Nr. 567 (C. R. – 2893)
Der evangelische Pfarrer La Roche-Chandieu [vgl. 556 ] in Paris war gefangen, aber durch die Fürsprache des Königs von Navarra, der ihn als zu seinem Gefolge gehörend bezeichnete, wieder freigelassen worden.
Das Evangelium am französischen Hof.
Wie unser lieber La Roche-Chandieu am Tag nach seiner Verhaftung vom König von Navarra wieder befreit worden ist, brauche ich nicht ausführlich zu erzählen. Es war bekannt, dass er aufs Geratewohl ergriffen worden war und mehr mit bloßen Vermutungen als mit gültigen Zeugnissen belastet werden konnte. So hat denn der sonst so kleinmütige Mann auf Betreiben der Evangelischen es gewagt, ihn frei zu bitten, als ob er zu seinem Gefolge gehöre; er selbst ging ins Gefängnis, um den Verhafteten herauszuführen. So sehr uns dieser an sich gute Bericht erfreut, so sehr ängstigt er uns andrerseits auch wieder, denn wahrscheinlich hat es gleich darauf wieder neue traurige Geschichten gegeben; es ist nämlich allen königlichen Beamten befohlen worden, in den Fronleichnamsprozessionen hinter dem Gott aus Brot herzuziehen, was wohl nicht alle tun werden. Freilich findet sich bei Leuten dieser Art stets irgendeine unlösbare Verschlingung mit der Welt. Ganz wenige schauen wie Abraham einfach auf Gott; viele sagen wie Lot, als er Sodom verließ: Ach, nein, Herr, ich kann mich nicht auf den Berg retten [1. Mose 19, 17 – 19]. Aber so klein die Zahl der Mutigen in diesem Stande ist, umso herrlicher zeigt sich die Hand Gottes, wenn er sie würdigt, sie irgendwie ihres doppelten Pelzes zu entkleiden, nämlich ihrer natürlichen Gemütsart und dazu noch ihrer Angst für ihre glänzende Stellung. Doch ich schreibe mehr, als ich wollte; es sollte eigentlich nur der Brief nicht ganz ohne ein Wort von mir an dich gehen. Lebwohl, bester trefflichster Bruder, samt den übrigen Kollegen. Der Herr leite, behüte und segne Euch alle bis ans Ende.
Genf, 18. Juni 1558.
Dein
Johannes Calvin.