Nr. 552 (C. R. – 2812)
Vom Wormser Gespräch. Bezas dritte Reise. Die Pariser Verfolgung.
Erst jetzt erfahre ich aus deinem Brief an unsern lieben Beza, dass du, hochberühmter Mann und verehrter Bruder, von dem Engländer, dem du ein Schreiben an mich mitgabst, schnöd getäuscht worden bist; er müsste anders unterwegs gestorben sein, was nicht wohl glaublich ist. Vielleicht war es auch nur eine Lüge, dass er einen Brief von Herrn Johann von Laski bei sich habe, durch die er sich in dein Vertrauen einschleichen wollte. Tuts mir auch recht leid, ums Lesen deines Briefes gekommen zu sein, so ist mir doch die Befürchtung noch peinlicher, der Engländer könne einer der Schwindler sein, die sich bei unsern Feinden in Gunst bringen wollen, indem sie ihnen unsere Geheimnisse verraten.
Der unglückliche Ausgang des Wormser Religionsgesprächs bringt mich nicht so in Verwirrung, wie mir Melanchthons schwächliches Verhalten peinlich und ärgerlich ist. Denn, wenn ich auch nie vergessen habe, wie nachgiebig und weich er stets gewesen ist, und auch wusste, dass er auch jetzt zu ängstlich und unentschlossen sein werde, so ist er doch nun darin viel weiter gegangen, als ich je gedacht hätte; ja ich hätte nicht einmal von Brenz geglaubt, dass er so feindselig handeln werde. Aber was ihnen auch entfahren ist, – es ist gut, dass unsere Freiheit in der Verteidigung der reinen Lehre nicht von vornherein durch ihr Urteil gebunden ist. Müsste man morgen mit ihnen zusammen kommen, so würden sie sich schwer täuschen, wenn sie meinten, damit nur im Geringsten etwas erreicht zu haben. Ja, nun brenne ich noch mehr darauf, eine Auseinandersetzung mit ihnen zu verlangen, damit eine ehrliche Disputation sie lehre, sich etwas bescheidener zu benehmen. Einstweilen habe ich Jakob Andreä geschrieben, was sie getan hätten, sei weder recht, noch freundlich, noch auch nur wohlbedacht gewesen; sie sollen es alle erfahren, dass unsere Kirchen mit Recht beleidigt sind. Beza und Bude, die nun schon die dritte Reise unternehmen müssen, werden davon an den Fürstenhöfen mehr erfahren. Sie reisen, teils weil Michael Diller uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Sache unserer französischen Brüder am Heidelberger Hof von einem bezahlten Schurken verraten werde, der sich in des Kurfürsten Gunst eingeschlichen habe, teils weil das unstillbare Wüten des Königs von Frankreich uns treibt, Hilfe zu suchen. Denn, wenn aus der großen Schar der Gefangenen einige entlassen worden sind, so geschah das nicht aus Milde und Barmherzigkeit, sondern weil die Standhaftigkeit der sieben Märtyrer, die bereits den Feuertod erlitten haben, den Sinn der Richter so erschüttert hat, dass sie glauben, ein neues Vorgehen wählen zu müssen. Absichtlich hatten sie zwei junge Leute ausersehen, von denen der eine kaum das sechzehnte Jahr angetreten hatte, weil sie glaubten, die seien zu schwach zum Widerstand. Da sie nun diese Hoffnung betrogen hat, so haben sie ungefähr hundert auf verschiedene Klöster verteilt, damit ihnen so die Mönche gleichsam tägliche Peiniger würden. So gelang es vielen, zu entkommen, teils weil es den Mönchen lieb war, ihre Klöster von solchen Pestbeulen zu befreien, damit die ansteckende Ketzerei nicht um sich greife, teils weil es ihnen eine Last war, die Armen unentgeltlich zu ernähren. Die als besonders standhaft bekannten aber sind in stinkende Kerkerlöcher gesteckt worden, aus denen sie bei nächster Gelegenheit zur Hinrichtung geschleppt werden sollen. Die Lässigkeit der Richter aber ist vom König mit vielen, öfters wiederholten Vorwürfen und Drohungen getadelt worden, als wenn sie nicht mannhaft genug vorgingen. Schließlich hat der König den Antichrist in Rom durch seinen Gesandten ergebenst bitten lassen (so heißts wörtlich in der Bulle), an die Spitze der Inquisition drei Kardinäle zu stellen, denen eine unbegrenzte Freiheit zu schlachten und zu verderben gewährt ist. Auch hat er ein neues Edikt erlassen, das auch den Bischöfen die Macht über Leben und Tod gibt; den königlichen Richtern ist nichts übrig gelassen, als die Henker zu machen für die geistlichen Gerichte. Das sind nun die schönen Versprechungen, mit denen er Eure Gesandten abspeiste. Ich wollte dir das in Kürze mitteilen, damit du nicht glaubst, wir gingen allzu eifrig vor in dieser Sache, da unsre Brüder in Frankreich überall vor Schrecken über diese Drohedikte zittern. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Herrn Pietro Martire und die übrigen Kollegen grüße, bitte, angelegentlich von mir. Der Herr erhalte Euch alle gesund; er leite und segne Euch.
Genf, 23. Februar 1558.
Dein
Johannes Calvin.