Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Farel hatte Ende Juni Calvin in Straßburg besucht und war mit ihm nach Hagenau gegangen. Calvins Gehalt betrug 52 fl. Teton hieß eine Münze im Wert von etwa 4 1/2 Franken. Wendelin Rihel war sein Straßburger Verleger, Michel Dubois ein Genfer, la Cressoniere ein Neuchateller Buchhändler.

Entgangene Gehaltserhöhung. Von Geld- und Handelssachen.

Seit du von hier abgereist bist, ist nichts neues geschehen, als dass am selben Tag, drei Stunden nach deiner Abreise, die Scholarchen mir mein Gehalt erhöhen wollten. Sie übertrugen mir eine Pfründe von 100 Gulden, unter der Bedingung, dass ich auf meine bisherige Besoldung verzichte. Als aber die Sache vors Chorherrenkollegium kam, brachten sie königliche Besetzungsvorrechte vor, d. h. eine Verzögerung, die mich ausschließen musste. So bin ich um nichts reicher geworden. Ich schicke dir hier einen Teton für die Auslagen, die du für mich in Hagenau gehabt hast. Obgleich Ihrs gar nicht wert seid, dass man Euch einen Batzen zurückzahlt. Denn Ihr hättet mich erinnern müssen. Ich habe die gute Entschuldigung, dass mir so etwas nie in den Sinn kommt, bis es zu spät ist.

Was ich geschrieben, dass, wenn Michel Dubois von Genf eine Kiste zu Euch schickt, du sie annehmen sollst, das lege ich dir um Wendelins willen ans Herz. Ist jemand da, der die Bücher kaufen will, so verkaufe sie. Die meinen aber nicht billiger als zehn Batzen, oder wenigstens neun, wenn nicht etwa jemand eine größere Quantität annehmen will, wie la Cressoniere. Dann kannst du sie ihm für acht lassen. Denn der Fuhrlohn kostet viel und wird noch mehr kosten, bis sie zu dir kommen. Lebwohl, bester, allerliebster Bruder. Grüße alle unsere Brüder angelegentlich und freundlich.

Der Herr bewahre Euch noch lange.
Straßburg, 27. Juli [1540].
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Der Brief berichtet von den Vorbereitungen zum Hagenauer Religionsgespräch. Philipp Melanchthon war auf der Reise dazu schwer erkrankt und dadurch aufgehalten worden. Blaurer ist der Reformator von Konstanz. Andreas Bodenstein von Karlstadt, Luthers Gegner in Wittenberg, war damals Professor in Basel.

Vorbereitung zum Hagenauer Gespräch. Ein gescheiterter Heiratsplan.

– – – Heute sind die Gesandten [von Straßburg] abgereist. Sobald Philippus kommt, werden auch die Theologen [mit ihm] reisen. Blaurer ist schon gekommen. Andere werden jeden Tag erwartet. Auch die Zürcher und die Berner wurden von den Unsern eingeladen, lehnten es aber ab, zu kommen. Ich sage das nur, damit du nicht meinst, es sei irgendeine Pflicht versäumt worden. Den Baslern wurde ausdrücklich geschrieben, den Karlstadt sollten sie nicht senden. Die Gegenpartei berät nun, mit welcher Kampfart und von welcher Seite sie uns angreifen will. Die Unsern zeigen sich zu einer freundschaftlichen Beilegung [der Sache] bereit, wenn nur die Wahrheit nicht Schaden leide. Dem Kaiser lässt unser König nicht genug Ruhe, seine Kräfte gegen die Unsern zu wenden. – – – Ich fürchte, wenn [du mit deinem Kommen] bis zu meiner Hochzeit warten willst, so kommst du zu spät. Ich habe noch keine Frau gefunden, und weiß nicht, ob ich überhaupt noch weiter suchen soll. Vor kurzem haben Claude und mein Bruder das Mädchen für mich geworben und mir verlobt. Drei Tage nach ihrer Rückkehr erfuhr ich allerlei, das mich nötigte, meinen Bruder wieder hin zu senden, um mich von dieser Verbindung wieder frei zu machen. – –

21. Juni (1540).

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel.

Dr. Ulrich Geiger, ein Arzt, Freund Butzers, war ein diplomatischer Unterhändler Straßburgs.

Von der Einigung in Genf, der Politik in Deutschland und der Verfolgung in Frankreich. Über die Abendmahlsprüfung.

Um mein neuliches Versprechen, dir über Alles ausführlich zu schreiben, wenigstens teilweise zu halten, bestimme ich dir den ganzen heutigen Tag. Du sollst also einen vollen, gewichtigen Brief bekommen, wenn mich nicht etwa Geschäfte unerwarteter Weise abrufen. Vom Zustand der Genfer Kirche wollen wir mehr reden, wenn du kommst; mir war jedenfalls die Botschaft äußerst angenehm, zu hören, welches Ende nun der Uneinigkeit und dem Zank gesetzt ist. Denn nichts glaubte ich für die arme Stadt hoffen zu dürfen, solang sie na diesem Übel litte. Nur wünschte ich, sie hätten sich im Herrn geeinigt; denn, wie auch du sagest, wenn nicht Christus das Band unserer Eintracht ist, wird sie verflucht sein. Denn wohin soll es führen, außer in Christo gemeinsame Sache zu machen, wenn wir doch hören, dass alle Vereinigungen der Art vom Herrn zerstreut werden sollen? Ich sehe aber noch nicht, dass sie auf den Herrn schauen, wie es sich gehörte, noch genug bedenken, was sie getan, noch ihren Sinn auf Besserung dessen, was sie gefehlt, richten. Es besteht also die Gefahr, dass sie zu sicher auf die Versöhnung, die sie untereinander geschlossen haben, vertrauend sich nicht genug darum kümmern, auch mit Gott Frieden zu machen, und schließlich schwer gestraft werden für diese Sicherheit. Ferner, wenn sie auch etwas klüger geworden und aus ihren Zwistigkeiten heraus zum Frieden gekommen sind, so haben sie doch die Gesinnung noch nicht erlangt, die man ihnen wünschen möchte. Aber immerhin ist es schon etwas, dass sie doch Spuren von Heilbarkeit zeigen, wenn sie auch noch nicht ganz geheilt und wiederhergestellt sind. Von ihren Predigern wage ich noch nichts zu sagen, als dass ich immer noch viel an ihnen zu wünschen habe. Denn wenn du das, dass meine Antwort an Sadolet in Genf herausgegeben werden konnte, als ein Zeichen einer mir nicht übel wollenden Gesinnung ansiehst, so täuschst du dich darin, wie mir Andere schrieben. Denn man meldete mir, sie hätten widerstrebt, soweit es die Sache selber möglich machte; der Rat aber habe es wider ihren Willen erlaubt. Doch ficht mich das wenig an. Wenn sie nur ihre Pflicht täten, dass sie mir und allen Andern jede Möglichkeit zu handeln vorweg nähmen! Denn wie es ja auf mich nicht ankommt, so kümmere ich mich auch wenig darum, durch wen Gottes Werk getan wird, wenn es nur gut getan wird. Darin aber täuschen sie sich natürlich, dass sie glauben, es ohne Hilfe Anderer machen zu können, da sie doch kaum den halben Weg werden zurücklegen können, obwohl ihnen ja jetzt schon Viele helfen. Du weißt, dass ich Gründe genug dazu habe, wenn ich immer sage, es schaudere mich schon bei der Erwähnung einer Rückberufung. Nicht das allein schreckt mich ab, dass sie von dir so beharrlich nichts wissen wollen; obwohl es mir die Hauptsache ist, das muss ich gestehen. Aber es kommt viel anderes dazu, was ich nicht zu erwähnen brauche, und besser bis auf dein Kommen verschiebe. Je weiter ich komme, desto klarer sehe ich, aus welchem Wirbelsturm mich der Herr [durch die Entfernung von Genf] befreit hat.

Der Konvent der Fürsten und Städte [zu Schmalkalden] hatte folgendes Resultat: Als man sich zu allen billigen Bedingungen bereit erklärt hatte, wenn nur der Kaiser eine Reichssynode einberufen wolle, erhielt man ein zweideutige Antwort. Unterdessen erfuhr der Kaiser von den Gegnern, sie wollten kein Haarbreit von ihrer Meinung weichen, vielmehr jedes Mittel versuchen, die Andern auf ihre Seite herüberzuziehen. So denkt er sich also eine Art aus, beide Parteien zu befriedigen, die Papisten und die Unsern. Deshalb hat er seinen Kanzler Granvella und zwei Grafen angestellt, sich den Unsern gleichsam als Vermittler anzutragen und ihre Gesinnung zu erforschen, um dadurch beim Kaiser leichter erläutern und erlangen zu können, was recht wäre. Wenn du die List noch nicht merkst, so musst du wissen, dass die Unsern in allem Eifer auf die ihnen versprochene Zusammenkunft drangen; während andrerseits die Papisten Lärm schlugen und schrieen, es sei unwürdig, dass der Kaiser noch länger die Weigerungen der Unsern ertrage. Der Kaiser aber ist in allem seinen Handeln gehindert, da er weder zu den Waffen zu greifen wagt, noch ohne Erschütterung von ganz Deutschland eine Synode halten zu können glaubt. So sucht er nun die Wut der Papisten zu dämpfen, indem er vorgibt, er wolle sorgen, dass sie nicht durch allzu kühnes und unzeitiges Dreinfahren ihn samt ihnen in Krieg verwickelten; den Unsern aber gesteht er nichts zu. Obwohl sie nun sahen, er treibe durch solche Verstellung sein Spiel mit ihnen, so beschlossen sie doch, nichts zu verweigern, was er zum Frieden und zur Ruhe der Kirche zu unternehmen schiene. Sie gaben deshalb Granvella eine schriftliche Antwort, aus der du ersiehst, wie mutig sie sind. Da der Kaiser weder lateinisch noch deutsch kann, so schien es ihnen am besten, ihm französisch zu schreiben. Ich schicke dir die Schrift, aber nur unter der Bedingung, dass du sie ja nicht in der Öffentlichkeit verbreitest. Nur zwei Exemplare existieren außer dem, das du erhältst; eines wird dem Kaiser geschickt; das andere brachte Dr. Ulrich nach Solothurn, damit es durch Vermittlung des Gesandten an den König [von Frankreich] gelange. Also möchte ich, dass du es nur ganz wenigen zeigst; abschreiben lass es ja von Niemand, das beschwöre ich dich um Alles. Die allgemeine Stimmung ist, falls man weiter gereizt werde, sofort und ohne zu warten dem entgegen zu treten, wenn das Gewissen es erlaube. Da ist keiner, der nicht ganz bereit wäre, eher allen Gefahren zu trotzen, als dass Christo der Weg versperrt werde. So weit sind sie davon entfernt, ihn etwas nehmen zu lassen.

Unser Rat hat durch einen Gesandten das Urteil des Reichskammergerichts zurückgewiesen. Fahren sie fort mit ihren leeren Schreckmitteln, so werden sie noch große Erregung verursachen. Die Zwistigkeiten zwischen dem Kaiser und dem König sind noch nicht geschlichtet. Das ist auch der Grund, weshalb der Kaiser zögert, uns anzugreifen. Die Papisten sind eifrig am Werk, ihn aus allen anderen Verwicklungen frei zu machen, damit er sich rüste zum Angriff gegen uns. Vor allem der Braunschweiger, der ihm [den Herzog] von Geldern zuführte, damit sie Frieden schlössen über das Herzogtum. Die Unsern aber sind ihrer Kraft so sicher, dass sie sich durch solche Machenschaften nicht schrecken lassen. – – –

Ich schaudere, [wenn ich höre], dass die Frommen in Frankreich so grausam gequält werden, besonders in dieser Zeit, da wir ihnen so gar keine Hilfe bringen können. Und jedenfalls sind gerade die Besten in der größten Gefahr. Denn je mutiger und standhafter einer Christum verkündet, desto weniger kann ihn der Satan ertragen. Doch kommt es zuweilen auch vor, dass der Herr die Besten sicher schützt, wenn andere aufs Schaffot geschleppt werden. Der Landsmann des Jacques, der zu Sedan oder Melun verbrannt worden ist, war letztes Jahr hier und bat mich um ein aufmunterndes Schreiben an die Brüder jener Gegend; nachher erfuhr ich als sicher, dass er von wiedertäuferischen Irrlehren angesteckt war, ja von ihnen allen die ungesundesten Ansichten hatte. Es reute mich also, dass ich ihm durch meinen Brief den Zutritt zu vielen guten Leuten verschafft habe. Ich fürchte, dass sein Tod dem Evangelium eher Schmach als Nutzen bringt. Was ich sage, habe ich nicht aus unbestimmten Gerüchten, sondern von seinen Verwandten. Der Mann seiner Schwester macht kein Hehl daraus, was sein Schwager war. Über den Tod Micheliers stimmen die Erzählungen eines Augenzeugen mit deinem Brief nicht ganz überein. Aber ich glaube, wir müssen uns an die Regel halten, dass wir von denen, die um des Zeugnisses des Evangeliums willen gelitten haben, so gut wie möglich denken und reden. Nur nicht zu viel, wo es nicht deutlich feststeht, wie sie sich im Leben und besonders beim Sterben benommen haben.

– – – Dass unsere Abendmahlsprüfung, von der ich schrieb, unserm guten Bruder Bedenken macht, wundert mich nicht. Denn es ist mir nicht neu, dass gute Seelen Angst haben, wir glitten wieder in irgendeinen Aberglauben zurück, sobald sie hören, dass wir etwas einrichten, was irgendeine Verwandtschaft oder Ähnlichkeit mit papistischen Erfindungen hat. Wie ich aber ihnen diese Sorge nicht nehmen möchte (denn wir können in dieser Beziehung nie aufmerksam genug sein), so wünschte ich doch auch, sie wären vorsichtiger in der Scheidung des Weizens von Spreu und Unrat. Ich habe es dir oft bezeugt, dass es mir nicht gut scheint, wenn die Kirchen die Beichte abschaffen, ohne dass das, was ich neulich eingeführt habe, an ihre Stelle tritt. Um dir meinen Grund besser darzulegen, muss ich zuerst rasch zeigen, was es eigentlich ist. Sobald der Abendmahlstag bevorsteht, zeige ich an, dass die, die zu kommunizieren wünschen, sich mir vorstellen mögen, und füge zugleich bei, zu welchem Zweck; nämlich die noch Ungebildeten und in der Religion Unwissenden sollen besser unterrichtet werden; die, die einer besondern Ermahnung bedürfen, sollen sie hören; schließlich soll, wer etwa durch irgendeine Unruhe seines Gewissens gequält wird, Trost empfangen. Weil nun aber Gefahr besteht, dass das Volk, das keinen Unterschied macht zwischen dem Joch Christi und der Tyrannei des Antichrists, glaubt, es solle in eine neue Knechtschaft geführt werden, so trete ich gleich diesem Verdacht entgegen. Ich bezeuge nicht allein, dass ich die papistische Beichte missbillige, sondern zeige auch deutlich die Gründe, warum sie mir missfällt, und verkünde dann ganz allgemein, dass wir nicht nur die Missbräuche scheuen müssen, die mit ihr verbunden sind, sondern überhaupt jedes Gesetz, das unser Gewissen in Fesseln legen will. Denn Christus sei unser einziger Gesetzgeber, dem wir Gehorsam schuldig sind. Dann belehre ich sie, dass ich unsrer Freiheit nicht Abbruch tun will, da ich nichts aufbürden wolle, was nicht Christus selbst befohlen hat. Denn wie unverschämt wäre es, die Kirche nicht für würdig zu erachten, dass sie deinen Glauben prüfe, deren Abendmahlsgemeinschaft du doch begehrst? und welche klägliche Lage der Kirche wäre es, wenn sie zur Gemeinschaft eines so heiligen Sakraments Leute aufnehmen müsste, die sie gar nicht kennt, oder die ihr vielleicht verdächtig vorkommen. Ja, von der Kirche zu schweigen; wie soll der Pfarrer, dem die Spendung solchen Gnadengeschenks anvertraut ist unter der Bedingung, dass er es nicht für Hunde oder Schweine entweihe, nicht ohne Unterschied an Würdige und Unwürdige verschleudere, wie soll er dieses Amt verwalten, wenn er nicht ein bestimmtes Mittel hat, die Würdigen von den Unwürdigen zu scheiden? Aber ich bin töricht, das noch länger bei dir auszuführen. Außerdem würde mir die Zeit fehlen. Denn es ist gekommen, was ich gefürchtet habe, ich bin mehr als einmal vom Schreiben weggerufen worden. Zuletzt erkläre ich die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Einrichtung, wie ich möchte, dass du es nach meiner Erklärung dem guten Manne ausrichtest.

Die drei adligen jungen Leute, die du in deine Gastfreundschaft aufgenommen, rühmen deine Freundlichkeit und Freigebigkeit, umso mehr, als du dich noch sorglich entschuldigst, du hättest nicht geleistet, was du wolltest. Sie meinen, du wollest sie verspotten, dass du dein Wohlwollen gegen sie so klein machst. Capito, Butzer, Sturm, Bedrot, Claude und alle Franzosen grüßen dich freundlichst. Keiner ist unter ihnen, der nicht auf dein Kommen begierig wartet; nicht weniger um meinetwillen, als um deine Gegenwart zu genießen. Weil sie uns beide lieben, denken sie an beide. Nicolas und Henri studieren nun eifrig. Besonders Nicolas ist Feuer und Flamme. Jacques will ich in diesen Tagen zu mir [ins Haus] nehmen. Auch sie alle grüßen dich ehrerbietig, ebenso mein Bruder. Alle Brüder sollst du mir meinerseits grüßen und sollst ihnen mit meinen Worten sagen, wie sehr sie in meinem Herzen wohnen. Mein alter Lehrer Cordier und Michel werden mich entschuldigen oder wenigstens mir verzeihen, wenn sie von mir keine Briefe erhalten. Lebwohl, liebster Bruder. Vergiss mir auch deine Familie nicht [zu grüßen].

[Mai 1540.]
Ganz der Deine
Calvin.

Calvin, Jean – An Viret in Lausanne

Viret hatte von Verfolgung der Evangelischen in Frankreich berichtet.

Freundschaftliche Vorwürfe; nicht mehr nach Genf! Über allerlei Jesajas-Exegeten.

So hab ich doch etwas mit meiner Beschwerde erreicht. Ich habe dich genötigt, dein undankbares monatelanges Schweigen einmal zu brechen. Doch gefällt es mir nicht, dass du, statt einfach deine Schuld abzubitten, wie du musstest, eine Gegenanklage schicktest. Denn du stellst uns ganz gleich (abgesehen davon, dass ich nun zuerst wieder angefangen habe, zu schreiben), da wir beide von unserer Pflicht abgefallen seien. So hoffst du mir zu entwischen. Wie wenn ich nicht hundertmal unterdessen an Farel geschrieben hätte mit der Bedingung, er solle mein Nachrichtenvermittler an dich sein; und in der ganzen Zeit habe ich nicht einen Brief von dir bekommen, nicht einmal einen, der mir deinen Gruß ausrichtete, außer dem, den du einmal deinem Brief an Butzer beischriebst. Deshalb werde ich dich eher von Schuld freisprechen, bis du mir deinen Eifer in der Zukunft bewiesen hast, und zwar so, dass ich doppelte Strafe von dir heischen darf, wenn du nach deiner Art zu faulenzen fortfährst. Damit es aber nicht scheint, ich verfahre zu scharf mit dir, so will ich dir dein Vergehen gern verzeihen, wenn du nur fernerhin fleißig deine Pflicht tust und mir verzeihst, wenn ich zufällig ein wenig fauler bin. Dein Brief war mir größtenteils Trauerbotschaft, umso mehr, da ich vermute, die Wut der Henker werde bald übermäßig hitzig werden, wie es gewöhnlich ist, wenn sie einmal aufgewallt ist. Und kein Mittel bietet sich uns, dem entgegen zu wirken. Ich habe es Farel schon geschrieben, dass die Hoffnung, die uns lange in Erwartung hielt, uns jetzt doch enttäuscht hat. Deshalb können wir, wenn uns der Herr nicht einen neuen Ausweg zeigt, den armen Brüdern nicht anders helfen, als mit Bitten und Ermahnungen. Aber gerade auch diese sind so gefährlich für ihr Leben, dass es ratsam ist, sich ihrer zu enthalten. So bleibt uns fast einzig übrig, dem Herrn ihre Rettung anzuempfehlen. Den Teil deines Briefes dagegen konnte ich nicht ohne Lachen lesen, in dem du so hübsch für meine Gesundheit sorgst. Nach Genf soll ich gehen, um es besser zu haben? Warum nicht lieber gerade ans Kreuz? Besser wäre es, einmal zu sterben, als auf einer Folter immer wieder gequält zu werden. Also, lieber Viret, wenn du mich gesund wünschest, so gib diesen Plan auf. Dagegen war mirs sehr angenehm zu hören, dass die Brüder de la Fontaine um mein gutes Gedeihen so besorgt sind und du deinen Sinn auf das gleiche Ziel richtest. Ich halte mich kaum für würdig, dass man für mich so sorge, und doch kann ich nicht anders, als mich über den Eifer guter Menschen um mich freuen.

Capito bietet in seiner Vorlesung etwas, was dir zu deiner Auslegung des Jesaias sehr viel nutzen könnte. Da er aber seinen Hörern nichts diktiert und noch nicht weiter als bis zum 14. Kapitel gekommen ist, so kann dir momentan seine Arbeit noch nichts helfen. Zwingli fehlt es zwar an Geschick nicht, aber weil er zuviel Freiheit in Anspruch nimmt, so schweift er oft weit vom Sinn des Propheten ab. Luther, nicht sehr ängstlich in Beziehung auf die Eigenart des Wortlauts und die geschichtlichen Umstände, begnügt sich damit, eine fruchtbringende Lehre herauszuschälen. Also ist wohl keiner fleißiger in dieser Beziehung gewesen als Oekolampad, aber auch er trifft nicht immer ins Schwarze. Aber wenn dir einstweilen auch noch Hilfsmittel fehlen, so wird doch, hoffe ich, der Herr dich nicht verlassen. Von unsern Angelegenheiten schreibe ich nichts, damit Farel umso mehr Stoff zum Schreiben hat. Alle lassen dich freundlich wieder grüßen, Capito, Butzer, Matthias, Sturm, Bedrot. Hedio habe ich noch nicht gesehen, seit ich deinen Brief erhielt. Grüße dafür von mir Conrad und Corneille, Jacques, Isnard und andere. Auch deine Tante, die mir wie eine Mutter ist, und deine Frau, die ich einmal sehen möchte. Da ich Conrads erwähnte, fällt mir wieder ein, was ich vergessen hatte. Gaspard, der eine Zeitlang bei ihm gewohnt, war neulich hier und beklagte sich schwer bei Sturm, ich hätte ihn im Auftrag des Grynäus bei guten Leuten unschön verleumdet. Bei mir selbst schwieg er still und grüßte mich nur, als er aus meiner Vorlesung wegging. Ich wollte dir das zu wissen tun, damit Ihr in Zukunft vorsichtiger seid. Leb wohl, bester, liebster Bruder. Der Herr erhalte dich uns.

Straßburg, 19. Mai.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Im Februar 1540 war in Genf ein Umschwung zugunsten der Verbannten eingetreten, durch die Neuwahl des Syndics, der obersten Behörde der Stadt. Jean Blecheret, ein Genfer Jurist. Weggelassen einige politische Notizen.

Nach Genf nicht mehr zurück! Heirats- und Amtsnöte. Der Studentenkrawall.

Ich warte schon so lange umsonst auf einen Brief von dir, dass ich nicht weiß, soll ich überhaupt noch weiter warten. Meine Sehnsucht [nach Nachricht] hält allein meine Hoffnung noch aufrecht und wird’s vielleicht noch ein paar Tage tun. Muss ich aber einmal aufhören zu hoffen, so sollst du es spüren, wie erzürnt ich über diese Täuschung bin. Deine Nachlässigkeit ist umso unerträglicher, da dir doch Genf gegenwärtig Stoff in Fülle gibt zum Schreiben. Denn wenn mir auch du Tally geschrieben hat, so kann ich doch nicht ins Klare kommen aus seinen Worten, welche Wendung diese Geschichte genommen hat. Der Buchdrucker Michel hat mir mit den Worten Blecherets angesagt, meine Rückkehr nach Genf könne bewerkstelligt werden. Aber lieber hundertmal sonst sterben als dieses Kreuz, an dem ich tausendmal im Tag verderben müsste. Ich wollte dir das beiläufig mitteilen, damit du dich männlich den Ratschlägen der Leute entgegenstemmst, die mich dorthin zurückzuziehen versuchen. Damit ich aber nicht den Schein erwecke, Unvernünftiges zu wollen, so will ich dir meinen Plan auseinandersetzen, wenn du willst. Über das Heiraten bin ich noch im Ungewissen. Das ist deshalb schlimm für mich, weil die Verwandten jenes adligen Mädchens sehr in mich dringen, sie zu nehmen. Das werde ich aber niemals tun, wenn mir der Herr den Verstand nicht ganz nimmt. Weil es aber sehr unangenehm ist, abzulehnen, besonders Leuten gegenüber, die mich mit Wohlwollen überschütten, so ists mein heißer Wunsch, aus dieser Schwierigkeit loszukommen. Hoffentlich geschieht das bald. In vier oder fünf Tagen wird eine andere Beschäftigung, die mich ein wenig angreifen wird, mir die Sorge um diese Dinge nehmen. Es haben sich nämlich viele kühn zum Abendmahl gedrängt. Als ich am Ostertag anzeigte, nächsten Sonntag würden wir Abendmahl feiern, verkündigte ich zugleich, es werde niemand von mir zugelassen werden, der sich nicht zur Prüfung einstelle. Die Hauptschwierigkeit wird sein, die törichte Begehrlichkeit zu bessern, von der einige Franzosen so besessen sind, dass man sie kaum aus ihrem Herzen reißen kann. Du weißt, dass verordnet worden ist, sie sollten sich mit ihrer Studententracht zufrieden geben und die Degen ablegen, auch ihre Namen beim Rektor angeben und ähnliches. Um diese Vorschriften zu verhöhnen, sagen sie allem Studium ab. Aber weil das offener Trotz ist, habe ich beschlossen, es keineswegs zu dulden; lieber will ich, dass alle gehen, als dass sie hier bleiben, und die Disziplin leidet Schaden. Leo Jud bat mich neulich, ob er einen der beiden Briefe, die ich vor vier Jahren schrieb, den ersten, deutsch mit meinem Namen herausgeben dürfe. Den zweiten hat er ohne Namen auf diese Messe herausgegeben, nämlich den, in dem ich die papistischen Bischöfe liebkose und ihnen schön tue. Die Antwort, die ich gab, war außerordentlich freundlich, enthielt aber doch einige scharfe Mahnungen. Kurz vorher hatte ich mit ähnlichem Inhalt an Bullinger geschrieben. Hat das guten Erfolg, so weißt du, was ich plane. – – Der Herr erhalte Euch alle gesund. Vor allem lebwohl, trefflichster Bruder. Capito, Sturm, Bedrot, Claude und mein Bruder grüßen dich. Nicolas und die andern wissen nicht, dass ich schreibe.

29. März 1540.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Es war neuerdings ein Zwist zwischen den Zürcher und Straßburger Pfarrern ausgebrochen. Das erwähnte Gedicht des Zebedee über Zwingli lautet:
Einen Größern erwarten ist Sünde. Vielleicht darf man beten,
Dass einen Gleichen wie ihn, unser Jahrhundert uns schenkt.
Seines Mundes gelehrtes Wort, Geradheit des Herzens
Samt seinem scharfen Verstand, loben den Einigen Gott.

Es sei nur das wichtige Urteil Calvins über die zwei Reformatoren hervorgehoben. Farel hatte im letzten Brief, die ganze Caroli-Affäre nochmals wiederholt.

Über Luther und Zwingli. Einladung zur Hochzeit.

– – Ja, um wahr zu reden, wir wollen nicht aufhören, ihre [der Zürcher] Freunde zu sein, so feindselig sie uns auch behandeln. Wenn du wüsstest, mit welcher Mäßigung sich die Unsern benehmen, du schämtest dich, noch mehr von ihnen zu verlangen. Die guten Leute [in Zürich] sind gleich zornentbrannt, wenn einer wagt, ihrem Zwingli Luther vorzuziehen. Als wenn das Evangelium unterginge, wenn Zwingli Abbruch geschähe! Und doch geschieht dabei Zwingli nicht das mindeste Unrecht; denn du weißt selbst, wie weit ihn Luther überragt, wenn man die beiden vergleicht. Deshalb gefällt mir auch das Gedicht des Zebedee gar nicht, in dem er Zwingli nicht nach Verdienst zu loben meinte, wenn er nicht sagte: Einen Größern erwarten ist Sünde. Da es für unhöflich gilt, Böses zu reden von Asche und toten Schatten, so wäre es sicher auch Unrecht, von einem solchen Mann wie Zwingli anders als ehrerbietig zu denken. Aber es gibt ein Maß auch im Loben, und das hat Zebedee doch weit überschritten. Ich wenigstens bin so weit davon entfernt, ihm beizustimmen, dass ich vielmehr schon jetzt viele Größere sehe, auch noch einige Größere erwarte, ja uns alle größer wünsche. Ich bitte dich, lieber Farel, wenn einer Luther so priese, würden dann nicht die Zürcher klagen, Zwingli sei dadurch in den Boden gedrückt. Du sagst, das wäre töricht! Als ob nun alle Freunde Luthers weise sein müssten! Aber das sage ich dir ins Ohr.

Auch ich bins wirklich müde, ja vielmehr geradezu überdrüssig, die ganze Geschichte Carolis immer von neuem behandelt zu sehen. Deshalb erlaube ich dir gern, sie in Zukunft ruhen zu lassen, wenn nichts Neues geschieht. Wenn ich doch einmal in deinen Busen vertraulich ausschütten könnte, was ich meine, und dafür deinen Rat hören, damit wir beide besser gerüstet wären. Die beste Gelegenheit, dazu dich herbeizulassen, wird sein, wenn eintritt, was ich von meiner Heirat hoffe. Wir erwarten nämlich das Mädchen kurz nach Ostern; wenn du mir aber versprichst zu kommen, werden wir die Hochzeit bis zu deiner Ankunft verschieben. Denn wir haben dann noch Zeit genug, dir den Tag anzugeben. Das fordere ich also erstens als die größte Wohltat von dir, dass du kommst, zweitens dann, dass du noch schreibst, ob du kommen willst. Denn es muss unbedingt jemand hierher kommen, um die Ehe einzusegnen. Ich hätte aber niemand lieber als dich. Also überlege dirs, ob ich´s dir wert bin, um meinetwillen die Reise zu unternehmen. Ich bin gespannt, was uns die Unruhen gebären, durch die Genf gegenwärtig erregt wird. Die Sache wird hoffentlich eine bestimmte Wendung nehmen, ehe du kommst. Deutschland ist wie gewöhnlich gespannt in der Erwartung großer Ereignisse. Alle vermuten, der Kaiser habe mehr im Sinn, als er vorgibt. Die Unsern haben gegenwärtig in Schmalkalden eine Zusammenkunft, in der sie ratschlagen für jeden Fall, damit sie weder, wenns gilt, mit Gründen zu kämpfen, noch im Krieg die Entscheidung zu suchen, unvorbereitet überrascht werden. Das Gute gab uns Gott, dass die drei geistlichen Kurfürsten sich eher mit den Unsern verbünden zum Schutz der Landesfreiheit, als dass sie irgendwie mit dem Kaiser sich verschwören.

Unser Gemeindlein hält sich nach seiner Sitte aufrecht. Hermann ist, wenn ich mich nicht täusche, in guten Treuen zur Gemeinschaft der Kirche zurückgekehrt. Er hat bekannt, außer der Kirche sei nicht auf Heil zu hoffen, bei uns sei die wahre Kirche; deshalb sei es ein Abfall gewesen, dass er einer von ihr getrennten Sekte zugehörte; für dieses Vergehen, dessen er sich schuldig bekannte, hat er um Verzeihung gebeten. Über den freien Willen, Gottheit und Menschheit Christi, Wiedergeburt, Kindertaufe und andere Dinge ließ er sich belehren und nahm unsere Lehre an. Nur in der Frage der Prädestination zauderte er noch etwas; doch unterschrieb er mir auch hier beinahe, nur dass er sich den Unterschied vom Vorauswissen Gottes und der Vorsehung nicht erklären konnte. Er bat aber, das möchte kein Hindernis sein, dass er und seine Kinder etwa deswegen nicht in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen würden. Ich empfing ihn mit geziemender Willigkeit, und da er um Verzeihung bat, reichte ich ihm im Namen der Kirche die Hand; darauf taufte ich sein Töchterlein, das schon über zwei Jahre alt ist. Wenn mich mein Glaube nicht ganz täuscht, ist er ein gottesfürchtiger Mensch. Als ich mahnte, er solle nun auch andere auf den rechten Weg zurückbringen, sagte er: das ist das Geringste, dass ich mir nun im Aufbauen nicht weniger Mühe gebe, als ich es früher im Niederreißen tat. Auch Jean, der in Ulm wohnt, soll zur Vernunft gekommen sein. Aber damit wir uns dieser Dinge nicht rühmen, demütigt uns der Herr auf tausend Arten. Denn bei uns stehen die Verhältnisse um nichts besser als dort, wo sie nach deiner Aussage ganz schlecht stehen. Aber bei all dem Beklagenswerten bleibt uns immer der Trost übrig, dass wir nicht vergeblich dem Herrn dienen, auch wenn wir anscheinend alle Mühe umsonst anwenden. – – Lebwohl, bester trefflichster Bruder. Alle grüßen dich freundlich, besonders Capito, Sturm und Claude. Butzer ist nicht hier; aber alle trugen mir auf, an ihrer Stelle zu antworten, als ich ihnen Eure Mahnungen ausrichtete. Sie sind darüber so wenig erzürnt, dass sie fast noch fester wurden im Wohlwollen gegen Euch, das doch auch sonst schon groß genug ist. Nochmals, lebwohl, mein Herz! Obwohl ich beinahe am Einschlafen bin, kann ich doch nicht vom Schreiben lassen.

Straßburg, 26. Febr. 1540.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

de Rognac, Jean de la Mark, Seigneur de Jametz und Robert de Val sind hugenottische Edelleute in Lothringen. Über Hermann v. Leyden vgl. Nr. 26. Der erwähnte Jean war wohl auch ein Wiedertäufer, vielleicht Jean Stordeur, der erste Gatte Idelette von Bürens. Der Name der beiden Mädchen, die bei den Heiratsplänen Calvins in Betracht kamen, ist nicht zu ermitteln

Von Caroli und Le Bel, bekehrten Wiedertäufern, neuen Heiratsplänen und Politik.

Ich beschwöre dich, lieber Bruder, wenn ich mit dir hadre, dich schelte, dir böse bin, dich anklage, nimms so auf, als ob du dir selbst diese Vorwürfe machtest. Wegen Caroli wird der Herr uns raten, wie gebessert werden kann, was etwa gefehlt wurde. Auch unsre Leute gestehen hier nun, dass sie milder gewesen sind, als nötig war. Aber weil bei uns die strenge Kirchenzucht nicht ist, die sein sollte, mussten sie ihn nachsichtiger behandeln, als sie eigentlich wollten. Der Hauptirrtum, der uns alle verführte, war die Meinung, er sei tatsächlich mit Euch versöhnt. Denn unter der Bedingung allein nahmen wir ihn auf, dass alle Abmachungen gültig blieben, unter denen er in Bonneville bei Euch in Gnaden aufgenommen wurde. Kommt er wieder zurück, so wollen wir uns hüten, dass Euch unsere Bereitwilligkeit nicht zum Nachteil werde. Hier könnte er, glaube ich, nichts schaden, auch wenn er wollte. Wenn er über uns schimpft, wird er kaum Gehör finden. Denn ich weiß, dass Herr Jametz, [bei dem er ist] von uns eine zu gute Meinung hat, als dass er kühnlich eine Beschuldigung zuließe. Auch ich, – um es zu gestehen, – habe ihm eine Empfehlung an de Rognac gegeben, aber des Inhalts, weil er zu Vernunft gekommen sei, sich zu uns geflüchtet, seine Schuld gestanden und unsere Verzeihung erlangt habe, hätten wir Hoffnung, er sei wirklich von ganzem Herzen zu uns zurückgekehrt. Deswegen bäte ich, dass ihm, wenn er sich nicht anders aufführe, als es einem Knechte Christi zieme, jene Zeit der Entfremdung nichts schaden solle. Er kam nicht zu de Rognac, hat also von meiner Empfehlung keinen Gebrauch gemacht. Alexandre [le Bel] aber wurde dort in Gnaden aufgenommen, vom Herrn de Robertval, in dessen Familie er früher schon, wie du weißt, gewesen ist. Als er dann nachher hierher geschickt wurde, schrieb ich de Rognac, mein Gewissen habe mir nicht erlaubt, ihn ins Haus aufzunehmen und mit ihm zu reden. De Rognac entschuldigte sich höflich, er habe unwissentlich gefehlt, da er nicht wusste, dass Alexandre gebannt sei. Er wird in der Fastenzeit noch mit seiner Gemahlin hierher kommen. Dann will ich ihm viel von Caroli erzählen. Was du beklagst, dass der heilige Dienst am Wort dort so kläglich zusammengebrochen ist, das ist tatsächlich so. Wohin man heute seinen Blick wendet, da hat man unzählig viel zu beklagen. Wenn ich so kein Ende absehe, möchte ich oft den Mut fast verlieren, wenn mich nicht der Gedanke aufrecht hielte, dass wir das Werk des Herrn nicht im Stich lassen dürfen, mag geschehen, was will. Doch gibt der Herr unter all dem Unglück zuweilen wieder etwas, das uns aufrichtet. [Der Wiedertäufer] Hermann, der in Genf mit uns eine Disputation hatte, bat mich um eine Unterredung. Er gibt zu, über die Kindertaufe, die Menschheit Christi und allerlei Anderes habe er sich schwer geirrt. In einigen anderen Dingen hat er noch einige Bedenken, doch ist gute Hoffnung, da schon so viel Schweres von ihm überwunden ist. Der Genosse Jeans hat endlich seinen Knaben, der schon ziemlich groß ist, zur Taufe gebracht. Ich hatte eine Zeitlang Nachsicht der Schwäche [des Kindes] wegen, da er sagte, das sei ihm der Hauptgrund zum Hinausschieben der Taufe. Schließlich sagte er, er wolle die Leute nicht aufhalten, deren hartnäckigem Dringen [auf die Taufe] er doch in keiner Weise widerstehen könne.

Was von einem Einfall des Kaisers hier geredet wird, ist eine Fabel. Die Unsern hatten [in der Umgebung des Kaisers] einen Mann, der alles durchschauen konnte. Es ist gewiss, dass von so ernsten Dingen überhaupt nicht die Rede war. Aber auf den 15. März wurde eine Zusammenkunft des Kaisers mit dem König [von Frankreich] in Amiens vereinbart. Wenn es dort zu einer Vereinigung zwischen ihnen kommen kann, so muss man mit Recht fürchten, dass sie sich zu unserm Untergang verschwören. Auch Ferdinand [von Österreich] wird dabei sein, der schon ein gut Stück der Reise zurückgelegt hat. Es geht auch das Gerücht, der Savoyer reise durch Italien heran, um über die tridentinischen Alpen nach Deutschland zu kommen. Sicher bleibt ihm keine Hoffnung, seine Gebiete wieder zu bekommen, wenn die Beiden in seiner Abwesenheit verhandeln. Die Unsern erinnern den Kaiser an sein Versprechen. Unterdessen aber schlagen sie Lärm, als ob der Krieg schon erklärt wäre. Vorigen Monat schienen sie allzu untätig: jetzt sind sie wunderlich aufgeregt.

Und trotz solches Kriegslärms habe ich Muße genug, ans Heiraten zu denken. Es wurde mir ein Mädchen angetragen, von Adel und mit einer über meine Verhältnisse gehenden Mitgift. Aber zwei Gründe schreckten mich von dieser Heirat ab, dass sie unsere Sprache nicht kann, und dass ich fürchte, sie könnte ihren Stand und ihre Erziehung immer zu sehr im Sinn behalten. Ihr Bruder, ein sehr frommer Mann, drang in mich, und das aus keinem andern Grund, als weil ihn die Liebe zu mir so blind gemacht hat, dass er nicht mehr an sich selbst denkt. Seine Frau wetteiferte mit ihm im gleichen Bestreben, dass ich fast genötigt worden wäre, meine Hand zu bieten, hätte mich der Herr nicht selbst frei gemacht. Denn als ich antwortete, ich werde nichts tun, wenn das Mädchen es nicht auf sich nehme, sich wirklich um die Erlernung unserer Sprache zu bemühen, da erbat sie sich Bedenkzeit. Ich sandte nun sogleich meinen Bruder mit einem andern guten Mann, eine andere für mich zu werben, die, wenn sie ist, was man von ihr rühmt, auch ohne Geld genug in die Ehe mitbringt; denn alle, die sie kennen, empfehlen sie mir ganz außerordentlich. Kommt sie, was ich sicher hoffe, so soll die Hochzeit nicht länger als bis zum 10. März hinausgeschoben werden. Könntest du doch hier sein, unsere Ehe einzusegnen! Ich wage aber kaum, dich darum zu bitten, weil ich dir voriges Jahr mehr Mühe machte, als gut war. Hätte ein anderer von den Brüdern im Sinne, uns zu besuchen, so möchte ich, dass ers auf diese Zeit verlegte, um dich vertreten zu können. Eigentlich mache ich mich lächerlich, wenn es jetzt etwa geschieht, dass meine Hoffnung enttäuscht wird. Aber im Vertrauen auf den Beistand des Herrn überlege ich mir die Sache schon, wie wenn sie sicher wäre.

Ich komme auf die Politik zurück. Weil der Kaiser durch den Erzbischof von Lunden unsern Fürsten sagen ließ, er habe den Plan einer Zusammenkunft nicht aufgegeben, hießen sie, um nicht unvorbereitet überrascht zu werden, einige gelehrte Leute nach Schmalkalden kommen, um über die Ordnung der Verhandlung zu beraten. Butzer wird noch vor dem 20. des Monats dorthin reisen. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr behüte dich und alle deine Kollegen, die du in meinem Namen freundlich grüßen sollst, besonders Chaponneau, meinen [alten] Lehrer Cordier, Thomas, Cunier und Nicolas. Unsere Leute lassen dich grüßen; ich schicke diesen Brief durch Briton, den ich gerne noch ein Jahr länger hier behalten hätte, wenn ich seine Gründe nicht billigen müsste.

Straßburg, 6. Febr. [1540].
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Der erwähnte Brief Luthers datiert vom 14. Oktober 1539. Weggelassen sind politische Nachrichten unwichtigen Inhalts. Dr. Bugenhagen, genannt Pommer, war Luthers Freund.

Von Luthers Freundlichkeit.

– – Krafft, einer unserer Buchdrucker, kam neulich von Wittenberg zurück und brachte einen Brief Luthers an Butzer mit, in dem stand: Grüße mir Sturm und Calvin ehrerbietig; ich habe ihre Büchlein mit großem Vergnügen gelesen. Nun erinnere dich an das, was ich dort vom Abendmahl sage und bedenke Luthers Aufrichtigkeit. Leicht ists jetzt zu sehen, wie wenig Grund die haben, die sich so hartnäckig von ihm fernhalten. Philippus aber schrieb: Luther und Pommer lassen Calvin und Sturm grüßen. Calvin ist sehr in Gunst gekommen. Ferner ließ Philippus durch den Boten erzählen, man habe, um Luther aufzuhetzen, ihm gezeigt, wie scharf er samt den Seinen von mir getadelt werde. Er habe also die Stelle näher angesehen und gemerkt, dass sie ohne Zweifel auf ihn gehe. Schließlich habe er gesagt: Ich hoffe, er wird einmal besser von uns denken; es ist nur billig, dass wir von einem so tüchtigen Geist einmal etwas hinnehmen. Wenn uns nun solche Mäßigung nicht überwände, wir müssten wahrlich von Stein sein. Ich bin überwunden. So habe ich etwas geschrieben, das ihm Genugtuung leistet; das soll ins Vorwort zum Römerbrief eingerückt werden. Wenn du noch nicht gelesen hast, was Philippus über die Autorität der Kirche schreibt, so lies es, bitte. Du wirst ihn da viel mutiger sehen, als er in seinen andern Schriften schien. Capito, Butzer, Sturm, Hedio, Bedrot und Andere grüßen freundlich. Grüße auch alle Brüder, bitte, gar sehr. Leb wohl, bester Bruder.

Straßburg, 20. November.
Dein Calvin.

Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel

Antoine Calvin, der Bruder des Reformators, war von Beruf Kaufmann. Weggelassen sind einige politische Nachrichten.

Mehreres vom Streit mit Caroli. Nachrichten aller Art.

Verzeih, teuerster Bruder, dass ich dir seit dem stürmischen Brief nichts geschrieben, den die noch frische Bitterkeit nach meinem erstem heißen Zorn mir abgepresst hatte. Ich weiß nicht mehr genau, was ich geschrieben habe. Nur das weiß ich, dass ich mich nicht recht im Zaum hielt, weil es in meinem Schmerz mein einziger Trost war, mit dir zu hadern, weil du mir durch deine allzu große Nachgiebigkeit solche Not bereitet hast. Nun entschuldigst du dich in einer langen Abbitte wegen dessen, was ich dir vorwarf. Denn wenn du auch zu verteidigen suchst, was du getan hast, so liegt doch der Hauptton deiner Verteidigung auf der Abbitte. Sieh also künftig zu, dass du nur so viel Milde brauchst, dass dadurch nicht ein ungünstiges Vorurteil für Andere entsteht. Nichts von dem, was du in deinem Briefe aufzählst, ließ ich weg, als man mich reden hieß. Denn alle Taten Carolis habe ich genau durchgenommen, die er in Genf, in Lausanne und in Frankreich auch nach seinem Abgang [aus der Schweiz] verübt hat. Aber er wurde nach mir vorgelassen und, nach Belieben hat er Einiges ganz entkräften, Anderes wenigstens viel kleiner erscheinen lassen, wieder Anderes, indem er uns verklagte, von sich abwälzen können. Mich ihm gegenüberzustellen, wagten sie nicht, damit ich nicht übermäßig erbittert werde. Seine Antworten milderten sie entweder oder verschwiegen sie mir ganz. So trieb man in der ganzen Verhandlung ein Spiel mit mir. Da ich das von Anfang an voraussah, hatte ich gleich bezeugt, ich wolle gar nicht dabei sein, weder verwerfend noch billigend. Denn um nichts anderes handelte es sich [von vornherein], als dass Einer nicht von uns weg gewiesen würde, den du schon aufgenommen habest. Du sagst, du seist doch nicht die Kirche. Aber wer sollte denken, dass du ihn anders als aus der Meinung der ganzen Kirche heraus empfehlest? Leugne, wenn du kannst, dass du in einem Brief Eure Versöhnung kundgetan hast. Aus dem, was du von dir schriebst, schloss man mit Recht auf die ganze Kirche, da alle dachten, dass du nie von ihrer Meinung abweichen werdest. So blieb ich ganz allein in der Opposition. Es machte mir dann besonders allen Einfluss unmöglich, dass es Caroli gelang, bei den Unsern den Anschein zu wecken, er habe einiges Recht gehabt, den Streit um die Dreieinigkeit [mit uns] anzufachen. Darin unterstützte ihn Capito nicht wenig, da er dem Butzer sagte, damals habe er von dir einen Brief erhalten mit dem Geständnis, du weichest in der Frage [von der Dreieinigkeit] von den Andern ab, oder irgend so etwas; ich weiß nicht mehr was. Denn Butzer hat es mir nicht deutlich gesagt. Der Bekenntnisse wegen quälten mich Alle ganz wunderlich. Das und Ähnliches taten sie, um Caroli nicht ihrer Barmherzigkeit für ganz unwert halten zu müssen. Unter welchen Bedingungen er aufgenommen worden ist, siehst du aus dem Protokoll. Was ich dort versprochen habe, will ich standhaft halten, wenn nur er selbst auch Treue hält. Wenns geschieht, dass er uns betrügt, bin ich frei. Denn ich habe mein Wort nur unter dieser Bedingung gegeben.

Gegen Alexandre le Bel bin ich vorzüglich gerüstet, so dass ich ihn, wenn er kommt, nach Verdienst empfangen kann. In der Sache wird mein Wort dann auch mehr Gewicht haben, weils da nicht scheint, als handle ich nur in eigner Angelegenheit. Vernimm ein bezeichnendes Beispiel seiner Unverschämtheit! Er wagte es einmal, in unser Haus zu kommen, um sich mir irgendwie aufzudrängen. Als ich zufällig in die Küche hinunterging, traf ich ihn dort bei den Dienstboten. Er grüßte mich recht auffällig und wollte zu reden anfangen. Ich würdigte ihn aber keines Grußes, nicht einmal eines Blickes; sondern rief nur Einen her und befahl ihm, den Mann hinauszuweisen. Unser Haus stehe Leuten, die aus der Kirche Gottes getilgt seien, nicht offen. Seitdem wagte er nicht mehr, sich mir zu zeigen. Er soll nur kommen, ungerüstet findet er mich nicht. Du wirst lachen, wenn du hörst, wie Caroli in einer Vorlesung Butzers dran gekommen ist. Butzer behandelte die Stelle von der Steinigung falscher Propheten. Um zu definieren, was ein falscher Prophet sei, sagte er, das sei nicht Einer, der Etwas neben Gottes Wort lehre, sondern der Sätze aufstelle, die dem Wort widerstritten. Als Beispiel fügte er bei, es gebe Leute, die einen Ort erfänden zur Läuterung der abgeschiedenen Seelen; das sei eine unrichtige Lehre, aber deswegen dürften wir Einen nicht verdammen; wenigstens, wenn er sie nur so vortrage, dass er es im Ungewissen lasse. Wer aber sage, man könne den Verstorbenen durch Gebete helfen, den müsse man nicht nur als eitel, sondern als unfromm verurteilen. Bei diesem Worte schaute er bald mich an, bald richtete er seinen Blick auf Caroli. Jetzt, da wir mit ihm verhandelt haben, müssen wir uns bemühen, dass er sich über unsere Standhaftigkeit oder Ehrlichkeit nicht mir Recht beklagen kann. Ich möchte doch einmal wissen, wie geschickt er sich bei de Rognac benimmt. Er gibt mir auch Anlass, dir einmal über den Stand der Dinge in der Kirche von Metz zu antworten. Caroli ging nämlich dorthin und suchte Gelegenheit zum Predigen zu erhalten. Sofort war der [bischöfliche] Offizial da und ließ ihn vor sich führen. Man weiß nicht, was mit ihm verhandelt wurde, nur dass er sich bald darauf wieder [von Metz] entfernte. Ungefähr vierzehn Tage vorher hatte ich meinen Bruder dorthin gesandt. Er arbeitete bei einem tüchtigen und ganz rechtschaffenen Mann. Sein Benehmen war bescheiden. Sobald man aber von ihm erfuhr, befahl man seinem Meister, ihn zu entlassen. Der weigerte sich, das zu tun. Da kehrten sie ihre Wut gegen meinen Bruder und hießen ihn innert sieben Tagen die Stadt verlassen. Er antwortete, es sei ungerecht und ein unverschämtes Vorgehen, über einen unschuldigen Menschen so zu beschließen, ohne ihn überhaupt gehört zu haben. Er wandte sich an die Obrigkeit, bat um eine Audienz. Man schlug sie ihm ab. Er appellierte an den obersten Gerichtsherrn und seinen Beirat, der aus dem Adel besteht. Er reichte, wie es Sitte ist, eine Bittschrift ein, aber es nützte nichts. Und nicht ihn allein behandelten sie so, sondern beschlossen, es solle kein Auswärtiger mehr in der Stadt geduldet werden, auf den irgendein Verdacht falle. Du merkst, dass dort bald dem Evangelium, wenigstens für die Gegenwart, das Tor verschlossen ist. Wir müssen also auf bessere Gelegenheit hoffen, nach der ich stets Verlangen trage.

– – – Die Übersetzung meines Briefes an Sadolet konnte ich nicht ganz vergleichen. Denn die Arbeit forderte einen ganzen Tag. Ich habe sie angesehen, um nach einer Stichprobe ein Urteil fällen zu können. Sie missfällt mir nicht. Doch möchte ich nicht, dass sie veröffentlicht würde ohne Verbesserung. Denn ich habe irgendwo doch noch einen Irrtum gefunden. Ich fürchte aber, wenn Antoine noch aufgehalten wird, so kommt ihm du Pinet mit seiner Übersetzung zuvor, der damit doch jetzt vielleicht allmählich bis zur Hälfte gekommen ist. Ich habe nämlich nicht den dritten Teil der Zeit zur Abfassung der Schrift gebraucht, die verflossen ist, seit er mir anzeigte, er habe mit der Übersetzung begonnen. Ich denke auf Zureden Michels. Der Stadtschreiber von Payerne hat einen seiner Brüder hier. Dafür erzieht er tauschweise den Sohn des Mannes, dem er seinen Bruder anvertraut hat. Es ist der Hausherr Gaspards, ein guter wackerer Mann. Seine Frau ist nun sehr in Angst, da sie von ihrem Sohn nichts hört. Sorge also, dass man bald schreibt, wie es ihm geht. Alle grüßen dich freundlichst, Capito, Butzer, Sturm und Bedrot; auch unsere Leute, Claude, Gaspard, Briton, die Schüler Claudes, Jacques und sein Kamerad, Enard und unser ganzes Haus, wo gegenwärtig auch mein Bruder ist. Diesen Brief behältst du besser bei dir, als ihn weit zu verbreiten.

Straßburg, 27. Oktober 1539.
Dein Calvin.

[Nachträge in den Briefecken und auf dem Umschlag.]

Grüße mir alle Brüder freundlich, auch deinen Kollegen, Thomas und die Andern. Ich konnte jetzt an Michel nicht schreiben. Bitte, lass ihn wissen, er soll mir mit dem nächsten Boten berichten, was mit dem Psalmbüchlein geschehen ist. Ich hatte hier Auftrag gegeben, 100 Exemplare nach Genf zu schicken. Jetzt erst höre ich, dass das nicht besorgt wurde. Gewiss hat er es in seiner Nachlässigkeit wieder hinausgeschoben, mir Bericht zu geben.

Das Protokoll konnte ich jetzt nicht bekommen, du wirst es nächstens erhalten.

[Französisch]: Durch Alexandre lassen sie mir sagen, Sie hätten für mich fromme Wünsche Luthers, von denen Sie sonst nichts erwähnten. Bitte, melden Sie, was es damit auf sich hat.

Calvin, Jean – An Simon Grynäus in Basel.

Dedikationsbrief des Kommentars zum Römerbrief, den Calvin dem Grynäus wohl als Dank für die in Basel erfahrene Gastfreundschaft widmete.

Vom Prinzip der exegetischen Arbeit.

Ich erinnere mich, dass, als wir vor drei Jahren einmal vertraulich über die beste Art der Schrifterklärung miteinander sprachen, die Weise, die dir am meisten gefiel, auch mir besser als alle andern vorkam. Denn wir beide fanden, die vornehmste Tugend eines Auslegers sei durchsichtige Knappheit. Und gewiss, wenn es fast seine einzige Pflicht ist, den Gedanken des Schriftstellers, den er erklären will, wirklich deutlich zu machen, so ist jedes Ablenken des Lesers von diesem Gedanken auch ein Abweichen von seiner, des Auslegers, Absicht oder Abschweifen von seinem Gebiete. So wünschen wir beide, es möchte unter der Zahl der Gelehrten, die sich heutzutage bestreben, die Theologie auf diesem Gebiet zu fördern, einen geben, dessen Ziel die Leichtverständlichkeit wäre, und der zugleich sich Mühe gäbe, die Studierenden nicht mit zu weitschweifigen Erklärungen übers Maß in Anspruch zu nehmen. Obgleich ich nun weiß, dass nicht Alle diese Meinung haben, und dass auch diese Gegner aus guten Gründen zu ihrem Urteil gekommen sind, so bin ich doch von meiner Vorliebe für kurze Kompendien nicht abzubringen. Da nun aber die angeborene Verschiedenheit der menschlichen Geistesart es mit sich bringt, dass dem Einen dies, dem Andern jenes besser zusagt, so darf jeder gewiss seine eigene Meinung haben, nur soll er nicht alle Andern seiner Ansicht unterwerfen wollen. So kommts dann, dass wir, denen die Kürze besser gefällt, die Arbeit der Männer nicht verschmähen oder verachten, die in ihrer Erklärung der heiligen Schrift ausführlicher und weitschweifiger sind, und dass sie ihrerseits uns ertragen, auch wenn sie uns für kurz und knapp halten. Ich konnte mir nun den Versuch nicht versagen, ob hier meine Arbeit der Kirche Gottes wohl auch Nutzen bringen könne. Freilich habe ich nicht das Zutrauen, unser damaliges Ideal erreicht zu haben, noch machte ich mir überhaupt beim Beginn der Arbeit Hoffnung, es zu erreichen. Doch versuchte ich, so zu schreiben, dass man sehen könne, ich halte wenigstens mein Vorbild im Auge. Wie weit es mir gelungen ist, darüber steht mir das Urteil nicht zu, und ich überlasse dir und deinesgleichen, es abzuschätzen. Dass ich aber den gefährlichen Versuch gerade an diesem Briefe des Paulus wagte, wird mich wohl dem Tadel mancher Leute aussetzen. Denn da schon so viele hervorragende Gelehrte sich früher mit seiner Erklärung beschäftigten, scheint es unglaublich, dass auch Andere noch etwas Besseres beibringen können. Ich muss gestehen, wenn ich mir auch von meiner Arbeit einigen Nutzen versprach, so hat doch anfänglich die Überlegung mich auch abgeschreckt, ich könnte in den Ruf der Unverschämtheit kommen, wenn ich nach der Arbeit so vortrefflicher Arbeiter auch noch Hand anlegen wolle. Es existieren zu diesem Brief viele Kommentare der Alten, viele von neuern Gelehrten. Sicher konnten sie ihren Fleiß nirgends besser anwenden; denn wer diesen Brief versteht, dem ist der Zugang offen zum Verständnis der ganzen heiligen Schrift. Von den Alten will ich schweigen: ihre Gewissenhaftigkeit, Gelehrsamkeit, Heiligkeit und zuletzt ihr Alter verleihen ihnen solches Ansehen, dass wir nichts, was sie vorbringen, verachten dürfen. Aber auch die heute Lebenden mit Namen aufzuzählen, hat keinen Wert. Über die, die besonders Vorzügliches geleistet haben, will ich meine Meinung sagen. Philipp Melanchthon hat, entsprechend seinem außerordentlichen Wissen, seinem Fleiß und seiner Gewandtheit, die ihn auf jedem Arbeitsgebiet auszeichnen, vor allen Andern, die vor ihm an die Öffentlichkeit traten, sehr viel Licht auf den Stoff geworfen. Da es aber augenscheinlich sein Vorsatz war, nur zu behandeln, was in erster Linie beachtenswert ist, so hat er, während er dabei verweilt, absichtlich Vieles übergangen, was den Geist der Mehrzahl der Leser etwas ermüden würde. Auf ihn folgt Bullinger, der auch mit vollem Recht viel Lob errungen hat. Denn mit Gelehrsamkeit verbindet er Leichtverständlichkeit, in der er sich sehr bewährt hat. Butzer hat schließlich durch Veröffentlichung seiner Studien gleichsam den Schlussstein gesetzt. Dieser Mann, der, wie du weißt, an tiefer Bildung und reicher Kenntnis verschiedener Wissenszweige, an durchdringenden Geist, großer Belesenheit und vielen anderen Tugenden heutzutage kaum von irgendjemand übertroffen wird, mit ganz Wenigen zu vergleichen ist, die Meisten weit überragt, verdient vor allem das als sein eigenstes Lob, dass keiner, soweit man sich besinnen kann, mit sorgfältigerem Fleiß sich mit Schriftauslegung befasst hat. Mit solchen Männer in Wettbewerb treten zu wollen, das wäre, ich muss es gestehen, zuviel unrechter Ehrgeiz, und ist mir nie in den Sinn gekommen, ebenso wenig, ihnen nur ein bisschen von ihrem Ruhme nehmen zu wollen. Unangetastet bleibe die Gunst und das Ansehen, die sie nach dem Geständnis aller tüchtigen Leute verdient haben. Nur das wird mir hoffentlich zugegeben werden, dass nichts Menschliches so vollkommen ist, dass nicht auch dem Fleiß der Spätern etwas übrig bliebe, sei es auszuarbeiten, sei es zu schmücken oder zu erläutern. Von mir wage ich nichts Anderes zu sagen, als dass ich glaubte, ganz unnütz werde die Arbeit nicht sein, zu der mich wirklich nichts Anderes veranlasst, als das Bestreben, dem Allgemeinwohl der Kirche zu dienen. Deshalb hoffte ich, dass mich bei meiner ganz andern Schreibart der Vorwurf des Ehrgeizes nicht treffe, wie ich anfänglich fürchten musste. Denn Melanchthon hat sein Ziel erreicht, die wichtigsten Kapitel zu erklären. Damit vor Allem beschäftigt, hat er Manches bei Seite gelassen, was auch nicht vernachlässigt werden darf, und wollte Andere nicht hindern, auch das zu behandeln. Butzer ist zu ausführlich, als dass ihn auch Solche, die von andern Aufgaben in Beschlag genommen sind, rasch lesen könnten, und zu hoch, als dass einfache und nicht sehr aufmerksame Leute ihn leicht verstehen könnten. Denn was er auch behandeln wollte, so bot sich ihm auch der unglaublichen Reichhaltigkeit seines Geistes solche Fülle von Stoff dar, dass er die Hand unmöglich davon lassen konnte. Da also der Eine nicht Alles durchnimmt, der Andere es zu ausführlich durchnimmt, als dass man es in kurzer Zeit lesen kann, so kommts mir vor, habe mein Vorhaben den Schein ehrgeiziger Konkurrenz nicht. Freilich fragte ich mich eine Zeitlang, ob es nicht besser wäre, nur eine Art Nachlese nach ihnen und andern zu halten, um das zu sammeln, was ich glaubte, auch mit mittelmäßiger Begabung erreichen zu können, als einen fortlaufenden Kommentar zu schreiben, in dem notwendig Vieles wiederholt werden muss, was sie Alle oder wenigstens Einzelne von ihnen schon gesagt haben. Da sie aber unter sich nicht selten verschiedener Meinung sind, und das weniger scharfsinnigen Lesern viel Schwierigkeit macht, weil sie nicht wissen, welcher Meinung sie nun zustimmen sollen, glaubte ich, ich dürfe mich die Arbeit nicht reuen lassen, durch den Hinweis auf die beste Auslegung die schwierige Aufgabe der Entscheidung denen zu erleichtern, die nicht fest genug sind in ihrem selbständigem Urteil. Besonders da ich mir vornahm, Alles so zusammengefasst anzuführen, dass die Leser ohne großen Zeitverlust bei mir lesen könnten, was in den Werken der Andern enthalten ist. Kurz, ich gab mir Mühe, dass sich Niemand beklagen könne, es finde sich viel Überflüssiges in meinem Buch. Vom Nutzen will ich nicht reden. Doch werden vielleicht Leute, die mir nicht übel wollen, nach dem Lesen gestehen, dass sie mehr Nutzen davon gehabt haben, als ich jetzt in Worten bescheiden zu versprechen wage. Dass ich zuweilen von den Andern abweiche, oder doch sicher etwas verschiedener Auffassung bin, darin darf ich wohl für entschuldigt gelten. Zwar muss das Wort Gottes bei uns in solchem Ansehen stehen, dass möglichst wenig daran auseinander gezerrt wird durch verschiedene Auslegung. Denn dadurch wird seiner Majestät immer in gewisser Weise Abbruch getan. Besonders wenn es nicht in großer Vorsicht in der Wahl und mit großer Nüchternheit geschieht. Ja wie es für Sünde gilt, etwas Gottgeweihtes zu beschmutzen, so ist gewiss Einer, der die allerheiligste Sache auf Erden mit unreinen oder auch mit nicht richtig vorbereiteten Händen antastet, unerträglich. So ist es auch eine Kühnheit, die an Heiligtumsschändung grenzt, die Schrift hierhin, dorthin zu wenden, und wie an einem Spielzeug seinen Spaß daran zu haben, wie es von Alters her von Vielen geschehen. Aber man muss doch auch immer darauf achten, dass selbst die Leute, denen weder frommer Eifer, noch Gewissenhaftigkeit und Nüchternheit zur Behandlung der göttlichen Geheimnisse fehlten, nicht immer unter sich einer Meinung waren. Denn solcher Wohltat hat Gott seine Knechte nie gewürdigt, dass er Einem von ihnen volle und vollkommene Einsicht in allen Dingen verliehen hätte. Und das ohne Zweifel deshalb, weil er uns erstens in der Demut, zweitens in gemeinschaftlichem, brüderlichem Streben festhalten will. Da wir deshalb in diesem Leben nicht hoffen dürfen, was freilich sehr zu wünschen wäre, dass es einmal im Verständnis aller Schriftstellen eine bleibende Übereinstimmung unter uns gäbe, so müssen wir uns Mühe geben, nicht von Neuerungssucht uns reizen zu lassen, nicht uns treiben zu lassen von der Lust scharfer Polemik, uns von keiner Gehässigkeit aufstacheln, von keinem Ehrgeiz kitzeln zu lassen, sondern wirklich nur der Notwendigkeit gehorchend, und in keiner anderen Absicht als zu nützen, von der Meinung früherer Ausleger abzuweichen. Ferner soll das wohl in der Schriftauslegung so sein, in der Dogmatik aber, wo Gott vor allem wünscht, dass die Seinen übereinstimmen, soll diese Freiheit weniger in Anspruch genommen werden. Dass das Beides mein Bestreben war, werden die Leser leicht merken. Da es mir aber nicht ziemt, über mich selbst ein Urteil zu fällen und auszusprechen, so überlasse ich dir gern die Prüfung. Weil alle mit Recht deinem Urteil sehr viel zutrauen, so muss auch ich ihm nicht wenig zutrauen. Dabei muss man wissen, dass ich dich aus freundschaftlichem Umgang wohl kenne. Das lässt Andere im Ansehen leicht etwas sinken, deines aber, das auch sonst bei allen Gelehrten berühmt ist, gewinnt dadurch beträchtlich.

Lebe wohl.
Straßburg, 18. Oktober 1539.