der Hader nun doch soweit gekommen ist, dass eine Aussöhnung nicht mehr möglich ist. Sollte der Führer leichtgläubiger sein, als recht wäre und als ich fürchte, so soll er sich hüten, nicht bald und doch zu spät zu erkennen, dass der Honig mit Gift vermischt war. Selbst angenommen, er könnte ganz ohne Gefahr zurückweichen, was ja eine ganz törichte Hoffnung wäre, gäbe es eine schimpflichere Feigheit, als solchen wilden Tieren die Hand zu bieten, ja ihnen das Gesicht hinzuhalten, dass sie drein speien können, und sich so einen unauslöschlichen Schandfleck zuzuziehen? Aber selbst wenn sich der übermütige Feind offener Schmähungen enthielte, so bliebe, wer solches täte und nicht hundertmal lieber stürbe, ewiger Verachtung anheim gefallen. Dabei ist ja offenbar, dass die Gegner, wenn sie siegten, sich nicht mit bloßen Schmähungen begnügten; bis zum Mord werden sie ihren Triumph treiben. Wenns ihm kein Bedenken macht, seinen Hals zu riskieren, so sollte ihn doch wenigstens die Ehrfurcht vor der Sache rühren, die, wie er weiß, Gottes Billigung und aller Guten Zustimmung für sich hat.

Weil uns unbekannt ist, wie es bei Euch steht, so wage ich nichts weiter zu sagen, als dass du hauptsächlich darauf scharf dringen und das beständig betonen musst, dass es weder nützlich, noch ehrenhaft, noch ungefährlich ist, noch überhaupt erlaubt, irgendetwas unberücksichtigt zu lassen, sondern dass mit handgreiflicher Gewissheit Gefahr für Ehre und Leben ist, wenn nur ein bisschen etwas vernachlässigt wird. Zwar sehe ich wohl, dass wir noch nicht mit den rechten Hilfsmitteln ausgerüstet sind; aber es würde uns erst recht schlimm gehen, wenn wir den um seine Ehre betrögen, in dessen Hand Erfolg oder Misserfolg liegt. Als alles noch beim alten war, schonte ich unsere Nachbarn nicht, sondern ließ alle Zurüstungen auflösen; denn ich sah, was geschehen konnte. Ihre Klagen erwog ich wohl. Ich sagt zu unsern Freunden, unter andern zu dem, dessen wir jetzt beraubt worden sind, Unkundige würden mich der höchsten Grausamkeit beschuldigen, weil ich die Brüder geradezu der Hinschlachtung aussetze und sie aller Hilfe beraube. Aber ich machte mich hart gegen solche Vorwürfe, um dem Gesetz zu gehorchen. Jetzt aber, da ich sie vielem Unrecht ausgesetzt sehe, übermannt mich das Erbarmen, und ich kann mich des bittersten Schmerzes nicht erwehren, sie so verlassen zu sehen. Deshalb ist es deine Pflicht, selbst wenn du zudringlich scheinst, die Ohren derer zu bestürmen, die träge sind oder von bösen Hindernissen umgeben. Könnte ich dich doch dabei sekundieren; aber es ist mir sogar die Gelegenheit benommen, die Faulen mit Briefen aufzustacheln. Richte ihnen also nicht nur aus, was du in diesem Briefe liesest, sondern entlehne auch noch aus „unserer hohen Schule“ allerlei Spitzen; denn du weißt, wie hitzig „unsere Herren Magister“ werden können, wo es not tut. Ich glaube, es ist besser, dich als Dolmetscher meiner Gedanken zu brauchen, als diesen Boten mit verschiedenen Briefen zu belasten, die ihm vielleicht nur Schwierigkeiten machten. Grüße also du die Bewussten ehrerbietig von mir und lebwohl, bester Bruder. Der Herr sei mit Euch allen; er leite, unterstütze und behüte Euch.

10. September 1560.

Calvin, Jean – An Beza in Lausanne (548).

Nr. 548 (C. R. – 2771)

Der erwähnte Brief an Viret ist nicht erhalten. Beza hatte gemeldet, dass Pfarrer Zebedee seine Reise für die Waldenser durch Verleumdung der Verfolgten hatte hintertreiben wollen, aber keinen Erfolg gehabt hatte. Die Fürbitte-Gesandtschaft der Schweizer Evangelischen erhielt in Paris vom König die Antwort, sie habe sich nicht in fremde Sachen zu mischen und reiste wieder ab, nachdem sie noch eine Bittschrift abgegeben, aber die Antwort nicht abgewartet hatte. Mehr Erfolg hatte dann die durch Ottheinrich von der Pfalz vermittelte Intervention der deutschen evangelischen Fürsten, wovon aber Calvin noch nichts wusste. Beza wünschte, dass die französischen Evangelischen den evangelischen Orten trotz des Misserfolgs offiziell danken sollten für ihre Bemühungen mit einer Rechtfertigung gegenüber den Verleumdern. Über Francois de Morel, genannt Collonges, vgl. 416. 499. Weggelassen ist eine unverständliche Notiz über Virets Prozess in Bern.

Die Schweizer Gesandtschaft in Paris.

Gestern früh diktierte ich beiliegenden Brief an Viret, da mir jemand versprochen hatte, gleich nach dem Mittagessen abzureisen. Doch änderte er seinen Plan und ich gab den Auftrag, man solle den Brief einem andern Boten mitgeben. Heute finde ich ihn zu meiner Verwunderung noch auf meinem Tische liegen. Ich erwähne das nur, weil es sonst unbegreiflich wäre, dass ein in solcher Eile geschriebener Brief erst so spät kommt. Aus dem gleichen Grund antwortete ich dir nicht besonders; jetzt, da ich etwas mehr Muße habe, will ichs tun.

Wenn du mir erzählst, dass die verleumderischen Angeber aus Eurer Nachbarschaft stammen, so ist das so klar, wie dass das Wasser aus der Quelle fließt. Doch billige ichs, dass du sie freimütig zur Rede stelltest, und es muss nun dieser Sybarit hinnehmen, was ihm Schmach bringt, wenn er nicht einen andern Schuldigen findet. Es ist eigentlich ungeheuer abscheulich, wie diese feigen Gesellen von Neid entbrannt sind, so dass sie hundertmal lieber die Kirche untergehen sähen, als dass sie darauf verzichteten, denen, die ihr helfen wollen, hindernd in den Weg zu treten. Indessen wird dir Gott deine Mühe umso sicherer lohnen, je mehr du die Feinde vom Teufel aufgehetzt siehst. Nimms also nicht so schwer, wenn solche Bestien ihr Gift auf dich speien, wenn doch die Engel im Himmel dir Beifall spenden. Da den armen Brüdern die Gesandtschaft keine Hilfe brachte, so weiß ich nicht, ob es gut wäre, ihnen einen neuen Schmerz zuzufügen. Auch glaubst du kaum, wie ratlos sie sind; sie würden sich vermutlich nur lächerlich machen, wenn sie in andrer Weise danken wollten als nach der einfachsten Vorschrift. Dazu kommt, dass, wenn man einen Brief von ihnen allen verlangte, ein Vierteljahr verginge, ehe sie unter sich einig geworden wären, bei den großen Entfernungen ihrer Wohnsitze. Doch will ich Etienne auffordern, in ihrer aller Namen diese Pflicht zu erfüllen. Da der König auf Weihnachten die Stände zu einer Versammlung aufgeboten hat, so wird der König von Navarra zu ermutigen sein zum Schutz des Evangeliums; die Aufgabe ist mir zwar sehr unangenehm, doch will ichs versuchen, besonders da unser lieber de Collonges etwas Kindisches vorhat. Er hat mich zwar noch keiner Mitteilung darüber gewürdigt; aber Bude hat er gesagt, er habe eine Schrift unter der Hand, die er drucken und an den französischen Adel versenden lassen wolle. Als ob dann einer seine Stimme abgäbe nach einem gedruckten Schriftchen! ja als ob nicht einer dem andern schon verdächtig genug wäre und wir ihnen noch unsern Rat ins Ohr flüstern müssten, um die Sache zu fördern! Wie schmählich die schweizerischen Gesandten in ihrer Schwachheit und Trägheit uns enttäuscht und die Brüder im Stich gelassen haben, wirst du aus ihrem Verhalten am besten sehen; das übrige kann dir Christophe berichten. – – –

Lebwohl, bester trefflichster Bruder. Der Herr sei stets mit dir und leite dich auch fernerhin. Der Bote, der dies mitnehmen soll, reist nicht vor morgen ab; geschrieben ist der Brief also nach dem Essen vor der Nachmittagspredigt.

5. Dezember 1557.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret und Beza in Lausanne (535).

Nr. 535 (C. R. – 2704)

Über Zurkinden, den Berner Stadtschreiber, vgl. 485. Gribaldo stand in Bern in Untersuchung wegen seines Glaubens.

Von einer Klatschgeschichte.

Ich meinte bisher, in Genf stehe das Klatschwesen am meisten in Blüte, aber Lausanne übertrifft uns darin noch weit, wie ich sehe. Ein Beispiel von vielen: Zurkinden beklagt sich, er sei sehr gehässig und schmählich in Lausanne verlästert worden, weil ich geschrieben hätte, er habe Gribaldo in einer sehr schlimmen, ja abscheulichen Sache beschützt. Ich möchte daher, dass der Brief, den ich dir oder Beza geschrieben habe, unserm Ratsschreiber gezeigt wird, damit er sieht, dass, was ich schrieb, böswillig verdreht worden ist. Zurkinden sagt, ein Diener am Wort habe es ihm berichtet, was mir nicht neu ist; denn ich weiß, dass in diesem heiligen Stand viele Verleumder sind. Ich hatte in der Art geschrieben, dass deutlich aus meinen Worten hervorging, Müslin solle die tolle Prahlerei des Arztes abweisen; von Zurkinden, den auch ein Makel getroffen, hatte ich gesagt, es wundere mich nicht; denn in seiner allzu großen Neigung zur Milde weiche er oft vom rechten Wege ab. Bringe womöglich heraus, welcher gute Bruder der Angeber gewesen ist.

Für Herrn Beza: Ich habe dieser Tage die Schrift, die du neulich mitbrachtest, angeschaut, aber mich noch nicht entschlossen, ob ich antworten soll. Indessen möchte ich wissen, wer der Verfasser ist und ob es nach Castellio schmeckt, schließlich wie du zu der Abschrift gekommen bist.

Lebt beide wohl, beste, treffliche Brüder. Der Herr behüte, leite, bewahre und segne Euch stets. Amen.

Genf.

Calvin, Jean – An Beza in Bern (536).

Nr. 536 (C. R. – 2709)

Am 4. September 1557 war eine Versammlung der evangelischen Gemeinde in Paris überfallen worden; fast 200, meistens alte Leute und Frauen, mit wenig Ausnahmen adligen Standes, wurden verhaftet und auf dem Weg ins Gefängnis von der Menge misshandelt. Deswegen und wegen eines Religionsgesprächs sollte eine Gesandtschaft, Jean Bude und Beza, nach Deutschland reisen, um eine Intervention der evangelischen Fürsten beim König von Frankreich zu erwirken, doch war dazu für Beza erst der Urlaub von Bern nötig; um diesen zu bitten, hatte Calvin Beza in einem verlorenen Briefe bereits aufgefordert. Viret war wegen Angriffen, die er in der Predigt auf die Sittenlosigkeit bernischer Vögte und vornehmer Herren gemacht, beim Berner Rat verklagt worden, weshalb er und Beza in Bern zur Verantwortung waren.

Beza muss nach Deutschland.

Wenn es mir auch nicht entgeht, wie wenig die Aufgabe in Bern deinen Beifall hat, ja wie verhasst sie dir sogar sein mag, so muss ich dich doch um der Sache willen bitten, dich ihr nicht zu entziehen. Herr Bude ließ sich tatsächlich nicht lange bitten; ich hatte ihn kaum mit einem Wörtlein angefragt, als er sich gleich dazu bereit erklärte. Ich bezweifle nicht, dass du gleichen Mut hast, aber du musst eben doch mit geschlossenen Augen drangehen, damit nichts deine Freudigkeit hemmt. Erfährt der Berner Rat etwas von deinem Bekenntnis, so wird er dir zweifellos befehlen, nach Lausanne zurückzukehren; aber darauf wird dann gleich zu erwidern sein, dass du eben deshalb gern noch einmal nach Deutschland reistest, um auf den Wunsch der Zürcher Brüder diesen Missgriff wieder gut zu machen; es scheint sich ja wirklich durch Gottes Fügung eine Gelegenheit zu bieten, vor aller Welt zu beseitigen, was etwa noch Ärgerliches zurückgeblieben ist, was dir wohl keine Mühe kosten wird. Dazu brauche ich gar nicht sagen, wie sehr nützlich es wäre, mit Melanchthon zu reden, der, wie es heißt, noch beständig in Worms ist. Denn wir müssen uns sehr Mühe geben, dass die Zusammenkunft, auf die man uns Hoffnung macht, nicht am Stolz und Eigensinn unserer Parteigenossen scheitert. Auch in Bezug auf die Sache der Pariser ist es, wie du siehst, durchaus notwendig, dass du dich Bude anschließest. Wenn auch wenig Hoffnung auf Erfolg ist, die dich recht ermutigen könnte, so müssen wir doch, weil es unsre Pariser Brüder so dringend wünschen, lieber umsonst arbeiten, als ihnen Anlass bieten zu der Klage, durch unser Zögern (sie nennen es Feigheit) seien sie verraten und verlassen worden. Deshalb bitte und beschwöre ich dich, sofort ohne Bedenken die Reise anzutreten. Warum ich selbst die Gesandtschaft nicht übernehme, das braucht vor dir keine Entschuldigung; wie du auch weiter keiner schärferen Aufmunterung bedarfst, meiner Mahnung zu folgen. Wie Eure Sache in Bern ausgehen wird, das macht mir Sorge; denn nach dem Bericht unseres lieben Pierre Perret ist Euch der Schultheiß sehr feind, obschon ich freilich nicht weiß, ob es wünschenswerter wäre, wenn er Euch günstig wäre. Wie es auch geht, – Viret soll mir möglichst gewissen Bericht geben. Lebt beide wohl, trefflichste Brüder, samt den übrigen Freunden. Der Herr leite, behüte und bewahre Euch bis ans Ende.

Genf, 13. September 1557.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret und Beza in Lausanne (461).

Wer der genannte Etienne ist, wird nicht klar. Die Gefangenen von Chambery (vgl. 455) hatten berichtet, sie seien zum Feuertod verurteilt. Die Genfer Verbannten, Perrin und seine Genossen, stellten in Bern und Lausanne Calvin als ihren Hauptgegner dar, der sie vertrieben habe.

Vom Hass der Feinde.

Ich schicke Euch hier den Brief unseres lieben Etienne, aus dem Ihr seht, dass Christus auch unter dem Kreuze herrscht, mag Satan auch noch so sehr wüten. Was er wegen eines Schulmeisters verlangt, müssen wir uns angelegen sein lassen. Ist jemand bei Euch, der fähig ist, diese Aufgabe fröhlich zu übernehmen, so sendet ihn. Hier wollte ich noch nichts unternehmen.

Von Chambery kam kein Bericht seit dem Brief von den Brüdern, den ich Euch zum Lesen sende. Lasst ihn mir gleich wieder zukommen, wenn Ihr ihn gelesen habt; denn ich habe ihn bisher für mich behalten und zwar im Einverständnis mit meinen Amtsbrüdern. Wie furchtbar mich die ganze gegnerische Partei herunterreißt, weiß ich wohl, und ich mache täglich an mir die Erfahrung, wie fremd doch einem gut gearteten Menschen der grausame Tyrannensinn ist, den der antike Dichter in die Worte kleidet: Mag man mich hassen, wenn man mich nur fürchtet! Hätte ich die Wahl, ich möchte lieber der Allerverachtetste sein. Doch da es Gott anders gefällt, muss ichs tragen; er wird schließlich den Seinen doch beistehen; unterdessen ist das Beste das gute Gewissen, das mich stützt. Berthelier hat heute wieder wie die andern versucht, seine Partei von aller Schuld rein zu waschen; sich selbst hat er des Todesurteils wert bekannt. Über all das mündlich mehr; nur das noch, er schien eine gewisse Reue zu fühlen. Lebtwohl, beste Brüder. Der Herr sei mit Euch; er leite und behüte Euch.

Genf, 9. September 1555.
Dein
Johannes Calvin.