Calvin, Jean – An Jeanne d´ Albret, Königin von Navarra.

Nr. 703 (C. R. – 3748)

Über d´ Escars vgl. 694.

Trostbrief nach dem Abfall ihres Mannes.

Madame, das Mitleid, das ich mit Ihren Ängsten empfinde, lässt mich wenigstens teilweise spüren, wie hart und schwer sie zu tragen sind. Doch wie dem sei, es ist doch viel besser für Sie, um solcher Ursache willen traurig zu sein, als selbst schwach zu werden zu Ihrem Verderben. Es ist ja ein wünschenswertes Ding, in Ruhe und Wohlsein zu leben, und wenn Gott seinen Kindern dieses Gut schenkt, so können sie sich von Herzen freuen. Aber da dies nun einmal ein Vorrecht ist, das nicht ewig dauert, so müssen wir ihm eben auch auf rauen, schweren Wegen folgen, wenns ihm gefällt, uns hart zu prüfen. Man hat Sie wohl gelehrt, Madame, dass wir Gott nicht dienen können ohne Kampf. Die Arten dieser Kämpfe sind verschieden; aber wie es Gott gefällt, uns zu brauchen, so müssen wir bereit sein. Wenn die Angriffe, die Sie, Madame, nun auszuhalten haben, scharf und schrecklich sind, so hat Ihnen doch Gott lange Zeit Gelegenheit gegeben, sich darauf vorzubereiten. Der König, Ihr Gemahl, ist ja schon lange von diesen beiden Hörnern des Teufels, dem d´ Escars und dem Bischof von Auxerre, berannt worden. Nun hat er sich nicht nur von ihnen über den Haufen werfen lassen, sondern er stößt nun selbst wider Gott und die Seinen. Ich rede davon wie von einer ganz bekannten Sache. Ich weiß, Madame, die ersten Stöße gelten Ihnen. Aber hätten Sie auch hundertmal mehr Schwierigkeiten, die Kraft von oben, zu der wir unsere Zuflucht nehmen, wird doch siegen. Nur, Madame, werden Sie nicht müde, festzuhalten, dass Sie Gott zum Helfer haben! Denn wir brauchen ihm ja nicht aufs Geratewohl folgen, da seine Verheißung uns nicht fehlen kann, dass er auch Ihrer Festigkeit guten Erfolg geben wird, wenn sie sich gründet auf sein Wort. Mag auch die ganze Welt wanken; wenn unser Anker im Himmel festgemacht ist, so wirfts uns hin und her, aber wir kommen doch zum sichern Port. Der in seiner Hut hält, was wir ihm anvertrauen, ist getreu, sagt St. Paulus [1. Thess. 5, 24]. So wissen wir also, an wen wir glauben, und wollen beharren und Mitleid haben mit denen, die ihre Lust haben an Verlockungen so leichtfertiger Art, dass die Kinder ihren Spott damit treiben. Indessen, Madame, wollen wir Sie nicht vergessen in unserm Gebet, wie uns unser Bruder, Herr Beza, gemahnt hat, und wie wir auch sonst nach Ihrem Wunsche getan hätten. Ich bin sicher, Madame, Gott wird Ihre und unsere Seufzer erhören, wenn wir ihm nur das Opfer demütiger Ergebung bringen, das er wünscht. Denn so kühn wir sein dürfen und sollen in der Verteidigung seiner Sache, so müssen wir es doch unsern Sünden zuschreiben, wenn der Lauf seines Evangeliums aufgehalten wird. Wie dem auch sei, mitten in allen Nöten wollen wir uns an das Wort St. Pauli erinnern: Freuet Euch in dem Herrn, liebe Brüder, allewege, und abermals sage ich: Freuet Euch! [Phil. 4, 4] dann werden wir einen unüberwindlichen Mut haben in all unsern Trübsalen.

Madame, da der Überbringer dieses Briefes zu Ihnen zurückkehrt, um zu hören, wohin Sie ihn zu senden geruhen, so möchte ich Ihnen nur sagen, dass er sich bei uns so wohl gehalten hat, dass wir ihn am liebsten hier behalten hätten, wenn er sich nicht der Tätigkeit in Ihren Kirchen widmen wollte. Ich glaube, er hat seine Zeit hier nicht verloren, wie die Frucht seines Wirkens zeigen wird.

Den 22. März 1562.

Calvin, Jean – An Vermigli in Zürich (702)

Nr. 702 (C. R. – 3743)

Weggelassen ein paar Sätze über eine Berner Synode. Vgl. 700. Julian Apostata bedeutet den König von Navarra.

Politische Vermutungen.

Endlich habe ich deinen Brief erhalten, hochberühmter und verehrter Bruder; wenn ich ihn nur kurz beantworte, so wirst du das verstehen, auch wenn ich keinen Grund dafür anführe. – – –

Unser Beza wird von harten Anfechtungen heimgesucht. Neulich fehlte nicht viel, so wäre er durch die verbrecherische Treulosigkeit Julians mit vielen andern aufs Schaffot geschleppt worden; doch hat Gott so frevelhafte Pläne wunderbar zunichte gemacht. Obwohl dieser Apostat nun sogar die Guisen an den Hof gerufen hat, um das Äußerste zu wagen, so hofft Beza doch, ihre Unternehmungen würden nicht nur umsonst sein, sondern die Kirche werde so wachsen, dass sie nachher nichts mehr wagen würden. Die ersten Zusammenstöße sind allerdings sehr zu fürchten, wenn Gott nicht zur rechten Zeit eingreift, worum wir ihn stets bitten müssen. Obwohl nun schwere Drohungen und Schrecken umherschwirren, ahnt mir doch etwas Gutes. Da der Papst dem König Philipp nicht genug tut und der Herzog von Florenz sich vor beiden fürchtet, so haben doch jedenfalls die Unsern dem König und seinem Rat bereits eine Einspruchsformel gegen das Konzil zu Trient vorgelegt. Die Königin-Mutter wünscht, auch wir möchten Einspruch erheben, worauf ich ja Herrn Bullinger aufmerksam gemacht habe. Seht zu, was Euch gut dünkt; es wäre Unsinn, wollten wir von uns allein aus etwas unternehmen, aber Eurer Meinung schlössen wir uns gerne an. Lebwohl, erlauchter Mann und herzlich verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er erhalte dich lange gesund und segne dein Wirken.

Genf, 16. März 1562.

Der Herr Marchese und die übrigen Freunde lassen dich grüßen. Von mir auch an deine Frau und dein ganzes Haus viele Grüße.

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Toussaint Gibout in Toulouse.

Nr. 701 (C. R. – 3742)

Toussaint Gibout, Doktor der Sorbonne und Domherr an St. Etienne in Toulouse, hatte im Jahre 1559 evangelisch zu predigen begonnen, dies aber wieder aufgegeben; doch schloss er sich nachher ganz der Reformation an und floh nach Dieppe.

Scharfe Aufforderung zum offenen Übertritt.

Als ich früher hörte, trefflicher Mann, du kämpfest bei Euch energisch für Verteidigung der Heilslehre und werdest deshalb von den Feinden des Glaubens verfolgt, da war ich um dein Wohl in Sorge und freute mich doch zugleich in Gott über deine Festigkeit. Aber ebenso sehr wundert es mich nun, dass jetzt, wo den Kindern Gottes doch größere Freiheit aufleuchtet, du noch im alten Schmutze bleibst, aus dem du doch längst hättest herauskommen sollen. Denn als von der erfreulichern Lage der Dinge in Eurer Stadt die Rede war, erkundigte ich mich gleich, wie du dich benähmest. Als man mir nun erzählte, du bleibest noch im gleichen Stand, da, – ich wills dir frei heraus gestehen, – schämte ich mich nicht wenig über diese ganz unaufrichtige Unentschlossenheit. Wenn auch ohne Zweifel der Satan und die Welt dir viel in den Weg legen, was dich hemmt und aufhält, so müsstest du doch alle diese Hindernisse durchbrechen. Denn da vieler Augen auf dich gerichtet sind, so hat, was du zur Entschuldigung vorbringst, nicht viel Bedeutung, wenn du nicht durch dein Beispiel allen vorleuchtest. Dazu hat dich Gott zu solchem Rang erhoben und dich so durch ein festeres Band zur Aufmunterung der andern verpflichtet. Auch kann man es dir nicht verzeihen, wenn dir die Kämpfe, in denen dich Gott früher schon geübt hat, nicht Mut gemacht haben. Nun ruft Gott all die Seinen sozusagen mit erhobenem Banner zum Kampf. Wenn anderer Leute Unschlüssigkeit vielleicht noch Schonung findet, – du darfst am allerwenigsten säumen. Denn was wäre widersinniger und schmählicher, als dass unter eines Knaben Führung Christo eine Gemeinde gesammelt wird, ganze Scharen wie um die Wette zusammenströmen, eine ganze Menschenmasse sich der Gottlosigkeit energisch widersetzt, Leute jeden Standes einmütig sich zum reinen Gottesdienst bekennen, – und ein Veteran der Theologie, der bereits ein leuchtendes Zeugnis seiner guten Gesinnung abgelegt hat, auf den man so hohe Erwartungen gesetzt hat, bliebe nicht nur ruhig, sondern sogar noch mitten unter den offenen und erklärten Feinden Christi? Du wirst sagen, du schweigest ja nicht ganz und bleibest nicht neutral, sondern gäbest manches Zeichen aufrichtigen Glaubenseifers. Aber es fehlt noch sehr viel daran, dass dieses unklare, zweideutige Zeichengeben ausreichte, die Herzen der Frommen zufrieden zu stellen, die mit Recht etwas Größeres von dir verlangen. Wenn du also nicht offen ans Licht trittst und Christo die Ehre gibst, ja als Vorkämpfer und Bannerherr in der Reihe gehst, so kannst du dem Vorwurf allzu schwächlicher Untätigkeit weder vor Gott, noch vor der Kirche je ausweichen; denn die Verhältnisse sind nun soweit gediehen, dass für Ausflüchte kein Raum mehr ist. Verzeih meine Heftigkeit, die mir nur meine wahre Liebe zu dir eingibt. Denn ich schätze die Begabung, die Gott dir verliehen, so hoch, dass ich nicht anders kann, als dir gut sein. Lebwohl, hochberühmter, von Herzen verehrter Mann. Der Herr leite dich mit seinem Geiste, wappne dich mit seiner Kraft und behüte dich mit seinem Schutze.

Genf, 14. März 1562.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (700)

Nr. 700 (C. R. – 3737)

Die Schande, die Calvins Stieftochter Judith über ihn brachte, ist nicht näher bekannt. Graf Antoine de Crussol war in königlichem Auftrag nach Aix gesandt, um die vom katholischen Volke gestörte öffentliche Ruhe wiederherzustellen. Als Julian Apostata bezeichnet Calvin den König von Navarra. Das erwähnte Gutachten betraf die Stellung der Evangelischen zu einem freien Konzil und war zu Händen Katharinas von Medici ausgestellt. Weggelassen ein Abschnitt über Synoden in Bern und Neuchatel. Über den französischen Gesandten Matthieu Coignet vgl. 664.

Unruhen in ganz Frankreich. Vom Gutachten über ein Konzil.

Als ich neulich unserm lieben Blaurer schrieb, konnte ich an dich nicht auch schreiben, weil ich eben erst ein Fieber los geworden war; dazu kam dann das häusliche Leid über die Schande meiner Stieftochter, das mich für ein paar Tage in die Einsamkeit trieb. Während ich in einem Landhäuschen weilte, wurde mir, dein Brief gebracht, mit dem viele Gerüchte, die anderswoher kommen, übereinstimmen. Wir haben also Grund, uns zu fürchten; aber es wird schwer halten, sich vor dem Unglück in acht zu nehmen. Wie groß das Durcheinander in Frankreich ist, siehst du teils aus Bezas Brief, von dem ich für dich eine Kopie haben anfertigen lassen, teils will ich es selbst kurz andeuten. Bei Aix-en-Provence, wo ein Parlament seinen Sitz hat, haben die Papisten einen Aufruhr erregt, so dass man es gewagt hat, den Grafen de Crussol, der mit den höchsten Vollmachten dorthin gesandt war, aus der Stadt auszuschließen. Er raffte nun einige Fähnlein zusammen, zwang sie, die Tore zu öffnen, und ließ einige henken. Ein Teil der Gegenpartei, der entfliehen konnte, hält sich noch in einem stark befestigten Nachbarstädtlein; doch wir sie bald der Mangel an allen Lebensmitteln zur Übergabe zwingen; bisher haben sie nämlich wie Räuber gehaust. Das Parlament selbst ist erschrocken und hat schwere Strafen über die Aufrührer verhängt, obwohl viele der Richter selbst in dasselbe Verbrechen verwickelt sind doch die schont man, bis die Bewegung abgeflaut ist. Marseille und andere Städte, die auf Abfall sannen, sind zur Botmäßigkeit gebracht durch Garnisonen, die man in sie legte. Das Parlament von Toulouse hätte gerne alles durcheinander gebracht, aber die Ratsherren der Stadt, die man die Capitouls nennt und bei denen die niedere Gerichtsbarkeit liegt, haben eine starke, sichere Mannschaft aufgeboten und den grausamen Übermut des Parlaments so ihm Zaum gehalten, dass sich in den Vorstädten die Evangelischen frei versammeln können, bis zu 10 000 Menschen; im Ganzen haben etwa 15 000 dem Evangelium die Ehre gegeben. In der Auvergne wütet der Adel ganz verstockt. Bei den Aremorikern dagegen, d. h. in der Bretagne, hat der Adel fast einmütig das Evangelium angenommen, ebenso in der Picardie, doch lässt sich das Volk nicht dazu bringen. In der Champagne und im Gebiet um Sens sind sie nur halbwegs mutig, dagegen fangen die Burgunder an, mehr zu wagen. Man gehorcht dem königlichen Edikt; aber gerade das Schauspiel, dass solche Massen in Ordnung vorgehen, ärgert die Gegner noch mehr, als wenn an irgendeinem unbekannten Ort Gottesdienst abgehalten würde.

Nichts hält den Fortschritt des Reiches Christi mehr auf, als der Mangel an Pfarrern. Zwar berichtet Beza auch, Julian versuche bei Hofe alles zu verderben; doch alles, was er Böses plant, wird auf sein Haupt zurückfallen; meinen letzten Brief hatte er damals noch nicht. Wenn die Königin sieht, dass Hilfe bereit ist, wird er vielleicht auch von ihr schärfer aufgerüttelt. Auch ich werde drängen wie bisher, damit die Unsern eine solche Gelegenheit sich nicht entgehen lassen und sich dann erst, wenn es zu spät ist, dem Äußersten entgegenstellen. Das Gutachten, um das mich Beza bat, habe ich bereits abgesandt; eine lateinische Übersetzung lege ich dir bei; doch habe ich lieber meine französische Antwort wörtlich ohne Rücksicht auf den Stil übertragen, als ein schönes Latein herausbringen wollen. Auch lag mir die Kürze sehr am Herzen, um alles umfassen zu können. Wenn es dir scheint, ich habe der Gegenpartei mehr zugestanden, als billig gewesen wäre, so bedenke, dass ich dabei nicht nach meinen Wünschen vorgehen durfte; der Protest musste dem Verständnis der Königin-Mutter angepasst werden. Doch hatte ich dabei zweierlei vor, nämlich erstens, dass unsere Bedingungen, wenn sie dem königlichen Kronrat gefielen, von den Papisten energisch abgelehnt werden, was auch sicher geschehen wird; zweitens, dass, wenn sie doch dazu gebracht würden, sich unter das Joch zu beugen, uns kein Konzil schaden könnte. Ich hielt es nämlich für besser, wenn wir dort säßen etwa in der Rolle der Volkstribunen, als in der der Senatoren, die einfach überstimmt werden könnten. Was Beza von Euch verlangt, siehst du, und du wirst mit deinen Kollegen so rasch, wie es nötig ist, beschließen, was Euch gut scheint. Geschieht etwas Wichtiges, so will ich mir Mühe geben, dass du es rechtzeitig erfährst. Coignet wird, wenn er kommt, durch Übermittlung von Briefen uns helfen können. Die Heimsuchung Frankreichs wird die Heuchelei der Leute aufdecken, die von den Menschen abhängig waren; den Frommen aber wird der Mut wachsen, sie werden umso mehr lernen, sich auf Gott allein verlassen, und zugleich wird sie die Aufregung zum rechten Beten treiben. – –

[10. März 1562.]

Calvin, Jean – An Beza in Paris (698)

Nr. 698 (C. R. – 3717)

Die Fortsetzung des Gesprächs von Poissy wurde schon nach vierzehn Tagen abgebrochen. Absalom nennt Calvin den König von Navarra wegen seines Abfalles (vgl. 694); was Bullinger von Calvin wollte, ist nicht festzustellen, da der Brief verloren ist; Sulzer hatte in seinem Brief Castellio verteidigt.

Kirchen- und weltpolitische Geschäfte.

Ich habe nichts von dir erhalten seit der erfreulichen, kurzen Darstellung vom Ausgang der zweiten Verhandlung. Da aber der Hof voll löchriger Fässer ist, so sind schon allerlei Gerüchte bis zu uns durchgesickert, so dass man eigentlich mehr hören muss, als du weißt. Die große Entfernung macht, dass hier viele mehr zu wissen glauben als die Augenzeugen der Geschehnisse. Es wundert mich, dass du nicht schon bei der ersten Verhandlung gemerkt hast, in welches Netz du dich verstricktest. Stets missfiel mir Euer Vorgehen darin, dass Ihr auf das Zeugnis des Altertums die halbe Sache abstellet. In dieser Sache können wir so wenig zusammenkommen wie Feuer und Wasser; da du aber nicht aus Irrtum oder Unbedacht gestrauchelt bist, so will ich dir selbst das Urteil darüber freilassen. Da du die Wunde, die bereits vernarbt war, absichtlich wieder aufrissest, zwangst du mich zum Geständnis, wie sehr ich von dir abweiche. Gegen den Bilderdienst das Zeugnis des Altertums aufzuführen, war ja ganz recht; aber wie steht es dann mit dem Salben und Anblasen bei der Taufe und den Osterkerzen? Doch ich will nicht mehr sagen, damit es nicht scheint, ich wolle einem Marlorat und seinesgleichen gegenüber den Gescheiten spielen. Indessen dauerst du mich, dass du durch ihre Dummheit in den tiefen Kot geraten bist. Was nun meinen Rat angeht, so habe ich ja kurz angedeutet, was ich für gut halte; doch wirst du es vielleicht gar nicht beachten, wenn du es gelesen hast; denn ich habe ja nichts als ganz Selbstverständliches zu sagen. Aber um dir zu gehorchen, wollte ich lieber ein Nichts vorbringen, als deine Bitte abschlagen.

Nun zu anderem. Unsere Nachbarn [in Bern] haben neulich unsern Rat ernstlich ersucht, dein heilloser Absalom möge rechtzeitig gewarnt werden, sich vor den ungeheuern Truppenmassen zu hüten, die man gegen ihn rüste. Man erzählt vieles, was wohl auch anderswoher zu Euch dringt. Was uns andrerseits Bullinger zu schaffen gibt, siehst du aus seinem Brief, den ich nicht zu unterdrücken wage, damit es nicht heißt, wir hätten durch unser Schweigen die Republik verraten. Ich überlasse dir die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass keine der beiden Parteien sich beklage, durch unsern Hochmut sei eine herrliche Gelegenheit versäumt worden. Nur eins verlange ich dringend von dir, (erwäge, was dies Wort bedeutet!), dass sobald als möglich die Antwort kommt; denn ich habe nicht Taler genug, noch viele geldgierige Boten zu zahlen. Dazu weißt du, dass sie, die selbst langsamer sind als Schnecken, die französische Schnelligkeit gern missbrauchen. Befreie mich also sobald als möglich von dieser Last! Wie, wenn dieser Rauch nur den Zweck hätte, uns Schrecken einzujagen? Doch, was kümmerts mich, mach du nur schnell. Ich hätte dich gern bei deiner Masse von Geschäften damit verschont; aber ich kann nicht anders, als dir Sulzers Brief auch senden, ein Zeugnis seiner dummen Unverschämtheit; ich möchte, du verachtetest sie, wie sie es verdient. Lebwohl, bester Bruder und Freund. Der Herr sei stets mit dir; er halte dich aufrecht mit unüberwindlicher Kraft und erhalte dich gesund.

18. Februar 1562.

Dein

Carolus Passelius.

Alle Kollegen auch die neuen Syndics und der Rat lassen dich vielmals grüßen.

Calvin, Jean – An Beza in Paris (697)

Nr. 697 (C. R. – 3715)

Bezas letzter Brief hatte von der Fortsetzung des Gesprächs berichtet und als Gerücht einen Überfallsplan des Savoyers auf Genf gemeldet; es sei schon ein neues Haus in der Nähe eines Stadttors heimlich von savoyischen Soldaten besetzt. Über de Tries Tod vgl. 674; sein Bruder war Parlamentsrat in Lyon; mit ihm musste ein Prozess um die Erbschaft geführt werden. De Normandie war ebenfalls in Familienangelegenheiten in Paris festgehalten.

Politische Besorgnis. Calvin als Vormund.

Ob seit deinem unerfreulichen Bericht die Lage sich bereits wieder zum Bessern gewendet hat, wissen wir noch nicht, und kein Gerücht brachte uns eine Kunde, die meine Sorge höbe. Wenn Gott nicht zur rechten Zeit eingreift, wird man alle Tage neuen Anlass suchen, unsere Sache zu unterdrücken. Von Eurer ersten Zusammenkunft ist einiges berichtet worden, woraus ich schließe, deine Ahnung, es werde alles in Rauch aufgehen, habe Recht gehabt.

Unsere Nachbarn [in Bern] sind in großer Angst; wir warten einstweilen noch ruhig ab, gegen wen der Angriff König Philipps sich richten wird. Es heißt, er sende unter der Hand nicht unbeträchtliche Truppenmassen aus Spanien herüber und hebe auch in Italien Militär aus. Doch kann ich nicht glauben, dass er gemeinsam mit dem Papst und Venedig zum Kriege rüste. Kannst du etwas auffischen, so wäre es für uns von großem Interesse, es möglichst bald zu wissen. Eine so schwerwiegende Unternehmung kann sicher bei Hofe nicht mehr verborgen sein. Sieh also zu, dass dein nächster Brief recht voll ist von Nachrichten über diese Kriegsrüstung. Wir werden eifrig auf der Hut sein, und ich verlasse mich auch darauf, dass Gott über uns Wacht hält, damit uns der Feind nicht unversehens überfalle. Wenns zum offenen Krieg kommt, wird noch Zeit genug sein, sich nach Hilfe umzusehen. Dass das Gerücht von dem neuen Haus beim Tor leeres Gerede ist, habe ich bereits geschrieben; es ist uns dort niemand verdächtig.

Wenn du meinen Brief dem Admiral übergibst, so sorge auch, dass er sich der Sache, die ich ihm empfehle, getreulich annimmt. Ich bitte ihn, er möge durch seine Macht uns helfen, eine Urkunde zu erwirken, wie ich sie hier in Abschrift beilege; ebenso eine Kopie des Bittgesuchs. Da der Bruder unseres de Trie nicht nur ein hochmütiger Narr, sondern auch hinterlistig und grausam, ja ein ganzer Schurke ist, so wird von ihm nur mit Gewalt etwas zu erhalten sein. Wir fordern auch gar nichts besonders Schlimmes oder Schwieriges, sondern nur, was schon allenthalben vielen Evangelischen zugestanden worden ist, nämlich die Zulassung der unmündigen Erben zur Erlangung ihres Rechtes. Bis uns diese Tür in der Sache aufgetan ist, wagen wir keinen Prozess anzustrengen, denn wir haben es mit einem ganz verzweifelten Kerl zu tun. Die ganze Geschichte wird hoffentlich Bernaut auf sich nehmen; doch bitte ich dich, so sehr ich kann, auch deine Mitwirkung dazu treten zu lassen, so weit du kannst, wenns auch nicht ohne Mühe für dich ist. Doch ich sage nicht mehr, denn ich weiß genug und übergenug, was du freiwillig um meinetwillen tust, auch wenn ich dich nicht bäte, und du weißt, dass von allen Diensten, die du mir persönlich leisten kannst, mir dieser der liebste wäre. Ich bin es dem unvergesslichen, ganz einzigartigen Freunde schuldig, dass ich für seine Kinder ganz so sorge, wie wenn es die meinigen wären. Denn durch seine unglaubliche Liebe zu mir, durch die wahrhaft kindliche Treue, die er mir erwies, durch seine Ergebenheit bis in den Tod hat er es verdient, und es wäre Sünde von mir, das Vertrauen, das er in mich gesetzt hat, zu täuschen. Stets werden in meinem Herzen seine letzten Worte haften, als er mir in Gegenwart von Frau und Kindern sagte: „Lieber Vater, wir sind Eure Kinder; da mich nun Gott heimholt, so bitte ich Euch, der ich Euch stets ein gehorsamer Sohn war, auch die nicht zu verlassen, die ich hier zurücklasse. Denn ich wollte nichts mehr von ihnen wissen, wenn sie Euch nicht mehr Respekt und Gehorsam erwiesen als mir; denn alles, was sie mir verpflichtete, übergebe ich Euch, und auch meine Pflicht gegen Euch sollen sie erfüllen.“ Ich zitiere dies, damit, wenn du siehst, dass sich die Sache durch anderer Leute Gleichgültigkeit verzögert, du sie stets wieder daran erinnerst, bis die Sache fertig ist.

Lebwohl wieder und wieder, bester Bruder. Ob Herr de Normandie noch festsitzt, werden wir vermutlich bald erfahren. Ich dachte, die Lösung, von der ich schrieb, werde zur Erledigung seiner Geschäfte genügen; doch wir werden sehen, was der nächste Brief bringt. Sind die Bande unlösbar, so möge er sie doch eher zerreißen, als dass wir ihn stets entbehren müssen. Nochmals und nochmals lebt wohl Ihr beide. Gott behüte und leite Euch; er mache Euch reich an Segen aller Art und halte Euch aufrecht bis zuletzt mit unüberwindlicher Kraft. Die Kollegen lassen Euch vielmals grüßen.

11. Februar 1562.

Dein

Carolus Passelius.

Calvin, Jean – An Beza in Paris (696)

Nr. 696 (C. R. – 3706)

Vgl. 692. In der Versammlung von Abgeordneten aller französischen Parlamente schien zuerst alles für die Evangelischen gut zu gehen; 22 Abgeordnete wollten ihnen Kirchen zuerkennen, 16 Versammlungsfreiheit ohne Kirchen, 11 gar nichts; die beiden Minderheitsparteien vereinigten sich, und es wurde im so genannten Januar-Edikt dann nur Versammlungsfreiheit außerhalb der Städte gestattet. Zur Fortsetzung des Religionsgesprächs wurden Beza und zwei andere evangelische Pfarrer, Perrucel (vgl. 245) und Marlorat, einigen Professoren der Sorbonne, darunter Salignac, gegenübergestellt; ob ihn Calvin mit dem Mönch meint, ist fraglich. Weggelassen sind einige unwichtige Sätze.

Von den Resultaten und der Fortsetzung des Gesprächs zu Poissy.

Deinen in den öffentlichen und persönlichen Angelegenheiten halt traurigen, halb erfreulichen Brief habe ich erhalten. Wenn du auch noch nicht wieder ganz gesund bist, so ist dein Leiden doch wenigstens teilweise gemildert, und mit Freuden erfuhr ich, dass du die Schmerzen los bist, wenn mich auch das noch Zurückbleibende zugleich ängstigte, besonders, weil du dich selbst fürchtest und es nicht recht zeigen willst. Über das Resultat der Abgeordnetenversammlung waren bereits so gute Berichte gekommen, dass in deiner Schilderung nichts Angenehmes für mich lag. Was bisher gut gegangen war, ist in einem Augenblick vernichtet worden. Was du für Gesellen haben wirst, sehe ich; der eine, ein von Selbstzufriedenheit aufgeblasener Schwätzer, der andere ein Narr und Dummkopf, dazu weltlich gesinnt und nur, weil er nichts weiß, frech, ja überhaupt nichts wert. Gegenübergestellt aber werden Euch Leute ohne alle Gottesfurcht und Scham. Denn der Mönch, der mir neulich geantwortet hat, will lieber in einem Herrn als in Gott leben und sterben. Du wirst schon spüren, welch verborgenes Gift er noch im Herzen trägt. Wenn Ihr mit Zitaten aus den Alten den Kampf führen müsst, so wird sich nichts Verworreneres denken lassen als Eure Disputation. Doch ich schreibe das ja unnötigerweise, denn die Sache wird schon vorbei sein, oder Ihr steckt mitten im Dreck drin, ehe mein Brief nach Paris kommt. Doch man muss eben Gott bitten, dass er dich mit seinem Rate leite, die Ränke der Bösen zerstöre und alle Schlingen und Fallen Satans auflöse und zerbreche. – – – –

Lebwohl, bester, allerliebster Bruder. Der Herr sei stets mit dir, er leite dich und halte dich aufrecht mit unüberwindlicher Kraft bis ans Ende.

28. Januar 1562.

Dein

Calvin, Jean – An Francois de Morel in Mont-Argis.

Nr. 695 (C. R. – 3692)

De Morel war als Hofprediger der Herzogin von Ferrara auf ihrem Schloss zu Montargis; im Namen einer zu Gien versammelten Synode hatte er Calvin um ein Gutachten über einige Fragen ersucht.

Darf ein Pfarrer Kapitalist sein? Über weltliche und geistliche Gewalt.

Monsieur und lieber Bruder, ich hätte rascher auf die drei Fragen geantwortet, über die Sie mich um meine Meinung gefragt haben, wenn ich nicht einige Bedenken trüge, an eine kitzlige Sache zu rühren, wie die von Ihnen aufgeworfene ist, ob Pfarrer Geld auf Zinsen ausleihen dürfen. Diese Art des Leihens einfach zu verurteilen, wäre zu streng und müsste viel Widerspruch hervorrufen. Wirklich möchte ich auch nicht behaupten, es sei nicht erlaubt. Wenn ich aber andrerseits sehe, zu wie viel Verleumdung und Ärgernis es Anlass gibt, und wie viele von mäßigen Bedingungen weitergehen und sich gestatten, was nicht mehr erlaubt ist, so antwortete ich am liebsten gar nicht auf diese Frage. Am sichersten und besten ist es jedenfalls, sich auf solche Geschäfte und Verträge gar nicht einzulassen, und Jeremia versichert nicht ohne Grund, dass die Kämpfe, die er zu bestehen hatte, nicht daher kamen, dass er geliehen oder entlehnt habe [Jer. 15, 10]. Wenn also ein Pfarrer auf solchen Gewinn verzichtet, wird es das Beste sein. Da es aber doch noch eher zu ertragen ist, als wenn er Handel treibt oder sonst einen Beruf ausübt, der ihn von seinem Amte abzieht, so sehe ich nicht, warum man es überhaupt verurteilen sollte. Indessen möchte ich, dass dabei die Regel innegehalten würde, es nicht um eines bestimmten Gewinns willen zu tun. Sondern wenn der Pfarrer irgendeinem soliden Geschäftsmann Geld vorschießt, soll er sich damit begnügen, sich auf dessen Treue und Redlichkeit zu verlassen, so dass er einen entsprechenden Gewinnanteil erhielte, je nachdem Gott die Tätigkeit des Geschäftsmannes segnet.

Was den dem Konsistorium abzulegenden Eid betrifft, so ist es gut, dabei so vorzugehen, dass jedem Schmähen und Murren vorgebeugt wird. Man mag die Leute wohl vorladen und verteidigen, indem man ihnen Gott und sein Gericht vor Augen stellt, da er ja den Vorsitz führen soll in solcher Gesellschaft, aber man muss sich doch sorgfältig in acht nehmen, dass jede Förmlichkeit vermieden wird, die nach einer Huldigung aussieht oder sich ihr nur nähert.

Was den letzten Punkt betrifft, so, glaube ich, braucht man nicht den geringsten Anstoß daran zu nehmen, dass auch Richter und höhere Polizeibeamte in ein Konsistorium gewählt werden, wenn sie nämlich nicht als Amtspersonen gewählt sind; denn dieser Unterschied zwischen den beiden Ständen und Ämtern muss stets gewahrt bleiben. Leute, die zur weltlichen Regierung gehören, auszuschließen, so dass sie nicht auch Aufseher in der geistlichen Gewalt sein dürften, schiene mir gegen alle Vernunft zu sein. Die Hauptsache ist, dass, wenn sie als tauglich zu solchem Amte gewählt werden, sie nicht die Gewalt des weltlichen Schwertes in Dinge mischen, die davon wohl zu unterscheiden sind.

Das ist in der Hauptsache, was mir Gott gegeben hat als Antwort auf die drei Fragen, und unsere Brüder stimmen damit überein. Denn ich wollte auch ihre Meinung einholen, damit die Entscheidung nicht von mir allein käme. Damit usw.

10. Januar 1562.

Calvin, Jean – An Antoine de Bourbon, König von Navarra, in Orleans.

Nr. 649 (C. R. – 3314)

Wen Calvin mit diesem Schreiben nach Orleans sandte, um dem König Rat zu erteilen, ist unbekannt.

Begleitschreiben für einen politischen Ratgeber.

Sire, wenn ich dächte, meine Briefe wären Ihnen nicht genehm, so wollte ich mich hüten, Sie mit Schreiben zu belästigen und zu ärgern. Aber diese Kühnheit gibt mir nur die Zuversicht, dass Sie wohl überzeugt sind von dem Respekt, den ich vor Ihnen hege, und von meinem guten Willen, Ihnen zu dienen, und deshalb es freundlich aufnehmen werden, wenn ich Ihnen davon ein Zeugnis geben möchte. Obschon ich nun wohl weiß, Sire, dass Sie meinen Rat nicht brauchen, so will ichs doch nicht lassen, Sie zu bitten, ja zu mahnen im Namen Gottes, Sie möchten Mut fassen zu stets tapfererem Kampf gegen all die Schwierigkeiten, die Sie, wie ich wohl weiß, umgeben. Tatsächlich ist es ja die Reorganisation eines solchen Reiches wohl wert, dass man keine Mühe spart, und noch viel mehr ist es Pflicht, dafür zu sorgen, dass das Reich Gottes, der wahre Glaube, die reine Lehre von unserm Heil, alles Dinge kostbarer als die ganze Welt, völlig wiederhergestellt werden. Das größte Hindernis, das Ihnen im Wege stehen könnte, scheint mir ziemlich leicht zu überwinden, wenn Sie nämlich geruhen, Sire, der Gegenpartei freimütig entgegenzutreten und sie lebhaft fühlen lassen, dass sie die Macht, die ihr nur durch Sie verliehen ist, nicht gegen Sie brauchen darf.

Übrigens, Sire, schien es mir gut und nützlich, Ihnen Mitteilung über eine gewisse Frage zu machen, damit Ew. Majestät in Ihrer Klugheit daran zu denken geruhe. Es ist zwar nicht meine Art und Gewohnheit, mich einzumischen und aufzudrängen; doch schien es mir Pflicht, den Überbringer dieses Schreibens an Sie zu senden, um Ihnen das Nähere mündlich erklären zu können, wenn Sie ihm eine Audienz zu gewähren geruhen. Indem ich mich Ihrer Gewogenheit, Sire, ergebenst empfehle, bitte ich unsern lieben Gott, Sie in seiner Hut zu halten, Sie zu unterstützen mit seiner Kraft und Sie zunehmen zu lassen in allem Guten und Glücklichen.

Calvin, Jean – An Antoine de Bourbon, König von Navarra.

Nr. 694 (C. R. – 3664)

Um seine spanischen Besitzungen wiederzuerhalten, hatte der König einen Gesandten, Francois d´ Escars, nach Rom gesandt und dem Papste angeboten, wenn er ihm dazu verhelfe, so wolle er in Frankreich den Katholizismus verteidigen, sonst werde er offen zum Protestantismus übergehen.

Scharfe Strafrede über seine Politik.

Sire, die Furcht, Sie zu belästigen, hält uns ab, Ihnen so oft zu schreiben, wie wir möchten und es vielleicht gut wäre. Aber wenn uns das das Schreiben schwer machte, so hat uns der Brief der Königin, Ihrer Gemahlin, nicht nur dazu ermutigt, sondern uns auch jede Ausrede eines Aufschubs genommen. Denn da Gott sie ganz erfasst hat, so genügt es ihr nicht, ihm auf dem guten Weg zu folgen und dahin zu gehen, wohin er sie ruft, sondern sie hat uns auch ermahnt, und zwar dringend, unser Möglichstes zu tun, um auch in Ihnen den Mut und den hohen Sinn, den Sie an den Tag legen sollten, zu steigern. Da ihr Wunsch lobenswert ist, muss er uns auch ein guter Ansporn sein. Sie nämlich, Sire, sind doch das Haupt Ihrer Gemahlin und sollten ihr ein Beispiel geben, so dass die Übereinstimmung mit Ihnen in einer so heiligen Sache sie immer mehr zur Ehre Gottes anzutreiben vermöchte. Sie haben ja wirklich schon Grund zur Freude und zum Lob Gottes, weil er Ihre Gemahlin so geführt hat, dass sie nicht mehr, wie bisher, wo sie Ihre Leitung entbehren musste, Ihnen auch keine Hilfe sein konnte, sondern sich aufrichtig bemüht, Ihnen beizustehen, wie es ihre Pflicht ist. Indessen, wie Ihre Gemahlin nun fest entschlossen ist, ihre Schuldigkeit gegen Gott zu erfüllen und die Versäumnisse der Vergangenheit wieder gut zu machen, so ist es auch Ihre Pflicht, Sire, nun rasch vorwärts zu gehen, Ihrem Stand und Rang entsprechend. Denn das ist das herrlichste aller Ihrer Vorrechte, dass Sie sich so mannhaft halten dürfen, dass die Frau, die Ihnen zu gefallen trachtet, sich doppelt freuen kann, wenn ihr Gehorsam gegen Sie, ihren Ehemann, zugleich zu Gottes Verherrlichung dient. Aber selbst wenn das alles nicht so wäre, Sire, so wären Sie Ihrer Pflicht gegen Gott nicht ledig. Aber ein solcher Vorzug verdient wohl, dass Sie ihn geltend machen und sich deswegen besonders anstrengen, wie er es andrerseits unentschuldbar macht, wenn Sie lässig vorgehen. Verzeihen Sie uns nun, Sire, wenn wir nicht verhehlen können, dass Sie bisher, was Gott mit gutem Recht von Ihnen fordert, nicht ganz erfüllt haben. Nicht etwa, dass wir die Schwierigkeiten, die Sie, Sire, von allen Seiten umgeben, nicht genug in Betracht zögen, aber wenn Sie bedenken, dass wir Sachwalter Gottes sind, so müssen Sie es in Ihrer Frömmigkeit eben leiden, dass wir, um Gottes Rechte zu verteidigen, Ihnen nicht schmeicheln. Vor allem bitten wir Sie, die Lehren des 119. Psalms recht zu beherzigen, in dem der Prophet bittet: „Nimmt ja nicht von meinem Munde das Wort der Wahrheit [Ps. 119, 43]. Damit scheut er sich erstens nicht, offen zu bekennen, dass er sich nicht stets ganz so freimütig benommen hat, wie er es zur Verteidigung der Ehre Gottes hätte tun sollen, obwohl er im gleichen Psalm [119, 16] sich einen Prediger des Gesetzes vor Königen und Fürsten nennt. Aber er weiß wohl: in einer so großen, wichtigen Sache ist auch noch schuldig, wer das Beste geleistet hat. So missfällt ihm seine Schwachheit, und er will erst zufrieden sein, wenn er noch weiter gekommen ist. Da er also zeitweilig nicht eifrig genug war, die Sache Gottes zu verfechten, so sucht er dazu Hilfe, wo wir sie allein finden können, nämlich bei Gott, der uns stärken kann durch die Kraft seines Geistes. Wie dem auch sei, jedenfalls schläft er nicht ein in seiner Gleichgültigkeit, sondern bricht mit allem Zögern als ob er nicht früh genug an das Ziel kommen könnte, nach dem er strebt. Deshalb wünscht er, Gott wolle ihn nicht in der Schwachheit lassen, die er bisher an sich kannte. Und wie er es deutlich ausspricht, dass der Glaube nicht begraben liegen darf, ohne sich vor den Menschen wirksam zu erweisen, so setzt er auch keinen Zweifel darein, dass der Glaube auch den ganzen Gottesdienst nach außen hin umfasse. Nun ists an Ihnen, Sire, zu betrachten, wir wollen nicht sagen, ob Sie auch so freimütig, wie es sich gehört hätte, Zeugnis abgelegt haben von Ihrem Glauben, sondern nur, ob Sie auch nur halbwegs dahin gekommen sind. So ists höchste Zeit zu eilen, damit nicht die Nacht komme und Sie überfalle. Überhaupt, Sire, wie viel fehlt noch, bis Sie die Sache Jesu Christi vertreten nach Ihrem Stand und Ihrer Würde, die Sie zu viel mehr verpflichten als irgendeinen Privatmann! Wenn irgendein armer Mensch niederen Standes dergleichen tut, als lasse er ruhig den Namen Gottes lästern, den Glauben schmähen, die arme Kirche mit Füßen treten, so muss er ja über sich das Urteil fällen, dass das Wort der Wahrheit nicht in seinem Munde war. Und wie steht es nun, danach gemessen, mit Ihnen, Sire, in all Ihrer Macht, Ehre und hohen Stellung, wenn Sie sich einmal, ohne sich schmeicheln zu wollen, auf eine Abrechnung mit dem einlassen, von dem Sie alles haben?

Es wäre auch feig von uns, wollten wir das Vorgehen mit Schweigen übergehen, das bei Großen und Kleinen so besonders großes Ärgernis erregt hat, nämlich die unglückselige Verhandlung, die in Rom mit Ihrem Namen geführt worden ist. Das hat ja alle guten Eiferer um Gottes Ehre und um den guten Ruf Ew. Majestät zum Erröten, Weinen und Klagen gebracht, ja vor Ärger fast bersten lassen. Sie können sich wahrlich gar nicht genug anstrengen und mühen, Sire, um diesen Fehler vor Gott und Menschen wieder gut zu machen. Wir wollen gar nicht von dem reden, den man brauchte, um dabei das Wort zu führen, denn ein guter Mensch hätte sich ja nicht gefunden, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Aber es scheint fast, als ob er und Ihre Feinde über Sie einen Triumph der Lästerung hätten davontragen wollen, wie es ja auch geschah, indem sie eine solche Schändlichkeit noch drucken ließen, die nur schon allzu weit herum bekannt geworden war. Wir sehen wohl, Sire, was Sie dazu gebracht hat; aber sei es, dass die Verlegenheiten, in denen Sie sich momentan befanden, Sie nachgiebiger machten, als Sie selber wollten, oder sei es, dass Sie auf Ihre persönliche Sicherheit Rücksicht nehmen wollten, um den Ränken Ihrer Feinde zu entgehen, oder sei es schließlich, dass nur die Hoffnung auf Wiedererlangung Ihres Besitzes Sie angezogen hat, so gilt doch alles das, Sire, nicht vor Gott, um Sie los zu sprechen. Tatsächlich, was wäre es auch, wenn man Ihnen sagte, man wolle Ihnen die ganze Welt geben, aber Sie müssten dem huldigen, der nichts kann, als Böses tun? Verzeihen Sie der Notwendigkeit, Sire, die uns zwingt, so mit Ihnen zu reden; denn wir sind um Ihr Wohl besorgt, ja um noch etwas viel Größeres und Wichtigeres, nämlich um die Ehre Gottes und die Förderung des Reiches Jesu Christi, auf dem Ihr und aller Menschen Wohl beruht. Ja, Sire, wenn wir Sie bitten, fortan tapfer aufzutreten mit einem ehrlichen, lauteren Bekenntnis des wahren Christentums, so tun wir das nicht, weil wir all die Kämpfe und Schwierigkeiten, die man Ihnen fortwährend bereiten wird, nicht sähen. Auf den Bann müssen Sie sich mindestens gefasst machen. Aber man hat ja doch allen Grund, im Dienst dessen, dem man alles schuldet, nichts zu sparen. Freilich, Sie können nie zu dem festen Entschluss kommen, zu wandeln, wie Gott Sie ruft, bis Sie gelernt haben, sich auf seine Verheißung zu stützen; aber doch hält er Ihnen schon vorher die Hand hin, um Sie auf allerlei Weise zu unterstützen. Denn stehen auf der einen Seite Drohungen, Gefahren und Schrecken, so sind dafür auch gute Mittel da, die Ihnen sofort zu Gebote stehen, wenn Sie sie annehmen wollen. Selbst wenn Ihnen alles verschlossen wäre, Sire, so müssten Sie doch nach dem Worte Davids handeln, dass Gott den Seinen Füße gibt gleich den Hirschen, damit sie über hohe Mauern springen können [2. Sam. 22, 30, 34]. Wenn Ihnen aber Gott entgegenkommt und Ihnen Türen zeigt, so bitten wir Sie, Sire, versäumen Sie nicht einzutreten und benutzen Sie die Gelegenheit, die man sich auch nach dem allerweltlichsten Sprichwort nicht entwischen lassen darf. Denn wiewohl die weltliche Politik weite Umwege macht, – Gott will, dass man in der Verteidigung seiner Sache offener vorgeht, und die Methode des Zauderns, die Sie bisher befolgt haben, Sire, gilt in seiner Werkstatt nie für die rechte.

Das soll Sie nun aber nicht zu überstürztem Handeln verleiten. In einzelnen ist sogar ein unbedachter Übereifer, den wir nicht billigen und den wir gerne dämpfen möchten, wenn wir könnten. Da wir aber dazu nichts tun können, so bitten wir Ew. Majestät, ihn auch ertragen zu wollen. Ja, wir meinen, Gott habe, um die Trägheit der Großen zu bestrafen, die Kleinen so vorwärts dringen lassen, dass es heute sehr schwer wäre, sie zum Zurückweichen zu bringen. Hat es ihm nun gefallen, so zu wirken, und das umso mehr, als die Bösen ihm zu widerstreben suchen, so sollte das Sie, Sire, umso mehr anspornen, die schwachen Werkzeuge, in denen schließlich doch die Kraft des heiligen Geistes zutage tritt, nützlich zu verwerten. Wir haben wirklich alles getan, dass man sich mit nichtöffentlicher Predigt in den Häusern begnüge; wenn wir nun sehen, dass es doch anders gekommen ist, so setzt uns das zwar in Erstaunen, aber wir können nicht umhin, zu glauben, Gott habe sein Wort ohne menschliche Hilfe Besitz ergreifen lassen wollen, damit der königliche Rat es nicht sonderbar finde, etwas bereits Bestehendes zu erlauben und zu dulden. Wie dem auch sei, Sire, da Sie durchaus loyal denken und so vollkommen, wie man es nur wünschen kann, für Glück und Ruhe des Königs und das Gemeinwohl Frankreichs besorgt sind, so ersuchen wir Sie, mit Eifer und warmem Herzen dahin zu wirken, dass Gott verherrlicht werde, indem Sie selbst offen allem Aberglauben und Götzendienst absagen und sich so als Beschützer der armen Kirche zeigen, damit sie nicht mehr so hart verfolgt werde. Denn wenn auch Teufel und Welt vor Wut schäumen, – diese Freiheit, welche die Gläubigen bekommen werden, Gott zu dienen, wird bei ihm erwirken, dass der König friedlich über alle seine Untertanen herrschen kann und auch Sie Ihre Stellung behaupten werden, sowohl in der Regierung Frankreichs, wie als Vorsitzender des Kronrats, wie auch als König Ihres eigenen Gebiets. Indem wir uns damit, Sire, der Gewogenheit Ew. Majestät untertänigst empfohlen halten, bitten wir den lieben Gott, er wolle Sie in seiner heiligen Hut halten, Sie stärken mit unüberwindlicher Kraft, Ihnen Klugheit und Geschick geben zu jedem Vorgehen und Sie mehr und mehr in seiner Gnade wachsen lassen.

[24. Dezember 1561.]