Johannes Oekolampad – Aus einem Brief an Berthold Haller (1528)

Sieh, mein Lieber, die Kraft des Wortes wirkt mehr als die Strafe; sie vermag besser, steinerne Herzen zu erweichen. Nicht genug läßt sich’s sagen, wie viel wir an Wirksamkeit verlieren und wie verächtlich wir werden, wenn wir mit einem andern Schwerte als mit dem des Geistes uns bewaffnen, und wie sehr der Haß des Volkes uns trifft, das uns alsdann neue Tyrannen, Verräther, Hierarchen schilt, welche die weltliche Herrschaft an sich ziehen wollen.

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861

Zwingli, Huldrych – An Berthold Haller am 29.12.1523

Was du von mir wünschest, nimm selbst kräftig an Hand, auf daß deine ziemlich wilden Bären durch das Hören der christlichen Lehre anfangen, zahm zu werden; doch ist dies ein Geschäft, das, wie ich glaube, ganz sachte muß vorgenommen werden; denn es läßt sich bei euch durchaus nicht auf dieselbe Weise verfahren, wie bei den Unsrigen. Da nämlich die Eyern noch gar zarte Ohren haben, so darf man sie nicht sofort mit einem so scharfen Eisen kratzen, wie denn auch Christus wohl dies gemeint hat, wo er verbietet, die Perlen vor die Säue zu werfen, da sie vielleicht gegen dich sich wendend in großer Wildheit dich möchten zerreißen und auf immer das Evangelium Christi verabscheuen. Diese rauhen Geschöpfe muß man also ziemlich sachte streicheln und je nach ihrem Tritt ein wenig weichen, bis sie, durch unsere Geduld und unerschütterliche Herzensfestigkeit überwunden, zahm werden. Auch Petrus nahm darauf Rücksicht, als er sprach: Nun aber, lieben Brüder, weiß ich, daß ihr aus Unwissenheit Solches gethan; ebenso Paulus, so lange er die Galater mit Milch, nicht mit starker Speise nährte.

So bitt‘ ich, suche Allen Alles zu werden, damit nicht Christus sammt dir verworfen werde! Diene ihm, auch uns zum Besten, bei den Deinigen!