Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (126).

Die erwähnte Neuwahl der Genfer Behörden brachte zwar Anhänger Calvins ans Ruder, denen er aber doch nicht recht traute. Der Stadtseckelmeister Corne demissionierte, weil er die Finanzwirtschaft des Rates, der ein Defizit von 10 000 Talern gemacht, nicht verantworten wollte.

Über die Genfer Wahlen.

Da schau, wie wenig ich mich meiner Faulheit schäme. Ich habe ein Mittel gefunden, mich der Mühe des Schreibens zu entheben. Ich schicke dir [nämlich einfach] je eine Kopie der Briefe, die ich an Luther und Philippus schrieb, damit du daraus ersiehst, weshalb ich Claude zu ihnen sandte. Ich füge noch als dritte Kopie dazu, was ich dem Mann schrieb, der mich darum gebeten hatte. – – –

– Wenn ich unsre hiesigen Verhältnisse bedenke, so habe ich sicher Sorgen übergenug. Denn ich muss wie gewöhnlich gegen im Dunkeln schleichende Heuchelei kämpfen. Amblard Corne hat durch seine Demission als Stadtseckelmeister den Rat aufgeweckt. Denn er hat dadurch vors Volk gebracht, was im unzugänglichsten Innern des Rathauses heimlich vorgegangen war. Weil man den Verdacht hegt, es sei das nicht ohne mein Wissen geschehen, so wagt man zwar nicht, offen zu schelten, ja sogar nur ein Zeichen der Entrüstung zu geben, aber ich sehe doch, wie erzürnt man ist. Ich habe auch schon in fast zehn Predigten die Verhältnisse unserer innern Stadtpolitik durchgenommen. Doch was soll ich mich in die Schilderung dieses Wirrsals einlassen? Komm selbst und sieh dir an, was du vom Hörensagen doch nicht richtig kennen lernen kannst. Als Syndics sind gewählt Amedee Curtet, Perrin, Dominique Arlot und Jacques von Thonon. In den Rat wurden dazu gewählt Louis Bernard, Pierre Verne und zwei andere. Sie selbst wollen, dass man von ihnen das Beste hoffe. Ich weiß aber nicht, was ich hoffen soll. Denn unter dem Schein des Christentums wollen sie doch ohne Christum regieren. Lebwohl, mein Bruder und im Herrn geliebter Freund. Alle Unsrigen grüßen dich und dein Haus. – –

Genf, 12. Februar 1545.

Dein

Johannes Calvin.