Luther, Martin – An Philipp Melanchthon (11.10.1518)

Heil! Es wird allhier nichts Neues oder Seltsames vorgenommen, allein, daß Jedermann in der ganzen Stadt von Or. Luther redet und den neuen Herostratum zu sehen begehrt, der ein solch groß Feuer angezündet hat. Beweiset euch als ein Mann, wie ihr ja thut und lehret die Jugend was recht ist: ich aber gehe hin. mich für sie und euch zu opfern, wenn es Gott gefallt. Denn ich will lieber sterben und eurer lieben Gemeinschaft, wie schwer mir’s auch wird, in Ewigkeit entbehren, als daß ich das, so durch euch recht gelehrt ist, widerrufen sollte und daß ich allen guten Künsten und Studien zum Verderben würde.

Welschland ist, wie vor Zeiten Aegypten, in greifliche Finsterniß geworfen: so gar nichts wissen sie von Christus, noch, was Christo angehört; und wir müssen doch leiden, daß sie über uns herrschen und uns lehren nach ihrer Weise, beides Glauben und Sitten. Also wird Gottes Zorn über uns erfüllt, wie der Prophet klagt: „Ich will ihnen Knaben zu Fürsten geben und Kindische sollen über sie herrschen.“ Gehabt euch wohl, lieber Philippe, im Herrn und wendet ab Gottes Zorn durch euer reines und brünstiges Gebet.

Gegeben zu Augsburg, am Montag nach Dionisii (11. October) 1518. ‚

Bruder Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Melanchthon. Aus dem Lateinischen. Augsburg den 11. Oktober 1518

Segen von Christo zuvor! Liebster Herr Philippus! Johannes Böschenstein habt Ihr mir selber so sehr empfohlen, dass ich ihn nicht erst Euch hiermit zu empfehlen brauche. Er ist, sehe ich, ängstlich und kleingläubig, wodurch aber Eure Freundschaft keine Einbuße erleiden darf. Ich bitte vielmehr Euch und die andern Freunde, erzeigt Euch sanftmütig und herzlich gegen ihn. Von meiner Angelegenheit wird Euch Doktor Karlstadt unterrichten. Es geschieht nichts besonderes Neues; ich bin in aller Munde, und jeder begehrt den Menschen zu sehen, der eine so gewaltige Feuersbrunst entfacht hat.

Bewährt Euch weiterhin als ein Mann und lehrt der Jugend die Wahrheit; ich gehe hin, für Euch und sie mich opfern zu lassen, wenn es Gott so gefällt. Ich will lieber zugrunde gehen und, was mir am allerschwersten wird, auch Euren lieben Umgang auf immer entbehren, als dass ich widerrufe, was ich recht gelehrt habe, und als dass ich der Anlaß werde zum Untergang edler Wissenschaft.

Durch die Schuld meiner unwissenden Gegner, der heftigsten Feinde der Wissenschaft und Gelehrsamkeit, ist Italien in tiefe äpyptische Finsternis versunken. So gut wie nichts wissen sie von Christus und was Christi ist; und doch sind sie Herren und Lehrer unsres Glaubens und unsres Lebens. So wird der Zorn Gottes über uns erfüllt, der sagt: „Ich will ihnen Jünglinge zu Fürsten geben, und Kindische sollen über sie herrschen.“ Lebt wohl, lieber Philippus, und wendet Gottes Zorn durch reines Gebet von uns ab.

Augsburg Montag nach Dionysii 1518

Bruder Martinus Lutherus

Quelle:
Martin Luther Briefe In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald Erster Band Leipzig / Im Inselverlag / mdccccix

Luther, Martin – An Georg Spalatin (2.9.1518)

Heil! Ihr schreibt, mein lieber Spalatin, es wären einige, die unsern Durchlauchtigsten Fürsten bei Himmel und Erde anzuschwärzen suchten; Lieber, was für Ungeheuer sind das? Ich wünsche von Herzen, daß das um meinetwillen nicht geschehe. Wie ich immer gesagt habe, so sage ich noch. Ich begehre nicht, daß unser unschuldigster Fürst hierinnen das Geringste thue und meine Sätze vertheidige, sondern daß ich Allen dargeboten und vorgeworfen werde, die wider mich handeln oder schreiben wollen. So hoffe ich, daß er thun werde, es sei denn, daß er ohne seine Ungelegenheit Gewalt wider mich verhindern könnte. Kann er das nicht, so soll alle Gefahr mein sein. Ich hoffe, daß ich das, was ich zu vertheidigen vorgenommen, schön vertheidigen werde, zu Trotz, wie ich mit Christi Hülfe rühmen darf, aller Tomisten Meinungen. Werde ich auch der Gewalt weichen müssen, so doch der Wahrheit ohne Schaden. –

Gehabt euch wohl im Herrn und laßt euch den Philippus, den vortrefflichsten Griechen und gelehrtesten Mann, aufs beste befohlen sein. Sein Auditorium ist voll Zuhörer, zumeist alle Theologen, die besten mit den mäßigen und geringsten macht er begierig nach der Griechen Sprach und Weise.

Wittenberg am 2. September im Jahr 1518.

Bruder Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Spalatin (31.8.1518)

Dem Hochgelehrten und trefflichen Georg Spalatin, des Herzog zu Sachsen Bibliothecario, meinem treuen Freund in Christo. Heil!

Was ihr von unserm Philippo schreibt und erinnert, ist Alles geschehen und wird geschehen, wie ihr nicht zweifeln werdet. Er hat den vierten Tag darauf, als er angekommen, eine sehr gelehrte und zierliche Rede gehalten mit solchem Beifall und Bewunderung Aller, daß ihr weiter nicht daran denken , dürft ihn uns anzupreisen, denn schon haben wir Meinung und Ansehen von seiner Person und seinem Geist zur Seite gelegt und freuen uns und bewundern die Sache selbst in ihm und danken dafür dem Durchlauchtigsten Fürsten und eurem hierin geleisteten Dienst; aber sehet ihr darauf, mit welcher Kunst man ihn dem Fürsten am meisten anpreise.

Ich begehre, so lange er lebt, keinen andern Lehrer im Griechischen. Nur fürchte ich, daß seine zarte Leibesart etwa unsere Speise nicht vertragen könne, sodann daß ich höre, er sei mit zu geringem Sold berufen worden, so daß die Leipziger schon prahlen und hoffen, sie wollen ihn uns mit nächstem wegholen. Denn sie haben schon um ihn geworben, ehe er zu uns gekommen ist. Ich und viele Andere mit mir fürchten, der Herr Pfeffinger werde auch hierin nach seiner Art gegen des Fürsten Beutel einen allzu sparsamen und treuen Haushalter haben abgeben wollen. Darum, mein lieber Spalatin, daß ich recht frei, das ist mit meinem besten Freund rede, so sehet zu, daß ihr nicht seine Person und Alter verachtet, der Mann ist aller Ehren werth. Denn ich wollte nicht gern, daß wir und unsere Universität ein so gröblich Ding begangen, dadurch wir den Neidern Anlaß gäben uns übel nach zu reden.‘

Ich schicke euch mein waschhaftes Gewäsch und eilig hingeschriebene Einfälle wider den rechten, wilden und bauerhaften Sylvestrum, meinen sophistischen Widersacher. Denn ich habe ihn nicht werth geachtet wider den ich mir den Kopf zerbräche und großen Fleiß brauchte bei seinen so leichten Schlüssen, die Wasserblasen gleichen. Daß ihr für mich und meine Sache sorget, dafür danke ich Gott und euch. Gehabt euch wohl und liebt mich in Christo. Den 31. August 1518.

Bruder Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Reuchlin an Friedrich den Weisen, 26.7.1518

Durchlauchtigster, hochgeborner Fürst, gnädigster Herr! Ew. F. G. Begehren soll gewillfahrt werden, und euer Schreiben will ich Meister Philippsen Schwarzerd gen Tübingen zuschicken, der E. F. G. zu gehorsamen Diensten geneigt, und wird gen Augsburg mit seiner Liberei kommen, auf E. F. G. warten, und wird der hohen Schul, und E. F. G. zu Ehren, Lob und Nutz dienen. Daran sollt ihr keinen Zweifel haben. Denn ich weiß unter den Teutschen keinen, der über ihn sey, ausgenommen Herr Erasmus Roterodamus, der ist ein Holländer. Derselbige übertrifft uns alle im Latein. Wie gern ich wollte auch zu E. F. G. gen Augsburg kommen, so steht es dieser Zeit so wild, daß ich mich wohl bedenken will, ob ich komme, wiewohl ichs sust in meiner Sache fast nothdürftig wäre. Aber Augsburg ist unsern Landsleuten eines Theils übel erschossen. Wo aber mein gnädiger Herr, Herzog Ulrich zu Würtenberg auf den Tag würde kommen, so wollt ich auch kommen. Hiermit befehl ich mich in Euer Gnad allwege. Dat. Stutgart, S. Jacobstag 1518.

D. Johannes Reuchlin

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen 1
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1834

Luther, Martin – An Wenceslaus Link (10.7.1518)

– Unser Vicarius, Johann Lange, der heute hier ist, sagt, er sei von Graf Albrechten zu Mansfeld gewarnt worden, er solle mich ja nicht aus Wittenberg ausgehen lassen, denn es hätten einige Große auf mich bestellt, daß ich erdrosselt oder ersäuft werden sollte. Ich bin wie Jeremias der Mann des Haders und der Zwietracht, der die Pharisäer täglich mit neuen Lehren, wie sie sagen, erbittert. Ich aber bin mir nicht anders bewußt, als daß ich die reinste Theologie lehre und folglich habe ich auch vorher gewußt, daß ich den heiligsten Juden ein Aergerniß und den weisesten Griechen eine Narrheit predigen würde. Aber ich hoffe, daß ich das Jesu Christo schulde, der wohl auch zu mir spricht: „ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muß um meines Namens willen.“ Denn wenn er das nicht spricht, warum hat er mich, einen so hartnäckigen Mann, zum Dienst seines Worts gesetzt? oder warum hat er mich nicht etwas Anderes gelehrt zu sagen? Also war es sein heiliger Wille. Je mehr sie drohen, je freudiger und getroster bin ich: mein Weib und Kind ist versorgt, mein Acker, Haus und alles Vermögen ist bestellt, an Nam‘ und Ehre lassen sie mir nichts Gutes mehr: so bleibt mir nur mein elender und schwacher Körper; wollen sie den hinnehmen, so werden sie mich um ein oder zwei Stunden Leben ärmer machen, aber die Seele werden sie mir doch nicht nehmen. Ich singe mit Johann Reuchlin: „Wer arm ist fürchtet nichts, er kann nichts verlieren, sondern sitzt fröhlich in guter Hoffnung: er kann nur gewinnen.“

Ich weiß, daß das Wort Gottes von Anbeginn der Welt der Art gewesen, daß wer es in die Welt tragen will, mit den Aposteln stündlich gewärtig sein muß mit Verlassung und Verleugnung aller Dinge den Tod zu leiden. Wenn es nicht so wäre, so wäre es kein Wort Christi: mit dem Tod ist es erkauft, durch Vieler Tod ist es hinausgetragen und verkündigt, durch Vieler Tod ist es bewahrt worden: so wird es auch mit vielem Sterben ferner erhalten und erneuert werden. Denn so ist unser Bräutigam ein Blutbräutigam. Darum betet, daß der Herr Jesus diesen Muth seines getreuen Sünders mehre und erhalte. Ich habe neulich eine Predigt an das Volk vom Banne gehalten, darin ich auch die Tyrannei und Unwissenheit jenes Gesindels, der Officialen, Commissarien und Vicarien gestraft habe. Es wundern sich Alle, daß sie dergleichen nie gehört haben. Nun warten wir alle, was ich darüber werde auszustehen haben. Ich habe ein neu Feuer angezündet: aber so thut das Wort der Wahrheit, das Zeichen, dem widersprochen wird. – Ich frage nichts nach den Narren und Tadlern. Christus sei nur mein gnädiger Gott, dem bin ich bereit im Amt des Worts zu weichen.

Wittenberg am Tage der 12 Brüder (10. Juli) 1518.

Bruder Martin Luther.

Luther, Martin – An Papst Leo X. (30.5.1518)

Dem allerheiligsten Vater Papst Leo dem Zehnten wünscht ewiges Heil Martin Luther, Augustinermönch.

Ich höre, allerheiligster Vater, daß gar ein böses Gerücht über mich gehe, daraus ich vernehme, daß etliche Freunde meinen Namen sehr übel vor Eurer Heiligkeit und den Euren stinkend gemacht haben, als der ich mich sollte unterstanden haben die Würde der Schlüssel und Gewalt des höchsten Bischofs zu verkleinern. Daher ich als ein Ketzer, Abtrünniger, Meineidiger und weiß nicht mit wie viel und welcherlei Namen , ja Schmach und Lästerung, gescholten und verdammt werde. Ich muß hören und sehen, davor mir graut und mich entsetze. Aber der einige Trost und Fels meiner Freudigkeit steht fest, nämlich daß ich ein unschuldig und friedsam Gewissen habe.

Doch höre ich nichts Neues, denn eben mit solchen Wappen und Helm schmücken und zieren mich auch in unsern Landen jene ehrlichen und wahrhaftigen Leute, als die ein böses Gewissen haben und sich unterstehen ihre Bubenstücke mir aufzudringen und durch meine Unehre ihre Unart und Tücke zu beschönigen. Ich will aber, heiliger Vater, zur Sache greifen, die wolle Ew. Heiligkeit gnädiglich hören von mir, der ich ungeschickt, ja ein Kind bin.

Es ist in kurz vergangenen Tagen angefangen worden zu predigen des apostolischen Ablaß Jubeljahr und hat so stark überhand genommen, daß diese Prediger Alles meinen thun und reden zu dürfen, was sie nur wollen, unter dem Schutz Ew. Heiligkeit Namen, – dadurch sie auch den Leuten Furcht und Schrecken einjagen, also, daß sie öffentlich dürfen lehren gottlose, lästerliche und ketzerische Lügen, zu großem, schweren Aergerniß, Hohn und Spott der geistlichen Obrigkeit. Und genügen sich daran nicht, daß sie mit frechen Worten ohne alle Scheu ihr Gift ausgießen, sondern lassen auch über das Büchlein ausgehen, die sie unter das Volk bringen, in welchen sie eben dieselbe ihre lästerliche und ketzerische Lügen bestätigen; und also bestätigen, daß sie die Beichtväter mit einem Eid verbinden und zwingen, daß sie dieselben mit allen Treuen aufs fleißigste und ohne Aufhören dem Volke sollen einreden. Ich will des schändlichen und unerhörten Geizes, deß sie nicht satt können werden, schweigen, nach welchem schier alle Buchstaben dieser Büchlein sehr grob und übel stinken.

Ich rede die Wahrheit und ihr keiner kann sich vor, dieser Schmach verbergen. Denn die Büchlein sind vorhanden, daß sie nicht leugnen können. Und geht ihr Vornehmen nur glücklich und schleunig fort, also daß sie mit eitel erdichtetem Trost die Leute aussaugen und schinden ihnen, wie der Prophet Micha sagt, die Haut ab und fressen das Fleisch von ihren Beinen; sie aber weiden sich indeß sehr herrlich und reichlich.

Einen Behelf haben sie, damit sie sich unterstehen die Aergerniß zu stillen, nämlich den Schrecken Ew. Heiligkeit Namen und Bedrohung des Feuers und Schmach und Schande des ketzerischen Namens: also, daß es nicht wohl glaublich ist, wie geschickt sie sind, damit zu drohen und schrecken zuweilen auch wenn sie merken, daß ihrem losen Wahn und lästerlichen Lügen widersprochen wird; so anders das soll heißen Aergernissen wehren, und nicht vielmehr, durch lauter Tyrannei Zwiespalt und endlich Aufruhr erregen.

Gleichwohl geht die Sage und Klage in allen Tabernen über den Geiz der Pfaffen; auch wird übel geredet von der Gewalt der Schlüssel und des höchsten Bischofs, wie die gemeine Rede zeigt im ganzen Deutschen Lande. Ich zwar, daß ich die Wahrheit bekenne, da ich solches hörte und erfuhr, entbrannte und eiferte ich um Christi Ehre, wie mich dünkte: oder, wer es so deuten will, das junge, frische Blut erhitzte sich in mir und sah doch wohl, daß mir nicht gebühren wollte, etwas hierin zu beschließen oder zu thun. Vermahnte derhalben sonderlich etliche Prälaten der Kirchen. Da fand bei etlichen meine Vermahnung Statt und ward angenommen; etliche aber spotteten mein und deuteten mein Vornehmen auf mancherlei Weise. Denn der Schreck Ew. Heiligkeit Namen und Drohung des Bauns war zu mächtig. Endlich, da ich nicht anders konnte, hielt ich für das Beste, daß ich nicht scharf oder hart, sondern mit Maßen ihnen widerstünde, das ist, ihre Lehre in einen Zweifel brächte, daß davon möchte disputirt werden. Ließ derhalben einen Zeddel ausgehn mit Sprüchen vom Ablaß und vermahnte vornehmlich die Gelehrten, ob etliche gegenwärtig oder schriftlich mit mir darüber wollten handeln wie solches denn auch die Widersacher wohl wissen aus der kurzen Vorrede über dieselben Sprüche vom Ablaß.

Daher, heiligster Vater, ist angegangen ein solch groß Feuer, daß davon die ganze Welt, wie sie schreien und klagen, entbrannt ist; vielleicht darum, daß sie mir, der ich doch auch durch Ew. Heiligkeit apostolische Autorität ein Magister Theologiä bin, allein nicht gönnen Gewalt, Recht und Freiheit zu haben in einer freien, öffentlichen oder hohen Schule nach Weise und Gewohnheit aller Universitäten in der ganzen Christenheit zu disputiren; nicht allein vom Ablaß, sondern von viel höhern und größern Artikeln, nämlich von göttlicher Gewalt, Vergebung und Barmherzigkeit. –

Nun, was soll ich thun? Wiederrufen kann und will ich nicht; und sehe doch, daß ich nur großen Neid und Haß dadurch erweckt, daß ich diese meine Disputation habe an den Tag gegeben. Zudem komme ich ganz ungern aus meinem Winkel auf den Plan hervor unter die Leute, da ich wider mich hören muß schier aller Menschen gefährlich und vielfältig Urtheil, sonderlich weil ich ungelehrt, unerfahren und solcher hohen Sachen zu gering bin. Und eben zu dieser güldenen Zeit, da nun sehr viel feine, hochgelehrte Leute sind, welcher täglich mehr werden, also daß alle freie Künste blühen und wachsen – will schweigen der Griechischen und Ebräischen Sprachen -, also, daß auch Cicero, wenn er jetzt lebte, schier sich in einen Winkel verbergen sollte, der doch Licht und Oeffentlichkeit nicht scheute. Aber die hohe Noth zwingt mich, daß ich Gans unter den Schwanen schnattere.

Derhalben, auf daß ich auch meine Widersacher zum Theil versöhne und vieler Begehr und Verlangen erfülle: siehe. Heiliger Vater, so gebe ich an den Tag meine Gedanken, darinnen man sieht die Erklärung meiner Sprüche vom Ablaß. Ich gebe sie aber an den Tag, heiliger Vater, auf daß ich unter dem Schutz und Schirm Ew. Heiligkeit Namen und den Schatten ihrer Flügel desto sicherer sein möchte. Aus welcher Erklärung Alle, so anders wollen, verstehen werden, wie rein und einfältig ich die geistliche Gewalt und Obrigkeit, auch der Schlüssel Kraft und Würde gesucht und geehrt habe und zugleich wie böslich und falsch mich die Widersacher auf mancherlei Weise berüchtigen. Denn wenn ich ein solcher wäre, wie sie mich schänden und austragen und hätte meine Sache ordentlicher Weise nicht vorgebracht, nämlich darüber disputirt, wie ein jeder Doktor Recht und Fug hat, so wäre es unmöglich gewesen, daß der Durchlauchtigste Herr Friedrich Herzog und Churfürst zu Sachsen, weil er vor andern ein sonderlicher Liebhaber christlicher und apostolischer Wahrheit ist, einen solchen schädlichen, giftigen Menschen, wie sie von mir reden und schreiben, in seiner Universität zu Wittenberg hätte gelitten. So hätten auch die theuren hochgeehrten Doctoren und Magistri unserer Universität, die mit allem Ernst und Fleiß über der Religion halten, mich gewiß aus ihrer Gemeinde gestoßen.

Ist das aber nicht ein feiner Handel, daß die feindseligen Leute nicht allein mich, sondern auch den Churfürsten und die Universität zu Sünden und Schanden wollen machen?

Derhalben, heiligster Vater, falle ich Ew. Heiligkeit zu Füßen und ergebe mich ihr sammt Allem, was ich bin und habe. Ew. Heiligkeit handle mit mir ihres Gefallens. Bei Ew. Heiligkeit steht es, meiner Sache ab oder zuzufallen, mir Recht oder Unrecht zu geben, mir das Leben zu schenken oder zu nehmen. Es gerathe nun, wie es wolle, so will ich nicht anders wissen, denn daß Ew. Heiligkeit Stimme Christi Stimme sei, der durch sie handele und rede. Habe ich den Tod verschuldet, so weigere ich mich nicht zu sterben, denn die Erde ist des Herrn, und was darinnen ist. Er sei gelobt in Ewigkeit, Amen. Welcher Ew. Heiligkeit bewahre und erhalte ewiglich Amen. Gegeben am Tage der heiligen Dreifaltigkeit (30. Mai) 1518.

Br. Martin Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – Schrift an Doctor Staupitz, Vicarium ec. – Von dem Wörtlein Buße (Trinitatis 1518)

Dem Ehrwürdigen HErren und meinem rechtschaffenen Vater in Christo, Johann Staupitz, der Heiligen Schrift Doctoren, und Vicarien der Augustinianer Vater ec.

Ich bin wohl eingedenk, Ehrwürdiger Vater, daß unter anderen Ew. Ehrwürden holdseligen und heilsamen Reden, durch welche der Herr Jesus mich wunderbarlich pfleget zu trösten, auch einst dieses Worts Buße gedacht ward, welches wir von Ew. Ehrwürden höreten und mit solchen Freuden annahmen, als wäre es uns vom Himmel herab eröffnet. Nämlich, daß das rechte wahre Buße wäre, welche an der Liebe der Gerechtigkeit und Gottes anfähet, und daß das Ende und Vollkommenheit der Buße, wie die Papisten davon reden, vielmehr zu nennen ist der Anfang der Buße. Durch welches Wort wir auch verursachet worden, ein groß Mitleiden zu haben mit den armen hochbetrübten Gewissen, welchen durch die Stockmeister (sollt sagen Beichtväter) unzählich viele, dazu unträgliche Gebote aufgeladen, auch Weise oder Form (wie sie es nennen) zu beichten vorgeschrieben sind.

Daher mir auch dieses Wort Buße in meinem Herzen haftete wie ein scharfer Pfeil eines Helden, also, daß ich bald drauf fiel, und es gegen die Sprüche der Schrift, die von der Buße lehren, hielte und befand, daß dieselben Sprüche übereinstimmten miti Ew. Ehrw. Rede, daraus ich solchen Trost empfing, daß das Wort Buße von derselben Zeit an mir angenehm, lieblich und tröstlich zu hören war, das ich zuvor nicht ohne Schrecken konnte hören nennen. Denn es däuchte mich, es wäre kaum ein harter, schrecklicher Wort in der ganzen Schrift, denn eben das Wort Buße; gleichwohl stellte ich mich oft vor Gott, als liebte ich ihn, unterstand mich auch dasselbe mit der That zu beweisen; aber es war nicht recht, sondern erdichtete und erzwungene Liebe. Also werden und süße und lieblich Gottes Gebote, wenn wirs nicht allein in Büchern lesen, sondern in den Wunden unsers lieben süßen Heilandes Jesu Christi lernen verstehen.

Ueber das trug sichs weiter zu, daß ich durch Fleiß und Anleitung trefflicher gelehrter Männer, die durch Gottes Gnade Griechische und Ebräische Sprache uns fleißig und treulich lehrten, verstund, daß das Wort Buße nach und aus dem Griechischen heiße Besserung und Erkenntniß seines Unglücks nach empfangenem Schaden und erkanntem Irrthum, welches unmöglich ist zu thun, es werde denn der Mensch anders gesinnet, und gewinne Liebe zur Gerechtigkeit. Welches lles mit St. Pauli Theologia und Meinung so fein übereinstimmt, daß mich dünkt, ich könne nun Paulum leichter und besser lesen und verstehen, denn zuvor. Zu dem bin ich so weit gekommen, daß ich sehe, daß das griechische Wort (im Latein Poenitentia) nicht allein heiße Veränderung des Gemüths und Herzens, sondern auch die Weise der Veränderung, welche geschieht durch die Gnade Gottes.

Da ich solchem fleißig nachdachte, konnte ich gewiß schließen, daß alle Lehrer vor dieser Zeit geirret hätten, die von den Werken der Buße so viel gehalten und so hoch erhoben, daß sie uns von der Buße nichts übrig gelassen haben, denn etliche kalte Satisfactiones, d.i. Genugthuungen und die leidige Ohrenbeichte; sind durch das lateinische Wort poenitentia bewogen und betrogen, daß Buße thun mehr laute auf unser Werk, denn auf des Herzens Aenderung, die durch Gottes Gnade geschiehet.

Da mein Herz mit solchen feinen Gedanken entbrannte, siehe da fingen an um uns her unversehens zu tönen, ja helle zu schallen neue Posaunen vom Ablaß, und Drommeten von Vergebung der Pein und Schuld, durch welche doch wir nicht ermahnet werden zu rechter geistlicher Kriegsübung. Kurz, da ward kein Wort gehöret von der Lehre der rechten Buße, sondern die Ablaßkrämer unterstanden sich so hoch zu heben und rühmen nicht die Buße noch ihr Theil, so man nennet Genugthuung, sondern ihr geringstes Theil, nämlich die Erlassung oder Vergebung der Sünden, also, daß sie hoch erhaben, zuvor nie erhört ist worden. Ueberdies lehreten sie auch das Volk viel gottlose, falsche, ketzerische Lügen mit solcher Gewalt (wollte sagen Vermessenheit, Frevel und Durst) daß, wer nur ein wenig dawider muckte, mußte bald ein Ketzer, zum Feuer verdammt, und schuldig sein des ewigen Fluchs.

Weil ich nun ihrer rasenden Unsinnigkeit nicht begegnen, viel weniger ihr steuern konnte, setzte ich mir vor, ihre lästerliche Lügen mit Maßen anzufechten, und ihre ungegründte Lehre in Zweifel zu bringen. Und habe dieß meines Vornehmens guten Grund; denn ich berufe mich auf aller Doktoren und der ganzen Kirche Urtheil, welche allzumal je und je gelehret haben, daß besser sey genugthun, denn Genugthuung erlassen, das ist, Ablaß lösen.

Derhalben habe ich öffentlich disputirt, das ist, Jedermann, hohes, mittelmäßiges, und niedriges Standes zu meinem großen Unglück, ja wider meinen Hals erreget, so viel diese Sache in der Hand und Gewalt dieser Eiferer für das liebe Geld (Ei! für die armen Seelen sollte ich sagen) stehet. Denn die Frömmigen sind mit allzugrober Listigkeit gefaßt, weil sie nicht können läugnen, daß, was ich gehandelt habe, recht sei, fahren sie zu, erdichten und sagen: die Gewalt des obersten Bischofs werde durch meine Disputation verletzt und verkleinert.

Das ist der Handel, ehrwürdiger Vater, daß ich nun mit großer Gefahr öffentlich an Tag hervor muß treten, der ich lieber in einem Winkel begehrte zu sitzen, mit Freude und Lust den fröhlichen Spielen zuzusehen, so vortreffliche hochgelahrte Männer etzt zu unserer Zeit unter einander üben, denn daß Jedermann auf mich sollte sehen und meiner spotten. Aber wie ich merke, so muß auch Unkraut unter Kohl sich sehen lassen, und schwarz unter das weiße gesetzt werden, auf daß es ein besser und zierlicher Ansehen habe.

Bitte derhalben, Ew. Ehrwürden wollte diese meine kindische Schrift freundlich annehmen, und dem frommen Pabst Leoni zuschicken, durch welcherlei Mittel Ew. Ehrwürden es zuwege können bringen, daß sie bei Sr. Heiligkeit, gleich anstatt eines Fürsprechers oder Beistands sei, wider die bösen Practiken der giftigen Ohrenbläser. Nicht daß ich dadurch Ew. Ehrw. in gleiche Gefahr gedenke zu führen; ich will allein auf meine Gefahr alles, was ich hierin thue, gethan haben. Christus mein Herr mag zusehen, ob dieser Handel, den ich führe, ihn oder Luthern belange, ohne welches Wirken und Willen auch des Pabsts Zunge nicht reden kann, was sie will, in welcher Hand auch des Königs Herz ist; denn das erwarte ich zum Richter, daß ers Urtheil spreche durch den römischen STuhl.

So viel aber meine zornigen Freunde, die mir hart drohen und nachstellen, belanget, weiß ich nichts zu antworten, denn das Wort Reuchlins: Qui pauper est nihil timet, nihil potest perdere 1). Ich habe weder Gut noch Geld, begehre auch der keins; hab ich gut Gerücht und Ehre gehabt, der mache es nun zu nicht ohne Unterlaß, der es angefangen hat. Der einige nichtige Leib, durch viel und stete Gefahr und Unglück geschwächt, ist noch übrig; richten sie denselben hin durch List oder Gewalt, Gott zu Dienst, thun sie mir wahrlich einen sehr großen Schaden, verkürzen mir die Zeit meines Lebens irgend eine Stunde oder zwei, und helfen mir desto eher gen Himmel.

Ich lasse mir gnügen, daß ich an meinem lieben Herren Jesu Christo einen süßen Erlöser und treuen Hohenpriester habe; den will ich loben und preisen, so lange ich lebe. So aber Jemand mit mir ihm nicht singen oder danken will, was gehet michs an? Geliebets ihm, so heule er bei sich selbst allein. Er der HErr Jesus bewahre und erhalte Ew. Ehrw. mein liebster Vater ewiglich. Zu Wittenberg gegeben am Tage der heiligen Dreifaltigkeit.

Br. Martin Luther Ew. Ehrw. Discipul.

Quelle:
Schriften Doctor Martin Luthers Für das deutsche christliche Volk Eisleben 1846. Druck und Verlag von Georg Reichardt

Luther, Martin – Brief an Johannes Eck, Mai 1518

Martin Luther an den sehr gelehrten Theologen und Philosophen Johannes Eck, Prokanzler der Universität Ingolstadt und Kanoniker des Bistums Eichstätt, seinem besonderen Freund.

Es sind an mich gewisse »Obelisci« gelangt, in denen Du versucht hast, meine Thesen über den Ablaß zu widerlegen. Das ist der Beweis für Deine treue Freundschaft, die Du mir kürzlich angeboten hast, ja für Deine christliche Liebe, der zufolge wir gehalten sind, den Bruder zuerst zu ermahnen, ehe wir ihn verurteilen. Wie sollte ich als aufrechter Mensch glauben oder ahnen können, daß Du so hinter meinem Rücken vorgehen würdest, der Du mir so ins Angesicht hinein geschmeichelt hast? Du erfüllst somit das Wort der Schrift: »Wer dem Menschen den Friedensgruß entbietet, in seinem Herzen aber Böses sinnt.« Ich weiß, daß Du nicht willst, daß Dir so von meiner Seite geschieht; trotzdem tatest Du es und konntest es tun; sieh zu, was Dein Gewissen dazu sagt.

Vollends aber wundere ich mich, daß Du als einziger die Stirn hast, über meine Thesen zu urteilen, bevor Du sie kennengelernt und begriffen hast. Bester Beweis für Dein unüberlegtes Handeln ist, daß Du Dich allein für einen Theologen hältst und für so einzigartig, daß alle Deine Meinung allen anderen vorziehen sollen, daß darüber hinaus alles verdammt ist, was Du an Unverstandenem verdammt hast, weil es Eck nicht gefällt. Ich bitte Dich, laß wenigstens Gott leben und über uns herrschen.

Aber um nicht allzusehr mit Dir, der Du gänzlich erbittert über mich bist, zu streiten, habe ich Dir hier »Asterisci« gegen Deine »Obelisci« gesandt, damit Du Deine Unwissenheit und Unüberlegtheit erkennst; ich will mit diesen jedoch dadurch Dein Ansehen schonen, daß ich jene nicht im Druck herausgeben, sondern sie Dir nur privat zuleiten wollte, um Dir nicht das Üble, das Du mir angetan hast, zu vergelten. Nur für Wenzeslaus Link habe ich sie geschrieben, durch den ich die »Obelisci« empfangen habe, so daß Du die »Asterisci« aus seinen Händen erhältst.

Im übrigen hätte ich sorgfältiger und maßvoller oder auch entschiedener gegen Dich geschrieben, hätte ich das Ganze veröffentlichen wollen. Solltest Du an dem Glauben an Deine Nichtigkeiten weiterhin festhalten, schreib es nur nieder; ich werde Dir mit nicht geringerem Glauben entgegentreten. Vielleicht werde ich Dich dann nicht mehr schonen, obgleich, Gott weiß es, ich viel lieber wollte, daß Du zur Einsicht kommst und, wenn Dir etwas an mir mißfällt, Du zuerst vertraulich mit mir sprichst, wie es sich – das solltest Du wissen – für einen Theologen gehört. Eine ein wenig in Zorn geratene Dirne würde nicht in solcher Art und Weise ihre Schimpfworte und Ehrabschneidungen ausspeien, wie Du es mir gegenüber getan hast! Und bis jetzt bereust Du nichts, sondern rühmst Dich dessen und meinst, recht getan zu haben.

Du hast jetzt die freie Wahl: wenn Du willst, bewahre ich Dir meine Zuneigung und werde Deinen Angriff fröhlich herunterschlucken; jedoch weißt Du (wie ich sehe) von der Theologie wenig mehr als leere Hülsen von Meinungen der Scholastiker. Was Du gegen mich ausrichten wirst, sollst Du dann erkennen, wenn Du beginnst, dem Frieden Krieg und der Liebe blindes Wüten vorzuziehen.

Der Herr aber verleihe Dir und mir eine gute Gesinnung und lasse es uns beiden wohl ergehen! Ich lege für meine Person trotz der erlittenen Kränkung die Waffen nieder, nicht aus Furcht vor Dir, sondern vor Gott; danach werde ich keine Schuld auf mich laden, wenn ich gezwungen sein sollte, mich öffentlich zu verteidigen. Aber das sind gutgemeinte Worte.

Leb wohl!

Aus Wittenberg, 19. Mai 1518.

 

Reuchlin an Friedrich den Weisen, 7.5.1518

Durchlauchtigster, hochgeborner Fürst, Gnädigster Herr! E. Chf. G. sey meine gehorsame Dienstbarkeit schuldiges Willens allzeit von mir demüthiglich bereit. Gnädigster Herr und Churfürst! An mich hat gelangt durch Schrift, am Sanct Marxtage mir nächst überantwortet, euer fürstlich Gemüth und löblicher Wille, die Universität Wittenberg zu erhöhen mit gemeinem Nutz, Ehre und Lob deß ganzen teutschen Landes in lateinischer, griechischer und hebräischer Zunge. Das wird stehen Gegenwärtigen und Künftigen in allem Guten zu ewigen Zeiten nimmer zu vergessen, und übertrifft meines Bedünkens unter allen tugendreichen Uebungen alle adeliche Thaten eines solchen großmächtigen Churfürsten, wie gar ritterlich die geachtet möchten werden.

Hercules der alten Welt, wie viel standhaftiger, mannlicher Siege er ist obgelegen, noch käme es ihm zu keinem Ruhme, hätt er nicht in allen Spürachen gelehrte Leute gemacht, die ihm seine gut….. Werk könnten zu Feld bringen und ausbreiten, wie das noch Luciani Sage, die steine Sul Hercules Bildung, genannt Damion, in teutschen Landen erfunden, anzeigt. Was hat den langwierigen in ewig Gedächtniß gebracht anders, denn daß er durch die hohe Schul, von ihm im Parnasso gestiftet, aus groben Steinen und ruhen Felsen hat Menschen erschaffen? Der Großfürst in Assyria Prometheus hat aus allen fürstlichen Werken nichts davon erlangt, denn daß er schriftlicher Lehre und redsprecher Kunst ein Anfänger gewesen ist. Darum wird ihm zugelegt, daß er habe aus Erde Leute gemacht.

So nun, durchl. Churfürst, lange Jahre und viel Zeit teutsche Land von andern Landen für ein barbarisch, viehisch geschätzt worden ist, und nicht unbillig; denn wenig Aufsehens ist von unsern Vorfahren auf die menschliche, höfliche Zierde der Rede und adeliche Sitten der nothdürftigen Sprachen gehalten worden, sondern haben uns die Sophisten bisher mit ihrem unnützen Geschwätz nicht ohne Schaden der Kirche am Narrenseil geführt, durch das wir zu rechter Verständniß der alten Weisen, aus Mangel der lateinischen, griechischen und hebräischen Zungen, nie haben mögen kommen, und aber jetzt durch sonderliche Schickung Gottes Ew. Fürstl. Gn. nach Stiftung der hohen Schule zu Wittenberg eine sondere Betrachtung hätte, wie man gründlicher Weise möchte erobern die obgemeldten drei Sprachen, so Christo nicht ohne Ursache ob dem Kreutz geschrieben erfunden sind, durch die dann menschliche Vernunft unsrer Altvordern Erfahrung und Weisheit eigentlich verstehen und zierlich reden, auch künstlich schreiben mag: ist ungezweifelt auf die Bahn gerichtet, die immerwährend im Gedächtniß Eurer, als neuen Stifters der Menschlichkeit in teutscher Nation. Was Euch und uns allen Gutes daraus erwachsen möge, gnädigster Herr, könnet ihr baß gedenken, denn ich reden. Darum wenig noth gewesen wäre, an mich so hoch zu begehren, daß ich wollte diesem E. F. G. lobwürdigen Vornehmen zween trefflich gelehrte Mann, einen der griechischen, den andern der hebräischen Sprache erfahren, zuschicken; denn ich deß nicht allein selbst willig, sondern auch zu thun zwiefach schuldig bin, eines, daß es gemeinen Nutz betrifft, das andere, so mir täglich Einbildung gibt ergangener Gnaden bei Euch befunden, deß ich E. F. G. von Natur und Recht zu getreuen Wiedergelt verbunden bin.

Darum hab ich nicht kleinen Fleiß angekehrt, damit ich solche Leute bekommen möchte, und nach einem gesandt, hebräischer Sprache nicht ungeschickt, heißt Icolampadius, Prädicant zu Weinsberg; aber die von Basel haben mir denselben aus den Händen gerissen, dahin er sich hat lassen bestellen, also daß er uns dießmal nicht werden mag. Sonst weiß ich fürwahr keinen Weltlichen mehr in hochteutschen Landen, der da könnt einen Doctorstuhl in hebräischer Lehre verwesen, es wäre denn D. Paulus Ricius, meines G. H. Cardinals von Gurck Leibarzt. Dem bin ich aber zu klein, daß er mir zu erwägen sey, denn er stehet fest und wohl. Aber E. F. G. möchte durch meinen gnädigen Herrn von Gurck denselben Mann ohne Zweifel wohl aufbringen. Jedoch wo das nicht würde seyn, so ist noch ein Barfüßer von der Observanz vorhanden, Conradus Pelicanus genannt, der hält sich, als ich meine, zu Rufach im Elsaß, daher er gebürtig ist, könnte gar wohl zu hoher Schule im Hebräischen lesen und lehren. Den möcht Ew. F. G. anders nicht zu der Hand bringen, denn durch der Barfüßer Obern dieser Lande. Ich glaube, sie würden Ew. F. G. ihn nicht versagen; was Ihr wiederum zu Gnaden darum thätet, das hätte seinen Bescheid. Man fände vielleicht sonst getaufte Juden, wer deß gute Erfahrung hätte; aber fürwahr, wenn sie nicht in lateinischer Zunge gelehrt sind, so könnten sie uns künstlicher Weise durch Regeln nicht lehren; denn in teutschen Landen empfahen die Juden ihre Sprach allein aus gewöhnlichen Brauch, wie so unser einer welsch lernt, das aber uns nicht so möglich ist, sondern wir müßen das Hebraische erstlich durch Regeln, und darnach durch viel Lesen der Bücher, gleichwie die lateinischen und griechischen Zungen, überkommen.

Der andern Sprach halben, griechisch genannt, habe ich mich unterfangen zu vollbringen Euer besonderes Getrauen, das ihr gnädiglich zu mir habt, und bin in Willen, meinen gesippten Freund, den ich von seiner Jugend auf solche Sprach unterwiesen und gelehrt habe, an das Ort zu schicken, wie gern ich ihn noch bei mir behalten wollte. Aber Gott wollte, daß ich es in eigner Person, Leibes und Alters halben, zu thun vermöchte, so wollte ich Ew. F. G. zu Ehren und Gefallen in beiden Sprachen, griechischer und hebräischer, selbst den Anfang und den Zulauf aus andern Ländern machen. So mir aber der Weg zu fern und zu schwer ist, will ich Ew. F. G. und die löbliche Universität nichts desto minder mit meinem lieben Vetter obgedacht, Meister Philipps Schwarzerd von Bretten sehr wohl versehen, den ich doch der hohen Schule Ingolstadt versagt habe, denn er ist zu Tübingen ehrlich und wohl, auch seines Solds halben nützlich gehalten und versehen, und hat daselbst ein ehrbar Auskommen. Aber deß alles unangesehen er mir bewilligt, in dieser Sache zu thun, was iich ihm heiße. Darum wird er auf E. F. G. gut Vertrauen und meinen Befehl gen Wittenberg kommen, der Hoffnung Nutz zu schaffen, und ehre einzulegen der Stadt und der hohen Schule.

Der Bestallung halb, in E. F. G. Brief gemeldet, kann ich mit ihm keine Abrede thun, denn ich hab des kein Wissen, wie einer mit einem Diener zu Wittenberg möge haushalten. Aber das habe ich von E. F. G. wegen mit ihm beschlossen, werde er nicht angenommen, daß er sich dann wieder zu mir füge, so werde doch E. F. G. ihn dieses Wegzugs halben hin und her schadlos halten.

Nun, gnädigster Fürst und Herr, ist wohl noth, daß sich Magister Philipps zu dem Hinziehen rüste, und alle seine Bücher mit ihm bringe, denn ohne viel Bücher besonders in der hohen Schule kann niemand recht weder lehren noch lesen. Darum hat er ihm vorgenommen, in nächstkünftiger Masse zu Frankfurth mit den Kaufleuten Eures Landes seine bücher hinein gen Wittenberg zu verfertigen, und mit den Kaufleuten zu reuten, nachdem er des Wegs und der Orte unbekannt ist. Von deßwegen geht an E. F. G. meine Bitte, sie wolle einen Kaufmann, Euch verwandt, den Befehl geben, sich des Mannes in E. F. G. Namen zu unterfahen, und in Gesellschaft des Wegs anazunehmen, auch ihn und seine Bücher wohl versorgen, daß er mit dem Seinen möge sicher zu E. F. G. kommen. Man wird ihn die nächst kommende Frankfurter Messe daselbst um des heiligen Kreuzes Erhöhungstag in der Büchergasse bei Meister Thoman Ansheim, Druckherrn und Buchverkäufern von Hagenau, finden. Wessen sich aber dieselbe E. F. Gnade unter der Weile würde bedenken und berathen, das wollet mit zeitlich zu wissen thun bei gewisser Bothschaft, uns beiden darnach wissen zu richten.

Fürder als E. F. G. mich fragen läßt, wie meine Sache der Predigermönche halber gestellet sey, schick ich hiermit Verzeichniß aus dem Gerichtshandel gedruckt, darbei ihr werdet merken, daß meine Sach zu Rom vor zweien Jahren zu Recht gesetzt ist, und ich kann noch bisher keinen Endurtheil bekommen. Also haben die Predigerbrüder das Rad gestellt, auf daß ich unter der Weilen sterbe, und damit die Sache aus sey. Es mag mich nicht helfen, daß Kaiser, Churfürsten, Fürsten, Bischöffe, Aebte, Städte den Papst gebeten haben, daß seine Heiligkeit mir lasse fürderlich Recht geben. Ich bitte Gott, daß er uns Gnade verleihe, daß wir Unterthanen uns selbst bessern, damit wir bessrer Häupter würdig werden.

Ich schick auch E. F. G. hiermit, dem löblichen Anfang der hebräischen Lectur zu Steuer, was ich in derselben Sprach geschrieben habe, auf daß nicht MMangel an Büchern sey. Das wolle E. F. G. von mir zu einer kleinen Gabe und Schenk gnädiglich annehmen; denn ich kann nicht baß. Ich wollt viel lieber, daß ich euch könnt ein Königreich geben.

Gnädigster Churfürst und allerliebster Herr, Euer Leib, Seel, Ehre und Gut wolle der allmächtig gütige Gott, zu dem ich allezeit Hoffnung trage, gnädiglich beschützen, beschirmen und bewahren, und in Gnaden lang aufhalten, mir und allen Liebhabern zierlicher Künste zu sondern Trost. Geben zu Stutgart am VII Tag des Mayen im 1518 Jahr.

Johannes Reuchlin Phorcensis, LL. Doc.

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen 1
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1834