Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (638)

Nr. 638 (C. R. – 3254)

Bernard Bochetel, Bischof von Rennes, weilte als französischer Gesandter in Deutschland. Papst Pius IV., (Giovanni Angelo Medici), gab dem Herzog von Urbino das ihm von Paul III. abgenommene Camerino zurück; dem Herzog von Florenz, Cosimo Medici, suchte er nach Meinung seiner Zeitgenossen bei der Aufrichtung eines Königreichs Etrurien zu helfen. Auf den Dezember 1560 berief er das Konzil zu Trient wieder ein, doch wurde es erst 1562 eröffnet. Jean de Monluc war Bischof von Valence. Marillac, Erzbischof von Vienne, war einer der Prälaten, die die Notwendigkeit einer kirchlichen Reformation einsahen und dafür arbeiteten; er stellte an der Notabelnversammlung zu Fontainebleau den Antrag auf Einberufung eines Nationalkonzils. Admiral Coligny war seit dem Frieden von Chateau-Cambresis wieder frei. In Lyon war die Verschwörung Ferrieres de Malignys entdeckt worden (vgl. 636). Zur Nachschrift vgl. 623.

Von italienischer Politik und der Notabelnversammlung in Fontainebleau.

Dass dein Brief an unsern lieben Beza schon längst mir übergeben worden ist, habe ich dir, verehrter Bruder, gemeldet. Auch den an mich habe ich von unserm Nachbarn, dem Belgier, erhalten – fünf Tage nach seiner Ankunft hier. Da ich von dem guten jungen Mann, dem du Aufträge an mich gegeben hast, (es ist der aus dem Aosta-Thal, der seinem Vater und seinem Herzog entflohen ist), erfahren hatte, du habest schon zwei Tage vor seiner Abreise geschrieben, so empfing ich den Boten nicht gerade freundlich. Er hatte wirklich keine Entschuldigung vorzubringen, da ich jeden Tag morgens gepredigt und nachmittags Vorlesung gehalten hatte. Aber ich bin an die Dummheit dieses Volkes längst gewöhnt, und da sie unsere Nachbarn sind, so wage ich nicht allzu scharf von ihnen zu reden; denn auch ich bin belgischen Stammes, obschon man aus dem verschiedenen Wohnort auf einen großen Unterschied schließen könnte. Doch das ist Spaß; denn wir sind uns alle nur zu ähnlich.

Doch nun zu deinem Brief. Was der französische Gesandte in Deutschland zu tun hat, haben kluge Leute schon bei seiner Durchreise gemerkt; denn man sah, dass die für die Gesandtschaft angegebenen Gründe ganz bedeutungslos waren. Die Guisen haben nur den einen Vorsatz, alles durcheinander zu bringen, um möglichst viele mit sich in die Sache hineinzuziehen. Was du von ihren bisherigen Umtrieben erzählst, ist jedenfalls wahr, und ich zweifle nicht daran; aber Gott hat auch allerlei Mittelchen, sie an weiterem zu hindern. Denn der Kaiser möchte das Herzogtum Mailand für seinen Sohn, den König von Böhmen, erwerben, damit dieser auch ein Erbgut bekommt. Zwei Töchter hat er schon in Italien verheiratet, wie du weißt, die eine mit dem Sohn des Herzogs von Florenz, die andere mit dem von Mantua; dieser letztere ist sein williger Nachbeter. Der andere aber, der den Papst lenkt, wie er will, und sich seines Königreichs Etrurien so bemächtigt hat, dass alle seine Nachbarn, erschreckt durch seine Macht, nichts zu sagen wagen, strebt nun noch höher. Venedig, Ferrara und andere schließen sich ihm an; jedes hat seine eigenen Zwecke im Auge. Der Anfang der Geschichte war, dass das Herzogtum Camerino widerrechtlich seinem rechtmäßigen Besitzer entrissen worden sei; den hat nun der Papst wieder eingesetzt. Weil aber der apostolische Stuhl bei diesem Tausch zu kurz gekommen ist, will er Piacenza und Parma wiederhaben und merkt nicht, dass dieses Geplänkel zu einem ernsten Kampfe werden kann. Und doch soll all das das Vorspiel zu ökumenischen Konzile sein! Ich lasse es gerne so gehen, und auch du wirst nichts dawider haben. Wenn du also schriebst, der Vater im Himmel werde ihre blutdürstigen Pläne zunichte machen, so glänzt bereits ein Funke dieses Hoffnungslichtes. Wir müssen eben die Höhe blicken; die Hauptsache ist, dass, wenn wir bisher wie starr gewesen sind, Gott uns nun aus unsrer Trägheit aufrütteln will.

Statt dass ich dir nun erzähle, was schwer zu erkennen ist, magst du aus der Klageschrift, deren an uns gesandtes Exemplar ich beilege, ersehen, wie kläglich und jammervoll die Lage Frankreichs ist. Du wirst lachen, dass ich dir ein französisches Büchlein aufdränge, doch hast du wohl schon Dolmetscher zur Hand, die dir seinen Hauptinhalt auseinandersetzen können. Da wirst du von den wunderlichen Ränken des Hauses Guise hören. Im Übrigen wirst du meine Kürze verzeihen, denn ich fände kein Ende, wenn ich tiefer in das Gestrüpp eindringen wollte. Kürzlich sind alle Notabeln des Reiches nach Fontainebleau, zwei Tagereisen von Paris, geladen worden. Von den Prinzen königlichen Geblüts war niemand anwesend außer dem Bruder des Königs von Navarra, dem Kardinal Bourbon, der ein Weinfass oder eine Bouteille in Menschengestalt ist. Die Guisen glaubten, der Versammlung einen besonderen Glanz verleihen zu können, wenn sie die Ordensritter vom so genannten St. Michaels-Orden in möglichst großer Zahl von überall her einberiefen. Es erschienen etwa dreißig, während vorher schon etwa zwölf da gewesen waren. Daher pries der Kanzler die Versammlung in hohen Worten als einen erlauchten Rat, in dem die ganze Macht Frankreichs liege, eine Einleitung von stinkender Schmeichelei; dann ging er über zu den Verhältnissen des Königreichs; da die Krankheit Heilmittel erfordere, müsse man die Ursache des Übels zu ergründen suchen. Er schloss seinen Bericht damit, dass er sozusagen ratlos die Versammelten als Ärzte um Hilfe anflehte. Verabredetermaßen fragte nun der König den Bischof von Valence, einen der geringsten seiner Räte, um seine Meinung. Die Guisen wollten nämlich die geheimen Absichten aller erforschen, um dann jeden einzelnen, wie es passte, angreifen zu können. Da erhob sich wider aller Erwarten der Admiral und überreichte dem König eine Bittschrift, in der die Evangelischen der Normandie, um Gott in Reinheit dienen zu können, baten, man möge ihnen gestatten, sich bei Tage zu versammeln, damit sie nicht länger dem verschiedentlichen bösen Geschwätz wegen ihrer heimlichen, nächtlichen Zusammenkünfte ausgesetzt seien. Auf die Frage, woher er diese Bittschrift habe, antwortete er, im öffentlichen Interesse habe er gewünscht, genau zu erfahren, was die Lutheraner eigentlich wollten. Es seien nahezu 50 000 Menschen, deren Unterschriften er vorlegen könne, wenn der König es wolle. In der ganzen Versammlung sprachen nur zwei tapfer, er und er Erzbischof von Vienne. Nach Anhörung aller, deren Mehrheit aus bloßem Stimmvieh bestand, äußerte sich der Herzog Francois de Guise in so zügelloser Frechheit, dass es anderswo nicht geduldet worden wäre. Als Beispiel seines Unsinns vernimm nur das eine. Der Admiral hatte gesagt, der barbarische Brauch, dass der König nicht bloß seine Leibgarde habe, sondern sich mit einem Heer umgebe, gefalle ihm nicht; auch zieme sich eine solche Erziehung nicht für Frankreich; ein junger Mann, wie der König, dürfe nicht zur Furcht vor seinem Volk erzogen werden, das er eigentlich mit Wohlwollen umfangen und hegen sollte. Da antwortete diese Verrückte, der König brauche keine Ammen und Pädagogen, nämlich wenn er auferzogen sei in der Fülle der Kraft (ich zitiere seine Phrasen bis auf die Silben genau!) und dann noch weitere Ausbildung brauche, so sei dazu ja seine Mutter da, die vollständig genüge. Er wagte auch zu sagen, wenn tausend Konzilien es anders beschlössen, so sei er doch gesonnen, am Brauch der Vorfahren festzuhalten. Sein Bruder, der Kardinal, meinte mit mehr Ernst und Scharfsinn, es sei umsonst, von irgendeinem Konzil eine Änderung in der Lehre zu verlangen, da es nicht erlaubt sei, in Diskussion zu ziehen, was früher vom heiligen Geiste ausgegangen sei; seien aber Unsitten in der Lebensführung vorhanden, so müsse man es den Bischöfen überlassen, hier freiwillig zu reformieren. Der Erzbischof von Vienne hatte ihn getroffen, als er sagte, es sei ein hässliches, schmähliches Zeichen von verwirrten Verhältnissen, wenn Bischöfe ihre Kirchen verließen und an die Fürstenhöfe gingen; auch hatte er den König dringend ersucht, die Gemeinden nicht unter dem trügerischen Vorwand des Staatsinteresses ihrer Hirten zu berauben. Daher sagte der Kardinal nun, es solle niemand durch gesetzlichen Zwang verpflichtet werden, sondern jeder solle freiwillig nach Belieben schalten dürfen. Du fragst nach dem Resultat? Der von Vienne ging nach Hause. Nachdem man doch noch vier bis fünf Tage mit nutzlosen Beratungen hingebracht hatte, wurde auf den Dezember eine Versammlung der allgemeinen Landstände angesagt. Eine Versammlung der Bischöfe wurde auf den 20. Januar festgesetzt, nicht zu irgendwelcher Beschlussfassung, sondern nur zur Besprechung der Gegenstände, die dem Konzil vorzulegen wären. Eine Ständeversammlung haben die Guisen bisher hartnäckig bekämpft; nun haben sie wieder Mut gefasst und besinnen sich auf Ränke, mit denen sie die verhöhnen können, die von der Ständeversammlung Besserung erwarten. Es wurde nämlich dem Beschluss die Einschränkung beigefügt, die einzelnen Provinzen möchten in von den Gouverneuren geleiteten Versammlungen vorberaten, was auf der Ständeversammlung zu behandeln sei, wobei ja keine freie Verhandlung möglich ist; dazu sollen auch die Abgeordneten unter dem Vorsitz derselben Gouverneure gewählt werden. So werden also erkaufte Schmeichler, nach dem Willen der Guisen ernannt, kommen. Welches frivole Spielen mit Worten die Prahlerei mit einem Nationalkonzil ist, siehst du aus dem Wortlaut der Ankündigung, die du dir von irgendeinem Freunde übersetzen lassen kannst. Indessen bricht überall die Wahrheit des Evangeliums hervor. In der Normandie predigen unsere Brüder öffentlich, weil Privathäuser Zuhörermengen von drei- bis viertausend Seelen nicht zu fassen vermögen. In Poiton und Saintonges, in der ganzen Gascogne ist die Freiheit noch größer. Languedoc, Provence, Dauphine haben viele wackere Jünger Christ. Der Kardinal hat ganz deutlich gesagt, warum er zögert; nämlich in kurzer Zeit müsse die Frechheit der Wahnwitzigen doch sich selbst verraten. Aber der Herr wird hoffentlich nicht nur seine frevelhaften Gedanken ans Licht bringen, sondern auch seine gottlosen Taten zunichte machen.

Der König von Navarra ist bis jetzt ruhig geblieben. Doch hegt man Verdacht, er habe etwas Großes vor. So wurde, als neulich in zehn Provinzen des Reiches die Garnisonen erneuert wurden, die Hauptmacht des französischen Heeres von den Guisen in die Gascogne verlegt, um ihn am Überschreiten der Pyrenäen zu hindern, wenn er sich etwa rühren sollte. Von Beza wissen wir schon lange nichts mehr, da der Weg gesperrt ist; in Lyon ist nämlich ein Waffenlager entdeckt worden. Nun hat man dort sehr Angst, und obgleich niemand sich widersetzt hat, glaubt man doch, in großer Gefahr zu sein; so hat der Schreck die Verfolgungswut entflammt. Es sind bereits einige gehängt worden, und wer von Genf kommt, wird ins Gefängnis geworfen und gefoltert, fast jeder ohne Unterschied. Von unserm Beza musst du wissen, dass er nicht von selbst nach Nerac gereist ist, sondern berufen durch ein Schreiben des Königs, in dem er mich freundlich und sehr dringend ersuchte, ihm den Gefallen zu tun. Ich glaubte den Wunsch nicht abschlagen zu dürfen, damit Beza teils die Unentschlossenheit rüge, teils den Aufruhrplänen vieler Leute entgegenwirken könne. Denn eine Entscheidung unserer Sache durch Waffengewalt hat mir nie gefallen wollen.

Doch ich will schließen, denn die Masse der Tatsachen ist zu groß, als dass ich sie in einem Brief bewältigen könnte. Dafür, dass Ihr den Knaben, die zur Ausbildung nach Zürich geschickt werden, für gute Lehrer und ehrbaren Familienanschluss gesorgt habt und Euch die Bemühung dafür nicht verdrießen ließet, lässt Euch unser Rat herzlich danken und wird zu Gegendiensten gerne bereit sein, wenn sich Gelegenheit bietet. Außer den vier Staatsstipendiaten sollen noch einige andere aus Privatmitteln geschickt werden, die ich Euch nicht weniger empfohlen haben möchte. Für dreie bin ich darum gebeten worden; da aber zwei, wie ich höre, schon Quartier haben, so möchte ich nun sehr gerne auch den dritten versorgt wissen; denn seine Mutter zeichnet sich durch außerordentliche Frömmigkeit aus und sein Vater ist wie ein lieber, vertrauter Freund; er heißt Michel Planchon. Verzeih, wenn ich, durch die Bitten anderer genötigt, dir mehr Mühe mache, als ich möchte. Lebwohl, berühmter Mann und hochverehrter Bruder. Viele Grüße an deine Brüder und Kollegen, sowie an die übrigen Freunde. Der Herr erhalte Euch alle stets gesund; er leite Euch mit seinem Geiste und segne Euer Wirken.

Genf, 1. Oktober 1560.
Dein Johannes Calvin.

Ich weiß nicht mehr, ob ich Herrn Wolf bereits für die Übersetzung des Tilemann´ schen Büchleins gedankt habe. Wenn dieser Schwätzer auch eine rügende Feder verdient hätte, so glaube ich doch, es ist besser, ihn mit Verachtung zu strafen.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (635)

Nr. 635 (C. R. – 3242)

Beza reiste im Auftrage Calvins nach Nerac zum König von Navarra.

Von den Vorgängen in Frankreich, den Genfer Stipendiaten und dem Tode Macards.

Wäre ich zur Zeit auf die Abreise dieses Boten aufmerksam gemacht worden, so könnte ich dir einen längern Brief schreiben; aber da ich müde von der Tagesarbeit nach dem Nachtessen schreibe, so musst du mir verzeihen, wenn ich mich kurz fasse, besonders da ich mich noch auf die morgige Predigt vorbereiten muss. Von den Unruhen in Frankreich sind jedenfalls bei Euch wie überall viele verschiedene Gerüchte verbreitet worden. Was die Mehrheit im Sinne hat, weiß ich nicht; was viele hoffen, will ich gar nicht schreiben, um mich nicht mit in ihre Torheit hineinziehen zu lassen. Beza hat auf meine Bitte eine beschwerliche, gefahrvolle und mit mancherlei Schwierigkeiten verbundene Reise angetreten; doch reut es mich nicht, ihn gesandt zu haben. Hätte ich mich nicht ins Mittel gelegt, so stünden nun weite Gegenden in wildem Feuer. Segnet Gott unsern Plan, so haben sie allen Grund, uns reichlich Glück zu wünschen. Was auch kommen mag, – alle Guten werden, wenn sie die Lage kennen, darin einig sein, dass wir nichts unüberlegt versucht haben. Unser Bestreben geht dahin, dass die Unsern keinen Tumult machen. Bisher haben wir schon viel erreicht, die Zukunft liegt in Gottes Hand. Indessen reißt allzu großes Selbstvertrauen die Unsern mit sich fort; denn sie besetzen, obwohl wir es immer verboten haben, Kirchen oder predigen auf öffentlichen Plätzen. Die Brüder, die wir ihnen sandten, entschuldigen sich damit, sie würden wider ihren Willen mitgerissen, oder auch, die Notwendigkeit zwinge sie dazu; denn für Gemeinden von 4000 Seelen genüge ein Privathaus nicht. Doch da ich keine Zeit mehr habe, bald mehr darüber!

Unser Rat hat mich beauftragt, an dich und die andern Brüder in einer sehr guten und Euch nicht unlieben Sache mit einer Bitte zu gelangen. Es ist nämlich beschlossen worden, auf Staatskosten vier Knaben nach Zürich zu schicken, damit sie dort dem Studium der freien Künste obliegen und Deutsch lernen sollen. Nach dem Zeugnis der Schulmeister sind die hoffnungsvollsten Schüler ausgewählt worden, und nun bitte ich Euch im Namen des Rats um die Gefälligkeit, ihnen Quartiere zu verschaffen, wo sie in frommer, ehrbarer Weise erzogen würden. Ich will aber nicht Euch damit zur Last fallen; nur weil ich mich fest darauf verließ, Ihr wäret wohl zu diesem Dienst geneigt, so trug ich keine Bedenken, von Euch, so weit es Euch passt, das zu verlangen, was Ihr wohl von selbst schon getan hättet. Ich möchte einmal recht ausführlich mit dir und den andern Brüdern allerlei verhandeln; aber ich muss es auf ein andermal verschieben, da ich durch anderes abgezogen wurde. Lebwohl, trefflicher Mann und von Herzen verehrter Bruder, samt den lieben Kollegen. Der Herr behüte Euch alle; er leite, bewahre und unterstütze Euch bis ans Ende. Ich kann von niemand Grüße beifügen, weil niemand weiß, dass ich schreiben wollte.

Genf, 6. September, einen Tag vor Abgang des Boten.
Dein Johannes Calvin.

Ich bin von großem Leid bedrückt durch den kürzlich eingetretenen Tod unseres sehr lieben Bruders Macard. Die Kirche ist eines treuen Pfarrers, wie eines sehr lieben Kollegen beraubt; ich persönlich habe den besten Bruder und fast mein halbes Selbst verloren; die ganze Stadt trauert; die tiefer Empfindenden hält schweres Leid befangen.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (623)

Nr. 623 (C. R. – 3197)

De La Renaudie war von Lausanne aus, wo er mit seinem Schwiegervater, de Rognac (vgl. 44), im Exil lebte, mit Calvin in Verbindung getreten. Der Zürcher Pfarrer Wolf übersetzte eine Schrift des Lutheraners Tilemann Hesshus gegen Calvin für diesen ins Lateinische.

Calvin und die Verschwörer.

Damit uns kein Streit entsteht, verehrter, liebster Bruder, will ich die Sache, die dir so unlieb ist, gar nicht berühren. Wenn nur unsere Übereinstimmung in Bezug auf die Hauptlehre fest und unangefochten bleibt, so mag jeder dem andern in Nebensachen ein freies Urteil erlauben. Ich suchte dich von etwas zu überzeugen, das ich für recht und nützlich hielt. Da aber nun schon Ärger daraus entstanden ist, so ists besser, damit aufzuhören. Nur auf eins will ich dich noch aufmerksam machen: auf die Affen Luthers setze ich schon längst keine Hoffnung mehr, und auch von Jakob Andreä und seinesgleichen ist nicht viel zu erwarten. Aber dass mit uns verbundene Brüder sich von barbarischer Tyrannei unterdrücken lassen müssen und nicht die geringste Hilfe von uns erlangen, schmerzt mich sehr. Denn meinst du nicht auch, dass viele im Stillen wünschen, wir möchten ihnen die Hand bieten, und nun sich von uns verlassen glauben? Doch ich will zu etwas anderem übergehen. Unbedenklich hast du die Schuld an den Unruhen in Frankreich von uns abzuwälzen versucht und durftest das auch mit gutem Gewissen tun. Als man vor acht Monaten begann, sich mit solchen Plänen zu befassen, setzte ich meinen ganzen Einfluss ein, ein weiteres Vorgehen darin zu verhindern. Allerdings ganz im geheimen und unauffällig, weil ich fürchtete, wenn nur ein Gerücht davon zu den Feinden dringe, so brächte ich alle Evangelischen in Gefahr, hingemordet zu werden. Ich glaubte, die leidenschaftlichen Pläne durch mein Eingreifen schon durchkreuzt und vernichtet zu haben, als ein Mensch, der bei mir sehr wenig gilt, aus Frankreich zu mir kam und sich rühmte, als Führer gewählt zu sein. Ich verwies ihm sofort solches Prahlen und sagte deutlich, ich weise eine solche Verschwörung mit Schauder weit von mir. Am folgenden Tag suchte dieser Hungerleider, der von allen Seiten Beute zusammenscharren wollte, einen reichen Freund in seine Netze zu ziehen und von ihm unter dem Namen eines Beitrages eine große Summe zu erpressen und log ihm dabei unverschämter Weise vor, ich missbillige die Verschwörung durchaus nicht, wolle es aber nur nicht offen sagen, um mir keinen Hass zuzuziehen. Als ich davon hörte, rief ich in meiner Empörung sofort meine Kollegen herbei und wies sein eitles Geschwätz scharf zurück; ja er gestand zu, schon in Paris erfahren zu haben, dass ich von diesem Plan nichts wissen wolle. Obwohl man nun überall wusste, dass er mir verdächtig war, so gewann er doch viele Freunde, schon durch seine Nähe, (er wohnte nämlich in Lausanne), und durch sein einschmeichelndes, verlockendes Wesen; so kams, dass er sozusagen in drei Tagen ganz Genf ansteckte. Viele, sowohl Adlige als Bürgerliche und Handwerker kamen zu heimlichen Beratungen zusammen; aber doch kam das Gerücht davon mir zu Ohren. Ich habe nun öffentlich und privatim kein Hel daraus gemacht, wie sehr mir diese Verschwörung missfiel. Als das nichts nützte, habe ich mich darüber beklagt, dass wir so wenig Ansehen hätten und man in einer so überaus ernsten Sache unsern Rat verachte. Hundertmal habe ich gesagt, es sei eine neue Art von Verhexung. Den traurigen Ausgang habe ich so vorausgesagt, dass viele ihre Torheit bereuten, als es zu spät war. Ich bitte dich also um deiner Freundlichkeit und unserer gegenseitigen Freundschaft willen, doch ganz ruhig fortzufahren in unserer Entschuldigung. Das übrige kannst du von Herrn Vermigli erfahren; das Kopfweh lässt mich nämlich nicht weiter schreiben. So muss ich denn auch unsern guten Bruder, Herrn Wolf, um Verzeihung bitten, wenn ich seinen Brief nicht beantworte. Danke ihm in meinem Namen für die Arbeit, die er mir zulieb übernommen hat, und grüße ihn und die andern Kollegen angelegentlich von mir. Lebwohl, trefflicher Mann und sehr verehrter Bruder. Der Herr leite, behüte, stärke und segne dich samt deinem ganzen Hause. Amen.

Genf, 11. Mai 1560.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (617)

Nr. 617 (C. R. – 3157)

Zwischen Bern und Genf gab es immer neue Streitigkeiten; Zürich bemühte sich um deren Schlichtung und in dieser Sache war der Genfer Prevot dort gewesen; die beiden Städte trauten einander so wenig, dass jede glaubte, die andere wolle sich mit dem gemeinsamen Feind, Savoyen, verbinden, der sich tatsächlich bemühte, Genf auf seine Seite zu ziehen.

Politische Intrigen zwischen Genf und Bern.

Von dem Unrecht, das wir täglich uns antun lassen müssen, wagte ich dir neulich in meinem Brief gar nichts zu sagen, um dir nicht mit unnützen Klagen die Ohren voll zu schwatzen. Es ist aber gut, dass unser lieber Prevot dir alles offen dargelegt hat. Da du nun in deiner Gerechtigkeit und Tüchtigkeit dich herbeilässest, die Sache zu führen, so danken wir dir dafür gar sehr. Unser Rat möchte dir gerne seine Dankbarkeit durch die Tat zeigen; da das aber nicht angeht, so anerkennt er wenigstens herzlich gern, was wir dir schulden. Es ist dir wohl ganz unglaublich, wie schändlich wir das ganze Jahr hindurch behandelt worden sind, und zwar bekämpften sie uns ohne den geringsten Rechtsgrund, aus purem Übermut. Schließlich umgestimmt durch unsere für sie überaus schmeichelhaften Mahnschreiben und auch durch unsere Nachgiebigkeit, zeigten sie sich etwas milder. Sie schrieben nämlich, es sollten Gesandte von ihnen kommen um unsern Wünschen zu willfahren. Sie kamen. Große Freigebigkeit in Versprechungen. Bei der ersten Konferenz aber die Entschuldigung, sie hätten keine bestimmten Aufträge. Zwei Tage vor der Ankunft unseres Prevot erwartete man die Gesandten. Daraus geht deutlich hervor, dass gerade diese Zeit gewählt wurde, um uns zu hintergehen. Denn sie hatten durch die Gesandten sagen lassen, sie wollten sich zu friedlicher Schlichtung aller Händel herbeilassen; dabei waren aber die Bedingungen, die sie stellten, unklar, zweifelhaft und voll Zweideutigkeiten. Sie sagen, sie könnten nichts abschließen, ehe der Spruch des Basler Schiedsrichters aufgehoben sei, was man durchaus nicht zugeben kann. Da sie aber unsern Rat aufforderten, eine Gesandtschaft an die eidgenössischen Stände zu schicken, um ihrer Tagsatzung die Freiheit und Ruhe Genfs zum Schutze zu empfehlen und sie zu bitten, mit Savoyen kein Bündnis zu schließen ohne ausdrückliche Wahrung der Sicherheit Genfs, so gab man ihnen darin gerne nach; ja man hatte das bereits vorher selbst beschlossen. Sie wollten damit, da sie uns im Verdacht hatten, schlauer Weise herausbekommen, was wir im Sinne hätten, um, wenn wir etwa uns bedächten und zögerten, selbst vielleicht mit guter Entschuldigung in Verhandlung mit Savoyen zu treten zu unserm Schaden. So wird also eine Genfer Gesandtschaft nach Baden geschickt; jetzt möchte man vorderhand Euern hoch weisen Rat um günstigen Bescheid bitten. Ein offizielles Schreiben an den Rat war aber unter diesen Umständen nicht passend. Prevot erhielt also nur Aufträge an befreundete Privatleute, die aber für alle gelten sollen, wenns die Sache so mit sich bringt. Ich will dich und unsern lieben Bruder Gwalther nicht mit mehr Worten drängen, auf der mit Glück betretenen Bahn Eurer frommen Freundschaftsdienste fortzufahren; denn aus dem Bericht unseres Bruders und Freundes erkenne ich, wie bereitwillig Ihr von selbst dazu seid. Er selbst wird, geschickt wie er ist, auch mehr zustande bringen, als ich in einem Brief vermöchte. Also lebwohl, trefflicher Mann und bester Bruder, samt Herrn Vermigli, Herrn Gwalther und den übrigen Kollegen. Der Herr behüte Euch alle; er leite Euch mit seinem Geiste und mache Euch reich an Segen aller Art.

Genf, 25. Januar 1560.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (616)

Nr. 616 (C. R. – 3140)

Vgl. 609. Bullinger hatte den Erbachischen Plan eines Religionsgesprächs entschieden abgelehnt, dabei die Geschichte des fatalen Bezaschen Bekenntnisses (vgl. 526) wieder erwähnt und Calvin vorgeworfen, dass in dem zur Eröffnung der Akademie in Genf publizierten Bekenntnis das Wort Substanz des Leibes Christi vorkomme, was der Abendmahlslehre des Consensus Tigurinus widerspreche. Unter dem Drachen versteht Calvin auch hier wieder den Kardinal von Lothringen, der Elefant ist sein Bruder, Herzog Francois de Guise, der mit ihm die Macht über Frankreich teilte.

Von allerlei Bekenntnisfragen.

Als ich deinen Brief erhielt, edelster Mann und verehrter Bruder, war unser lieber Beza eben in Deutschland bei dem durchlauchtigsten Fürsten, dem Pfalzgrafen. Er war hingereist, um Hilfe zu suchen beim Löschen des in Paris ausgebrochenen Verfolgungsfeuers, das schon mehrere verzehrt hat und bald noch höher auflodern wird. Schlimmer ist noch, dass die Brüder erschrocken und furchtsam sind und die Gemeinde kläglich zersprengt ist, so dass nur ganz wenig Hoffnung besteht, sie wieder sammeln zu können, obwohl mitten in solchen Schrecken bei Orleans neulich zweiundzwanzig auf dem Weg zum Schaffot den räuberischen Schergen entrissen wurden. Doch das wird die Wut des Drachen nur noch vermehren; denn der Elefant tut nichts, was jener ihm nicht einbläst. Der Pfalzgraf hat nicht nur huldvoll versprochen, Bezas Bitte zu willfahren, sondern ließ gleich einen Brief aufsetzen im denkbar erfolgreichsten Wortlaut. Er selbst hat seine Aufgabe damit durchaus erfüllt; aber wie wenig Erleichterung die Brüder durch seine Fürbitte erhalten werden, schließen wir daraus, dass der Drache neulich gewagt hat, den Pfalzgrafen absichtlich zu reizen; er hat eine Burg an der elsässischen Grenze, die das pfalzgräfliche Banner trug, besetzen lassen. In ganz Frankreich ist die Lage der Brüder schrecklich; sobald sie aber nur einen Moment bekommen zu freiem Aufatmen, sammeln sie sich wieder.

Nun zu deinem Brief. Zusammenkünfte sind dir verdächtig, ja sie missfallen dir sogar, da du glaubst, sie seien doch nicht ehrlich und zu gutem Zwecke gemeint, sondern mit dem Hintergedanken angeregt, die reine Lehre zu verfälschen. Ich hätte doch geglaubt, die Lauterkeit des Grafen von Erbach, der ganz auf unserer Seite steht, wäre dir bekannt! Wolltest du doch ihn und seinesgleichen gerechter beurteilen! Sicher kann man mir nicht angeben, es sei eine schlaue, unehrliche Höflingsintrige; er verhehlt ja nicht, dass er der gesunden Lehre von vornherein beipflichtet. Auch rührt mich der fromme Eifer dieses Mannes, so dass ich ihm unrecht zu tun fürchtete, wenn ich etwas Böses dahinter vermutete. Was ich über die ganze Angelegenheit sagen möchte, bezweckt nicht, dich zu etwas zu bringen, was, wie ich sehe, dir so sehr unangenehm ist, sondern nur zu zeigen, dass ich für meinen Plan auch gewisse Gründe habe. So oft ich dich bat, ein Religionsgespräch nicht abzuschlagen, so habe ich doch nie die Hoffnung gehegt, man könne mit allen Gegnern einig werden. Aus Erfahrung weiß ich, nicht nur mit welchem Trotz sie ihre Irrlehren verfechten, wie sehr sie an ihrem Wahnwitz hängen, wie hochmütig sie alle Gegengründe verachten, sondern auch in welcher Verblendung und welchem Unverstand sie sich hinreißen lassen, über alles Maß und allen Anstand hinauszugehen. Aber ich habe stets offen bekannt, dass das Resultat, das ich wünschte, mir doch nahezu gesichert scheine, nämlich dass viele, die jetzt noch schwiegen, offen und ehrlich der reinen Lehre die Ehre gäben, andere wenigstens milder darüber urteilten und die heutigen Hauptgegner überwunden würden. Gelänge das, so müsste man nicht unverrichteter Dinge abziehen; denn es wäre für uns kein geringer Vorteil, wenn ihren Streitkräften und Mitteln Abbruch getan würde. Du wendest ein, die Fürsten seien von vornherein gebunden, da sie auf dem Buchstaben des Augsburgischen Bekenntnisses stehen wollen. Glaube mir, in einer regelrechten Disputation würde dieses großartige Prahlen schon aufhören; denn es sind nur Phrasen, die man uns entgegenhält. Ich war, wie du weißt, schon dabei, nicht nur bei freundschaftlichen Gesprächen, sondern in offenen Redekämpfen. Nie ist von mir Zustimmung zum Augsburgischen Bekenntnis verlangt worden; hingegen habe ich durchgesetzt, dass Melanchthon das Wort „realiter“ darin durchstrich. Wozu laden sie uns denn jetzt zu einem Religionsgespräch ein, wenn nicht darum, dass die allbekannten Streitpunkte durch eine freie, richtige Untersuchung beseitigt werden sollen? Sie werden uns mit noch größerer Gehässigkeit beschuldigen, wenn wir ihnen nicht beipflichten, meinst du. Hingegen ich glaube, mit Recht verurteilt man unsern Trotz, wenn wir, eingeladen zu einer regelrechten Disputation, ausweichen. Das andere Bedenken, das dich ängstigt, könnte schon längst gehoben sein. Freilich müssen wir eifrig darauf achten, dass wir nicht selbst aneinander geraten; aber hässlich und schmählich wärs doch, wenn wir nur dadurch uns davor hüten könnten, dass wir eine Zusammenkunft gar nicht wagen. Um von anderm ganz zu schweigen: öffnete nicht schon allein dies Misstrauen hässlichem Zwiste unter uns die Tür und machte uns zum Gespött der Feinde?

Auch die Beispiele, die du anführst, bringen mich nicht außer Fassung. Die Lutheraner waren zu Worms unter sich uneins. Hättest du lieber gesehen, sie hätten alle in gleichem Unverstand jenes grausame sächsische Verdammungsurteil über uns ergehen lassen? Ich wollte, solche Uneinigkeit wäre schon hundertmal unter ihnen entstanden! Hätte Melanchthon den gehörigen Mut gehabt, jener Zwist in Worms wäre der Anfang der schönsten Einigung geworden. Auf unsrer Seite sei es ja ähnlich, sagst du. Nun, wenn Beza sich von Melanchthon ein Bekenntnis diktieren ließ, um die deutschen Fürsten für unsere Brüder in Frankreich zu gewinnen, so konnte er unter den damaligen schlimmen Umständen kaum anders handeln. Müsste das Gesetz, das du vorschreibst, immer bei uns gelten, so hätten wir doch gar zu wenig Sorge um das unschuldige Blut der Evangelischen in Frankreich haben müssen. Freilich, Beza hat nicht genau das formuliert, was ich sagen müsste, würde ich um meine Meinung befragt. Aber hat er irgendetwas vom rechten Glauben Abweichendes vorgeschützt? So harte und strenge Regeln aufzustellen, wo sichs um Brüder in Lebensgefahr handelt, wenn ich selbst ungefährdet bin, dazu bin ich zu schwach. Du sagst, aber Beza veröffentlichte ein Bekenntnis in unser aller Namen, ohne irgendeinen Auftrag dazu zu haben. Nun, er behauptet, keinen Missbrauch mit unsern Namen getrieben, sondern nur ganz persönlich seine Ansicht auseinandergesetzt zu haben; er habe nur um der waltenden Missverständnisse willen und um unsern fälschlich schlechten Ruf zu zerstören, über die kurze Zusammenfassung seines Bekenntnisses geschrieben: „so wird in unsern Kirchen gelehrt“. Da es sich nun, wie alle wussten, um ein ganz improvisiertes Aufschreiben, bloß um eine Aufzeichnung eines Tischgesprächs vom vorigen Tag handelte, ists da billig, immer wieder die alte Geschichte aufzuwärmen?

Schmerzlicher traf mich dein Vorwurf, der uns falscher Lehre bezichtigt. Du beklagst dich, dass im Bekenntnisabschnitt unserer Akademie-Statuten das Wort Substanz stehe, dessen Nichtgebrauch doch durch Vertrag unter uns abgemacht sei. Was du dir unter dieser Abmachung vorstellst, weiß ich nicht; mir ist so etwas nie aus dem Munde gekommen! Du sagst, aber Ihr hättet es gesagt und ich nicht widersprochen. Als ob nicht auch manches andere unbedachte Wort gefallen wäre, das wiederaufzurühren verdrießlich wäre! So bitter ein so falscher Vorwurf ist, so unerträglich ists für einen freien Mann, sich die Ausdrücke, die man brauchen darf oder nicht, vorschreiben lassen zu müssen. Ich habe es wenigstens bisher nicht gelernt, meine Worte nach anderer Leute Wink zu wählen und wills auch nicht mehr anfangen.

Nun habe ich die Ansicht, die ich standhaft festhalten will, falls ich zu einem Religionsgespräch geladen werde, der Hauptsache nach klar aufzuweichen versucht, damit du sie kennst, und daran werde ich weder im Allgemeinen noch im Besonderen etwas ändern. Scheints dir, ich habe allzu ärgerlich geschrieben, so denke, was mir den Anlass dazu bot; denn ich habe dich lieber als Richter über mir, als dass ich mit dir stritte.

Lebwohl, trefflicher Mann und verehrter Bruder. Herrn Vermigli, Herrn Gwalther, deinen Schwiegersöhnen und allen Kollegen viele Grüße. Der Herr sei stets mit Euch; er leite Euch und segne Euer Wirken. Ich muss eben müßig zu Hause sitzen, weil mich die Schmerzen an einem Schenkel gepackt haben. Meine Kollegen lassen Euch alle ehrerbietig grüßen. Viret wundert sich, dass du seinen Brief nicht beantwortet hast. Nochmals lebwohl, hochberühmter Mann.

Genf, 2. Dezember 1559.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (609)

Nr. 609 (C. R. – 3124)

 

In Heidelberg war der Abendmahlsstreit zwischen dem Pfarrer Tilemann Heßhus und dem Diakon Klebitz ausgebrochen; als Heßhus, zur Verantwortung geladen, sagte, mit Calvin und Bullinger könne er keine Gemeinschaft halten, antwortete ihm Graf Georg von Erbach, der Kanzler des Pfalzgrafen, mit der Frage, ob er auch nicht in den Himmel wolle, wenn die beiden darin seien. Eberhard von Erbach war Oberhofmarschall am kurpfälzischen Hof. Zur Weiterführung der in 607 erwähnten diplomatischen Aktionen war Beza nach Straßburg gereist.

 

Neue Aussicht auf ein Religionsgespräch in Deutschland. Grauenhafte Verfolgung in Frankreich.

 

Der Sachse, den du mir empfohlen hast, verehrtester Bruder, hat bei einem rechtschaffenen, freundlichen Manne, Macard, einem meiner Kollegen, Quartier gefunden und wird dort recht gut wohnen. Dass du mir zu meiner leidlichen Gesundheit gratulierst, entspricht deinem bekannten Wohlwollen und deiner brüderlichen Liebe zu mir. Ein freundlicher Liebesdienst wars auch, dass du mir allerlei erzähltest; wenn auch nicht alles gute Nachrichten waren, so ists doch gut, es zu wissen. Über die Antwort des Grafen von Erbach hat mir Hotman das Gleiche geschrieben; kurz vorher hatte ich von Erbachs Bruder Eberhard einen Brief erhalten, in dem er es wieder zeigt, was er stets vorher auch schon bekannt hat, dass es sein inniger Wunsch sei, die Fürsten möchten zur Schlichtung der Zwistigkeiten eine Zusammenkunft anordnen. Da er ein überaus kluger Mann und dazu ganz auf unserer Seite ist, glaube ich, dass er nicht grundlos so spricht; macht er sich Hoffnungen auf Erfolg, so ist jedenfalls ein solcher Anlass nicht außer acht zu lassen. Denn ganz von selbst erwähnte er diese Sache, ohne dass ich sie mit einem Wörtlein berührt hatte. Deshalb möchte ich dich ersuchen, dich, wenns dir so gut scheint, mit Herrn Vermigli und den anderen Brüdern zu beraten, was darauf zu antworten ist. Unser lieber Beza ist nach Straßburg gereist, um irgendetwas, oder, wie ich eher vermute, gar nichts auszurichten. Weil aber einige hochmögende Persönlichkeiten ein Unternehmen vorhaben, das uns angeht, und Sturm dringend wünschte, mit mir oder Beza darüber reden zu können, so glaubten wir, ihm in etwas entgegen kommen zu müssen, damit er sich nicht für verachtet hält.

 

In Paris ist der Fanatismus der Feinde des Evangeliums heftiger aufgeflammt als je. Es ist Befehl gegeben, dass Gerichtskommissäre die ganze Stadt durchstreifen und von Haus zu Haus nachforschen sollen, wie jedermann sich hält, und ob alle an den Festtagen die Messe hören. Sie dringen nicht nur bis in die Schlafzimmer, sondern bis zu Betten, Truhen und Schränken, und jeder, bei dem man ein verdächtiges Buch findet, wird gleich ins Gefängnis geschleppt. Nach Durchsuchung des ganzen Hausrats wird den Hausvätern verkündet, sie seien strafbar, wenn man finde, dass sie einen Lutheraner in ihrem Hause hätten. Auch wird jedem strenge befohlen, die Nachbarn sollten sich untereinander scharf beobachten; versäume jemand diese Pflicht, so werde er dafür gestraft. Unter diesem Vorwand sind schon nicht wenig Häuser ausgeplündert worden. Neulich ereignete sich etwas, was die Wut der Feinde noch mehr entflammen wird. In einer Herberge saßen etwa fünfzehn Adlige miteinander beim Mittagessen. Ein Gerichtskommissar eilt herbei; Stadtknechte brechen durch die Fenster herein. Da dieser Angriff von außen her so stürmisch und feindselig ausgeführt wurde, begannen die Gäste, sich mit gezogenem Degen zur Wehr zu setzen. Ein Stadtknecht wurde getötet, mehrere verwundet. Kommt da Gott nicht bald zu Hilfe, so wird maßlos Blut vergossen werden. Es sind schon viel mehr als vor zwei Jahren ins Gefängnis geworfen worden; besonders die schlimmsten Löcher sind voll von armen Leuten. Zuweilen werden viele miteinander durch Ausruf in den Straßen mit Trompetenschall vor Gericht geladen; die Güter der Abwesenden werden konfisziert. In der Provence wurden die Gläubigen vom Volke gewaltsam mit dem Schwerte angegriffen und begannen sich zur Wehr zu setzen; bisher behielten sie die Oberhand, und es sind nur wenige getötet worden, obwohl sie die Feinde bis auf den letzten Mann hätten niedermachen können; doch ist sehr zu fürchten, dass auch sie zu den Waffen greifen, wenn sie übermäßig bedrückt werden. Man muss Gott bitten, dass er in seiner wunderbaren Güte und Weisheit die stürmischen Fluten stille. Dabei bitte ich ihn auch herzlich, er wolle dich samt deiner Familie und deinen Kollegen behüten, leiten und segnen. Viret und die übrigen lassen dich vielmals grüßen; richte auch von mir den Freunden und Brüdern viele Grüße aus. Lebwohl, hochberühmter Mann, von Herzen verehrter Bruder.

 

Genf, 5. Oktober 1559.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (561)

Nr. 561 (C. R. – 2873)

Lelio Sozzini kam auf einer Reise nach Italien über Genf; da Bullinger wusste, dass er Calvin verdächtig sei (vgl. 332 ), hatte er ihm ein Zeugnis der Orthodoxie mitgegeben. Die Verurteilung der Reformierten in Worms (vgl. 550 ) schrieb Calvin der Weigerung der Zürcher zu, sich auf ein Religionsgespräch einzulassen.

Vom gescheiterten Plan eines Religionsgesprächs.

Es hätte genügt, hochberühmter Mann und von Herzen verehrter Bruder, wenn du mir nur mit einem Wörtlein bezeugt hättest, dass Lelio, nun vernünftig geworden, sich mit dem Glauben, den wir bekennen, zufrieden gebe, so hätte ich ihm schon alles Ärgernis verziehen und ihn freundlich aufgenommen; deine Empfehlung machte mich sogar bereit, ihm jeden gewünschten Dienst zu leisten.

Dass der Brief, dessen Kopie du mir nun sandtest, durch einen Verräter in die Hände derer gekommen ist, die über unsere Uneinigkeit umsonst triumphieren, tut mir leid. Das Thema, das unsere Herzen, so oft man davon redet, hüben und drüben erbittert, wollte ich eigentlich in Zukunft gar nicht mehr berühren. Ich sehe, jede Zusammenkunft [mit den Lutheranern] wäre Euch verhasst, und doch wäre das meines Erachtens das einzige Mittel gegen die Übelstände, die auch Euch so kränken. Denn hätten die Fürsten hoffen dürfen, wir seien einer freundschaftlichen Zusammenkunft geneigt, so hätten sie nicht geduldet, dass man uns so verdammte oder auch nur hart von uns rede. Jetzt aber, da durch Euer Schweigen und Eure indirekte Weigerung alle Hoffnung auf einen Friedensschluss dahin war, gaben Melanchthon und die andern, die mit ihm uns günstig gesinnt waren, leicht der Härte der andern nach. Hättet Ihr Euch doch entschließen können, etwas entgegen zu kommen, als man Euch freundlich die Hand bot. Denn was deine Antwort, das stehe nicht in Eurer Macht, sondern hänge vom Ermessen Eures hochweisen Rates ab, bedeuten soll, verstehe ich nicht, außer etwa, dass du sagen willst, die abschlägige Antwort stamme nicht offenkundig von Euch Pfarrern. Denn ich bin überzeugt – hätte Euch die Sache am Herzen gelegen, so hätte die Obrigkeit keine Schwierigkeiten gemacht. Das Haupthindernis einer Zusammenkunft seht Ihr, soviel mir scheint, in dem festen Entschluss auch der gemäßigtsten Elemente der Gegenpartei, auch keinen Deut vom Augsburgischen Bekenntnis zu weichen. Nun betonen sie das freilich, aber nur den Papisten gegenüber, und erlauben andrerseits auch uns das Gleiche, wenn wir ein einheitliches öffentliches Bekenntnis hätten. Dazu kommt, dass sie, von Anfang an durch diese Formel gebunden, keinen anderen Standpunkt einnehmen können, auch wenn sie anders wollten. Indessen laden sie uns nicht unter der Bedingung zu sich ein, dass wir einfach unterschreiben müssten, was sie beschlossen haben; ja wenn man genauer zusieht, machen sie einer neuen Untersuchung der Frage Bahn, als ob sie einer gewissen Erweichung ihrer Anschauungen nicht abgeneigt wären. Tatsächlich ist ja Melanchthons Nachgiebigkeit jedermann bekannt, und so wäre es, da er sich selbst kennt, sein höchster Wunsch, uns an einer geordneten Zusammenkunft als Helfer zu haben. Ich weiß genau, was ich früher mit ihm erlebt habe, und ich nehme an, dass jetzt nichts schädlicher war, als dass er die Hoffnung auf ein Gespräch, dem er geneigt gewesen wäre, in nichts zerfließen sah. Wenn du meinst, das ungerechte, vorschnelle Urteil, mit dem sie uns nun in Worms so unfreundlich bedacht haben, rege mich nicht auf, so täuschest du dich sehr; wie tief es mich verletzt hat, das wissen sie selbst aus meinen Berichten wohl, in denen ich mich den Verhältnissen entsprechend frei heraus über ihr Vorgehen beklagt habe. Doch ist es unsre Pflicht, zu erwägen, ob nicht ein Teil der Schuld auch auf uns liegt, da wir den Freunden die Unterstützung, die sie wünschten, in mir unverständlichem Eigensinn verweigerten. Deine Mahnung, dafür die Eintracht unter uns recht zu pflegen, nehme ich gerne an, und von mir aus liegt die Gefahr nicht vor, dass die Eintracht je leide. Würden wir etwa zu einem Religionsgespräch eingeladen, so will ich zwar, wie ich es dir früher schon sagte, auch heute kein Hehl daraus machen, dass ich hinginge, aber nicht um Euch zu verlassen und neue Freunde zu suchen, sondern um, wenn es irgend möglich ist, die für uns zu gewinnen, die jetzt noch andrer Meinung sind als wir; ich halte mich wirklich durch kein rechtliches Band für verpflichtet, weil andere ausweichen, auch nicht dahinzugehen, wohin mich mein Gewissen zieht. Wohin ich aber reise, – ich werde nicht nur darauf bedacht sein, nichts anzunehmen, was nicht zu meinem Glauben passt, sondern auch unsern Consensus mit der festen Treue, die unter uns stets in Kraft bleiben soll, gewissenhaft zu verteidigen. Freilich jetzt, da alle Hoffnung auf ein Religionsgespräch zerstört ist, sind das ja wohl törichte Phantasien. Ich will nur einfach sagen, ich habe meine persönliche Freiheit nicht so weit vergessen, dass ich selbst Ratschläge, die, soviel ich sehe oder wenigstens meine, die gute Sache zu Grunde richten müssen, Gehorsam leistete. Durch Drohungen lasse ich mich nicht erschrecken; da mir ja nichts lieber sein kann, als sobald wie möglich aus dieser Welt abzuscheiden, geschweige denn meinen Posten in Genf verlassen zu dürfen. Was ich will mit meinen Plänen, das überlege dir genauer, wenn du noch nicht siehst, wohin Euer bisheriges Verhalten führt. Was nun auch geschieht, so wird die Erfahrung zeigen, dass Ihr mich zu Unrecht im Verdacht hattet, wenn ich zuweilen schärfer sprach, als gut schien. Davon sei überzeugt: ich habe nur die Schmerzen, die mich drückten, deinem brüderlichen Herzen kund tun wollen.

Leb recht wohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder, samt den übrigen Kollegen, die ich vielmals grüßen lasse. Der Herr sei mit Euch allen; er leite und behüte Euch. Meine Kollegen lassen Euch grüßen.

Genf, 22. Mai 1558.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (552)

Nr. 552 (C. R. – 2812)

Vom Wormser Gespräch. Bezas dritte Reise. Die Pariser Verfolgung.

Erst jetzt erfahre ich aus deinem Brief an unsern lieben Beza, dass du, hochberühmter Mann und verehrter Bruder, von dem Engländer, dem du ein Schreiben an mich mitgabst, schnöd getäuscht worden bist; er müsste anders unterwegs gestorben sein, was nicht wohl glaublich ist. Vielleicht war es auch nur eine Lüge, dass er einen Brief von Herrn Johann von Laski bei sich habe, durch die er sich in dein Vertrauen einschleichen wollte. Tuts mir auch recht leid, ums Lesen deines Briefes gekommen zu sein, so ist mir doch die Befürchtung noch peinlicher, der Engländer könne einer der Schwindler sein, die sich bei unsern Feinden in Gunst bringen wollen, indem sie ihnen unsere Geheimnisse verraten.

Der unglückliche Ausgang des Wormser Religionsgesprächs bringt mich nicht so in Verwirrung, wie mir Melanchthons schwächliches Verhalten peinlich und ärgerlich ist. Denn, wenn ich auch nie vergessen habe, wie nachgiebig und weich er stets gewesen ist, und auch wusste, dass er auch jetzt zu ängstlich und unentschlossen sein werde, so ist er doch nun darin viel weiter gegangen, als ich je gedacht hätte; ja ich hätte nicht einmal von Brenz geglaubt, dass er so feindselig handeln werde. Aber was ihnen auch entfahren ist, – es ist gut, dass unsere Freiheit in der Verteidigung der reinen Lehre nicht von vornherein durch ihr Urteil gebunden ist. Müsste man morgen mit ihnen zusammen kommen, so würden sie sich schwer täuschen, wenn sie meinten, damit nur im Geringsten etwas erreicht zu haben. Ja, nun brenne ich noch mehr darauf, eine Auseinandersetzung mit ihnen zu verlangen, damit eine ehrliche Disputation sie lehre, sich etwas bescheidener zu benehmen. Einstweilen habe ich Jakob Andreä geschrieben, was sie getan hätten, sei weder recht, noch freundlich, noch auch nur wohlbedacht gewesen; sie sollen es alle erfahren, dass unsere Kirchen mit Recht beleidigt sind. Beza und Bude, die nun schon die dritte Reise unternehmen müssen, werden davon an den Fürstenhöfen mehr erfahren. Sie reisen, teils weil Michael Diller uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Sache unserer französischen Brüder am Heidelberger Hof von einem bezahlten Schurken verraten werde, der sich in des Kurfürsten Gunst eingeschlichen habe, teils weil das unstillbare Wüten des Königs von Frankreich uns treibt, Hilfe zu suchen. Denn, wenn aus der großen Schar der Gefangenen einige entlassen worden sind, so geschah das nicht aus Milde und Barmherzigkeit, sondern weil die Standhaftigkeit der sieben Märtyrer, die bereits den Feuertod erlitten haben, den Sinn der Richter so erschüttert hat, dass sie glauben, ein neues Vorgehen wählen zu müssen. Absichtlich hatten sie zwei junge Leute ausersehen, von denen der eine kaum das sechzehnte Jahr angetreten hatte, weil sie glaubten, die seien zu schwach zum Widerstand. Da sie nun diese Hoffnung betrogen hat, so haben sie ungefähr hundert auf verschiedene Klöster verteilt, damit ihnen so die Mönche gleichsam tägliche Peiniger würden. So gelang es vielen, zu entkommen, teils weil es den Mönchen lieb war, ihre Klöster von solchen Pestbeulen zu befreien, damit die ansteckende Ketzerei nicht um sich greife, teils weil es ihnen eine Last war, die Armen unentgeltlich zu ernähren. Die als besonders standhaft bekannten aber sind in stinkende Kerkerlöcher gesteckt worden, aus denen sie bei nächster Gelegenheit zur Hinrichtung geschleppt werden sollen. Die Lässigkeit der Richter aber ist vom König mit vielen, öfters wiederholten Vorwürfen und Drohungen getadelt worden, als wenn sie nicht mannhaft genug vorgingen. Schließlich hat der König den Antichrist in Rom durch seinen Gesandten ergebenst bitten lassen (so heißts wörtlich in der Bulle), an die Spitze der Inquisition drei Kardinäle zu stellen, denen eine unbegrenzte Freiheit zu schlachten und zu verderben gewährt ist. Auch hat er ein neues Edikt erlassen, das auch den Bischöfen die Macht über Leben und Tod gibt; den königlichen Richtern ist nichts übrig gelassen, als die Henker zu machen für die geistlichen Gerichte. Das sind nun die schönen Versprechungen, mit denen er Eure Gesandten abspeiste. Ich wollte dir das in Kürze mitteilen, damit du nicht glaubst, wir gingen allzu eifrig vor in dieser Sache, da unsre Brüder in Frankreich überall vor Schrecken über diese Drohedikte zittern. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Herrn Pietro Martire und die übrigen Kollegen grüße, bitte, angelegentlich von mir. Der Herr erhalte Euch alle gesund; er leite und segne Euch.

Genf, 23. Februar 1558.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (547).

Nr. 547 (C. R. – 2755)

Farel und Beza richteten in Worms an die evangelischen Fürsten und Theologen die Bitte, eine Gesandtschaft nach Paris zu senden, um für die gefangenen Evangelischen Fürbitte einzulegen.

Farel und Beza in Deutschland. Keine Übereinstimmung wegen des Religionsgesprächs.

Aus unseres lieben Beza Brief wirst du sehen, wie geneigt sich die Fürsten zeigten, eine Fürbitte-Gesandtschaft nach Paris zu senden, und wie freigebig sie auch sonst ihre Hilfe anboten. Mehr Schwierigkeiten machten unsere Standesgenossen. Die nächtlichen Versammlungen der Pariser Evangelischen missfielen ihnen; als ob es den so hart bedrängten Brüdern freistünde, die passendsten Stunden für ihre Zusammenkünfte auszuwählen! Auch wurde ein Bekenntnis gefordert, und du wirst sehen, dass darin unsere Brüder nun ganz offen ihre Ansicht bekannt haben; wenigstens haben sie nicht verschwiegen, dass sie der Lehre anhangen, von der Ihr sie etwas abgewichen wähntet, und so ist aufgehoben, was Ihr befürchtet hattet, nämlich, dass sie sich gegenüber Brenz, Marbach und ihresgleichen zu sehr verpflichtet hätten. Ja, die müssen nun merken, dass alle französischen Gemeinden nicht ihrer Meinung sind. Wenn sie auch ihren Irrtum bis jetzt noch hartnäckig festhalten, so sind sie doch milder gesinnt, so dass man hoffen darf, sie herumzubringen, wenns einmal zu einem freundschaftlichen Gespräch kommt. Freilich, diese Zuversicht bringt mich nicht dazu, in einem solchen Gespräch, wenn sie uns dazu einladen, ein Universalmittel zu sehen; aber ich halte doch die Gründe zu seinen Gunsten fest, die ich dir schon früher auseinandergesetzt habe. Wenn du mir antwortest, ohne Zustimmung Eurer Obrigkeit dürftet Ihr nichts unternehmen, so wirst du mich doch nie für so unverschämt und allen Anstandes bar halten, dass ich die Behörden verachtete, mit denen wir durch ein heiliges, unlösliches Band von Gott verbunden sind, um in gemeinsamer Arbeit dasselbe Ziel zu erreichen. Aber ich glaube doch, so sklavisch sind wir nicht an sie gebunden, dass wir nicht vertraulich besprechen dürften, was dem Gemeinwohl der Kirche am besten dient. Was ich bereits geschrieben habe, wiederhole ich: weichem wir einem uns angetragenen Gespräche aus, so haben wir gar keinen triftigen Grund dafür, und es ist meines Erachtens nichts als ein schmähliches, ehrloses Auskneifen. Scheint es dir vielleicht anders, so tut es mir leid, dass in einer Sache, die uns alle angeht, unsere Anschauungen so sehr auseinander gehen. Aber hoffentlich wird weder Euer hochweiser Rat eine Zusammenkunft, wenn uns eine angeboten wird, abweisen, noch werdet Ihr es hindern, dass die Leute, die Ruhe in der Kirche haben möchten, sich willig zeigen, dem unheilvollen Hader ein Ende zu machen und nach einem festen Friedensschluss zu streben. Lebwohl, hochberühmter Mann und sehr verehrter Bruder. Allen Kollegen viele Grüße. Der Herr unterstütze Euch alle mit seiner Kraft; er halte Euch in seiner Hut und leite Euch mit seinem Geiste.

Genf, 15. November 1557.
Dein
Johannes Calvin.

Ich denke, das Burgrecht ist in Bern bereits zustande gekommen.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (545).

Nr. 545 (C. R. – 2741)

Wohl noch ehe der vorige Brief abging, erhielt Calvin ein neues Billet von Melanchthon, das er mit folgenden Begleitworten beilegte.

Über Melanchthon.

Melanchthon schreibt recht freundlich, wärs nur freimütiger und deutlicher! Umso schmerzlicher ists, dass wir im Kampfe mit einander stehen müssen. Es ist nur gut, dass mich der Herr gegen Drohungen und Schreckschüsse abgehärtet hat. Dass Beza mindestens ebenso tapfer und standhaft ist, davon bin ich fest überzeugt.