Luther, Martin – An Georg Spalatin (14.1.1520)

Heil! Mein lieber Spalatin. Ich freue mich gar sehr und danke meinem Gott, daß meine Sache dahin gediehen, daß meine Feinde nunmehr sowohl die Lehre von beiderlei Gestalt, als auch meine Familie verlästern und alles Andere darüber vergessen. Durch die große Barmherzigkeit Christi, die sich an mir Unwürdigen offenbart, lebe ich der Hoffnung, daß ich nicht werde verloren gehen um irgend einer Lehre willen, die von Wichtigkeit ist, als da sind: vom freien Willen, von der Gnade, von den Schlüsseln der Kirche. Denn hie scheinen meine Feinde an mir zu verzweifeln, weil sie nun nach so lächerlichen Dingen fahnden.

Von meiner Familie wird niemand gewissere Nachricht geben können, als die Grafen von Mansfeld. Und ich achte, diese Helden haben noch soviel Ehre und Ansehen im Reich, daß ihr Zeugniß Glauben verdient. Uebrigens bin ich zu Eisleben geboren und eben dort in St. Peters Kirche getauft worden. Darauf weiß ich mich zwar nicht zu besinnen, aber ich glaube es meinen Aeltern und Andern in meiner Heimath. Meine Aeltern sind von einem nahe bei Eisenach gelegenen Ort dahin gezogen. Denn in Eisenach wohnt fast meine ganze Verwandtschaft. Denselben bin ich dort bekannt gewesen und bin es noch, als der ich allda vier Jahre lang dem Studiren obgelegen. Es kennt mich auch keine Stadt besser als diese. Und ich glaube, sie würden so einfältig nicht gewesen sein, daß der eine des Luthers Sohn für seinen Enkel, der andere für seiner Mutter Bruder, noch ein anderer für seiner Schwester Sohn – dergleichen Anverwandte ich dort viele habe – gehalten hätte, wenn sie gewußt hätten, daß mein Vater und Mutter Böhmen waren und ganz andre Leute, als die bei ihnen sind geboren worden. Meine Jugend habe ich aus der Universität zu Erfurt und im Kloster gelebt, bis ich nach Wittenberg bin kommen. Zu Magdeburg habe ich auch ein Jahr, als ich vierzehn alt war, zugebracht.

Da habt ihr meinen Lebenslauf und meine Verwandtschaft. Ich wollte aber lieber, gleichwie Christus vor Herodes und Hannas, von dieser Sache gar schweigen. Auf daß jene thörichten Menschen glaubten, was sie wollten, und was ihnen ansteht, bis sie einmal schamroth werden. Es ist ein Geschlecht, das sich weder durch Pfeifen noch Klagen bewegen läßt, dem zu helfen sich jedermann vergeblich bemüht. –

Ich habe mich dahin gegeben als ein Opfer im Namen des Herrn. Sein Wille geschehe. Wer hat ihn darum gebeten, daß er mich zum Doctor machen sollte? Hat er mich dazu gemacht, so mag er’s sich gethan haben: oder gereut es ihn, so schlage er’s wieder nieder. Diese Trübsal macht mich so gar nicht verzagt, daß sie vielmehr den Segeln meines Herzens unbeschreiblich große Hoffnung giebt und ich nun an mir selbst erfahre, warum in der Schrift die Teufel mit den Winden verglichen werden. Denn indem sie den Wind ihrer Wuth und Raserei von sich blasen, so blasen sie Andere, die sich geduldig darein schicken, auf und machen sie muthig.

Nur daran ist mir gelegen, daß mir der Herr in meiner Sache, die ich für ihn führe, seine Gnade schenke und darin werdet auch ihr mir, soviel ihr könnt, helfen. Der Menschen Sache aber laßt uns in gläubigem Gebet Gott anbefehlen und dabei ohne Kummer und Sorge leben. Was können Menschen uns thun? Tödten sie uns? So können sie uns doch nicht wieder lebendig machen, um uns noch einmal zu tödten; schreien sie uns als Ketzer aus? ist doch auch unser lieber Herr Christus unter die Uebelthäter, Verführer und Gotteslästerer gerechnet und zum Tode verdammt worden. Betrachte ich sein Leiden, so kränkts mich sehr, daß meine Versuchung von so vielen und großen Leuten nicht für eine kleine, sondern für eine gar große angesehen wird, da sie doch in der That für nichts zu achten ist. Wo kommts anders her, als weil wir uns ins Leiden und Ungemach, das ist in das Christenleben gar nicht schicken wollen.

Laßt es also sein: Je gewaltiger mir meine Feinde zusetzen, desto sorgloser will ich ihrer spotten. Ich habe es bei mir beschlossen, in diesem Leben Nichts zu fürchten, sondern Alles Nichts zu achten. Und wo ich nicht besorgte, ich möchte den Fürsten mit hineinflechten, so wollte ich eine getroste und glaubensvolle Schutzschrift ausgeben, dieser höllischen Plaggöttinnen spotten und ihre unsinnige Wuth gegen mich noch mehr reizen. – Gehabt euch wohl und betet für mich. 14. Januar Anno 1520.

Martin Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Spalatin (1519)

Heil! Ich bitte euch, mein lieber Herr Spalatin, ihr wollt euch doch nicht zu sehr fürchten und mit menschlichen Gedanken das Herz abfressen. Ihr wißt, wenn nicht Christus mich und meine Sache führte, so wäre ich längst verloren um der Disputation vom Ablaß willen und dann durch den deutschen Sermon und meine Antwort an Silvester und endlich durch das, was kürzlich gehandelt ist, und zumeist durch die Reise nach Augsburg. Denn welcher Sterbliche hätte nicht fürchten oder hoffen müssen, daß jedes hiervon mir den Tod bringen werde? So hat mir neulich Olsnitzer, der Canzler unsres Herzogs von Pommerns, aus Rom geschrieben, ich habe ganz Rom mit meinen Resolutionen und Dialogus dergestalt verwirrt, daß sie nicht wissen, wie sie es stillen sollen. Doch sei es ihr fester Vorsatz nicht auf dem Wege Rechtens, sondern mit römischen Praktiken – wie seine Worte lauten – mich anzugreifen; ich verstehe wohl, das heißt mit Gift und Meuchelmord.

Ich halte viel zurück um des Churfürsten und der Universität willen, was ich anders wo ausschütten würde wider die Verwüsterin der Schrift und der Kirche, Rom, oder besser wider Babel. Es läßt sich, mein Herr Spalatin, die Schrift und Wahrheit der Kirchen nicht handeln, man erzürne denn dieses Thier; darum hofft nicht, daß ich ruhig und ungekränkt bleiben werde, ihr wollt denn, daß ich mich gar der Theologie begebe. Laßt darum die guten Freunde denken, ich fei närrisch worden. Diese Sache, wo sie aus Gott ist, wird kein Ende haben, es verlassen mich denn, wie Christum seine Jünger und Freunde, alle meine Freunde; dann wird die Wahrheit allein bleiben und sie wird sich helfen mit eigener Hand, nicht durch meine, nicht durch deine, nicht durch irgend eines Menschen Hand; und diese Stunde habe ich von Anfang an gesehen.

Wenn ich zu Grunde gehe, wird von der Welt darum nichts verloren gehen. Die Wittenberger haben Gott Lob! schon soviel gelernt, daß sie meiner nicht mehr bedürfen. Was meint ihr? Ich Armer fürchte nur, daß ich nicht werth sei, um solcher Sachen willen zu leiden und getödtet zu werden: für solch Glück werden bessere Leute sein müssen, als ein so schändlicher Sünder. – Ich habe euch oft gesagt, daß ich bereit sei diesen Ort zu verlassen, wenn es schien, daß der Churfürst aus meinem Hiersein einige Gefahr hätte. Es muß doch einmal gestorben sein. Eiligst.

Martin Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Friedrich von Sachsen an Spalatin

30.9.1519

Dem wirdigen, unsern Capellan und lieben andächtigen Herrn Jörgen Spalatin, Thumherrn zu Aldenburg rc. rc.

Von Gots Gnaden Fridrich, Herzog zu Sachsen, Churfürst und Vicarius. Unsern Gruß zuvor! Wirdiger, lieber Andächtiger! Wir geben euch genädiger Meinung zu erkennen, daß uns heut ein Schrift von Er Karl von Miltitz zukommen ist, an Doctor Martinus lautend, die wir euch uberschicken, Doctor Martinus zu uberantworten, und euch nit verhalten, daß er uns darneben auch geschrieben und angezeigt, wie er Doctor Martinus zu ihme gein Liebenwerdt bescheide. Nu können wir nit wohl achten, was er mit ihme handeln magk. Doch bedenken wir, daß Doctor Martinus nit zu weigern noch abzuschlahen sei, zu ihme zu kommen. Darumb wu es Doctor Martinus, deßgleichen ihr auch für gut ansehen werdt, so wollet dem Doctor sagen, daß er Ern Karl, wann er zu Liebenwerdt zu sein gedächt, ein Tag zuschreiben wollt, und uns den Brief bei diesem Boten zusenden, so wollen wir den fürder Ern Karln gen dem Scharffensteyn schicken. Nachdem ihr auch wißt, daß sich Er Karl hat vernehmen lassen, daß er zu unserm Freund, dem Erzbischof zu Trier, wollt, und daß wir ihme darauf einen Brief an gedachten unsern Freund mitgäben, als hat sich Er Karl zu Aldenburg vernehmen lassen, daß er erstlich mit Doctor Martinus handeln, und dann unsern Brief wieder von dem von Miltitz fordern, so werden die Sachen vielleich ein ander Meinung gewinnen, dann in der Schrift vermeldt und angezeigt worden. Das wollen wir euch nicht verhalten, denn euch zu Gnaden sind wir geneigt. Datum zu Lochaw, am Freitag St. Hieronymus-Tag, Anno Dom. XVCXIX.

Fridericus.

Quelle:
Dr. Martin Luthers sämmtliche Werke.
Briefwechsel
Bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Dr. th. Ernst Ludwig Enders
Zweiter Band.
Briefe vom April 1519 bis November 1520
Calw & Stuttgart
Verlag der Vereinsbuchhandlung
1887

Luther, Martin – An Georg Spalatin (7.2.1519)

– Uebrigens hat unser Eck das ruhmsüchtige Thierlein einen Zeddel ausgegeben und will nach Ostern zu Leipzig disputiren: aber dieser unredliche Mensch um seinen wider mich längst gefaßten Groll auszulassen, stürzt auf mich und meine Schriften, nennt einen Andern den Widersacher und gegen mich, als der den Handel hat, geht er los. Mich verdrießt die schandliche Tücke dieses Menschen, drum hab‘ ich auch selbst wider ihn Entgegnungen aufgesetzt, wie ihr aus diesem Bogen sehen werdet. So wird Eck vielleicht die Gelegenheit, daß die Sache, die bisher nur wie im Spiel betrieben worden, ernstlich gehandelt und der römischen Tyrannei übel gerathen wird.

Gehabt euch wohl im Herrn. Am Tage nach Dorotheen (7. Februar 1519).

Br. Martin Luther,
Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Spalatin (2.9.1518)

Heil! Ihr schreibt, mein lieber Spalatin, es wären einige, die unsern Durchlauchtigsten Fürsten bei Himmel und Erde anzuschwärzen suchten; Lieber, was für Ungeheuer sind das? Ich wünsche von Herzen, daß das um meinetwillen nicht geschehe. Wie ich immer gesagt habe, so sage ich noch. Ich begehre nicht, daß unser unschuldigster Fürst hierinnen das Geringste thue und meine Sätze vertheidige, sondern daß ich Allen dargeboten und vorgeworfen werde, die wider mich handeln oder schreiben wollen. So hoffe ich, daß er thun werde, es sei denn, daß er ohne seine Ungelegenheit Gewalt wider mich verhindern könnte. Kann er das nicht, so soll alle Gefahr mein sein. Ich hoffe, daß ich das, was ich zu vertheidigen vorgenommen, schön vertheidigen werde, zu Trotz, wie ich mit Christi Hülfe rühmen darf, aller Tomisten Meinungen. Werde ich auch der Gewalt weichen müssen, so doch der Wahrheit ohne Schaden. –

Gehabt euch wohl im Herrn und laßt euch den Philippus, den vortrefflichsten Griechen und gelehrtesten Mann, aufs beste befohlen sein. Sein Auditorium ist voll Zuhörer, zumeist alle Theologen, die besten mit den mäßigen und geringsten macht er begierig nach der Griechen Sprach und Weise.

Wittenberg am 2. September im Jahr 1518.

Bruder Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Spalatin (31.8.1518)

Dem Hochgelehrten und trefflichen Georg Spalatin, des Herzog zu Sachsen Bibliothecario, meinem treuen Freund in Christo. Heil!

Was ihr von unserm Philippo schreibt und erinnert, ist Alles geschehen und wird geschehen, wie ihr nicht zweifeln werdet. Er hat den vierten Tag darauf, als er angekommen, eine sehr gelehrte und zierliche Rede gehalten mit solchem Beifall und Bewunderung Aller, daß ihr weiter nicht daran denken , dürft ihn uns anzupreisen, denn schon haben wir Meinung und Ansehen von seiner Person und seinem Geist zur Seite gelegt und freuen uns und bewundern die Sache selbst in ihm und danken dafür dem Durchlauchtigsten Fürsten und eurem hierin geleisteten Dienst; aber sehet ihr darauf, mit welcher Kunst man ihn dem Fürsten am meisten anpreise.

Ich begehre, so lange er lebt, keinen andern Lehrer im Griechischen. Nur fürchte ich, daß seine zarte Leibesart etwa unsere Speise nicht vertragen könne, sodann daß ich höre, er sei mit zu geringem Sold berufen worden, so daß die Leipziger schon prahlen und hoffen, sie wollen ihn uns mit nächstem wegholen. Denn sie haben schon um ihn geworben, ehe er zu uns gekommen ist. Ich und viele Andere mit mir fürchten, der Herr Pfeffinger werde auch hierin nach seiner Art gegen des Fürsten Beutel einen allzu sparsamen und treuen Haushalter haben abgeben wollen. Darum, mein lieber Spalatin, daß ich recht frei, das ist mit meinem besten Freund rede, so sehet zu, daß ihr nicht seine Person und Alter verachtet, der Mann ist aller Ehren werth. Denn ich wollte nicht gern, daß wir und unsere Universität ein so gröblich Ding begangen, dadurch wir den Neidern Anlaß gäben uns übel nach zu reden.‘

Ich schicke euch mein waschhaftes Gewäsch und eilig hingeschriebene Einfälle wider den rechten, wilden und bauerhaften Sylvestrum, meinen sophistischen Widersacher. Denn ich habe ihn nicht werth geachtet wider den ich mir den Kopf zerbräche und großen Fleiß brauchte bei seinen so leichten Schlüssen, die Wasserblasen gleichen. Daß ihr für mich und meine Sache sorget, dafür danke ich Gott und euch. Gehabt euch wohl und liebt mich in Christo. Den 31. August 1518.

Bruder Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Spalatin (15.2.1518)

Heil! Wie ihr mir schreibt oder vielmehr vorschreibt, daß ich thun soll, das thue ich, mein werthester Spalatine! und danke durch euch dem durchlauchtigsten Fürsten für das schöne, ja ganz fürstliche Wildpretfleisch, das er unsern neuen Magistris geschenkt hat; ich habe auch erzählt, daß es der Fürst allen verehret. Es hat mir aber gar sonderlich und am allermeisten das Gemüth dieses gnädigsten und mildesten Fürsten gefallen, weil auch der Mensch einen fröhlichen Geber lieb hat.

Ihr fügt wiederum zwei kleine Fragen an. Die eine: Was einer, der opfern oder sonst ein gut Werk thun will, für Absicht oder Gedanken haben müsse? Ich antworte kürzlich: Den Gedanken der Verzweifelung und der Zuversicht muß man bei jedem Werke haben. Der Verzweifelung nämlich, dein und deines Werkes halber: der Freudigkeit aber, Gottes und seiner Barmherzigkeit wegen. Denn so spricht der Geist: „Der Herr hat Gefallen an denen, die ihn fürchten und die auf seine Barmherzigkeit hoffen.“ Die andere Frage war von der Kraft des Ablasses, was er vermöge. Diese Sache ist noch zweifelhaft und mein Streit davon hängt noch unter den Lästerungen: doch will ich zwei Dinge sagen. Das eine euch und unsern Freunden heimlich, bis die Sache kund werde: daß es mir dünke, es sei mit dem heutigen Ablaß nichts als Täuscherei der Seelen und daß er gar für Niemand tauge, als für die, so auf dem Wege Christi faul sind und schlafen.

Das andre, welches ganz unstreitig ist, und welches auch meine Feinde gestehen müssen und die ganze Kirche, ist nämlich, daß Almosen und Gutthat gegen den Nächsten unendlich besser sei, als Ablaß. Darum rathe ich euch, daß ihr keinen Ablaß kaufet so lang ihr arme und dürftige Nächste findet, denen ihr geben könnet, was ihr für den Ablaß geben wolltet. Wenn du anders thust, so bin ich entschuldigt und liegt es au dir. Ich glaube gewiß, daß der Zorn verdiene, der den Armen verläßt und Ablaß kauft.

Eins will ich Euch melden, was mir sehr wehe thut, nämlich: eben die Zungendrescher und andre mit haben jetzt eine neue Rüstung erdacht und bringen überall aus, unser durchlauchtigster Fürst stecke hinter Allem, was ich thue, als ob ich durch ihn bewogen sei den Erzbischof von Magdeburg verhaßt zu machen. Lieber! rathet, was hierbei zu thun. Denn daß der Fürst meinethalben in Verdacht kommen sollte, thut mir herzlich leid, und daß ich an der Uneinigkeit zwischen so großen Fürsten schuld haben sollte, davor erschrecke und fürchte ich mich. Das will ich gerne leiden, daß mich der Fürst zu einer Disputation oder einem Gericht – wenn mir nur öffentlich Geleit gegeben wird -, darbiete: nur mögen sie den unschuldigen Fürsten nicht meinetwegen verhaßt machen. Was sind das für Ungeheuer und ein Volk der Finsterniß, dem Lichte feind! Den Johann Reuchlin haben sie über drei Länder weit gefunden und wider Willen hergezogen. Mich, der sie vor der Thüre dazu bittet und fleht, mögen sie nicht und plaudern das in Winkeln, was sie wohl sehen, daß sie nicht vertheidigen können. Aber lebt endlich wohl und verzeiht mir, daß ich zu viel und lange Worte gemacht, denn ich habe mit einem Freunde zu thun gehabt. Aus unserm Kloster den 15. Februar 1518.

Br. Martin Eleutherius, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Spalatin. Aus dem Lateinischen. Wittenberg den 18. Januar 1518

Segen von Jesus Christus zuvor! Bester Herr Spalatin! Die Auskünfte, die Ihr bisher von mir begehrt habt, war ich fähig oder vermessen genug, zu erteilen. Wenn Ihr aber nun einen Wegweiser für die Durchforschung der Heiligen Schrift verlangt, so geht das weit über meine Kräfte; suche ich doch für mich selbst vergebens einen Führer in diesem unwegsamen Gebiete. Denn jeder denkt darin anders, und besonders gilt das gerade von den gelehrtesten und klügsten Köpfen. Da habt Ihr z.B. Erasmus, der dem heiligen Hieronymus diese Bedeutung in Theologie und Kirche öffentlich zuspricht und ihn allein gelten lassen will.

Wenn ich nun meinerseits den heiligen Augustin gegen ihn ausspiele, so wird man meine Entscheidung nicht allein wegen meiner Zugehörigkeit zu seinem Orden leicht als ungerecht verdächtigen, sondern auch wegen des verbreiteten und schon längst eingebürgerten Ausspruchs des Erasmus, “ es wäre die größte Schamlosigkeit, wolle jemand Augustin mit Hieronymus vergleichen.“ Auch andere Gelehrte haben ihre besondern Anschauungen in diesem Punkt. Ich selber möchte in Anbetracht meines geringen Wissens und meiner geringen Begabung nicht wagen, über so wichtige Fragen neben so maßgebliche Entscheidungen eine eigene zu stellen. Und schließlich hält mich von einer freien Aussprache meine Gewohnheit zurück, vor Männern, welche die wahre Wissenschaft aus Vorsatz hassen oder ihr aus Trägheit fremd sind – und wer gehört nicht zu diesem Kreis? – den Erasmus mit hohem Lob zu erheben, und ich hüte mich mit aller Kraft und allem Fleiß, mit Dingen herauszuplatzen, über die ich andrer Meinung bin als er, damit kein Wort von mir ihre Mißgunst gegen ihn verstärken soll. Wiewohl sich nun bei Erasmus vieles für die Erkenntnis Christi Unwesentliche findet – um als Theologe und nicht als Grammatiker zu urteilen -, so würde doch auch Hieronymus selbst, dessen Preis Erasmus mit so lautem Heroldsruf ertönen läßt, nirgends etwas Gelehrteres und Geistvolleres zu sagen wissen. Darum würdet Ihr Eure Freundespflicht verletzen, wolltet Ihr die Meinung, die ich über Erasmus hier ausspreche, irgend einen Dritten wissen lassen. Dies fordere ich mit gutem Bedacht von Euch. Ihr wißt, es gibt viele, die mit allem Fleiß nach Gelegenheit suchen, die wahre Wissenschaft zu schmähen. Haltet meine Worte also geheim und schenkt ihnen auch nicht eher Glauben, als Ihr selber gelesen und geprüft habt. Wollt Ihr aber auch meine eigene Methode durchaus kennen lernen, so will ich Euch als meinem besten Freund unter der einen Bedingung nichts vorenthalten, daß Ihr mir nur nach eigner Prüfung darin folgt.

Zunächst ist unbedingt sicher, daß weder Fleiß noch Verstand zum vollen Verständnis der Heiligen Schrift ausreicht. Darum ist Eure vornehmste Pflicht, mit Gebet anzufangen und zu flehen, wenn es dem Herrn gefalle, durch Euch etwas zu seiner und nicht zu Eurer oder eines Menschen Ehre auszurichten, so möge Er Euch aus seiner großen Barmherzigkeit das rechte Verständnis seiner Worte verleihen. Denn es ist kein Meister der Worte Gottes, als der sie selbst gesprochen hat, wie Christus sagt: „Sie werden alle von Gott gelehret sein.“ Ihr müßt also an der Macht Eures eigenen Fleißes und Verstandes verzagen und lediglich auf die Wirkung des göttlichen Geistes bauen. Trauet mir; ich habe es erfahren. Hat dann aber diese demütige Verzweiflung bei Euch festen Fuß gefaßt, lest die Bibel vom Anfang bis zum Ende hindurch und prägt Euch zunächst den einfachen Gang der Ereignisse ein. Bei dieser Aufgabe, die Ihr gewiß schon längst gelöst habt, bietet der heilige Hieronymus sowohl in seinen Episteln wie in seinen Kommentaren eine treffliche Hilfe. Dagegen zur Erkenntnis Christi und der göttlichen Gnade, d.h. zum tieferen Verständnis des geistlichen Inhalts, scheinen mir Augustin und Ambrosius bei weitem dienlicher, vor allem da Hieronymus sich durch Origines zu sehr zu allegorischen Deutungen verleiten läßt. Ich möchte dies unbeschadet dem Urteil des Erasmus ausgesprochen haben; begehrtet Ihr doch nicht seine, sondern meine eigene Meinung zu hören.

Den Anfang würdet Ihr, wenn Euch mein Lehrplan zusagt, mit des Augustin Buch „vom Geist und Buchstaben“ machen, das Karlstadt, unser unvergleichlich arbeitsamer Freund, jetzt mit trefflichen Erläuterungen herausgegeben hat; dann folge die Schrift gegen Julian; desgleichen die gegen die zwei Briefe der Pelagianer. Von Ambrosius käme die Schrift von der Berufung aller Völker hinzu, die zwar nach Stil, Geist und Zeitrechnung einem andern Verfasser zugehören muß, aber doch voller Gelehrsamkeit ist. Das Weitere später, wenn Ihr an dem Genannten Freude gefunden habt und mir die Kühnheit verzeiht, mit der ich auf einem so schwierigen Gebiet über die bedeutendsten Gelehrten hinauszugehen wage.

Des Erasmus Verteidigungsschrift werde ich Euch zusenden. Ich bedaure sehr, daß unter den ersten Fürsten der Wissenschaft ein so mächtiger Streit entbrennen mußte. Ist Erasmus auch weit überlegen und schreibt er auch viel besser, so ist sein Ton doch auch reichlich bitter, wie sehr er sich auch bemüht, die Freundschaft zu wahren.

Lebt wohl.

In unserem Kloster am Tage St. Priscae 1518. Ihr sehr, daß ich Euch noch am selben Tage antworte.

Bruder Martinus Eleutherius

Staupitz hält sich in München auf, wie ein Brief beweist, den ich soeben daher von ihm empfing.

Quelle:
Martin Luther Briefe In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald Erster Band Leipzig / Im Inselverlag / mdccccix

Luther, Martin – Seinem lieben Spalatin auf dem Schloß (1517)

Ende August 1517

Heil! Kommt doch, ihr und der Beichtvater mit seinem Freund nach neun Uhr. Wenn Herr Christoph, der Gesandte bei euch ist, so bringet ihn mit, sonst hat unser Otto schon von mir Befehl ihn einzuladen. Gehabt euch wohl. Seht aber auch zu, daß ihr uns Wein verschafft, denn ihr wisset wohl, daß ihr vom Hofe zum Kloster und nicht vom Kloster zu Hofe kommen werdet.

Bruder Martinus Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Spalatin (3.4.1517)

Jesus.

Heil! Weil mir gute Leute gesagt haben, lieber Herr Magister, daß ihr Macht hättet Namens des verstorbenen Dr. Reuther Kleidung oder Tuch für Arme auszutheilen: so hat man mich ersucht für einen jungen Menschen, genannt Wolfgang, dem auch wir um Gottes Willen Kost geben, bei euch zu bitten. Es ist ein ehrlicher Bursch, voller guten Hoffnung und Treue. Darum, wenn Andere ihm nicht zuvor gekommen sind und ihr seiner, vielmehr unserer Armuth helfen wollt, so seht ihr hier eine schöne Gelegenheit vor euch. Doch ich will euch nicht hart anliegen, weil ich versichert bin, ihr werdet von euch selbst thun, was gut ist. Gehabt euch wohl. Eilig aus unserm Kloster. Freitag nach Judica (3. April) 1517.

Bruder Martinus Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867