Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (179).

Über die in Bern umgehenden Gerüchte von Genfs Verrat redete Calvin am 20. September im Genfer Rat, der sich dann in Bern rechtfertigte. Weggelassen sind unwichtige Nachrichten.

Vom Misstrauen Berns gegen Genf.

Die Angelegenheit, die mich neulich von meiner Reise heim trieb, durfte zwar nicht außer acht gelassen werden; hätte ich sie aber genau gekannt, so wäre sie mir doch so wichtig nicht gewesen, dass ich deswegen so plötzlich meine Reise unterbrochen hätte. Es gingen nämlich in Bern böse Gerüchte um, als ob unsere Genfer Obrigkeit irgendeinen geheimen Verrat plane zu Gunsten des Königs von Frankreich. Natürlich eitel Geschwätz, ohne allen vernünftigen Sinn, aber doch war es der Mühe wert, es rechtzeitig auf irgendeine geschickte Weise zu unterdrücken. Das hätte ich freilich auch durch einen Brief tun können, wäre ich recht unterrichtet gewesen, aber nun, da es eben anders gekommen ist, muss ichs ertragen. – –

Lebwohl, bester Bruder und Freund. Der Herr sei stets mit dir und lenke dich mit seinem Geist. Grüße die Brüder angelegentlich, besonders Jacques und Cordier.

[September 1546].
Dein Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (176).

Weggelassen sind Bemerkungen über verloren gegangene Briefe und Bücher und über eine Geldsache Virets in Straßburg. Proserpina nennt Calvin Pernette Perrin, geb. Grant, die Mutter des Stadthauptmanns Perrin, Penthesilea, die Amazonenkönigin, Perrins Frau Francoise geb. Favre; ihr Onkel Jean Favre war Tuchhändler. Frellon ist ein Buchhändler in Lyon (Nr. 155).

Skandalgeschichten.

– – Neulich hat ein Bastard aus der Familie Favre, genannt d´ Orbe, eine uneheliche Tochter eines gewissen de Nantou geheiratet. Etwa dreißig Mann hoch zogen sie der Braut entgegen. Du siehst wohl, wie lächerlich ein solches Gepränge war; denn den Bräutigam kennst du als einen ganz und gar verächtlichen Menschen. Und doch hörte man den Lärm, der seinetwegen gemacht wurde, in der ganzen Stadt und zwar zu sehr unpassender Zeit. Denn sie zogen aus, als gerade die erste Predigt gehalten wurde, und während der zweiten Predigt kamen sie zurück. Und was war die Folge? Der Herr hat das ganze Gepränge mit Kot beworfen. Abel [Poupin] segnete die Ehe ein. Als das Ehegelübde gefordert wurde, hatte der Kerl von Bräutigam seine Gedanken anderswo. Man hieß ihn wenigstens nicken; er schüttelte den Kopf. Alles Volk murrte laut. Abel fuhr fort, statt, wie es sich gehört hätte, die Trauungshandlung abzubrechen. Aber er schwört darauf, er habe es nicht gesehen. Unser [Perrin] ist, weil er dabei gelacht hat, vom Rat streng bestraft worden. Denn der Spötter ist für acht Tage in strengen Gewahrsam getan worden und hat heute vor der Gemeinde seine Schuld abbitten müssen. Der Onkel seiner Frau, Jean Favre, sitzt noch im Gefängnis und dem Kerkermeister ist streng verboten worden, ihm etwas anderes als Brot und Wasser zu geben. Und ohne ein paar Stunden Pranger kommt er nicht heraus. Denn er hat offen Gott geleugnet, und als ihm unser Bruder Raymond [Chauvet] Vorwürfe machte, da wiederholte er die entsetzliche Gotteslästerung und sagte nachher, es tue ihm leid, dass er den Pfarrer nicht am Bart gepackt, zu Boden gerissen und mit den Füßen bearbeitet habe. Die alte Proserpina aber hat am Tag, bevor man die Braut so ehrenvoll einholte, den Schwiegervater so zugerichtet, dass ihm ein breiter Blutstrom vom Hinterkopfe rann, sein Gesicht durch Kratzwunden entstellt und er am ganzen Leib mit Kot und Staub bedeckt war. Du kennst ja die Gemütsart der alten Vettel. Man hörte ihn im ganzen Dorf Gott und Menschen um Barmherzigkeit anrufen. Wir haben die Proserpina vors Konsistorium geladen. Aber sie war ausgeflogen zu ihrer Schwester. Was sollte ich tun? Soll ich des einen Mannes Gunst durch Stillschweigen erkaufen, um von der ganzen Kirche als Verräter verurteilt zu werden? Ich werde mir freilich Mühe geben, dass er nie mit Recht böse werden kann. Sicherlich müssen wir auch bald Penthesilea zur Ruhe zwingen. Denn jede schlechte Sache nimmt sie auf und verteidigt sie wütend. Dabei betreibt und bespricht sie alles mit der Frechheit einer Dirne.

Heute kam ein Brief von Frellon, der Kolporteur Pierre [Chapot] sei verbrannt worden. An dessen Tochter zu denken, wollte ich dich auch noch einmal erinnert haben, solange uns der Herr noch Zeit zum Wählen lässt. Doch möchte ich erst genau nachfragen, ehe wir unsern Sinn darauf richten. Lebwohl, bester Bruder und Freund. Grüße alle Kollegen angelegentlichst.

11. August 1546.
Dein Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (174).

Pierre d´ Orsieres war ein vornehmer Genfer.

Gescheiterte Pläne für Viret.

Was ich dir schrieb durch den Seckelmeister, die Sache sei in Ordnung, hatte mir Pierre d´ Orsieres berichtet, den ich als Vermittler brauchte, weil ich ohne bestimmteren Auftrag [von dir] nicht selbst unterhandeln wollte. Als ich nun deinen Brief gelesen hatte, besuchte ich Vater und Tochter, ohne nur im Geringsten am weiteren Erfolg zu zweifeln. Sobald aber die Rede auf die Übersiedlung [nach Lausanne] kam, antwortete der Vater, das habe man ihm anders versprochen. Ich sagte, das sei ohne unser Wissen geschehen, ja ich habe sogar Pierre d´ Orsieres ausdrücklich gesagt, er solle nicht etwa solche Versprechungen als Lockmittel brauchen. Ich legte dar, wie unsinnig das wäre, wenn wir [Pfarrer] unsere Gemeinde verlassen und dahin ziehen wollten, wo unsre Frauen uns haben wollten; das gäbe eine unglückliche Ehe, die mit dieser Bedingung abgeschlossen würde; denn das wäre ein unfrommer Vertrag, der weder an dir noch an dem Mädchen ungestraft bliebe; zudem könne man es von dir niemals erreichen, dass du ein so böses Beispiel gäbest, deshalb sei es auch ganz umsonst, es zu verlangen. Ich fügte bei, Lausanne sei ja gar nicht so weit, dass nicht seine Tochter, so oft es nötig sei, zu ihm kommen könne. Übrigens sei es doch besser, täglich hören zu können, die Tochter sei anderswo glücklich, als beständig zu sehen und zu hören, wie sie jammere und klage über die schlechte Behandlung durch ihren Mann, wie er es an vielen sehen könne. Er bat um Bedenkzeit. Am dritten Tag darauf gab er mir die Antwort, er wolle doch seine einzige Tochter nicht anderswohin von sich schicken. Ich war wütend, dass wir so durch die Dummheit von Leuten, denen ich besseres zugetraut hatte, angeführt worden sind. Doch habe ich an mich gehalten und meinen Zorn schweigend verborgen. Bei dir brauche ich mich nicht des weitern zu entschuldigen, da ich ja ganz ohne Schuld daran bin. So wollen wir uns anderswohin wenden. Christophe sprach mir von einer Witwe, von der er versicherte, sie gefalle dir gut. Ist es so, so bin ich ruhig und höre auf. Wenn nicht, so melde mir, was du willst. Auch werden wir nächstens Botschaft von Straßburg bekommen. Lebwohl, bester Bruder und Freund. Grüße alle Kollegen freundlichst. Der Herr erhalte Euch alle gesund und leite Euch mit seinem Geist bis ans Ende.

Genf, 25. Juli.
Dein
Johannes Calvin.

Verzeih, dass ich dir durch Petronnelles Bedienten keinen Brief sandte. Ich damals nämlich noch keine sichere Kunde, d. h. es glühte noch ein Fünklein Hoffnung.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (172).

Dominique d´ Arlot war mehrfach Syndic. Calvins Bruder Antoine und seine Frau, eine geborene Le Fert, hatten Calvin und Viret auf das Mädchen aufmerksam gemacht.

Weiteres über Virets Heiratspläne.

Vorgestern gegen Schluss des Essens kam die Rede auf deine Heirat, von der ich schon vorher gesagt hatte, sie sollte zustande kommen. Aber Dominique d´ Arlot dessen Hilfe ich dazu gebraucht hatte, unterbrach bald das Gespräch. Er sagte, die Sache sei schon ganz in Ordnung. Als das unser Perrin hörte, fuhr er vom Tisch auf und ließ nach seiner Art seinem Ärger freien Lauf. Am ganzen Körper bebend vor Aufregung rief er: „So heiratet er also eine Person aus einer Familie, deren man sich schämen muss? Konnte man in der ganzen Stadt keine aus besserem Haus für ihn finden? Wer ihm dazu geraten und geholfen hat, der ist ein Nichtsnutz und Bösewicht nach meiner Meinung!“ So musste ich denn wider Willen meinen Bruder und meine Schwägerin nennen. „Ich aber“, fuhr ich fort, „habe ihm freilich nicht den ersten Rat geben können, weil ich das Mädchen nicht kannte, aber dass ich Viret dabei geholfen habe, und zwar ganz hauptsächlich, muss ich gestehen. Übrigens steht es doch noch nicht so, wie Dominique gesagt hat, die Sache sei ganz in Ordnung, sondern ich bin nur soweit gegangen, dass ich nicht mehr zurück kann ohne Schande; aber dessen brauche ich mich nicht zu schämen.“ Da wandelte sich sein Zorn in Lachen. Er fing aber wieder an grimmig zu werden, weil du es ihm verheimlichst habest. Törichte Eifersucht vor allem brachte ihn auf, als Corne gestand, ihr hättet bei deinem Wegreiten miteinander von der Sache gesprochen. Er fuhr Corne an: „So, deshalb gab ich ihm mir dir das Geleit, dass er mich schimpflich aus seiner Beratung ausschloss? Wen hat er denn auf der ganzen Welt, der es treuer meint als ich? Ich zeigte ihm ja gern meine Liebe als mir selbst!“ Drauf antwortete ich, mit Unrecht urteile er so, da du ja nicht einmal Farel eröffnet habest, was du vorhattest. So ließ er sich wieder beruhigen, nur sprach er noch von der de la Rame und pries sie mit den wunderlichsten Lobsprüchen. Ich gab ihm in allem recht, blieb aber auf meinem Vorsatz des andern Mädchens wegen. Jetzt prüfe, ob es gut wäre, wenn du noch völlig frei nach Genf kämest. Es wird misslich sein, dich herauszureden, wenn sie fortfahren, die de la Rame dir aufzudrängen. Ich weiß wohl, wie gefährlich es ist, sein Wort zu geben, ehe man die Art des Mädchens selbst kennt. Ich bin ängstlich und setze mich gewiss nicht leichtsinnig über die Schwierigkeiten hinweg. Doch glaube ich, folgende Weise sei nicht ganz unsinnig. Ich werde in deinem Namen, wenn du willst, aber mit der Bedingung, dass, ehe die Verlobung stattfindet und von uns aus etwas Sicheres versprochen wird, du einmal das Mädchen sähest. Das soll so geschehen, dass man dich dabei nicht zu bedrängen wagt. Schreib also mit dem nächsten Boten, was du beschließest. Freilich rate ich dir gleich auch, es nicht lange hinauszuschieben und bald zu kommen. Über das Mädchen hören wir nichts, was uns nicht sehr wohl gefiele. Auch an ihrem Vater und ihrer Mutter ist nichts auszusetzen. Ich bin umso fester davon überzeugt, als ich sehe, dass auch die Gegner dieses Plans nichts hervorzuzerren haben, was uns irgendwie abschrecken könnte. An der de la Rame ist allerlei, was ich fürchte. Doch es geht dich an, da hast du die freie Wahl. Doch das gebe ich nie zu, dass irgendeinem Menschen auf der Welt deine Sache mehr am Herzen liegt als mir. – –

Lebwohl. Der Herr leite dich mit seinem Rat und segne dich bei dieser so wichtigen Entschließung. Grüße alle Brüder angelegentlich.

Genf [15. Juli 1546].
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (171).

Vgl. 169. Das Mädchen, das Calvin Viret empfiehlt, ist nicht bekannt. Mit Perrin stand Calvin trotz der Tanzgeschichte nicht schlecht. Jean Petit ist ein Genfer Tuchhändler.

Calvin als Ehestifter.

Bedenke, was du tun willst, und schreibe bald, was du beschlossen hast. Je mehr wir nachfragen, mit desto mehr und desto bessern Zeugnissen wird das Mädchen gepriesen. So will ich nun ihres Vaters Willen erforschen. Sobald wir etwas Sicheres wissen, will ich dirs melden. Du halte dich unterdessen bereit. Perrin gefällt diese Heirat nicht, weil er dir die Tochter de la Rames aufdrängen möchte. Umso mehr treibt das mich an, rechtzeitig einen Schritt vorwärts zu tun, damit wir dann nicht ihm gegenüber um eine Ausrede verlegen sein müssen. Heute will er, soviel ich merke, mit mir darüber reden. Denn wir sind beide von Corne zum Nachtessen eingeladen. Ich will versuchen, unter einem höflichen Vorwand Zeit zu gewinnen. Es wäre wohl besser, du ließest mich um sie werben. Ich habe sie schon zweimal gesehen. Sehr bescheiden ist sie nach ihrem Gesichtsausdruck und im ganzen von merkwürdig schönem Wuchs. Von ihrem Benehmen reden alle so [rühmend], dass neulich Jean Petit zu mir sagte, er sei ganz verliebt in sie. Lebwohl. Der Herr leite dich mit seinem Rat und segne uns bei dem so wichtigen Vorhaben.

13. Juli 1546.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel und Viret in Lausanne (166).

Jakob Sturm ist der Stättmeister von Straßburg; Johann Sturm, der Rektor, und der Arzt Ulrich Geiger waren seine Mitarbeiter in der Straßburger Politik.

Fürsorge für verfolgte Evangelische.

Der Überbringer dieses Briefes, unser frommer Bruder, ist Bürger von Uzes; die Wut der Gottlosen hat viele Evangelische aus dieser Stadt getroffen. Sie beschlossen alle, man solle versuchen, ob man in Deutschland einige Hilfe finde. Ich antwortete, ich habe jetzt mehr Hoffnung, da die evangelischen Fürsten mit deutlichen Zeichen ihre Entfremdung vom Kaiser kundgetan hätten. Außerdem war mir gemeldet worden, es sei in Worms ein Gesandter des Dauphin, der viel verspreche. Ich kenne zwar die Unzuverlässigkeit des Hofes, aber schaden wird es nichts, wenn mans einmal wagt. Ich hätte es nicht abgeschlagen, selbst die Reise zu übernehmen, wie man mich dringend ersuchte, wäre ich nicht noch gebunden. Denn die Genesung von meiner Krankheit geht so langsam. Ich sehe noch kaum einen Fortschritt, außer dass die Schmerzen nicht mehr da sind. So muss ich denn diese Aufgabe einem von Euch überlassen, welchem es besser passt. Die Kosten übernimmt der Überbringer dieses Briefes. Da du noch nach Bern reisest, lieber Viret, so wäre es nur billig, wenn du Farel die Mühe abnähmest, mit der Erlaubnis des Rates. Wird es dir nicht gestattet, so weiß ich, dass Farel selbst weder sich noch sein hohes Alter schonen wird. Jedenfalls muss es einer von euch durchaus tun. Deshalb lass uns doch ja nicht im Stich, lieber Farel, wenn Viret der Urlaub verweigert wird. Denn ich habe es den Brüdern beinahe gelobt in Eurem Namen. So ists nun Eure Pflicht, mein vielleicht allzu kühn gegebenes Versprechen zu halten. Nun, da es bei den gegenwärtigen Verhältnissen Frankreichs ganz umsonst wäre, vom König zu fordern, was er von sich aus tun sollte, so glauben wir, man müsse sich auf die Bitte beschränken, er möge selbst die gerichtliche Untersuchung [in Religionsprozessen] übernehmen. Jedenfalls sollte den gewöhnlichen Gerichtshöfen die Untersuchung verboten werden; dann sollte er gerechte außerordentliche Richter ernennen. Wird das erreicht, so ist schon viel gewonnen. Mehr zu erstreben, wäre wie gesagt überflüssige Mühe. Will der Kanzler uns mit seiner Gunst behilflich sein, so wird alles gut gehen. Aber weil er ängstlich und unentschlossen ist, wird man dafür sorgen müssen, dass man scharf in ihn dringt. Deshalb wird man nicht weniger Mühe auf die zweite Stelle verwenden müssen als auf die erste. Immer jedoch wird mit Nachdruck die Abschwörung auszuschließen sein. Denn wir leisten dem Satan Dienst, wenn wir den Evangelischen den Ausweg öffnen, dass sie Christum verleugnen können. Die ganze Sache lasse ich vor allem Herrn Jakob Sturm angelegentlich empfehlen, der auf den Konventen der Evangelischen eine Macht ersten Ranges bedeutet; dann auch Butzer, dass er antreibt, wen er kann. Weiter dem [Johann] Sturm und Herrn Ulrich, dass auch sie mit ihrem Ansehen dafür eintreten. Die Sachlage selbst gibt Euch den nötigen Rat. Ihr seid ja auch keine Anfänger mehr, die man mit Mandaten versehen muss. Lebt wohl, liebste Brüder. Der Herr segne die Reise dessen, der dies heilige Schutzamt übernimmt.

Genf, 1. Mai 1546.
Euer
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel und Viret in Lausanne (164).

Anfangs April waren Farel und Viret in Genf gewesen. Unter den wegen verbotenen Tanzens vor das Konsistorium zitierten vornehmen Leuten galten Syndic Amblard Corne, der selbst Präsident des Konsistoriums war, und Ami Perrin, der Stadthauptmann, für Anhänger Calvins, ebenso Balthasar Sept, dessen Witwe die eine verbotene Tanzerei in ihrem Haus abgehalten hatte. Ob die Absetzung Henri de la Mares, Pfarrers von Jussy, mit derselben Geschichte zusammenhängt, ist nicht ganz klar, doch scheint es so. Francillons hießen in Genf die Anhänger Farels und Calvins als eingewanderte Franzosen; auch de la Mare scheint Franzose, wenn auch Gegner Calvins, gewesen zu sein, daher die Ironie des Satzes. Über die Ermordung des Juan Diaz vgl. K. F. Meyers Gedicht: Die spanischen Brüder.

Aufhebung einer Tanzgesellschaft. Von der Ermordung des Diaz.

Seit Eurer Abreise hat uns die Tanzgeschichte mehr zu schaffen gemacht, als ich glaubte. Alle daran Beteiligten, die vor das Konsistorium geladen waren, ausgenommen Corne und Perrin, haben unverschämt Gott und uns angelogen. Ich wurde zornentbrannt, wie es die schlimme Sache forderte, und fuhr scharf her über diese Verachtung Gottes, in der sie die frommen Zusprüche, die wir ihnen gegenüber anwandten, für nichts achteten und ihren Spott damit trieben. Sie verharrten in ihrem Trotz. Da ich den Sachverhalt wohl kannte, konnte ich nicht anders, als ihnen drohen, Gott werde sie schon strafen für solche Verlogenheit; zugleich aber verkündete ich ihnen, ich werde dafür sorgen, dass die Wahrheit an den Tag komme, und sollte es mich das Leben kosten, nur dass sie nicht glaubten, ihr Leugnen habe ihnen etwas genützt. Francoise, Perrins Frau, schalt heftig auf uns, weil wir ihrer Familie, den Favres, so feindselig gesinnt seien. Ich antwortete, wie es mir gut schien und sie es verdiente. Ich fragte, ob denn ihre Familie unantastbar sei, dem Gesetz nicht untertan? Denn ihren Vater hatten wir schon eines Ehebruchs überführt; der Schuldbeweis für einen zweiten war schon fast in unsern Händen, von einem dritten war ein großes Geschwätz. Ihr Bruder aber hatte offen den Rat und uns gehöhnt und verlacht. Schließlich sagte ich: „Ihr müsst Euch eine neue Stadt gründen, in der Ihr für Euch leben könnt, wenn Ihr Euch nicht hier mit uns unter Christi Joch beugen wollt. Solange Ihr in Genf lebt, strengt Ihr Euch umsonst an, dem Gesetz nicht zu gehorchen. Denn wären so viel Kronen in der Familie Favre wie unruhige Köpfe, so hindert das doch nicht, dass der Herr noch höher steht.“ Ihr Mann war unterdessen nach Lyon gereist, in der Hoffnung, die Sache in aller Stille zu begraben. Ich stellte den Antrag, sie durch einen Eid zum Bekenntnis der Wahrheit zu bringen. Corne erinnerte sie daran, er werde keineswegs dulden, dass sie einen Meineid schwüren. Da gestanden sie nicht nur, was wir wollten, sondern auch noch, dass sie am selben Tag auch bei Balthasars Witwe getanzt hätten. Sie wurden alle ins Gefängnis geworfen. Syndic Corne war ein treffliches Beispiel der Ergebung. Denn er redete so streng gegen sich und die ganze Bande, dass man ihm gar nicht mehr viele Worte zu machen brauchte. Trotzdem wurde er scharf ermahnt und ihm der Vorsitz im Konsistorium entzogen, bis er ein Zeugnis seiner Reue abgelegt habe. Man fragt, Perrin sei nun von Lyon zurück; was er auch tut, der Strafe wird er nicht entgehen.

Henri [de la Mare] wurde mit unserer Einwilligung abgesetzt. Dabei gabs keinen üblen Zank. Er hatte gestanden, was die Zeugen geschrieben hätten, sei wahr. Doch nahm er dann seine Zuflucht zu dem Wort: Wider einen Ältesten nimm keine Klage auf, außer zween und dreien Zeugen [1. Tim. 5, 19]. Da fragte ich ihn, wer denn das gesagt habe: Aus deinem Munde richte ich dich, du Schalk! [Luk. 19, 22]. Denn jetzt beruhe die Sache nicht mehr auf den Aussagen der Zeugen, sondern auf seinem Geständnis. Wenn er jetzt noch die Zeugenaussage verwerfe, so gelte es Entweder – Oder. Entweder sei sein Geständnis wahr oder es sei falsch. Sei es wahr, so brauche man sich gar nicht mehr aufzuhalten; sei es aber falsch, so sei er des Meineids schuldig, weil er trotz seines Eides anders ausgesagt habe, als es sich in Wirklichkeit verhalte. Da ging er so weit, zu behaupten, falsch und leichtsinnig habe er ausgesagt. Als er sagte, es sei unbillig, dass er von einem Mann bedrängt werde, der ihn doch eigentlich verteidigen müsste, fragte ich ihn, wieso ich ihm denn verpflichtet sein sollte, seine böse Sache zu verteidigen; ich hätte mich nie auf die Partei der Francillons eingeschworen. Noch mancherlei derartige Worte wurden gewechselt, doch so, dass er mit Schimpf und Schande von allen überhäuft abziehen musste. Er wurde vom Amt abgesetzt, zugleich ins Gefängnis geworfen, nach drei Tagen aber wieder daraus entlassen. Dort war er ein eifriger Verteidiger der Tanzereien und hat, so sehr er konnte, den Hass der Leute gegen mich geschürt, die mir schon vorher entfremdet genug waren. Aber was auch der Satan durch Leute seinesgleichen anstiftet, das statuierte Exempel wird doch etwas nützen. Zweierlei wird nämlich im Volk schon gesagt, dass niemand hoffen darf, straflos auszugehn, wenn auch die Vornehmsten nicht geschont werden, und zweitens, dass ich meine Anhänger nicht mehr begünstige als andere Leute. Perrin murrt samt seiner Frau im Kerker; die Witwe tut ganz unsinnig, die andern schweigen beschämt. – – –

– – Der Spanier Diaz, den du, lieber Viret, hier bei des Gallars gesehen hast und der auf der Reise nach Deutschland mit den beiden Senarclens durch Neuchatel kam, ist aufs Grausamste hingemordet worden. Als es hieß, der Kaiser komme, begab er sich nach Neuburg, einem Städtlein im Gebiet Ottheinrichs. Von da hat er mir noch am 13. März geschrieben. Er hat einen Bruder in Rom, Alfonso mit Namen, der eigens nach Neuburg kam, um den frommen Mann aus dem Weg zu räumen. Sie verhandelten einige Tage. Als Juan sah, dass er nichts ausrichtete, verließ er den Alfonso. Der tat nun, als hätte er etwas vergessen, und schickte seinen Diener, den Bruder zurückzurufen und unterwegs zu töten. Gleich darauf kam er selbst. Er glaubte dem Diener nicht, dass er die Mordtat ausgeführt, bis er selbst den Leichnam seines Bruders gesehen hatte. Dann entfloh er in raschem Ritt in die Grafschaft Tirol. Herzog Otto hat seinen Haushofmeister geschickt, seine Auslieferung zur Strafe zu verlangen. Will Ferdinand [von Österreich] nicht alle Verhältnisse im Himmel und auf Erden verwirren, so muss er ein so arges, entsetzliches Verbrechen strafen. Denn der Hofmeister hat für die Wahrheit der Beschuldigung seine Freiheit verbürgt. Lebt wohl, liebste Brüder. Der Herr Jesus behüte Euch allezeit. Grüßt alle Freunde. Du, lieber Farel, richte den Bürgermeistern viele Grüße aus. Könnte ich doch irgendwie einmal zu Euch kommen. Alle Unsern lassen grüßen.

[April 1546.]
Euer
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (161).

Nochmalige dringende Einladung.

Ich habe es bisher hinausgeschoben, dir zu schreiben, weil ich jeden Tag hoffte, du kämest, wie du versprochen. Und ich schriebe auch jetzt nicht, da ich diese Hoffnung festhalte, wäre es nicht, um dich zu schleuniger Reise zu ermuntern. Es wundert mich nämlich, was es gibt, dass du es so von einem Tag auf den andern hinausschiebst. Ich erinnere mich, dass Jean von Tournay sagte, es fehle dir vielleicht ein Pferd. Aber warum kommst du nicht eher zu Schiff? Hätte David seine Pferde nicht verkauft, der Schwierigkeit wäre leicht abzuhelfen. Freilich glaube ich, es werde jetzt leichter ein Pferd zu finden sein als vor acht Tagen. Denn es kamen hier weniger Eilboten durch in diesen Tagen. Eile also, dich mit uns etwas zu stärken und zu erholen, denn wer von Lausanne kommt, sagt, du seiest halbtot. Kann ich dich sonst nicht losreißen, so verkünde ich dir, dass du keinen Brief von mir mehr erhältst, bis du kommst. Also rasch! Lebwohl. Grüße alle Freunde. Der Herr mache dich uns bald wieder gesund.

[März 1546.]
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (162).

Ratschläge für Virets Reise.

Der Überbringer deines Briefes wusste nicht, woher und von wem das Schreiben war; so erhielt ich ihn etwas später, als ich wollte. Ich habe, wie du wünschtest, besorgt, dass dir ein Pferd ohne weiteres Geleit gesandt wurde. Es wäre sogar noch schneller geschickt worden, wenn ich nicht unsere Leute daran erinnert hätte, dass du Lausanne nicht wohl vor der Morgenpredigt verlassen dürftest. Wäre dein Brief rechtzeitig gekommen, so hätte ich gewiss lieber gehabt, du wärest rascher geholt worden. Aber ich fürchtete, du seiest mit Christophe zusammen abgereist. Deshalb habe ich unserm gewöhnlichen Boten keinen Brief an dich mitgegeben. Kannst du nach der Predigt noch bis Nyon kommen, so bist du montags vor dem Mittagessen hier. Aber ermüde dich ja nicht zu sehr. Komm lieber erst montags nach Nyon. Wir haben dich dann noch früh genug, wenn du nur wohl bist. Grüße alle Brüder. Der Herr führe dich gesund und munter zu uns.

26. März vor dem Abendessen.
Dein
Johannes Calvin.