Luther, Martin – An Johann Lange (1.3.1517)

Ich lese jetzt unsern Erasmus, aber täglich gefällt er mir weniger. Das ist schon recht, daß er die Mönche und Priester so beständig und gelehrt widerlegt und sie einer eingewurzelten und schlafsüchtigen Unwissenheit beschuldigt. Aber ich fürchte er breitet Christum und die Gnade Gottes nicht genug aus, von der er gar wenig weiß. Das Menschliche gilt mehr bei ihm als das Göttliche. Wir leben in gefährlichen Zeiten und ich sehe, daß nicht jeder deshalb weil er ein guter Grieche oder Hebräer auch ein wahrer Christ ist. Anders urtheilt wer menschlichem Willen und Willkür Alles einräumt, anders der nichts kennt als die Gnade Gottes. –

Aus unsrer Wüste Wittenberg, am Sonntag Invocavit (l. März) 1517.

Euer Bruder Martin Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Christoph Scheurl, Rechtsgelehrten zu Nürnberg.

Wittenberg, den 27. Jan. 1517

Heil! Ich habe deinen Brief empfangen, hochgelehrter und werthester Christoph, der mir sehr angenehm, aber auch sehr betrübend war. Warum bist du traurig? Was hättest du mir Lieberes schreiben können, als was du geschrieben, da du den ehrwürdigen Vater, ja Christum in seinem Werkzeug, nehmlich unsern Vicarius, mit so würdigem Lobe erhoben hast! Denn man kann mir nichts Angenehmeres erzählen, als daß die Stimme Christi gepriesen, gehört und angenommen, ja darnach gelebt, dieselbe empfunden und verstanden werde. Wiederum, was konntest du Bittereres schreiben, als da du meine Freundschaft suchtest, und mich mit so eiteln Titeln ehrtest? Ich will nicht, daß du mein Freund werdest: denn meine Freundschaft wird dir nicht zur Ehre, sondern zur Gefahr ausschlagen, wenn anders das Sprüchwort wahr ist: „Freunde haben Alles gemein.“ Wenn nun, was mein ist, durch Freundschaft das deinige wird, so wirst du nichts zum Besten haben, als Sünde, Thorheit und Schande. Denn das sind meine Sachen, die du doch an mir mit andern Namen (wie gesagt) geehrt hast. Doch ich weiß, daß du christlich gesinnt bist, und sagen wirst: ich bewundere nicht dich, sondern Christum in dir. Hierauf sage ich: wie kann Christus meine Gerechtigkeit sein in Sünden und Thorheit? Ja dieß ist eben die höchste Vermessenheit, sich einzubilden, daß man Christi Wohnung sei, und kann man solches Rühmen auch kaum dem apostolischen Stande gestatten. Ich preise dich also zwar glücklich, daß du in dieses Mannes, unseres Vaters, Freundschaft und Vertraulichkeit stehst: aber schone deine Ehre, daß du nicht zu meiner Freundschaft entartest, obwohl auch eben jener ehrwürdige Vater nicht ohne meine Furcht und Gefahr mich allenthalben rühmt und sagt: ich preise Christum in dir und ich muß es glauben. Es ist aber ein harter Glaube. Denn es ist dieses Leben so jämmerlich und elend, daß, je mehr man dergleichen Lobredner und Freunde hat, desto mehr sie schaden, wie geschrieben steht: „des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein,“ und abermal: „die mich lobten verschworen sich gegen mich“, und: „meine Freunde und Verwandten haben sich wieder mich aufgemacht und sind gegen mich gestanden.“ Denn je mehr Menschengunst zu uns nahet, desto mehr Gottesgunst weicht von uns. Denn Gott will entweder der alleinige oder kein Freund sein. Zu diesem Uebel kommt auch vollends dieß, daß, wenn man sich demüthigt, und Lob und Gunst verweigert, desto mehr einem Lob und Gunst (das ist Gefahr und Verderben) folgt. O viel heilsamer ist demnach Haß und Schmach als Aller Lob und Liebe: weil der Haß blos einfache Gefahr, die Liebe aber zweifache ist. Nichts gleicht mehr einem liebenden, ja rasenden Weibe, welches das Versagte desto wüthender begehrt, als solch zeitlich Lob und Ehre. Von solchem ehebrecherischen schlimmen Weibe, siehe, schreckt mich Salomo so ernstlich ab Spr. 7 und anderwärts, da er sie als eine Fremde, Auswärtige und Verführerin der Jugend beschreibt.Ich schreibe das nicht, lieber Christoph, daß ich dein aufrichtiges und wohlwollendes Herz verachten wollte, sondern weil ich auch für mein Gemüth zu besorgen habe. Du thust, was einem frommen und christlichen Menschen zusteht, der niemand, als sich selbst verachten soll: ich muß mich aber auch bestreben, daß ich ein Christ wie du sei (wenn die Freundschaft nachhaltig sein soll) das ist, daß ich ein Verächter meiner selbst sei. Denn das ist kein Christ, der die Menschen wegen ihrer Gelehrsamkeit, Tugend, Heiligkeit und ihres Rufes achtet (denn das thun auch Heiden und die schwatzhaften Dichter, wie sie auch in unserer Zeit ihre Namen nennen), sondern der einen dürftigen, armen, thörichten und elenden Sünder liebt; wie auch der Psalm sagt: „wohl dem, der Einsicht hat,“ nicht über den Gelehrten, Gebildeten, Heiligen, Geförderten, sondern über den Armen und Dürftigen. Endlich bekennt Christus, daß ihm das geschehen sei, was einem seiner geringsten Brüder geschehen sei, da er hätte sagen können: seinen größten und höchsten. Denn was hoch ist bei den Menschen, ist bei Gott ein Gräuel. Zu solchem Gräuel nun bitte ich um Christi unsers Herrn willen mich nicht zwingen und nöthigen zu wollen, wenn du mein Freund sein willst. Das wirst du aber sehr leicht thun, wenn du mich weder ins Angesicht, noch vor Andern irgendwie lobst. Wenn du aber je meinst, daß Christus in mir zu loben sei, so nenne auch dabei seinen Namen und nicht meinen: weil Christi Sache durch meinen Namen befleckt, ja verkürzt und benachtheiligt wird. Wenn Jemand von Sachen redet, als mit den eigenen Namen derselben, warum preisen wir denn Christi Sachen ohne Christi Namen? Siehe, wie dein Freund so wortreich ist: lies es mit Geduld. Lebe wohl in Christo.

Aus der Clause zu Wittenberg.Br. M. Luther,
Eremit des Ordens St. Augustins.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Luther, Martin – An Spalatin

Gruß und Segen voran! Sehr lieber Herr Spalatin! Ich erbitte von Euch einen Dienst, ein Werk der Liebe und ein Werk des Glaubens. Verhelft mir zur Stunde zu den Briefen des St. Hieronymus oder zieht so kurz es Euch möglich iaus seiner kleinen Schrift „de viris illustribus“ aus, was der Kirchenvater vom Apostel St. Bartholomäus geschrieben hat. Sorgt, daß ich es vor der zwölften Stunde erhalte; ich will darüber predigen. Die Possen und Lügen des „Catalogus sanctorum“ und der „Legenda aurea“ haben mir großen anstoß erregt. Lebt wohl, bester Bruder.

In unserm Klösterlein.

Bruder Martinus Luther, Augustiner.

Ihr dürft Euch nicht wundern, daß ich ein Theolog sein will und doch keinen Hieronymus besitze. Ich warte auf die Ausgabe des Erasmus, und die, welche ich bisher im Gebrauch hatte, hat Johannes Lang mitgenommen und verkauft.

Martin Luthers Briefe
In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald.
Erster Band.
Leipzig/ im Inselverlag/ mdcccix.

Luther, Martin – An Georg Spalatin (14.12.1516)

Wittenberg, den 14. Dezember 1516

Dem Diener Christi und Priester des Herrn, G. Spalatin, dem hochgelehrten Magister, seinem aufrichtigen Freund und redlichen Bruder.

Jesus.

Daß du schreibst, bester Spalatin! der durchlauchtigste Fürst gedenke meiner häufig und ehrenvoll, darüber freue ich mich eben nicht, bete jedoch, daß Gott der Herr ihm für seine Demuth Ruhm geben wolle. Denn ich bin nicht werth, daß irgend ein Mensch meiner gedenke, geschweige ein Fürst, und zwar ein solcher und so großer Fürst. Ja ich sehe und erfahre, daß diejenigen mir am meisten nützen, welche meiner am übelsten gedenken. Doch bitte ich, du wollest meinetwegen danken für die Gnade und das Wohlwollen unseres Fürsten, obwohl ich weder von dir noch sonst jemand gelobt werden will, da des Menschen Lob eitel ist, und allein das Lob Gottes wahrhaftig ist, wie geschrieben steht: „nicht im Menschen, sondern am Herrn soll meine Seele gelobt werden,“ und wiederum: „nicht in eurem Namen, sondern in seinem heiligen Namen werdet gelobt.“ Nicht daß unsere Lober zu strafen wären, weil sie lieber Menschen loben, als Gott, welchem sei allein Lob, Ehre und Preis. Amen.

Du verlangst mein Urtheil über dein Vorhaben, einige Werkchen in’s Deutsche zu übersetzen: Du verlangst, was über meine Kräfte geht. Wer bin ich, daß ich urtheile, was allgemein gefalle und nütze? Da es allein Gnade ist, daß was irgend gefällt und nützt, dergleichen ist. Weist du nicht, daß, je heilsamer etwas ist, destoweniger es gefällt und nützt? Was ist heilsamer, als das Evangelium und Christus? Sie werden aber nicht geachtet und sind den Meisten ein Geruch des Todes zum Tode, den Wenigsten aber ein Geruch des Lebens zum Leben. Du sagst etwa: du wollest nur denen öffentlich nützen, welchen das Gute gefällt. Hier brauchst du also meinen Rath nicht: die Schafe höre allezeit jede Stimme des Hirten und verschmähen oder fliehen nur die Stimme des Fremden. Was du mithin auch thun willst, wenn es nur gut und Christi Stimme ist, so darfst du nicht zweifeln, es wird gefallen und nützen, aber wenigen und sehr selten, weil die Schafe in dieser Wolfgegend sehr selten sind.

Vor Allem aber bitte in einem demüthigen Gebetlein um Christi Rath und Willen, welchem auch das Gute nicht gefällt, welches ohne seinen Befehl und Willen geschieht, wie Jesajas C. 30 sagt: „wehe euch, ihr abtrünnigen Kinder, daß ihr euren Rath angefangen, aber nicht aus mir und ein Werk unternommen, aber nicht durch meinen Geist.“ Folge also nicht deiner guten und frommen Absicht, wie die gemeinen Mönche und Priester hin und wieder gröblich irren, sondern frage, ob es erlaubt, ja befohlen, in diesem deinem Werke besonders, sowie in allen andern Thaten, wenn du nicht willst, daß dein Werk zu Stoppeln werde. Laß doch aber auch meinen Rath dabei gelten. Hast du Lust, eine lautere, gründliche, der alten ganz ähnliche Gottesgelahrtheit zu lesen, in deutscher Sprache geschrieben, so kannst du dir die Predigten Joh. Taulers vom Prediger-Orden schaffen, wovon ich dir hier einen kurzen Auszug schicke. Denn ich sehe weder in der lateinischen noch deutschen Sprache eine heilsamere Theologie, die mit dem Evangelium besser übereinstimmten. Schmecke also und siehe, wie freundlich der Herr sei, wenn du zuvor geschmeckt und gesehen hast, wie bitter Alles ist, was wir sind. Aus unserem Kloster zu Wittenberg. Am Sonntag nach Lucia im J. 1516.

Br. Martin Luther.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Luther, Martin – An Johann Lange (26.10.1516)

Jesus.

Heil! – Ich brauche fast zwei Schreiber oder Kanzler; ich thue fast nichts den Tag über als Briefe schreiben, daher weiß ich nicht, ob ich etwa ein Ding zweimal schreibe; ihr werdet es sehen. Ich bin Klosterprediger, Lehrer bei Tisch, täglich werde ich abgefordert als Pfarrprediger, bin Rector der Schule, bin Vicarius, das ist elfmal Prior, bin Fischaufseher in Leitzken, Herzbergischer Sachwalt in Torgau, Ausleger des Paulus, Mitausleger der Psalmen und außerdem, wie schon gesagt, nimmt mir die meiste Zeit das Geschäft des Briefschreibens. Sieh, was ich für ein müßiger Mann bin. Ihr schreibt, daß ihr gestern das zweite Buch der Sentenzen angefangen: ich werde morgen den Brief an die Galater anfangen, wiewohl ich fürchte, die Pest werde mich, wenn ich angefangen, nicht fortfahren lassen. Sie reißt höchstens zwei oder drei, doch nicht täglich, bei uns hin, aber dem Schmid uns gegenüber ist ein Sohn gestern noch gesund, heute todt und der andere liegt angesteckt darnieder. Ja, sie ist da und schreitet fort grimmig und schnell, zumal unter der Jugend. Ihr rathet mir zu fliehen. Wohin soll ich fliehen? Ich denke die Welt wird nicht untergehen, wenn Bruder Martin zu Grunde geht. Aber die Brüder will ich, wenn die Pest weiter um sich greift, in alle Welt aussenden: ich aber bin hieher gestellt; um des Gehorsams willen darf ich nicht fliehen bis derselbe Gehorsam, der es mir geboten, auch das mir gebietet. Nicht, daß ich den Tod nicht fürchtete, denn ich bin kein Apostel Paulus, sondern mir sein Ausleger, ich hoffe aber, der Herr wird mich auch von dieser Furcht befreien.

Gehabt euch wohl. Gedenkt unser, Amen. Den 26. Oct. im Jahr 1516.

Bruder Martin Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Spalatin

5.10.1516

Heil und Gruß voran! Eure gestrige Sendung, Brief und Dukaten, habe ich empfangen. Euren Auftrag werde ich ausrichten. Ferner hat der Prior zu Erfurt, Johannes Lang, mir das „Bittschreiben wider die falschen Theologen“ übersandt. Es enthält keine Tatsachen und erweist so denselben oder einen ähnlichen Narren als seinen Verfasser, wie die „Epistolae obscurorum virorum“. Die Absicht billige ich, nicht aber die Ausführung; denn der Verfasser unterläßt weder Schimpfereien noch Schmähungen. Doch sei ihm, wie ihm sei, alle, denen ich es mitgeteilt habe, haben darüber lachen müssen. So seht selbst und lest es mit Eurer gewohnten Bescheidenheit. Lebt wohl.

Martin Luthers Briefe
In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald.
Erster Band.
Leipzig/ im Inselverlag/ mdcccix.

Luther, Martin – An Michael Dressel, Augustiner-Prior in Neustadt (1516)

Heil und Frieden! Aber nicht den, der nach der Menschen Sinn offenbar ist, sondern der unter dem Kreuz verborgen ist und höher ist als alle Vernunft, im Herrn.

– Ihr suchet und begehrt zwar Frieden, aber verkehrt, denn ihr suchet ihn. wie ihn die Welt giebt: nicht, wie Christus ihn giebt. Wisset ihr auch, geliebtester Vater, daß Gott darum wunderbar ist in seinem Volk, weil er seinen Frieden inmitten des Unfriedens gesetzt hat, das ist, mitten unter alle Versuchungen, wie er spricht! „Herrsche mitten unter Deinen Feinden!“ Darum nicht der hat Frieden, den niemand stört – das ist Friede der Welt – sondern der, den Alle und Alles quält und der das Alles ruhig, ja mit Freuden erträgt. Ihr sprecht mit Israel: „Friede, Friede!“ und ist doch kein Friede. Sprecht lieber mit Christo: „Kreuz, Kreuz“ und ist doch kein Kreuz. Denn alsobald ist das Kreuz nicht mehr Kreuz, so ihr fröhlich sprecht: Gebenedeietes Kreuz, unter allem Holz ist keines Dir zu gleichen!

So sehet denn, wie gnädig euch der Herr zum wahren Frieden mahnt, der euch mit soviel Kreuz umgiebt. – Den Frieden suchet, so werdet ihr ihn finden. Ihr werdet ihn aber nicht besser suchen, als wenn ihr Unruhe und Trübsal als heilige Reliquien mit Freuden annehmt, nicht aber Frieden nach eurer Meinung und Sinn suchet.

Gehabt euch wohl und bittet für mich, liebster Vater; der Herr regiere euch.

Wittenberg, am Tage der zehntausend Märtyrer, (22. Juni) 1516.

Bruder Martin Luther, Vicarius.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Spalatin (8.6.1516)

Jesus.

Heil. Wie ihr mir gewünscht habt, mein lieber Spalatin, so bin ich durch Gottes Gnade gesund wieder kommen, wenigstens am Leibe, Gott weiß ob auch dem Herzen nach. Also danke ich eurer Liebe. Es ist mir auch euer Schreiben gleich übergeben worden, weil die Brüder nicht wußten, wo ich war, daß sie mir es zugeschickt hätten. Ihr schreibt, unser durchlauchtigster Fürst wolle gern, daß von unserm hochwürdigen Pater Vicarius jetzo etwas Ausgezeichnetes geschehe, und auch euch braucht er, daß ihr helft dazu treiben. Ihr handelt darin als ein Freund ohne Falsch. Ich aber möchte, daß euer Zureden bei dem ehrwürdigen Vater nicht so eifrig und hitzig, sondern kälter als dürres Stroh sei: denn ich werde in meinem Schreiben euch das Widerspiel rathen, daß der, dem zugeredet wird, schwanke wozu sich entschließen.

Wundert ihr euch deß? Gewiß nicht deßhalben, daß ich euren Rath verachten sollte, der gewiß aus gutem Herzen geht und von dem ich wohl sehe, daß weil die Liebe ihn treibt, sein Urtheil befangen ist. Denn rechte Liebe hat selten ein recht Urtheil, sagt Chrysostomus. Das sage ich aber, weil des Fürsten Wohlgefallen euch bewegt hat. Denn ich will nicht, daß der ehrwürdige Vater irgend darein willige, wozu ihr ihm so sehr zuredet, weil es dem Fürsten so wohlgefällt. Es gefällt eurem Fürsten Vieles und glänzet ihm schön in den Augen, was Gott mißfällt und zuwider ist. Ich leugne nicht, daß er in weltlichen Dingen ein sehr kluger Mann sei; aber in den Dingen, die Gott angehen und das Heil der Seelen, da halte ich ihn fast siebenfach blind, ihn, wie euern Pfeffinger.

Und das sage ich nicht im Winkel als ein Verleumder, will auch nicht, daß ihr es heimlich haltet: sondern ich will bei aller Gelegenheit beiden es ins Gesicht sagen. Wenn es gewiß wäre, daß es von Gott käme, was ihr vorhabt, so wollte ich, daß euer Zureden lauter Feuer und er (der Pater) lauter Stoppel wäre. Denkt auch nicht, daß es so gar heimlich ist, was der Fürst und ihr betreibet; kürzlich, ehe ich euren Brief erhielt, hörte ich, man wünsche den ehrwürdigen Vater als Bischof nach Kimsehe.

Mein lieber Spalatin, es sind nicht mehr jene glücklichen Zeiten, daß es nicht mehr etwas glückseliges, sondern gar etwas elendes ist ein Bischof sein, das heißt schwelgen, sodomitisch und römisch leben; das wißt ihr gar wohl, wenn ihr der alten Bischöfe Thun und Leben gegen das Thun und Leben unsrer Bischöfe haltet. Das sind jetzt noch die beßten, die draußen weltliche Kriege führen mit aller Macht und Rüstung und drinnen ihr Haus zur unersättlichen Hölle des Geizes machen. Wie fern auch dieser Mann allen jenen Lastern ist, könnt ihr wohl Bürge sein, daß, wenn die Gelegenheit sich bietet, ja dazu treibt, (wie jetzt allenthalben geschieht und gesagt wird) er nicht in die Wirbel und gräßlichen Stürme der bischöflichen Höfe mit hineingezogen werde.

Aber genug hiervon! Was eure Bitte anlangt, antworte ich: wenn es wirklich eine Sache ist, die keinen Verzug leidet, so meldet mir es doch bald, weil der ehrwürdige Vater jetzt in Antwerpen ist und vor dem Herbst kaum wiederkommen wird. So will ich deßhalben gern einen eignen Boten bis Cöln schicken; denn dahin hat er uns angewiesen Briefe an ihn zu schicken. Gehabt euch wohl im Herrn und bittet für mich. Aus dem Kloster zu Wittenberg, den 8. Juni, im Jahre 1516.

Martinus Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Johann Bercken, Augustiner-Prior in Mainz

(Dresden, 1. Mai 1516)

Heil im Herrn! Ehrwürdiger und bester Vater Prior! ich habe ungern gehört, es sei bei Euch einer meiner flüchtigen Brüder, Georg Baumgartner, aus unserem Dresdner Convent, der zu Euch leider aus schändlichen Ursachen und auf dergleichen Art gekommen ist. Ich danke aber deiner Treue und willigen Dienstfertigkeit, daß du ihn aufnahmst, damit der Schande ein Ende würde. Es ist mein verlorenes Schaf: es gehört mir, ich muß es, da es verirret, suchen und wiederbringen, wenn es dem Herrn Jesu so gefällt. Ich bitte dich demnach, bei dem geimeinsamen Glauben an Christum und dem Orden St. Augustinus, deine dienstwillige Liebe wolle, so viel sie kann, ihn an mich entweder nach Dresden oder nach Wittenberg schicken, oder ihm zureden durch freundliche und gütige Vorstellungen, daß er selber komme. Ich will ihn freudig aufnehmen, er soll nur kommen, er darf sich nicht fürchten, weil er mich beleidigt hat.

Ich weiß, ich weiß, daß Aergernisse kommen müssen, und es ist kein Wunder, wenn ein Mensch fällt, aber ein Wunder ist’s, wenn er wieder aufsteht und stehen bleibt. Petrus fiel, damit er wußte, daß er ein Mensch sei: so fallen auch heutigen Tags noch die Cedern von Libanon, welche mit ihrem geraden Gipfel fast bis an Himmel reichen. Ja es fiel selbst ein Engel im Himmel (was über alle Wunder ist) und adam im Paradies. Was Wunder also, wenn das Rohr vom Sturmwind bewegt wird, und der glimmende Docht auslöscht? Der Herr Jesus lehre dich, und thue und vollbringe mit dir das gute Werk. Amen. Lebe wohl.

Aus unserem Convent zu Dresden, am Tage Philippi und Jakobi, 1516. Bruder M. Luther, Professor der heiligen Theologie und Vicarius in Meißen und Thüringen, der Eremiten St. Augustins.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Luther, Martin – An Georg Leiffer (1516)

Heil im Herrn und seinem Tröster! Liebwerthester Vater und freundlichster Bruder im Herrn. – Ich höre, daß eure brüderliche Liebe von gewaltigen Stürmen angefochten und mit mannigfaltigen Fluthen beunruhigt werde. Aber gelobt sei Gott, der Vater der Barmherzigkeit und alles Trostes, der euch den beßten Tröster und Beistand, so unter Menschen zu finden ist, den ehrwürdigen Pater Mag. Bartholomäum bestellt hat. Sehet nur zu, daß ihr euren Sinn und Gedanken verläugnet und seinem Wort in eurem Herzen Raum gebt. Denn ich bin gewiß sowohl aus meiner als eurer, ja aller, die ich unruhig gesehen, Erfahrung und weiß, daß blos die Klugheit unsres Sinnes die Ursache und Wurzel aller unserer Unruhe ist. Denn unser Auge ist ein Schalk und daß ich von mir rede, o weh, mit was für Jammer hat er mich geplagt, ja bis aufs äußerste plagt er mich. Das Kreuz Christi ist in der ganzen Welt ausgetheilt, ein jeder bekommt immer sein Theil davon. Das werft nicht weg, sondern nehmt es auf als heilige Reliquie, nicht in güldenen oder silbernen Schrein, sondern in ein güldenes, das ist, mit sanfter Liebe geweihtes Herz. Denn wie das Holz vom Kreuz durch das Berühren des Fleisches und Blutes Christi so geheiligt ist, daß die Reliquien davon für höchst kostbar gelten, wie viel mehr wird Unrecht, Verfolgung, Leiden und Haß der Menschen, es seien gerechte oder ungerechte, heilige Reliquien sein, welche nicht durch Anrühren des Fleisches, sondern seines allerliebreichsten Herzens und seines göttlichen Willens in Liebe umfaßt, geküßt und gebenedeit und durchaus geheiligt sind? Denn der Fluch ist verwandelt in Segen, das Unrecht in Billigkeit, das Leiden in Ehre und das Kreuz in Freude.

Gehabt euch wohl, liebster Freund und Bruder, und bittet für mich.

Wittenberg, den 15. April im Jahr 1516.

Bruder Martin Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867