Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (172).

Dominique d´ Arlot war mehrfach Syndic. Calvins Bruder Antoine und seine Frau, eine geborene Le Fert, hatten Calvin und Viret auf das Mädchen aufmerksam gemacht.

Weiteres über Virets Heiratspläne.

Vorgestern gegen Schluss des Essens kam die Rede auf deine Heirat, von der ich schon vorher gesagt hatte, sie sollte zustande kommen. Aber Dominique d´ Arlot dessen Hilfe ich dazu gebraucht hatte, unterbrach bald das Gespräch. Er sagte, die Sache sei schon ganz in Ordnung. Als das unser Perrin hörte, fuhr er vom Tisch auf und ließ nach seiner Art seinem Ärger freien Lauf. Am ganzen Körper bebend vor Aufregung rief er: „So heiratet er also eine Person aus einer Familie, deren man sich schämen muss? Konnte man in der ganzen Stadt keine aus besserem Haus für ihn finden? Wer ihm dazu geraten und geholfen hat, der ist ein Nichtsnutz und Bösewicht nach meiner Meinung!“ So musste ich denn wider Willen meinen Bruder und meine Schwägerin nennen. „Ich aber“, fuhr ich fort, „habe ihm freilich nicht den ersten Rat geben können, weil ich das Mädchen nicht kannte, aber dass ich Viret dabei geholfen habe, und zwar ganz hauptsächlich, muss ich gestehen. Übrigens steht es doch noch nicht so, wie Dominique gesagt hat, die Sache sei ganz in Ordnung, sondern ich bin nur soweit gegangen, dass ich nicht mehr zurück kann ohne Schande; aber dessen brauche ich mich nicht zu schämen.“ Da wandelte sich sein Zorn in Lachen. Er fing aber wieder an grimmig zu werden, weil du es ihm verheimlichst habest. Törichte Eifersucht vor allem brachte ihn auf, als Corne gestand, ihr hättet bei deinem Wegreiten miteinander von der Sache gesprochen. Er fuhr Corne an: „So, deshalb gab ich ihm mir dir das Geleit, dass er mich schimpflich aus seiner Beratung ausschloss? Wen hat er denn auf der ganzen Welt, der es treuer meint als ich? Ich zeigte ihm ja gern meine Liebe als mir selbst!“ Drauf antwortete ich, mit Unrecht urteile er so, da du ja nicht einmal Farel eröffnet habest, was du vorhattest. So ließ er sich wieder beruhigen, nur sprach er noch von der de la Rame und pries sie mit den wunderlichsten Lobsprüchen. Ich gab ihm in allem recht, blieb aber auf meinem Vorsatz des andern Mädchens wegen. Jetzt prüfe, ob es gut wäre, wenn du noch völlig frei nach Genf kämest. Es wird misslich sein, dich herauszureden, wenn sie fortfahren, die de la Rame dir aufzudrängen. Ich weiß wohl, wie gefährlich es ist, sein Wort zu geben, ehe man die Art des Mädchens selbst kennt. Ich bin ängstlich und setze mich gewiss nicht leichtsinnig über die Schwierigkeiten hinweg. Doch glaube ich, folgende Weise sei nicht ganz unsinnig. Ich werde in deinem Namen, wenn du willst, aber mit der Bedingung, dass, ehe die Verlobung stattfindet und von uns aus etwas Sicheres versprochen wird, du einmal das Mädchen sähest. Das soll so geschehen, dass man dich dabei nicht zu bedrängen wagt. Schreib also mit dem nächsten Boten, was du beschließest. Freilich rate ich dir gleich auch, es nicht lange hinauszuschieben und bald zu kommen. Über das Mädchen hören wir nichts, was uns nicht sehr wohl gefiele. Auch an ihrem Vater und ihrer Mutter ist nichts auszusetzen. Ich bin umso fester davon überzeugt, als ich sehe, dass auch die Gegner dieses Plans nichts hervorzuzerren haben, was uns irgendwie abschrecken könnte. An der de la Rame ist allerlei, was ich fürchte. Doch es geht dich an, da hast du die freie Wahl. Doch das gebe ich nie zu, dass irgendeinem Menschen auf der Welt deine Sache mehr am Herzen liegt als mir. – –

Lebwohl. Der Herr leite dich mit seinem Rat und segne dich bei dieser so wichtigen Entschließung. Grüße alle Brüder angelegentlich.

Genf [15. Juli 1546].
Dein
Johannes Calvin.