Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (133).

Nicolas scheint der Bote der Waldenser gewesen zu sein.

Vom Erfolg der Reise.

Verzeih, dass ich bei meiner Heimreise nicht über Lausanne gekommen bin. Ich hatte es aus verschiedenen Gründen eilig, besonders aber, weil Claude Farel uns meldete, das Haus de Geneston sei zum zweiten Mal von der Pest befallen worden. Ich will dir kurz berichten, was wir erreicht haben. Die Berner gewährten uns nicht nur, was wir baten, sondern mahnten auch die andern dazu. Die Zürcher beriefen sofort eine Konferenz [der evangelischen Orte] nach Aarau. Durch eigene Boten meldeten sie es den andern. Den Schaffhausern und Baslern sollten wir die Meldung selbst bringen. Unterdessen reisten wir nach Strassburg. Ich durfte mich dort nicht einmal einen Tag aufhalten, obwohl ich reiste, so schnell es ging. Zu Aarau wurde nicht der Beschluss gefasst, wie ich ihn gewünscht hatte. Man kam deshalb auf mein Verlangen zum zweiten Mal auf die Beratung der Sache zurück. Es wollte mir aber doch nicht gelingen, sie von ihrer Meinung abzubringen. Man beschloss eigens einen Boten [nach Paris] zu senden mit einem Schreiben, das beim König ernstlich für die Verfolgten eintrete, und erst, wenn man darauf eine Antwort habe, eine feierliche Gesandtschaft zu schicken. Sie glauben nämlich, es sei besser, wenn man die Entschuldigungen des Königs gehört habe, einen Gesandten zu schicken, der dagegen wohl bewehrt sei. Sie versprechen indessen, weder Kosten noch Mühe zu scheuen. Da der Beschluss, es zuerst mit einem Schreiben zu versuchen, nun einmal feststeht bei ihnen, müssen wirs hinnehmen. Außerdem hieß man mich, was ich etwa Neues erführe, gleich nach Bern schreiben. Der Berner Rat versprach, es dann den andern zu melden. Ich schicke dir eine Kopie des schriftlichen Berichts, den ich auf ihren Wunsch einreichte, nachdem ich mündlich alles ausführlicher dargelegt hatte. Hoffentlich habe ich nichts falsch dargestellt; ich fürchte das umso mehr, als es gefährlich wäre, wenn meine Glaubwürdigkeit vermindert würde, wenn ich in Zukunft einmal der guten Sache nützen wollte. Nicolas soll mir die Haupttatsachen noch einmal schreiben, oder wenn Ihr es für bequem haltet, schreibt Ihr selbst nach Bern. Lebt wohl, liebste Brüder. Der Herr behüte Euch. Von ihm sind wir ja ganz abhängig.

Genf [28. Mai 1545].
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (127).

Hektor, ein sonst unbekannter Mann, wollte französische Psalmen mit Melodien herausgeben; der bekannte französische Dichter Clement Marot hatte früher schon auf Calvins Rat Psalmen in Verse gebracht zu Volksweisen. Girard ist ein Genfer Buchdrucker. Weggelassen sind ein paar Sätze, die sich auf Virets Empfehlung des Hektor beziehen. Über Ribit, Celio und Imbert vgl. 102.

Über französische Psalmen.

Das eine, was Hektor bat, erreichte er bei mir ohne Mühe, nämlich, dass wir uns über sein Werklein deinem Urteil fügen wollten. Verzeih also, wenn ich dir diese Mühe mache. – –

Mit Girard habe ich noch nicht gesprochen. Wenn Hektor mit ihm [über den Druck] zu einem Vertrag kommt, soll an uns die Sache kein Hindernis haben. Ich hätte freilich lieber gehabt, er hätte sich dran gemacht, andere Psalmen zu übersetzen, als gerade die, die von Marot auch schon übersetzt sind. Aber das steht der Veröffentlichung seines Werkes auch nicht im Wege. Er zeigte mir nicht nur sein Buch, sondern sagte auch, er habe einige [noch ungedruckte] Melodien; auch darüber bat er mich, das Urteil dir zu überlassen. Ich mahnte ihn nur, er solle nirgends gar zu grob mit Fürsten und Obrigkeiten umspringen; weil ich mich erinnerte, dass vor etwa sieben Jahren irgendetwas Derartiges von ihm ausgegangen ist. Du wirst aber leicht merken, wenn etwas darin steht, was besser nicht weiter herum kommt.

Aus Deutschland ist nichts zu melden. An einigen Orten in Frankreich toben die Antichristen wieder. In Lyon ist das Wüten nicht weiter gegangen, als dass ein paar Leute gefangen gehalten werden. Die Mehrzahl ist durch Flucht [der Gefahr] entgangen. Der Herr recke seine Hand aus zur Rettung der Frommen! Wenn du kommst, wollen wir über alles das miteinander reden. Lebwohl, liebster Bruder. Der Herr behüte dich. Grüße Ribit, Celio, Imbert und die anderen angelegentlich, samt deiner Familie.

Genf, 15. März 1545.

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (126).

Die erwähnte Neuwahl der Genfer Behörden brachte zwar Anhänger Calvins ans Ruder, denen er aber doch nicht recht traute. Der Stadtseckelmeister Corne demissionierte, weil er die Finanzwirtschaft des Rates, der ein Defizit von 10 000 Talern gemacht, nicht verantworten wollte.

Über die Genfer Wahlen.

Da schau, wie wenig ich mich meiner Faulheit schäme. Ich habe ein Mittel gefunden, mich der Mühe des Schreibens zu entheben. Ich schicke dir [nämlich einfach] je eine Kopie der Briefe, die ich an Luther und Philippus schrieb, damit du daraus ersiehst, weshalb ich Claude zu ihnen sandte. Ich füge noch als dritte Kopie dazu, was ich dem Mann schrieb, der mich darum gebeten hatte. – – –

– Wenn ich unsre hiesigen Verhältnisse bedenke, so habe ich sicher Sorgen übergenug. Denn ich muss wie gewöhnlich gegen im Dunkeln schleichende Heuchelei kämpfen. Amblard Corne hat durch seine Demission als Stadtseckelmeister den Rat aufgeweckt. Denn er hat dadurch vors Volk gebracht, was im unzugänglichsten Innern des Rathauses heimlich vorgegangen war. Weil man den Verdacht hegt, es sei das nicht ohne mein Wissen geschehen, so wagt man zwar nicht, offen zu schelten, ja sogar nur ein Zeichen der Entrüstung zu geben, aber ich sehe doch, wie erzürnt man ist. Ich habe auch schon in fast zehn Predigten die Verhältnisse unserer innern Stadtpolitik durchgenommen. Doch was soll ich mich in die Schilderung dieses Wirrsals einlassen? Komm selbst und sieh dir an, was du vom Hörensagen doch nicht richtig kennen lernen kannst. Als Syndics sind gewählt Amedee Curtet, Perrin, Dominique Arlot und Jacques von Thonon. In den Rat wurden dazu gewählt Louis Bernard, Pierre Verne und zwei andere. Sie selbst wollen, dass man von ihnen das Beste hoffe. Ich weiß aber nicht, was ich hoffen soll. Denn unter dem Schein des Christentums wollen sie doch ohne Christum regieren. Lebwohl, mein Bruder und im Herrn geliebter Freund. Alle Unsrigen grüßen dich und dein Haus. – –

Genf, 12. Februar 1545.

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (110).

Castellio hatte 1542 mehrmals im Dorf Vandoeuvres gepredigt. Nach seiner Entlassung wandte er sich nach Bern, kehrte dann aber wieder nach Genf zurück, von wo er erst im Juli endgültig schied. Das Weggelassene sind unwichtige Nachrichten.

Weiteres über Castellio.

– – Auch Sebastian [Castellios] wegen hat Ribit kurz mit mir verhandelt und schien es durchsetzen zu wollen, dass er von uns nicht bei Seite gelassen werden dürfe. Als er mehrmals auf mich eindrang mit der Frage, was ich denn wolle, dass Castellio tun solle, antwortete ich etwas erregt, lieber wolle ich von der Stelle weichen, als dass man mich gewaltsam zwinge, ihn gegen die Überzeugung meines Gewissens ins Amt zu lassen. Ribit warf ein, Castellio sei ja bereits im Amt gewesen. Ich wies das ab und fügte bei, wenn er ohne Prüfung ein paar Mal gesandt worden sei, [in Vandoeuvres] zu predigen, als ich abwesend war und nichts darum wusste, so sei es unbillig, mir das anzurechnen. Ich konnte nicht recht merken, ob Ribit scherzte, als wir aufs Hohelied zu sprechen kamen. Doch schien er darüber nicht sehr verschieden von Castellio zu denken. Von Christi Höllenfahrt sprachen wir nur ein paar Worte. Denn unser Gespräch wurde durch ein paar andere Besuche unterbrochen. Ich weiß nicht, was das heißen soll, wenn Sebastian prahlt, selbst meine Freunde seien verwundert und lachen darüber, dass ich zur Verteidigung des Hohenlieds den 45. Psalm ihm entgegenhielt, und dass ich, obschon im Bekenntnis das „Niederfahren zur Hölle“ nach dem „Begraben“ steht, zur Bestätigung meiner Auslegung das Wort am Kreuz: Mein Gott, mein Gott usw. [Matth. 27, 46] angeführt habe. Ich werde sein und andrer Leute Spottlächeln ruhigen Gemüts ertragen; aber ich brauche mich nicht zu fürchten, dass sie mich mit guten Gründen besiegen. Nur das möchte ich von Euch erreichen, dass Ihr mir nicht Sebastians wegen beschwerlich werdet. Sebastian denkt nun einmal so von mir, soviel ich aus seinen Reden entnehmen konnte, dass es schwierig wäre, je wieder Einigkeit unter uns herbeizuführen. Ich sage dir das, was eigentlich andern gilt; denn du bist mir ja bisher nie mit dieser Sache lästig gefallen. Kurz nach Castellios Rückkehr wollte ich wissen, was denn die Punkte seien, deretwegen man mich und die Kirche warnen sollte. Ich habe nur zwei Dinge aus ihm herausgebracht. Irgendein Berner wollte bei mir über das Hohelied bei mir dasselbe gelernt haben, was ich an ihm, Castellio, tadele. Diese Verleumdung habe ich zunichte gemacht. Das zweite war, meine Kollegen redeten bloß mir zu Gefallen. Ich gab die Antwort, die sich darauf gehörte. Sonst hatte er nichts. Er tut mir leid. Ich möchte, es könnte irgendwo ohne Anstoß gut für ihn gesorgt werden, und ich würde für meinen Teil gern die Hand dazu bieten. Ich bin von seiner Begabung und seiner Gelehrsamkeit sehr eingenommen. Nur möchte ich, zu seiner Begabung käme auch besseres Urteil und seine Gelehrsamkeit wäre durch Lebensklugheit gelenkt, und das unbändige Selbstvertrauen, das aus der Überschätzung seiner doch nicht außerordentlichen Gelehrsamkeit stammt, verschwände ganz bei ihm. Lebwohl, liebster Bruder und trefflichster Freund. Viele Grüße an die Brüder, deine Frau und deine Tante. Der Herr behüte Euch alle. Meine Frau lässt dich und deine Angehörigen angelegentlich grüßen.

Genf, [Anfang März 1544].

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (111).

Castellio suchte wohl als Korrektor eine Stelle bei dem Buchdrucker Jean Girard in Genf zu erhalten. Der erwähnte Nachfolger Castellios, Levesque, kam dann doch nicht an seine Stelle. Der Kardinal Farnese, ein Nepot des Papstes Paul III. Der Kaiser hielt seit Februar 1544 den Reichstag zu Speyer.

Über Castellio. Politische Nachrichten.

– – – Wie gesagt, ich möchte, wir fänden irgendeine Weise, für Sebastian zu sorgen. Ich meinesteils werde soviel mirs möglich ist, dabei helfen. Glaub mir, es quält mich merkwürdig, wenn ich voraussehe, was ihm von der Zukunft droht. Levesque, sein Nachfolger, wird auf Ostern hierher kommen. Von Jean Girard darf Sebastian keinen großen Lohn erwarten, wenn er nicht vorhat, ihm das Blut auszusaugen. Denke also auch du daran, wie wir für ihn sorgen können. Ich weiß, dass es Sebastians feste Überzeugung ist, ich wolle allein etwas gelten. Ob er mit Recht oder Unrecht so von mir denkt, darüber steht das Urteil dem Herrn zu. Mir kommt es vor, ich hätte ihm gewiss keine Ursache dazu gegeben. Wohl aber hat er mir Anlass gegeben, dass ich ihn für ehrgeizig und streitsüchtig halte. Aber ich will nur auf seine Gelehrsamkeit und seinen sonst gar nicht übeln Charakter schauen. –

Wie lang geht es diesmal bis Ostern, bis ich dich wieder sehe. Lebwohl, liebster Bruder und Freund. Grüße alle Brüder angelegentlich.

Genf, 25. März.

Ich schicke dir eine Abschrift von Butzers Brief. Der König von Frankreich wolle, heißt es, seine Tochter dem Kardinal Farnese geben. Die Mitgift soll der Anspruch auf das Herzogtum Mailand sein, zu dessen Wiedererlangung der Papst Geld zur Genüge darbietet. Ganz Europa werden wir dies Jahr im Krieg aufflammen sehen, wenn nicht wider Erwarten der Herr vom Himmel erscheint zur Hilfe. Es wurde das Gerücht hierher gebracht, der Kaiser habe es beim Reichstag erreicht, dass der König von Frankreich als Reichsfeind erklärt wurde. Ich kanns nicht glauben.

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (108).

Sebastian Castellio, Rektor des College de la Rive, hätte gern zur Verbesserung seiner Stellung ein Pfarramt angenommen. Aus den in diesem und im folgenden Brief erwähnten dogmatischen Gründen glaubte Calvin, ihm das nicht geben zu können, und so sah sich Castellio genötigt, Genf zu verlassen. Pierre Raymond, der Calvin beschimpfte, war Lehrer am College. Der Abt von St. Victor ist Francois Bonnivard, der berühmte Freiheitsheld von Genf, der, obwohl recht bejahrt, die Mutter des Syndic Corne heiratete.

Vom Wegzug Castellios und der Heirat Bonnivards.

Sebastian ist mit einem Schreiben von uns zu Euch abgereist. Hätte er doch selbst besser für sich gesorgt, oder gäbe es nur für uns irgendeine Weise, ohne Nachteil für die Kirche für ihn zu sorgen! Seine bisherige Stellung in Genf blieb durchaus gleich; aber er weigerte sich, darin zu bleiben, wenn er nicht eine Gehaltserhöhung bekomme. Das konnte er aber beim Rat nicht erreichen. Mir schien es besser, die Ursache, weshalb er nicht zum Dienst am Wort zugelassen werden konnte, [vor dem Rat] zu verschweigen, oder doch nur anzudeuten, es liege ein Hindernis vor; dabei aber allem falschen Verdacht entgegenzutreten, um ihm seinen Ruf unangefochten zu erhalten. Mein Plan zielte dahin, ihn zu schonen. Ich hätte das gerne getan, obschon ich deswegen angefeindet worden wäre, wenn er selbst es zugelassen hätte. Auf sein Verlangen wurde die Sache aber doch im Rat, jedoch ohne Zank, behandelt. Er tut mir sehr leid, umso mehr, da ich fürchte, er wird auch dort, wohin er will, nicht finden, was er wünscht. Sorgt Ihr für ihn, so gut Ihr könnt. Wie er über mich urteilt, darum kümmere ich mich gar nicht. Raymond hat auch neulich, als ich abwesend war, mich mit den furchtbarsten Schimpfreden heruntergerissen. Ich brauche dir nicht mit einem Bericht davon lästig zu fallen. Nur soviel: hier in Genf ist niemand so frech, auch nur halb soviel zu wagen. Aber ich ertrage alles und bin still darüber; nur im Kreise der Brüder habe ich geklagt, dass es Leute gäbe, die von mir nicht gerade höflich dächten und sprächen. Doch weg mit diesen Dingen! Du weißt wohl, dass der Abt von St. Victor und die Mutter des Syndic Corne durch ihre Heirat uns Stoff zu vielen Schmerzen gegeben haben. Lebwohl, lieber Bruder. Grüße Celio, Ribit, deine Familie und alle anderen Freunde. Der Herr behüte dich und sie.

11. Februar.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (102).

Der Prozess zwischen Genf und Bern um den Besitz der Abtei St. Viktor, der sich bereits seit zwei Jahren hinzog, schien durch einen zweiten Spruch des baslerischen Schiedsgerichts zum Ende zu kommen, fand aber tatsächlich erst Januar 1544 seinen Abschluss. Calvins Eingreifen in die Politik erhellt aus folgendem Brief. Das Weggelassene behandelt unwichtige und durchsichtige Personalnachrichten. Bern unterstützte auch die Forderungen der bei den Wirren von 1540 aus Genf Verbannten. Celio Secundo Curione war Rektor des Lausanner Gymnasiums, Imbert Paccolet Professor des Hebräischen, Jean Ribit des Griechischen in Lausanne.

Vom Streit über die Kirchengüter der Abtei St. Viktor.

– – Dass über den Schiedsspruch der Basler viele ungünstige Gerüchte herum geboten werden, ist nicht zu verwundern. Denn viele bilden sich ein, die Sache stehe schlecht, weil sie es so wünschen, und dann fehlen auch solche nicht, die gern annehmen, was man sich so eingebildet hat. Ums in ein paar Worten zu sagen: der Spruch ist dem frühern Entscheid sehr ähnlich, ja fast gleich, nur dass er in der Sache der Verbannten den Bernern etwas mehr entgegenkommt, doch nur insoweit, dass außerhalb der Stadt den Verbannten Sicherheit zugesagt wird; in der Stadt selbst wird alles beim alten gelassen.

Neu ist auch, dass der Entscheid den Genfern die Oberhoheit über zwei Bezirke abspricht. Als man mich zu Rate zog, sprach ich die Ansicht aus, man dürfe mit dem Entscheid sich nicht einfach zufrieden geben; teils weil es mir schien, das Interesse der Republik fordere das, teils auch, weil ich einsah, dass ich mit einer gegenteiligen Meinung doch nichts erreicht hätte. Um auch das beiläufig zu erwähnen: es wollen sich alle hervortun, drum bringen alle um die Wette eine Meinung vor, die Beifall findet; aber keiner etwas wirklich Gutes, außer etwa einem oder zweien. Freilich, auch wenn niemand der Annahme des Entscheids widersprochen hätte, hätte ich von mir aus dafür geredet, dass man dem Entscheid doch irgendwie eine Erläuterung beifügen müsse. Denn du weißt, mit wem wir zu tun haben. Übrigens hoffe ich, unsere Antwort werde so ausfallen, dass sie, wenn sie auch nicht in allem zufrieden stellt, doch unsere aller Billigkeit genügende Mäßigung zeigt. Wenn du uns einmal besuchst, wirst du alles besser und vollständiger verstehen können.

Ich hatte gerade soweit geschrieben, als recht geschickter Weise die Botschaft kam, die Berner hätten den Entscheid angenommen. Ich wurde in den Rat gerufen und habe in langer, leidenschaftlicher Mahnrede durchgesetzt, dass die Sache einer nochmaligen Beratung überwiesen wurde. Es wurde beschlossen, eine Kommission von sieben Ratsherren und mir solle die endgültige Aufstellung eines Vertrags erwägen. Wenn nun der Satan nicht von andrer Seite her die Sache wieder verwirrt, habe ich gute Hoffnung. Jedenfalls glaube ich, viel damit erreicht zu haben, dass wenigstens die Stimmung wieder für das Suchen nach Einigung gewonnen ist und soweit beruhigt, dass man geneigt ist, nachzugeben.

– – Du wirst, denke ich, gehört haben, dass unser Armenhaus von der Pest erfasst worden ist. Weil nun aber alle Insassen aufs Land geschickt worden sind, wird es keinen Ansteckungsherd mehr bilden, wie bisher. Bevor man aber zu diesem Mittel griff, sind etwa sechzehn gestorben. Seit zwei Tagen ist aber nichts Schlimmeres mehr vorgekommen – – – Lebwohl, lieber Bruder. Grüße alle Freunde angelegentlich, besonders Celio, Imbert und Ribit, auch deine Frau und deine Tante. Über die Unterstützung der Armen wollen wir miteinander reden, wenn du kommst.

[Genf, Ende September 1543.]
Dein Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (96).

Der Zürcher Professor Pellikan hatte an Calvin in vorwurfsvollem Tone geschrieben, Farel habe die Zürcher Theologen unehrliche Betrüger gescholten.

Beginn des Streits ums Bannrecht zwischen Rat und Konsistorium.

Ich sende dir Pellikans Brief, damit du mit mir dich besinnst, auf wen das geht, was er von Farel geschrieben. Obwohl mir der Verdacht aufstieg, ich solle unter seinem Namen getadelt werden, so ist mir doch der Gedanke gekommen, einfach ihn zu entschuldigen, von mir ganz zu schweigen. Ich will aber nichts tun, bis du mir deinen Rat dazu gegeben. – –

Neulich hatten wir einen Streit mit dem Rat, der aber gleich wieder beigelegt wurde. Es zeigt uns nämlich ein Syndic im Konsistorium an, das Recht des Abendmahls-Banns habe sich der Rat vorbehalten. Ich entgegnete sofort, dieser Beschluss könne nur Bestätigung finden, wenn man mich töte oder verbanne. Tags darauf rief ich die Brüder zusammen; nach ihrem Urteil verlangte ich vom Kollegium der Syndics eine außerordentliche Ratssitzung für uns. Sie willigten ein, wenn auch ungern. In dieser Sitzung habe ich in langer, ernster Rede die ganze Sache besprochen; ich erreichte ohne weitere Mühe, was ich wollte. Soviel ich merke, hat man die Urheber [jenes Beschlusses] scharf getadelt. Wer die waren, kannst du erraten, wenn du es nicht schon weißt. Lebwohl. Der Herr behüte dich und leite dich mit seinem Geist, allerliebster Bruder. – – –

[Genf] am Tag vor Ostern [24. März 1543].
Dein

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (93).

In einem frühern Brief hatte Calvin Viret zur Hochzeit eines gewissen Claude Frane eingeladen. Bernardino Occhino, General der Kapuziner, predigte um Ostern 1542 in Venedig und Mailand evangelisch, wurde nach Rom zitiert und entfloh vor der Inquisition nach Genf.

Von der Pflege der Pestkranken und allerlei Konvertiten.

Über die rechte Verwendung des Kirchenguts.

Dein Brief, in dem du bittest, ich möchte etwas über das Kirchengut schreiben, wurde mir am Montag gebracht, als ich noch mit allerlei von der Hochzeit her unerledigt Gebliebenem beschäftigt war. Doch hätte mich das vom Schreiben nicht abgehalten, aber seither hatte ich wirklich keinen Augenblick frei. Die Pest beginnt auch hier heftiger aufzutreten, und wenige von den Erkrankten kommen davon. Wir werden einen von unserem Kollegium zum Beistand der Kranken bestimmen müssen. Da Pierre [Blanchet] sich dazu anbot, überließen wir alle es ihm gerne. Wenn ihm etwas widerfährt, fürchte ich, nach ihm mich in diese Gefahr begeben zu müssen. Denn, wie du sagst, wir sind eines jeden Schuldner und dürfen denen nicht fehlen, die vor andern unsern Dienst begehren. Und doch rate ich nicht dazu, dass wir die ganze Gemeinde verlassen, um einem Teil beizustehen. Aber solange wir in unserm Amte sind, so sehe ich nicht, was wir zur Entschuldigung vorbringen könnten, wenn wir aus Furcht vor der Ansteckungsgefahr die im Stiche ließen, die unsere Hilfe am nötigsten haben. – – – Unsern Bernardino geht man mit wunderlichen Ränken an, um ihn von uns wegzulocken; er beharrt aber standhaft, und er hat auch schon größten Teils dem Antichrist alle Aussicht abgeschnitten, damit er nicht denke, ihn später je wieder zu verlocken. Denn er hat einen Band Predigten verfasst, in dessen Schluss er offen bekennt, er gehöre ganz und ohne Ausnahme zu uns. Viele Italiener besuchen ihn; wir haben auch schon zwei andere Prediger. Alle, die ihn kennen, glauben, in diesem einen Mann habe das Reich Christi keine geringe Erwerbung gemacht. Ich durfte indessen, wie du weißt, doch nicht schlafen. Je eingehender ich den Mann kennen lerne, desto höher schätze ich ihn; er seinerseits sagt, er sei durch mich sehr unterstützt und gestärkt worden, dass er nicht unterlegen sei. Der Rat hat ihm bereits die Erlaubnis gegeben, zu predigen, so oft es ihm gut scheint. Wir haben auch Giulio Camillo hier, dessen langes Zögern uns aber etwas verdächtig ist. Wenn er auch mit Worten freigebig das Evangelium rühmt, so fürchten wir ihn doch mit Recht, da er irgendeinen heimlichen Plan hat, der uns missfällt, auch wenn wir ihn nicht kennen. Es ist gut, dass sich Bernardino vor ihm wie vor einem Feinde hütet.

Aber ich will auf dein Verlangen wegen der Kirchengüter zurückkommen, denn du hast mich in deinem letzten Brief schon zum zweiten Mal daran erinnert. Ich muss dich aber bitten, mir zu verzeihen. Denn du weißt, dass die Behandlung dieser Frage Zeit, Muße, ruhige Überlegung und nicht geringen Fleiß verlangt. Als wir in Regensburg waren, half ich Butzer bei der Sammlung dessen, was er mit den Reichstagsakten herausgab. Da aber die Frage des Kirchenguts dort nur beiläufig berührt ist, so würde Euch, was dort geschrieben ist, zur gegenwärtigen Verhandlung nicht genügen. Ein klein wenig kann man doch daraus entnehmen. Mir scheint, man muss die Sache teilen nach zwei Seiten hin. Erstens, dass Ihr sagt, die Entfremdung des Kirchenguts von seinem ursprünglichen Zweck werde Anlass zu schweren Ärgernissen geben. Zweitens, dass Ihr nachweist, dass sie auch nicht erlaubt ist. Die Ärgernisse liegen vor Aller Augen. Dass die Papisten allenthalben das Evangelium deswegen verlästern, das haben sie freilich schon begonnen zu einer Zeit, da sie dazu noch keinen so schönen Anhaltspunkt hatten. Früher haben sie also Verleumdungen gebraucht, jetzt aber werden sie gerechten Grund zur Anklage haben, wenn sie vom Raub der Kirchengüter reden. Zweitens, dass das Volk in der ganzen Herrschaft, weil es sich nicht getraut, laut davon zu reden, in allen Winkeln drüber schimpft. Die Pfarrer aber haben dagegen nichts zu sagen. Denn da sie gegen des Papstes und der ganzen und der ganzen papistischen Klerisei Kirchenraub geschrieen haben, wie sollen sie eine solche Versteigerung dulden, die die Kirche ganz beraubt und bloß lässt, da sie doch schon den Missbrauch der Einkünfte nicht dulden wollten. Drittens, dass dadurch andern Obrigkeiten ein ganz böses Beispiel gegeben wird. Denn die sind nur allzu gierig, als dass sie nicht anderswoher Anlass nähmen zum Säkularisieren. Wenn fortan darin Unrecht getan wird, so kann man ja die halbe Schuld auf die schieben, die darin vorangegangen sind.

Viertens, dass die Behörden nicht wissen und nicht bestimmen können, wie ihre Nachkommen sein werden. Es könne geschehen, dass, wenn man der Kirche nichts übrig lasse, sie dann einmal hilflos und einsam gelassen werde. Was nun den zweiten Punkt [dass die Säkularisierung unerlaubt sei] angeht, so halte das Argument fest, um das sich alles dreht: Es gehöre nicht der Obrigkeit, was einmal Christo und der Kirche gestiftet worden sei. Dabei wird zu erwähnen sein das Gesetz und die alte Weise, diese Güter zu verwenden. Man wird also dabei bleiben müssen, der Kirche als solcher sei gestiftet, was gottlose Schlemmer [vor der Reformation] in Besitz hatten; es stehe aber fest genug, was der rechtmäßige Gebrauch der Kirchengüter sei. Den müsse man nun einhalten; eine Verwendung der Güter außer diesem Gebrauch aber sei nicht möglich, ohne dem Fluch und der Verdammnis zu verfallen, da sie eben doch Heiliges entweihe. Indessen wird man suchen müssen, allen Verdacht zu tilgen, der sie glauben machen könnte, Ihr persönlich strebet nach irgendetwas vom Kirchengut. Aber das wird man klarlegen müssen, dass das die beste Reformationsregel ist, die der König Josias aufgestellt hat, dass die Obrigkeit die Aufsicht hat, die Kirchendiener aber die Verwaltung. Ihr werdet aber auch bezeugen können, Ihr seiet zufrieden damit, wenn die Obrigkeit das volle Recht der Verwaltung hat, wenn sie nur die jährlichen Einkünfte treu anwendet und nicht vom Kapital verloren gehen lässt.

Du siehst, wie verwirrt und eilig ich diese paar Argumente durchnehme. Aber ich brauche mich nicht zu entschuldigen, besonders vor dir nicht; da du wohl weißt, dass ich nicht etwa sorglos und frech in einer so wichtigen Sache herausschwatze, was mir gerade in den Mund kommt, sondern dass ich der Not gehorchend überstürzen muss, was ich gern besser ausarbeitete, wenn ich dazu Zeit hätte. Lebwohl, bester, liebster Bruder. Für den Verwandten Cordiers wollen wir uns umsehen. Die Brüder lassen dich grüßen, ebenso meine Frau und mein ganzes Haus. Nochmals lebwohl. Der Herr behüte dich und die andern guten Leute. Ich freue mich sehr, dass du nun in dieses Haus umgezogen bist. Wäre es nicht geschehen, ich hätte dich mit Schimpfreden aus deinem frühern verjagt. Lebwohl. Der Herr lenke dich mit dem Rat seines Geistes und schütze dich mit Kraft aus der Höhe.

[Genf, Ende Okt. 1542.]
Dein
Johannes Calvin.

Ich weiß kaum, was ich schreibe, so schwach sind meine Augen.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (92).

Die Berner Dekane hatten ohne Zögern den Formeln des Rats über das Abendmahl ihre Zustimmung gegeben.

Wider die Staatskirchlichkeit der Berner Theologen. Von Castellios Bibelübersetzung.

Drei Tage, nachdem ich dir geschrieben, kam Jacques, der Dekan von Gex zu mir und erzählte mir kurz, was in Bern geschehen war. Um dir geradeheraus meine Meinung zu sagen, es missfällt mir alles sehr. Von dem Ratsschluss selbst nachher. Aber wer zwang denn die Dekane, diese Antwort zu geben und so für alle ihre Kollegen einen bösen Präzedenzfall zu schaffen? Wäre doch Zebedee nicht dabei gewesen oder hätte der Sache eine andere Herzens- oder Verstandesmeinung entgegengebracht! Ich sage so, weil Jacques mir erzählt hat, es sei durch Zebedees Schuld geschehen, dass die Dekane so auf die Sache hereinfielen. Ich sehe wohl, was es ist. Wer sich kein Gewissen daraus macht, in einer gefährlichen Lage aus Angst bei allen Heiligen zu schwören, der zögert dann auch nicht, um einiger Menschen willen zuzugeben, was man will, weil er das Widersprechen zu gefährlich findet, wie es tatsächlich ist. Die Dekane mögen zu ihrer Verteidigung sagen, was sie wollen, vor mir können sie ihren Leichtsinn nie verantworten. Was die Hauptsache angeht, so lässt mich mein Gewissen dir nicht ganz beistimmen. Du meinst, der Ratsbeschluss sei ja ganz erträglich und Ihr könnet ihn ohne Gefahr annehmen. Wir wollen einmal seinen Inhalt erwägen. Zuerst wird die Formel von Kuntz bestätigt. Aber ich bitte dich, welche Formel ist das? Du tadelst Butzers Dunkelheit und mit Recht. Aber nichts bei Butzer ist so verworren, dunkel, zweideutig und, um das Wort zu brauchen, wissentlich verdreht. Als Ausnahme wird dann zugegeben, dass sowohl diese neue Formel, als auch der alte Katechismus erlaubt sein soll, wenn sie gemäß der Berner Disputation ausgelegt werden. Worauf weist man uns zurück? Es wird von Euch also gefordert, dass Ihr gelobt, nie abzuweichen von einer Formulierung, die Ihr gar nicht kennt. Was eigentlich meinst du, dass auf jener Disputation verhandelt worden sei als das, dass Christus nicht im Abendmahlsbrot eingeschlossen sei. Das aber nimmt nun der Rat an, als ob es nichts anderes bedeutet hat, ich wage nicht zu glauben, das Geheimnis des Abendmahls sei auf dieser Disputation gut und richtig erklärt worden. Aber – sagst du – die Basler Konfession wird ja damit verbunden. Ich leugne nicht, dass darin viel liegt, aber mir genügt es nicht. Besonders da schließlich doch wieder alles gemessen wird an der Berner Disputation und an der im Gebrauch stehenden Abendmahlsliturgie. Außerdem, um noch etwas zu sagen, was allein schon schlimm genug wäre, kann man mich nicht glauben machen, die zweihundert Ratsherrn, die dieses Dogma beschlossen haben, hätten überhaupt eine rechte Meinung von der Sache. Aber wer ein Gesetz verkündet, wird es auch auslegen dürfen. So wird als des Meineids schuldig verurteilt werden, wer anders lehrt, als die Richter selbst es verstehen. Und nicht darin allein ruht Gefahr; denn sie verbieten auch, von irgendeinem neuem Abendmahlsritus oder neuen Zeremonien weiterhin zu reden. Wer weiß aber, ob sie darunter nicht auch den Bann, den öftern Genuss des Abendmahls und vieles andere verstehen, was wir wünschen und wieder einrichten möchten. Da wird man schweigen müssen. Da Ihr so mit Wissen und Willen Euch die Schlinge um den Hals gelegt habt, so müsst Ihr bedenken, dass das nicht das Ende des Unglücks, sondern der Anfang sein wird. Denn der Herr wird Eure Schwachheit mit einer schärferen Geißel züchtigen, da Ihr Euch nicht wehren wollt, wenn so offenkundig das Fundament einer gefährlichen Tyrannei gelegt wird. Aber, sagst du, was sollte die Obrigkeit anders tun? Das sage ich noch gar nicht, wie die Obrigkeit gefehlt hat bei diesem Vorgehen. Ich zeige nur, dass es nicht ungefährlich ist, Euch ohne große Vorsicht zu verpflichten. Über die Art und Weise des Vorgehens will ich zugeben, was du sagst, nämlich der größere Teil der Schuld falle auf die [Berner Stadt-] Pfarrer. Aber doch bin ich entsetzt, wenn ich diesen Ratsbeschluss lese; ein so ungebändigter Übermut zeigt sich darin. Sie nennen ihre Meinung einen endgültigen Beschluss, dem man nicht widersprechen dürfe. Sie verkünden ihn nicht so, dass die Pfarrer die Freiheit hätten, darauf zu antworten, sondern dass sie befolgen, halten und beobachten müssen, was den gnädigen Herren wohl gefällt. Ich gebe es auch zu, was du nachher erwähnst, damit werde nun Kuntz gerecht gestraft für seinen Ehrgeiz und bösen Willen; nun werde er zu so schmählicher Knechtschaft gezwungen, weil er nicht leiden wollte, dass seine Kollegen neben ihm frei wären. Aber wir wären zugleich getroffen; ja auf die ganze Kirche wirkt diese Strafe zurück. Denn da dieses Beispiel nun einmal gegeben ist, wird unsere Lehre nicht nur der Macht, sondern sogar dem bloßen Wink von ein paar Männern, und dazu noch theologisch ungebildeten, untertan sein müssen; man wird reden oder schweigen müssen, je nachdem sie mit dem Finger winken. Und doch hielt ich es nicht für gut, dass sich die Brüder darüber in einen Kampf mit dem Rate einließen. Es schien mir, sie hätten einen anständigen Vorwand zum Ausweichen gehabt, wenn sie mit einer höflichen, bescheidenen Entschuldigung ihr Bekenntnis vorgelegt hätten. Du sagst: es wurde ja gar kein Bekenntnis von ihnen verlangt. Eben deshalb meine ich, hätten sie eins geben müssen. Über Zwinglis Schriften kannst du meinetwegen denken, wie du willst. Denn ich habe auch nicht alles gelesen. Vielleicht hat er gegen Ende seines Lebens zurückgenommen und verbessert, was ihm anfangs allzukühn herausgekommen war. Aber darauf besinne ich mich wohl, wie profan seine Sakramentslehre in den früheren Schriften war. Wenn ich [im vorigen Briefe] sagte, es sei niemand unter den Unsern, der ein volles Verständnis für das Mysterium des Abendmahls habe, so musst du das von der Laienwelt der Stadt Genf verstehen. Dass ich das allein gemeint habe, kannst du aus meinem Brief selbst sehen, wenn du ihn nochmals durchliesest. Ich bereue auch nicht, es gesagt zu haben. Denn wie du, wenn du die Keckheit und das Selbstvertrauen dieser Leute geißeln wolltest, etwa im Scherz sagtest, es seinen Alle Lehrer, so wage ichs mit Ernst zu behaupten, dass keiner von ihnen in dieser Frage ein guter Schüler ist. Lüge ich oder irre ich mich, so nenne mir einen einzigen, der richtig vom Abendmahle sprechen könnte. Aber es ist schon zu viel. Ich weiß ja, wir denken darin gar nicht oder doch ganz wenig anders. Du wolltest nur das Übel, das du selbst erkennest, etwas geringer erscheinen lassen, um mich zu trösten, dass es mich nicht übermäßig betrübe. Farels und seines Bruders Briefe wurden mir schon vor vier Tagen gebracht. Ich dachte, du hättest sie schon, da [Pfarrer] Pierre von Cossonay sie mitgenommen hat. Nun höre etwas Lustiges von unserem Sebastian [Castellio], was dir Galle und Zwerchfell in Bewegung bringen wird. Vorgestern kam er zu mir und fragte mich, ob ich denn nicht einverstanden sei, wenn er seine Übersetzung des neuen Testaments herausgebe. Ich antwortete, sie hätte manche Korrektur nötig. Er wollte wissen, weshalb. Ich bewies es ihm an den paar Kapiteln, die er mir als Muster schon früher gegeben hatte. Er versicherte, er sei im Übrigen sorgfältiger gewesen. Dann fragte er noch einmal, was ich beschlösse. Ich erwiderte, ich wolle ihn nicht hindern, sie drucken zu lassen; aber ich müsse auch [dem Drucker] Jean Girard das Versprechen halten, das ich ihm gegeben, nämlich die Übersetzung durchzusehen und, was nötig sei, zu korrigieren. Diesen Vorschlag lehnte er ab, erbot sich aber, er wolle kommen und sie mir vorlesen, wenn ich ihm eine feste Stunde dazu ansetze. Ich sagte, das könne ich nicht tun, wenn er mir hundert Kronen dafür böte, mich auf bestimmte Stunden zu verpflichten, um dann etwa einmal zwei Stunden mit ihm über ein einziges Wörtlein zu zanken. So ging er denn weg, betrübt, wie es schien. Damit du aber weißt, welch treuer Übersetzer er ist und wie er, da er viel ändern will, das meiste verdirbt, so will ich nur eine Stelle anführen. Wo es heißt: „L´esprit de Dieu, qui habite en nous“, ändert er „qui hante en nous“, obwohl hanter im Französischen nicht wohnen, sondern bloß häufig verkehren heißt. Ein so schulbubenhafter Schnitzer könnte dem ganzen Buch einen Makel aufbrennen. Ich schlucke solche Dummheiten aber schweigend hinunter. Lebwohl, lieber Bruder; der Herr behüte und leite dich. Grüße alle Brüder, aber teile ihnen nicht das alles mit.

Genf, 11. Sept. 1542.
Dein
Joh. Calvin.