Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (559)

Nr. 559 (C. R. – 2856)

Ein Dominikaner von Besancon hatte in Pruntrut im Berner Jura eine Schmähpredigt gegen Farel, Viret und Calvin gehalten; nun wollte Farel ihn deswegen gerichtlich belangen lassen und zwar sollten die Berner und Genfer Behörden sich beim Bischof von Besancon beschweren; in Bern hatte man ihm versprochen, deswegen zu schreiben; nun meinte er, Genf solle Calvin als Gesandten nach Besancon senden.

Keine unnötigen Händel!

Deinen Wunsch dem Rate vorzulegen, habe ich gar nicht gewagt, und weiß auch nicht einmal, ob es nützlich wäre, es zu tun; denn die Macht Genfs ist nicht so groß, dass sie mehr vermöchten als die Berner. Diese beschweren sich schriftlich; wenn nun von hier ein Gesandter geschickt würde, müsste man befürchten, der Bischof wiese ihn hochmütig ab. Wenn ich mich beklage, man habe mich schändlich verleumdet, so werden sich die Richter gleich von vornherein verwundern, weshalb ich, der ich mich täglich dicht vor den Toren Genfs einen Ketzer schelten lassen muss, solche Schmähungen ganz außer acht lasse, aber eine Reise von vier Tagen mache, um ein Mönchlein zu belangen. Tatsächlich, was du auch hoffen magst, ich fürchte wenn nicht eine schmachvolle Abweisung, so doch allerlei indirekte Spötteleien, mit denen es die Gegner leicht haben, uns zu verhöhnen. Dazu sehe ich nicht ein, wozu mir, selbst wenn wir die Erlaubnis erhielten, einen neuen Streit anfangen sollen; denn wenn ich verachtet werde, so geschieht damit Gottes Ehre kein Abbruch. Ich will nicht mehr sagen, damit ich nicht alte Wunden im Herzen wieder aufreißen muss. Nur wundere ich mich, dass du gar nicht erwogen hast, wie die Berner Nachbarn nichts lieber hätten, als mich durch versteckte Ränke unterzukriegen; kein angenehmeres Schauspiel könnte es für sie geben, als wenn ich beschämt heimkäme. Ich möchte dich also bitten, mich damit zu verschonen; ja wenn ich auch nur noch ein Fünklein gesunden Urteils habe, so kommts mir vor, es stehe eben jetzt auch Viret nicht an, sich in diesen Handel hineinziehen zu lassen. Siehst du denn nicht, dass die Berner diesen Streit auf jede Weise schlichten wollten, damit sie, die Feinde der Ordnung und Kirchenzucht, nicht auch genötigt würden, das Übel im Innern zu heilen? Ich habe als Knabe gelernt und werde es nie vergessen:

Nicht mindre Kunst als zu erwerben
Ist es, Erworbnes nicht verderben.
Wollte ich jetzt zerstören, was Hoffnungsvolles aufgeht, wenns auch noch recht wenig ist, so wüsste ich dazu kein besseres Mittel, als diese Gesandtschaft zu verlangen. So will ichs denn lieber unterlassen, wenn du mir Ruhe lässest. Den Eigensinn unserer Parteifreunde in der Ablehnung eines Religionsgesprächs beklagst du nicht grundlos; aber weil ich sie als so hartnäckig kenne, habe ich beschlossen, kein Wort mehr davon zu reden. Ladet man mich ein, so gehe ich ans Religionsgespräch; sie mögen dann mitkommen, wenn sie wollen. Schädlich wird wohl auch nach ihrer Meinung die Freiheit des Handelns nicht sein, die ich mir vorbehalte. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr leite dich stets; er behüte und segne dich. Die Syndics und viele Freunde lassen dich herzlichst grüßen. Ich lasse auch deine Kollegen und die übrigen Freunde vielmals grüßen.

Genf, 22. April 1558.
Dein
Johannes Calvin.