Luther, Martin – An Georg Spalatin (1523)

An Georg Spalatin

Dem Beamten von Alstädt bat ich, da er bey mir war, daß er vor Münzers des Propheten Geist sich bewahre. Was unterdessen mag geschehn seyn, weis ich nicht. Ich kann einmal einen solchen Geist, wer er auch sey, nicht ertragen. Der Mensch lobt, wie seine Schriften zeugen, meine Lehre, und verachtet sie dennoch, und sucht Gerippe dafür auf. Dann redet und betet er in so abgeschmackten, nicht schriftmässigen Ausdrücken, daß man ihn für einen Wahnsinnigen und Trunkenbold halten mögte. Er flieht mich und eine Unterredung mit mir, und prahlt sich doch über die Maße. Ich ersuchte daher den Beamten, er mögte darauf dringen, daß der Mensch über seine Lehre mit uns conferire. Ich weis nicht, ob er etwas ausrichten wird. Unser Geist ist nicht so, daß er sich scheue, geprüfet zu werden und auch mit allen bösen oder guten Geistern sich in Unterredung einzulassen. Lebet wohl und betet für mich.

Wittenberg an Stephani. 1523 [26.12.]

Euer
Martin Luther

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.