Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (159).

Virets Frau, Elisabeth Turtaz, war nun verstorben.

Einladung nach Genf.

Komm [nach Genf] und du sollst dich erholen, nicht nur von der Trauer, sondern auch von der aller Mühsal. Fürchte nicht, ich werde dir irgendeine Last auferlegen. Meinetwegen darfst du ausruhen, ganz wie du willst. Wenn dir jemand anderes lästig fallen will, werde ich mich ins Mittel legen. Die Brüder versprechen mir das Gleiche. Auch für die Bürgerschaft verspreche ich dir, was du willst. Was ich den Schwindlern wünschen soll, die das Gerücht von deinem Tode ausstreuen, weiß ich nicht. Nichts kam uns je gelegener als dein Brief. Obwohl dein Tod gemeldet wurde, hatte sich doch Textor, weil von Vergiftung die Rede war, bereit gemacht, in raschem Ritt nach Orbe zu jagen. Auch eine gute Zahl von Brüdern war da, alle ganz ergriffen von Traurigkeit. Kaum sahen wir deinen Brief, so brach ein solcher Jubel unter uns aus, dass wir kaum mehr unser selbst mächtig waren. Es traf sich gut, dass wir nicht auch die Nacht noch in Trauer blieben, denn das hätte auch ich nicht ohne Schaden ausgehalten. Aber was halte ich dich auf und treibe dich nicht eher an, so schnell als möglich zu uns zu kommen? Lebwohl, allerliebster Bruder und Freund. Grüße angelegentlich die Brüder Jacques, Ribit, Imbert, Cordier, Francois und Merlin. Der Herr schütze dich und die dir gebliebenen Angehörigen.

Genf, 8. März.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (158).

Weggelassen ist eine Notiz über die Neuchateller Pfarrwahl.

Von Virets kranker Frau.

– – – Ich sehe, dass Textor für deine Frau nicht mehr viel Hoffnung hat. Ich brauche dich nicht mit vielen Worten zu mahnen, dass du dich bereit machst, jeden Ausgang mit Ergebung zu ertragen. Ach, könnte ich doch zu dir eilen, dein Leid etwas zu erleichtern oder doch zum Teil mit dir zu tragen. Aber ein so weiter Ritt wäre mir jetzt beschwerlich. Eher rate ich dir, wenn es anders geht, als wir hoffen, auf ein paar Tage hierher zu kommen. Lebwohl, bester Bruder, samt deiner Frau und deinen anderen Angehörigen. Der Herr tröste und stärke Euch alle. Amen.

Genf, 22. Februar 1546.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (151).

Claude Roset, ein angesehener Genfer, 1546 zum zweiten Mal Syndic, hatte mehrfach Streitigkeiten mit Calvin. Ami Perrin war früher ein Anhänger Calvins und hatte im Auftrag des Rats mit ihm über seine Rückkehr nach Genf verhandelt. Der Brief zeigt nun den Beginn der Entfremdung, die zur bittersten Feindschaft wurde. Es handelt sich um das Angebot Berns, den Genfern zum Schutz der Stadt gegen Savoyen eine Besatzung von 2000 Mann unter Führung eines Berners zu stellen. Viret hatte von Gerüchten über feindliche Pläne Savoyens berichtet. Abel Poupin ist ein Genfer Pfarrer. Weggelassen sind allerlei Angelegenheiten Virets.

Allerlei Streit in Genf.

– – Mit Roset verhält sichs so. Da ein guter Teil des Rats sich um unsere Versöhnung bemühte, musste ich frei heraus vor die Öffentlichkeit bringen, wie wortbrüchig Roset gehandelt hatte, als er schon einmal auf Betreiben des Rats sich mit mir ausgesöhnt hatte. Da er das unverschämt ableugnete, ließ ich mich bis zu solchem Schelten fortreißen: „Was, willst du etwa auch leugnen, dass du damals mit Viret so geredet und mich Castellios und Champereaus wegen gehässig beschuldigt hast? Wenn du nur bei einem Mann, den du ebenso gut als meinen wie als deinen Freund kanntest, dich nicht enthalten konntest, Gift gegen mich zu speien, was ist da unglaublich von deinem Geschwätz andern gegenüber?“ Als er auch da Ausflüchte suchte, entgegnete ich wieder: „Was du da für dich antwortest, dabei will ich mich nicht aufhalten. Mir genügt es, dass Viret bemerkt hat, du seiest bösen Sinnes gegen mich, und bezeugt hat, du habest boshaft über mich geredet.“ Er antwortete mir, die Leute, dir mir berichtet hätten, was ich da erzähle, hätten es vielleicht selbst erfunden. Da legte sich der Rat ins Mittel. Man beschwor mich leidenschaftlich, alle vorgefallenen Beleidigungen zu vergessen und mich mit Roset zu versöhnen. Ich antwortete, das wolle ich in guten Treuen tun, und an mir solls nun nicht liegen, wenn ich nicht aufrichtig halte, was ich versprochen habe. So sicherten wir einander zu, alles Vergangene solle vergessen sein. Wer wird es dir zum Fehler anrechnen, dass du mir sagtest, was du gehört hast? Hättest du es mir verheimlicht, dann könnte im Gegenteil jedermann dich verurteilen als unaufrichtigen Sinnes. So brauchst du niemandes Urteil zu scheuen. Selbst der, dem es lieber gewesen wäre, du hättest geschwiegen, wird nicht wagen, dir einen Vorwurf zu machen. Übrigens, da der ganze Streit begraben ist, hat auch das seine Bedeutung verloren. Deshalb verzeih auch du, wenn gefehlt wurde gegen dich. – –

Deinen Brief habe ich Perrin gegeben. Woher jene Gerüchte stammen, weiß ich nicht. Ich bin ja nur ein Gast in dieser Stadt. Und doch glaube ich, die mir unbekannten Verhältnisse besser zu durchschauen, als alle die, denen die Dinge in ihrem ganzen Zusammenhang vor Augen liegen. Glaube ja nicht, dass das prahlerische Überhebung sei von mir. Denn ich bin bloß ein Einäugiger, aber unter lauter Blinden. Ich habe Perrin vorgestern gewarnt in Gegenwart Abels, er solle sich in Acht nehmen, dass unsere Politik nicht den Schein des Misstrauens [gegen Bern] habe. Ich hatte aber nichts Bestimmtes gehört, sondern ergriff nur die Gelegenheit, als er beiläufig erwähnte, der Gouverneur von Chambery verspreche viel Gutes, sobald man sich vor allen diesen Plänen hüte. Ich antwortete: „Was heißt dieses sich Hüten denn anderes, als sich jeden Schutzes berauben?“ Das sagte ich in Gegenwart mehrerer Leute. Insgeheim sagte ich dann noch, was mir gut schien. Vor den Rat mag ich nicht damit gehen, weil er jede Mitteilung an mich vermeidet. Was man bisher mit Bern verhandelt hat, weiß jeder in Genf, ich allein ausgenommen. Es ist nicht Verachtung oder Hass, dass man mir nichts sagt, eher noch, dass man sich schämt oder durch Schweigen sich den Schein hoher Weisheit geben will. Von der Kanzel aus mag ich nicht intriguieren, solange in der Stadt nicht die geringste Unruhe ist. Denn viel Geschwätz geht draußen um, dringt aber nicht durch die Stadttore. Das ärgert mich, dass man zu viel Lärm um nichts macht. Man hätte ganz ruhig handeln können. Nun wird uns die Wichtigtuerei am meisten schaden. Einer ist daran schuld; ein Mann, nicht fähig zu vernünftiger Mäßigung. Ich wollte, er hätte nie mit mir vertraulichen Umgang gehabt. Denn obwohl er doch in allem nach seinem Gutdünken handelt, zuerst ohne mein Wissen, dann trotz meines offenen Widerspruchs, so gibt ihm doch sein früheres Verhältnis zu mir eine gewisse Unterstützung. Wir fürchte ich, dass er schließlich der Freiheit der Republik unerträglich wird durch sein Tun! In zwei Sätzen kann ich meinen Rat in unsrer Sache zusammenfassen. Erstens: es soll bestehen bleiben, was man mit der Berner Obrigkeit bereits abgemacht hat. Tritt man davon zurück, so will ich schon zeigen, welche Folgen das hätte. Zweitens: man soll kein Zeichen misstrauischer Gesinnung dabei geben, sondern einander, so weit es angeht, trauen. Wenn ichs einmal für der Mühe wert halte, will ich mich ins Mittel legen. Würde mir der Zutritt nicht gestattet, was sollte ich tun, als mit ihnen, wenn auch ohne meine Schuld, den Untergang finden? Könnten wir doch nur ein Stündlein miteinander reden! Denn dabei würden dir diese rätselhaften Sätze zu deutlichen Beweisen. Ich würde den militärischen Schutz [durch die Berner] vermeiden, solange es nicht unbedingt notwendig ist. Denn da unsere Leute schon jetzt ohne ihre Lehrmeister [von Bern] beginnen, sich nur zu kriegerisch d. h. frech und ausgelassen aufzuführen, was müsste ich erst von diesen Lehrmeistern selbst erwarten? Dann erwäge auch, wer gewählt worden ist. So würde ich bei unserer Behörde sicher nie beantragen, eine Berner Garnison in die Stadt zu nehmen, bevor es die Ereignisse mit sich brächten. Freilich, ist der Beschluss schon gefasst, so gebe ich ohne Schwierigkeit meine Zustimmung; ja ich werde sogar mahnen, dass man sein Wort nicht bricht. Doch ich bin ein Narr, wenn ich rede, als ob ich ihr Berater wäre, während ich doch ganz ausgeschlossen werde. So will ich in aller Stille ihr Unglück bei mir beweinen, da es Sünde wäre, drüber zu lachen, und ich doch nicht helfen kann.

Lebwohl, samt deiner Frau, deren Gesundheit wir Gott anempfehlen. Wisse, dass wir alle um sie besorgt sind, als ob sie eines jeden Frau oder Tochter wäre. Der Herr behüte Euch und halte dich aufrecht mit dem Trost seines Geistes.

Ich konnte es nicht mehr durchlesen.

[Januar 1546.]

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (150).

Jean Ferron, Pfarrer der Genfer Vorstadt St. Gervais, lebte in den kümmerlichsten ökonomischen Verhältnissen; auf welche Stelle er kommen wollte, ist nicht klar. Der niederländische Refugiant Jean de St. Andre wurde zum Pfarrer in Thonon gewählt. Textor ist Calvins Hausarzt.

Fürsorge für Freunde.

Der Überbringer dieses Briefes ist unser Bruder Ferron, über den wir kürzlich miteinander gesprochen haben. Du weißt, dass ich dir mein Bedauern darüber ausgesprochen habe, dass er ein etwas unruhiger Kopf sei. Doch kommts mir vor, die Last, die ihn gegenwärtig drückt, liege auf meinen eigenen Schultern. Denn es hätte sich vielleicht schon eine Hilfe finden lassen, wenn ich gleich von Anfang an gemerkt hätte, dass seinem Wunsch nicht anders Genüge getan werden könne, als wenn er aus dem Stadtquartier, wo er jetzt wohnt, zu uns herüber versetzt werde. Jetzt ist es zu spät zu diesem Heilmittel, wenn ich nicht Ursache zu unaufhörlichem Hader geben will. Von Anfang an hatte er den Verdacht, ich sei seinen Wünschen nicht sehr günstig gestimmt. Tatsächlich hielt ich mich aber ganz neutral, wie es mir meine Pflicht zu sein schien. Jetzt kann mich freilich nichts dazu bringen, dass ich gewaltsam einen andern aus seinem Posten hinaus stoße, weil ich das nicht für gut hielte. Indessen leidet er allerdings außerordentlich, und es ist nicht zu hoffen, dass er anders als durch einen Stellenwechsel zur Ruhe kommt. Einem Bruder aber, der in so beängstigenden Verhältnissen steckt, nicht herauszuhelfen, wenn es leicht zu machen wäre, ist unmenschlich. Besonders einem Bruder, dessen man sich um der vorzüglichen Gaben willen, durch die er sonst ausgezeichnet ist, mit möglichst großem Wohlwollen annehmen muss. Nun bin ich im Zweifel, wie wir seinen Wünschen Rechnung tragen können, um ihm zur Ruhe zu helfen. Ihm würde am besten die Lösung gefallen, wenn er an Jeans Stelle käme. Seine Gründe dafür wird er dir besser mündlich auseinandersetzen. Ich sehe wohl, dass die Sache schwer zu machen ist. Sein heißer Wunsch aber lässt sie ihm, doch möglich scheinen. Ich will nicht mehr davon schreiben. Ich weiß ja, wie du ihm alles Gute wünschest, und du weißt, dass es mir sehr lieb wäre, wenn er aus seiner Bedrängnis befreit würde. Denn obwohl ich gegen solche Veränderungen eine Abneigung habe, und auch Ferron nicht gerne von uns gehen lasse, weil ein solcher Mann nicht leicht wieder zu finden ist, so liegt mir doch ein sorgenloseres, ruhiges Leben für ihn so am Herzen, dass ich alles andere darüber vergesse. Hilf ihm, wenn es irgend geht mit Rat und Tat; darum möchte ich dich wieder und wieder gebeten haben.

Auch Jean de St. Andre reist auf meinen Rat zu dir. Christophe hat mir erzählt, was die Brüder von Thonon über de St. Andre beschlossen haben, ohne dass er daran dachte. Nun ist der gute Mann fast erschrocken vor Überraschung und unschlüssig. Fürchtete er nicht, einen Ruf Gottes zurückzuweisen, so bliebe er lieber, wenigstens noch eine Zeitlang, ohne solche Stellung. Doch überlässt er sich der Leitung Gottes und ist bereit, zu folgen, wohin er ihn auch führt. Ich könnte ihm keinen bessern Rat geben, als zu dir zu gehen und nach deiner Meinung die Sache mit Christophe abzumachen. Wenn du dafür bist, kann er auch bis nach Lausanne kommen. Er ist ein gescheiter Mensch und von außerordentlicher geistiger Gewandtheit, wohl geübt in der Schrift, vorsichtig und doch mutig. Ich möchte nicht, dass solche Talente auf meine Veranlassung hin vergraben blieben, und man mir die Schuld daran zuschöbe. Lebwohl, lieber Bruder und trefflichster Freund. Der Herr sei stets mit dir und halte dich aufrecht durch den Trost seines Geistes in all der Heimsuchung in deinem Haus. Ich habe mit Textor gesprochen, er solle deine Frau besuchen. Seine Liebe zu dir ist so groß, dass er nicht zögert, alles, was ihn abhielte, hintanzusetzen. So wird er morgen reisen, wie ich hoffe.

3. Januar 1546.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (148).

Champereau, in Genf als Pfarrer abgesetzt, wurde von Bern in die Pfarrklasse von Gex aufgenommen. Die Bemerkung über die Neuchateller bezieht sich auf deren hartnäckiges Durchfechten der Kirchengutsfrage. Virets Frau war schwer krank.

Von Champeraus Wiedereinsetzung.

So ist denn geschehen, was ich stets gefürchtet hatte. Champereau ist von Eurem Rat angenommen worden. Den Brüder der Klasse von Gex scheint das ein ganz unerträgliches Vorgehen. Sie wünschen von uns ein schriftliches Zeugnis. Wir haben versprochen, es ihnen am Montag zu geben, weil sie an diesem Tag ihren Konvent haben. Ich habe dir ausdrücklich geschrieben, du sollest das Zeugnis, [das wir für die Berner ausgestellt hatten,] zurückschicken. Es wundert mich, dass du in Zweifel ziehst, was ich so deutlich ausgedrückt habe. Ich sende also den Überbringer dieses Briefes zu dir, damit er es zurückbringe. Ich habe Befehl gegeben, dass er morgen unbedingt damit nach Morges komme. Ich hätte zwar die Kosten dieser Botenreise größer gefunden als die Arbeit für mich [noch ein Zeugnis auszustellen]. Aber du weißt, welcher Verleumdung wir ausgesetzt sind. Eine [anders lautende] Silbe könnte den größten Lärm geben, und die Leute, die wir fürchten, sind darin unverschämt. Deshalb schien mir nichts besser, als das Zeugnis von der Kopie des bereits ausgestellten abzuschreiben. Ich habe auch den Verdacht, die Berner Pfarrer hätten die Sache schlecht und ohne Treue geführt. Freilich werden sie bald merken, dass sie zu ihrem eigenen Schaden so nachlässig waren. Denn der Seckelmeister Augsburger [von Bern] hat hier, als ich nicht dabei war, ein Wort fallen lassen, aus dem man schließen darf, die Berner Pfarrer seien samt mir von diesem Schwindler [Champereau] beschuldigt worden, die Brotwerdung Christi im Abendmahl zu lehren. Nun, sie verdienen es ja. Ich werde mir dann später schon Mühe geben, nicht mit ihnen in die Sache hineingezogen zu werden. Unterdessen will ich die Sache Christi führen, in der sie müßig sind. Von den Neuchatellern halte ich nichts, solange sie fortfahren, sich [in der Kirchengutsfrage] so wohl zu gefallen zu unser aller gemeinsamen Schaden. Lebwohl, trefflichster Bruder; grüße deine Frau angelegentlich, die wir dem Herrn im Gebet anempfehlen, wie sichs ziemt.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (147).

Aime Maigret ist ein Pfarrer, gegen den Klage wegen Unsittlichkeit geführt wurde. Über den Karmeliter-Mönch siehe Brief Nr. 87. Quintin (vgl. 130) ist ein Libertiner, der in Belgien Anhänger warb.

Allerlei Schwierigkeiten.

Könnte ich doch von hier für drei Tage abkommen, um wenigstens ein paar Stunden mit dir reden zu können! Ich werde versuchen, mich loszumachen, kann aber nichts versprechen. Ich wundere mich, dass du in deinem Brief den von mir nicht erwähnst, den dir ein Mann aus dem Dauphine bringen sollte, der behauptete, einst bei Francois Martoret gewohnt zu haben. Es täte mir leid, wenn er mich betrogen hätte. Denn ich hatte seinem Empfehlungsbrief eine Kopie unseres Briefes an die Berner Pfarrer beigelegt. Wir haben jetzt mit Maigret zu tun, dessen Sache wir dem Rat überwiesen haben. Es wird uns leicht sein, ihn auszustoßen. Täten wirs nicht, so hegten wir eine Schlange am Busen. Wir haben beschlossen, uns soweit zu mäßigen, dass wir nicht ausdrücklich seine Abdankung zu fordern scheinen. Wenn dir gewisse Leute einen Kollegen aufdrängen wollen, so geschieht es ohne Zweifel, um dadurch dich zu verdrängen. Ist einer gewählt, so hast du dann gerechte und begreifliche Ursache zu klagen. Weißt du, wer vor kurzem bei uns angekommen ist? Der Karmeliter-Mönch von Lyon. Und zwar ganz erfüllt von der Lehre Quintins, so viel wir aus einer Probe, die er davon in unserm gestrigen Konvent ablegte, schließen können. Freilich, bis jetzt ist es bloß Vermutung. Wir werden noch näher zusehen, da wir besonders aufmerksam gemacht sind. Lebwohl, lieber Bruder und trefflichster Freund. Der Herr behüte dich und deine Frau. Richte ihr und allen Freunden viele Grüße aus.

Genf, 7. November 1545.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (143).

Begleitschreiben für die Waldenser Boten.

Als eine Schar frommer Waldenser Flüchtlinge hierher kam, und ich durch sie einiges erfuhr, was dir im Interesse ihrer Sache nicht unbekannt bleiben dürfte, war es mein Wunsch, es sollten gleich zwei von ihnen zu dir weiterreisen. Du wirst von ihnen erfahren, dass der Satan alles ins Werk setzt, um alle Welt gegen ihre Unterstützung einzunehmen und den Hass des Königs und seiner Höflinge, der schon heißer als recht ist, noch mehr zu erhitzen. Auch mich reißen die Schweizer, und zwar nicht nur die in französischem Sold stehenden, sondern alle, die epikuräisch [nur an ihre Ruhe] denken, wunderlich herunter, weil ich ihr Volk durch meine Aufdringlichkeit beim König von Frankreich verhasst mache. Aber nichts kann mich in meiner Pflicht, die nur zu notwendig ist, aufhalten.

Charles, unser Schulmeister, um des willen mich Sebastian [Castellio] so verleumdete, hat, ich weiß nicht von welcher Hoffnung verführt, seine Stelle verlassen. Wir haben Francois [Deotheus] zu seinem Nachfolger bestimmt; weil er aber schon einen Monatsgehalt im Dienst Eurer Schule empfangen hat, schien es uns passender, wenn er zuerst beim Berner Rat um Urlaub und Entlassung einkomme, was hoffentlich keine Mühe machen wird. Auch hat uns der Träger dieses, ein Oheim unseres Kollegen Pierre, um eine Empfehlung gebeten. Wenn du es nötig findest, so unterstütze die Empfehlung auch noch durch ein Wort von dir. Wir haben ihn immer als einen guten, einfachen, ruhigen und bescheidenen Mann gekannt. Man sagt, er habe in der Provence treulich und mit gutem Erfolge im Weinberg des Herrn gearbeitet.

Lebe wohl. Der Herr sei stets mit dir.

[9. September 1545.]
Dein Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (137).

Viret hatte auf den vorigen Brief geantwortet, gegenüber dem Flohkampf sei der Streit mit Caroli ein Kampf mit stinkenden Wanzen; auch hatte er Calvin gemahnt, trotz des Pseudonyms von sich und seinen Freunden weniger rühmend, von Caroli weniger verächtlich zu reden; außerdem notierte er einige kleine Irrtümer.

Erwiderung auf Virets Kritik der Schrift gegen Caroli.

Hätte ich nicht schon von mir aus Lust genug gehabt, den beißenden Caroli zu verjagen, so hätte dein hübscher und lustiger Vergleich von Flöhen und Wanzen mich vollends dazu entflammen können. Wäre nichts dazwischen getreten, so wäre die Arbeit fünf oder sechs Tage nach meinem Brief an dich fertig geworden. Aber ich war seither in Thonon und Draillant, und durch diese Reise verloren wir zwei Tage. Während zwei weiteren Tagen war unser des Gallars abwesend. Doch bleiben uns jetzt nur noch ein paar Stunden Arbeit übrig. Deine Mahnungen waren mir lieb, wären mir freilich noch lieber gewesen, wenn du noch freimütiger getadelt hättest, was dir der Beachtung wert schien. Jetzt da du mich so schonst, scheinst du mir ein zu ängstlicher und nachsichtiger Kritiker, nicht, weil man es mit allen Fehlern so genau nehmen müsste, sondern weil du zu schüchtern mit mir umgehst, als ob du die scharfe Kritik mit dem süßen Gewürz anerkennender Worte mildern wolltest. Bei dem Zitat hat mich, glaube ich, Seneca irregeführt. Du weißt, dass ein anderes ähnliches Wort auch dem Cato in den Mund gelegt wird. Denn als Cato fiel und ihm der Lastträger, der seinen Koffer trug, da er schon am Boden lag, zurief: Gib acht! antwortete er: Gut gesagt, aber zu spät! Da aber Plutarch das Wort, das ich anführe, in seinem Buch über Kindererziehung dem Sokrates zuschreibt, und Lactantius ihm beipflichtet, habe ich den Namen Sokrates eingesetzt. Im Richten habe ich nun so Maß gehalten, dass kein hartes Urteil steht, wo es nicht am Platz ist, d. h. wo es nicht der Sachverhalt nötig macht. Wo ich nun von Carolis Unwissenheit rede, habe ich die Ausnahme, die du für nötig hieltest, noch eingefügt, und gebe zu, dass ich sie nicht übergehen durfte. Dass die Lobsprüche, mit denen wir, und besonders ich, in der Schrift gerühmt werden, bei denen, die auf uns neidisch sind und uns übel wollen, ein böses Gerede verursachen werden, wie du vermutest, gebe ich dir zu. Aber ich meine, sie machen sich nur selbst lächerlich, wenn sie uns das missgönnen. Ich schreibe ja den Namen unseres lieben des Gallars statt meines eigenen über das Werk. Da wird man nun meinen, er habe es mit meiner Hilfe verfasst, und nur einiges wenige sei ihm eigen. Nun habe ich aber gleichsam aus seinem Munde so über mich geredet, damit ich mit dem Hinweis auf solches Lob jeden lachend abweisen kann, der mich als Verfasser bezeichnet. Ich kann dann sagen, man tue mir doch Unrecht, wenn man meine, ich sei so töricht, [mich selbst so zu rühmen]. Und doch, was wird mir eigentlich mehr zuerkannt als Berühmtheit des Namens? Wo von uns dreien die Rede ist, werden wir gepriesen als fromme Männer und wohlverdient um die Kirche. Ich schämte mich auch nicht, das zweite Lob auch für mich persönlich in Anspruch zu nehmen. Aber die klugen und vernünftigen Leute werden schon aus dem ganzen Sachverhalt ihr Urteil bilden, ob das ein leichtsinniges Prahlen oder ein erlaubtes Rühmen ist. Schließlich ist das doch die beste Regel für ein rechtes Maß [der Selbsteinschätzung], dass wir nichts für uns beanspruchen ohne einen triftigen Grund. Wenn nun das schon den Selbstruhm genügend entschuldigt, wird es dann nicht umso mehr genügen, wenn uns die Notwendigkeit zwingt [uns zu rühmen]. Mögen dann die so genannten Unparteiischen vor Ärger platzen, die es nicht ertragen können, wenn jemand von uns die rechte, gute Meinung hat. Die zufrieden zu stellen, das durfte ich nicht einmal bei der Darstellung im Auge haben. Denn wir hätten das nur in der Weise erreicht, dass wir die ganze Schuld an der bösen Geschichte oder doch einen guten Teil davon auf uns genommen hätten. Ich habe soviel Mäßigung angewandt, als ich konnte, bei einem so verworrenen Stoff. Ich habe nichts gesagt, was nicht ganz wahr wäre; dagegen vieles unterdrückt, was überflüssig war oder der Sache hätte schaden können.

[Mitte Juli 1545.]

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (136).

Da Caroli sich immer noch von Metz aus gegen die Reformatoren wandte, wollte Calvin in einer den ganzen Handel darstellenden Schrift, die er unter dem Namen seines Sekretärs Nicolas des Gallars abfasste, sein letztes Wort sagen.

Widerwärtigkeiten durch Caroli.

Als ich letzten Sonntag im Sinn hatte, aufs Land zu gehen, und mich für drei Tage, frei von allen Geschäften, ganz der Arbeit widmen wollte, den Caroli herauszuputzen, und schon alles für die Reise und den dreitägigen Aufenthalt vorbereitet war, da geschah mir unerwartet etwas, das meinen ganzen Plan umwarf. Die Akten des Handels, die mir Farel gesandt hatte, und die mich an alle Einzelheiten wieder erinnern sollten, finde ich nicht mehr. Und weil ich vermutete, sie seien mir durch Betrug abhanden gekommen – und ich vermute es auch jetzt noch, – so vermehrte das meine Aufregung so, dass ich mich am andern Morgen wieder zu Bette legen musste. Der Verlust war auch darum so ärgerlich für mich, weil ich auch das Lesen der Akten auf die freie Zeit hinausgeschoben hatte. Als ich mich wieder etwas erholt hatte, wollte ich doch das Werk, das ich dir versprochen, nicht im Stich lassen. Montagabends reisten wir ab. Aber die Nacht in Tournay war für uns so gestört durch Flöhe, dass wir nicht ein halbes Stündchen Schlaf fanden. So standen wir vor drei Uhr auf, um nach Sacconex zu gehen. Aber auch dabei war uns der Regen hinderlich und zwar ein kräftiger Dauerregen. Etwas um fünf Uhr, als auch der Regen nachließ, flohen wir in Sacconex unter den Schutz eines Daches, um uns doch noch durch zwei Stunden Schlaf zu erholen. Trotzdem sind wir in meiner Schrift doch schon ein Stück weit fortgeschritten. Den Anfang schicke ich dir. Gefällt er dir, so wirst du bald hören, dass die Schrift zu Ende gebracht ist. Wenn nicht, so ists für uns kein großer Verlust. Doch bitte ich dich, uns bald dein Urteil zu sagen; aber nur, wenns uns zur Fortsetzung ermutigt. Wenn du etwas findest, was der Verbesserung bedarf, so sage es frei heraus. Ich werde es verbessern, so gut ich kann. Für Isabella schickt dir unsere Behörde eine Krone, wenn du weiterhin etwas für sie verlangst, wird mans nicht verweigern.

[Genf oder Sacconex, Anfang Juli 1545].
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (134).

Verteidigung der Waldenser. Von einigen untauglichen Pfarrern.

Ich glaube, es ist nichts besser, als dass von unserm Nicolas mündlich dargestellt wird, was ich ihn schreiben hieß. Denn die Rede eines Augenzeugen wird meines Erachtens für glaubwürdiger und gewichtiger gelten als irgendetwas sonst und kann manche Verleumdung zerstreuen, wie sie die Parteigänger des Königs von Frankreich vermutlich tagtäglich ausstreuen. Denn du glaubst nicht, mit welch verschiedenen Beschuldigungen man die Waldenser Brüder überhäufte, als wir dort waren. Obwohl ich leicht erkannte, aus welcher Quelle diese Anschuldigungen stammten, antwortete ich einfach darauf, ohne die Urheber zu erwähnen. Selbst nach Aarau waren einige Gesandte gekommen, ganz erfüllt von falschen Gerüchten, die ihnen schwer aus dem Kopf zu bringen waren. Ich rate also durchaus dazu, dass Nicolas nach Bern reist und dafür sorgt, dass dem Rat erklärt wird, was er wissen sollte. Ich gebe ihm ein Beglaubigungsschreiben mit der Bitte, sie möchten aus seinem Mund vernehmen, was ich hätte schreiben sollen. Du kannst von dir aus ein Wort an den Schultheißen beifügen, wenn es dir gut scheint. Ich sage es noch einmal, es ist gut, wenn sie nicht kalt werden sollen, dass sie Nicolas selbst noch einmal erwärmt. – – Ich bin hier sehr in Sorgen wegen zweier Pfarrwahlen. Denn Jean, der Pfarrer von Draillant, ist zum Herrn heimgegangen. Der von Cluses aber ist, um seine Gläubiger von der Mühe, ihn täglich aufsuchen zu müssen, zu befreien, durchgegangen; man weiß nicht, wohin. Das haben wieder die Wirtschaften fertig gebracht! Denn durch seine unersättliche Gurgel ist er immer tiefer in Schulden geraten, so dass er kein anderes Mittel fand, wieder herauszukommen. Ich fürchte, ein paar andere folgen seinem Beispiel; denn zwei haben wir, die sich selbst mit der Besoldung von zwei Jahren, wenn sie dabei nüchtern wären, nicht mehr aus den Schulden herausschaffen könnten; und trotzdem hören sie nicht auf, sich verstohlen in die Wirtschaften zu schleichen und dort bei einem Frühtrunk mehr zu verzehren, als sie am Tag haben, um ihre ganze Familie zu erhalten. Doch zurück zur Wahl. Man drängt uns einen gewissen Trolliet auf, weil er ein Genfer Bürger sei; gar vieles an ihm scheint uns allen wenig genehm. Ich für meine Person weiß nicht, was ihn des Pfarramts würdig macht, als eben das, dass [die Genfer wie] die Affen ihre Jungen lieben. Könntest du doch nächsten Freitag hier sein, wenn wir darüber beraten. Wenn nicht, so mach doch, dass du zur Hochzeit von Nicolas des Gallars hier bist, die am Sonntag, heute über zwölf Tage, sein soll. Dass ich mich fest drauf verlasse, du kommest, ist der Grund, weshalb ich so kurz schreibe. Grüße Nicolas herzlich, auch Imbert, Ribit und deine Frau. Der Herr behüte Euch alle. Wenn du kommst, sollst du hören, was in Wittenberg vorgeht.

Genf, 2. Juni [1545].
Dein
Johannes Calvin.