Calvin, Jean – An Beza in St. Germain (674)

Nr. 674 (C. R. – 3495)

Calvins Freund, Guillaume de Trie, Sieur de Varennes war am 27. August 1561 gestorben. Francois de Morel, genannt de Collonges, war in St. Germain bei der Herzogin von Ferrara; Aireboudouze, Sieur d´ Anduze, war Pfarrer in Jussy, Nicolas Colladon Pfarrer in Vandoeuvres; Jacques de Spifame, Sieur de Passy, früher Bischof von Nevers, lebte als Refugiant in Genf. Der Gefangene Hugues in Reims ist nicht näher bekannt, ebenso der Schwiegersohn de Passys; beide waren bereits befreit, als Beza diesen Brief erhielt.

Varennes Tod. Allerlei Aufträge.

Ich muss diesen Brief vom Bette aus diktieren in großer Trauer, denn mein lieber Varennes ist mir genommen worden, der mich bisher noch aufrecht hielt, dass ich ohne allzu großen Gram lebte. Der einzige und nicht geringe Trost zur Linderung meines Schmerzes ist, dass sein Sterben das allersanfteste war; er empfing den Tod mit offenen Armen so heiter, als ob es die größte Wonne wäre. Seine Krankheit war von Anfang an lebensgefährlich; aber wir gaben die Hoffnung erst vorgestern Abend auf. Er bestellte noch sein Haus, und zwar so rasch, dass er in einer halben Stunde fertig war und doch nichts vergessen hatte. Von da an wars, als ob er der Welt den Abschied gegeben und auf das irdische Leben Verzicht geleistet hätte; er dachte und sprach nur noch von der ewigen Seligkeit. Er redete, als wäre er ganz gesund; er lebte noch bis gestern zu Beginn der Nacht. Nur eine Stunde lang war er der Sprache beraubt, doch bezeugte er durch Gebärden seine klare Besinnung bis zum letzten Atemzug. Er hauchte so ruhig aus, dass niemand den Übergang vom Leben zum Tode bemerkte. Er ist nun selig, ich elend.

Bei deiner Abreise neulich sind mir zwei Dinge eingefallen, über die ich noch mit dir hatte reden wollen. Du weißt, dass man in Bezug auf de Collonges sich anders besonnen hat, nämlich keinen Nachfolger für ihn zu wählen, da seine Stellung bei der Herzogin wohl doch nicht von langer Dauer sein werde. Wir sind nun aber bei unsrer geringen Zahl der Arbeit nicht mehr gewachsen. Zwei Tage nach deiner Abreise packte d´ Anduze das Podogra, Colladon ein Fieber. So ists nötig, dass de Collonges und Merlin unter sich ausmachen, welcher von ihnen mit geringerem Schaden und Verlust sobald als möglich zu uns zurückkommen kann. Die Notlage, in der wir sind, wird das genügend entschuldigen. Zweitens wollte ich dir auftragen: wenn Hugues noch zu Reims gefangen gehalten wird, so sorge, dass er befreit wird, sonst verfault er im Kerker, so ungerecht und unredlich sind seine Richter. Ähnlich ist die Lage eines andern, den ich bereits befreit glaubte. Es ist dies der Schwiegersohn des Herrn de Passy; er schrieb, es scheine ihm nicht erlaubt, die ihm vorgelegten Bedingungen mit ihrem Versprechen für die Zukunft anzunehmen; in die Verbannung zu gehen, weigert er sich nicht. Sein Schwiegervater lässt dir ihn warm empfehlen, und ich tue es auf seine Bitte auch. Damit er merkt, dass seine Bitte ernst genommen worden ist, so leiste ihm nicht nur diesen Dienst, sondern gib auch in deinem nächsten Brief einen Bericht von deinen Bemühungen. Lebwohl, bester Bruder. Der Herr sei mit dir; er leite und behüte dich. Amen.

27. August 1561.

Grüße die Brüder und Freunde.

Dein

Carolus Passelius.

Calvin, Jean – An Sulzer in Basel.

Nr. 673 (C. R. – 3489)

Johann Karg war Hofprediger des Herzogs von Württemberg und strenger Lutheraner. Vgl. 664, 669, 671.

Von Bezas Reise nach Poissy. Nur keine Lutheraner nach Frankreich!

Deinen Brief an Beza, hochberühmter Mann, habe ich erhalten, einen Tag, nachdem Beza nach Frankreich abgereist war, und zwar mit der Kurierpost, weil es nicht sicher genug gewesen wäre, ganz offen zu reisen. Einen so genannten Geleitbrief konnte er nämlich nicht erwirken, weil die Königin-Mutter sich keinen Vorwurf vom Papste zuziehen wollte. Nur der König von Navarra hat sich in einem Brief an unsern Rat für seine Sicherheit verbürgt. Er selbst, sein Bruder, Prinz de Conde und der Admiral haben persönlich Beza dringend ersucht, seine Abreise nicht aufzuschieben, denn Eile tue not, wenn er im rechten Moment da sein wolle. Auch mich haben alle beschworen, ich möchte ihn doch eher gleich fortschicken als ihn aufhalten. An Herrn Piertro Martire ist längst ein Schreiben gesandt worden, das ihn nicht eigentlich beruft, aber allen Provinzstatthaltern den Auftrag gibt, ihm, wenn er durchreise, für sicheres Geleit zu sorgen. Nachher hat dann der König von Navarra vom Zürcher Rat dasselbe verlangt wie von unserm. Der Bote ist noch nicht zurück; doch werde ich vor drei Tagen erfahren, ob Vermigli kommt. Wenn du dich wunderst, dass von den deutschen Theologen keiner eingeladen wurde, so musst du wissen, dass man noch nicht soweit ist, dass die Unsern frei gestehen dürften, ihre Absicht sei eine gänzliche Loslösung vom Papsttum. Sie dürfen nicht mehr zu sagen wagen als, man müsse ein Mittel suchen, die Unruhen zu stillen; von einer Religionsänderung ist noch gar nicht die Rede. Aber selbst wenn das alles ganz leicht ginge, so weiß ich nicht, was dir in den Sinn kommt, gerade das zu wünschen, was den schönsten Anfang verderben könnte. Gewiss gehört zu den Fürsten, bei denen wir nach deiner Meinung uns hüten müssen, Anstoß zu erregen, auch der Herzog von Württemberg. Der würde seinen Brenz schicken und vielleicht auch den Karg, der, wie ich höre, jetzt die zweite Rolle bei ihm spielt. Schon früher hat Brenz in seiner Schrift über die Allgegenwart des Leibes Christi krasseren Wahnsinn verraten als der ganze Haufe der Papisten, und eben jetzt hat er wieder im Bund mit seinem Gesellen Karg einen hartnäckigen Kampf gegen den wahren, rechten Glauben begonnen. Wahrlich, wollen wir nicht unsern Feinden ein ergötzliches Schauspiel bieten, so müssen wir alles anwenden, dass nicht diese Leute wie Furien mit Feuerbränden einbrechen und heftigere Kämpfe erregen, als je bisher in Deutschland tobten. Hundertmal lieber will ich sterben, als mich so verderblichem Rat nicht kräftig zu widersetzen! Mit den Papisten müssen wir kämpfen; zu diesem Kampf, aber nicht zu Zänkereien im Innern, wollen wir ins Horn stoßen. Ich beklage mich umso offener bei dir, weil ich wohl weiß, was der Württemberger bereits durch die Sendung von Vergerios Neffen angezettelt hat; ich glaube fast, der Onkel habe sich dazu mit Geld erkaufen lassen, sicher hat er irgendein Entgelt für seine Kuppelei schon gekriegt. Sind die Verhältnisse einmal reif dazu, dann wir man ernstlich an irgendein Bündnis denken können, aber es darf den Hausfrieden nicht stören. Die Männer, die die Wiederherstellung des Reiches Christi in Frankreich wünschen, sind nicht so töricht, wissentlich die Urheber des Zankes einzulassen. Ich bin von der Aufrichtigkeit deiner Gesinnung so überzeugt, dass ich nicht zweifle, du werdest bei näherer Überlegung deinen früheren Plan gern aufgeben. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite dich und segne dein Wirken.

23. August 1561.

Christo und seiner Kirche hast du einen guten Dienst geleistet an den Brüdern aus Piemont, indem du bewirktest, dass ihre Not durch eine Unterstützung gelindert werde.

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An die Evangelischen in Frankreich.

Nr. 672 (C. R. – 3485)

 

Lage und Pflichten der Evangelischen beleuchtet aus dem Buche Daniel.

Unser gemeinsames Vaterland, dessen Lieblichkeit viele Fremde aus den fernsten Gegenden anzieht, misse ich nun schon ganze sechsundzwanzig Jahre nicht ungern. Denn mir wäre es nicht lieb und erwünscht, in dem Land zu wohnen, aus dem Gottes Wahrheit, der reine Glaube und die Lehre der ewigen Seligkeit verbannt sind, und in dem das Reich Christi daniederliegt; auch zieht es mich heute noch nicht dahin; aber doch, wollte ich meines Volkes, dem ich angehöre, vergessen und mich seiner entschlagen, so wäre das unmenschlich und sündhaft. Ich glaube auch, mit einleuchtenden Beweisen bezeugt zu haben, wie ernst und heiß mein Wunsch ist, unserm Volke zu nützen, und vielleicht war gerade mein Fernsein ihm von Nutzen, da es dadurch reichere Frucht meiner Studien ernten konnte. Die Erwägung dieses Vorteils hat mir nicht nur alle Pein abgenommen, sondern mir mein Exil angenehm und erfreulich gemacht. Während ich nun in diesem ganzen Zeitraum sowohl dem französischen Volk als ganzem zu helfen suchte, als auch unablässig einzelne Schlummernde aufrütteln, Träge ermuntern, Ängstliche ermutigen, Unsichere und Schwache zur Beharrlichkeit auffordern wollte, gilt es jetzt, in diesem besonders wichtigen Augenblick, es nicht an einem besondern Liebesdienst an ihnen fehlen zu lassen, wozu mir Gott nun die beste Gelegenheit gibt. Denn da eben meine Vorlesungen über den Propheten Daniel erscheinen, kann nichts passender sein, als dass ich an diesem Beispiel Euch, von Herzen geliebte Brüder, zeige, wie der Gott, der in unsern Tagen den Glauben der Seinen in mannigfachen Kämpfen prüfen will, ihre Herzen nach seiner wunderbaren Weisheit durch die Vorbilder der alten Zeit stärken lässt, dass sie auch von stärksten Stürmen und Wettern getroffen nicht wanken, oder wenigstens, wenn sie etwa auch einmal schwanken, doch nicht ganz ablassen. Denn wiewohl die Bahn, die vor den Knechten Gottes liegt, gesperrt ist von vielen Hindernissen, – wer fleißig das Buch Daniel liest, der findet darin, was ein williger und nicht träger Läufer braucht, um vom Start zum Ziel zu kommen, und auch gute und energische Wettkämpfer werden erfahren und merken, dass sie damit gut genug zum Kampfe gerüstet sind.

Zuerst kommt eine zwar traurige, aber sehr nutzbringende Geschichte, wie Daniel und seine Genossen, als Reich und Priestertum in Juda noch bestand, in die Verbannung geschleppt wurden, als ob Gott die Blüte des auserwählten Volks zu ihrer Schmach und Schande ins Unglück stürzen wollte. Denn scheint es nicht auf den ersten Blick ganz ungerecht, dass die mit fast engelhaften Tugenden gezierten Knaben dem übermütigen Sieger als Sklaven unter der Beute folgen müssen, während die frevelhaftesten, heillosesten Verächter Gottes unversehrt zu Hause blieben? Ist das der Lohn der Frömmigkeit und Unschuld, dass, während die Gottlosen sich ruhig ihrer Straflosigkeit brüsten, die Heiligen die Strafe zahlen müssen, die jene verdient haben? Aber da wir darin wie in einem lebendigen Spiegelbild sehen, dass Gott, auch wo er die ganz Schlimmen zeitweilig schont und nachsichtig behandelt, seine Knechte wie Gold und Silber prüft, so darf es uns nicht hart erscheinen, wenn wir in den Schmelztiegel geworfen werden, während die Weltmenschen der sicheren Ruhe genießen. Weiter kommt dazu das Beispiel einer mehr als männlichen Klugheit und außerordentlichen Selbstbeherrschung. Denn mit wahrhaft heroischer Geistesgröße überwanden die frommen Jünglinge, die von allen Lockungen des Hoflebens versucht wurden, trotz ihrer zarten Jugend nicht nur durch ihre Enthaltsamkeit alle Lüste, sondern verachteten auch, um sich aus den Schlingen des Teufels zu befreien, tapfer und offen die mit Gift getränkten Ehren, weil sie sahen, dass man sie damit hinterlistig fangen und allmählich zum Abfall vom wahren Gottesdienste bringen wollte [Daniel 1].

Darauf folgt ein noch härterer, fürchterlicherer Kampf, der zugleich ein bemerkenswertes Beispiel geradezu unglaublicher Standhaftigkeit bietet: Daniels Freunde lassen sich auch durch grausame Drohungen nicht bewegen, sich durch Anbetung des Standbilds zu beflecken, und sind schließlich bereit, den wahren Gottesdienst nicht nur mit ihrem Blut, sondern auch in einer grässlichen Marter, die man vor ihren Augen vorbereitete, zu verfechten. Die Güte Gottes, die sich im Ausgang dieses Trauerspiels so leuchtend zeigt, vermag auch uns nicht wenig zu wappnen mit unüberwindlichem Vertrauen [Dan. 3]. Dazu kommt dann der ähnliche Kampf Daniels selbst mit dem gleichen Sieg: er ließ sich lieber den wilden Löwen vorwerfen, als nur drei Tage lang vom offenen Bekenntnis seines Glaubens abzustehen, um nicht durch charakterlose Heuchelei den heiligen Namen Gottes zu schänden zum Gespött der Gottlosen, und aus der Löwengrube wie aus dem Grab wunderbar gerettet, durfte er über den Satan und seine Gesellen triumphieren [Dan. 6].

Da kommen keine Philosophen vor, die in Muße und am Schatten geistreich über die Tugend disputieren, sondern die unermüdliche Standhaftigkeit heiliger Männer und ihr Eifer in der Frömmigkeit ruft uns mit lauter Stimme zur Nachfolge auf. Sind wir also nicht ganz unbelehrbar, so müssen wir von solchen Meistern lernen, wenn der Satan uns Schmeichelnetze aufstellt, uns klug vor dem Hineinfallen zu hüten, oder wenn man uns mit Gewalt angreift, durch unverzagte Verachtung des Todes und aller Übel ihre Angriffe abzuschlagen. Wenn jemand antwortet, Befreiungen, wie die beiden erzählten, seien aber doch höchst selten, so gebe ich zu, dass Gott tatsächlich nicht stets in derselben Weise seine Hand vom Himmel her ausreckt, die Seinen zu bewahren; aber das muss uns genügen, dass er bezeugt hat, er wolle ein treuer Hüter unseres Lebens sein, so oft es in irgendwelche Gefahr kommt, und dass wir nicht der Willkür der Gottlosen, ausgesetzt sind, sondern dass er ihre Wut und ihre wilden Anschläge zunichte macht, wenn er will. Auch darf man nicht nur auf den Ausgang schauen, sondern darauf, wie tapfer sich die heiligen Männer zur Verteidigung der Ehre Gottes dem Tode weihten, und ihre Bereitwilligkeit, mit der sie sich ihm zum Opfer darboten, verdient deshalb nicht weniger Lob, weil sie durch Gottes Gnade gerettet worden sind.

Es ist schon der Mühe wert, nachzurechnen, in wie vielen Unruhen der Prophet geriet in den siebzig Jahren, die er in der Verbannung lebte. Von keinem König ist er gerecht und menschlich behandelt worden als von Nebukadnezar, und von diesem musste er erleben, dass er ein wildes Tier wurde [Dan. 4]. Die andern waren noch grausamer, bis er nach Belsazars Untergang und der Eroberung Babels [Dan. 5] plötzlich unter neue Herren, die Perser und Meder, kam; da deren feindlicher Einfall jedermann Schrecken einjagte, so hat er auch zweifellos sein Herz erschüttert. Wurde er auch von Darius freundlich aufgenommen, so dass seine Knechtschaft einigermaßen erträglich war, so brachte ihn doch der Neid und die frevelhafte Verschwörung der Großen gerade damals in die größte Gefahr. Da er aber um das gemeine Wohl der Kirche noch mehr besorgt war als um seine persönliche Ruhe, so ist leicht auszudenken, welche Trauer ihn umfing und welche Angst ihn festhielt, da die Lage der Dinge kein Ende der kläglich harten Unterdrückung des Volkes absehen ließ. Zwar beruhigte er sich mit der Weissagung Jeremias [Dan. 9, 2; Jer. 25, 11], aber dass seine so lange in Spannung gehaltene Hoffnung nicht müde wurde, ja in den stürmischen Fluten, die sie umtrieben, nicht unterging, das zeugt von unvergleichlicher Geduld.

Nun zu seinen Weissagungen. Die ersten galten Babylon, teils weil Gott seinen Knecht mit bestimmten Merkmalen auszeichnen wollte, die auch das hochmütigste Siegervolk zwingen sollten, ihn zu respektieren, teils auch, weil es nötig war, dass sein Name auch bei den Weltmenschen der Verehrung wert erachtet wurde, damit er dann in solchem Ansehen sein Prophetenamt bei den Seinen umso freier ausüben könne. Nachdem er so bei den Chaldäern berühmt geworden war, vertraute ihm Gott wichtigere Weissagungen an, die nur dem auserwählten Volke galten. Dabei passt sie Gott so den Verhältnissen des damaligen Volkes an, dass sie seinen Schmerz mit guten Mitteln linderten und den wankenden Mut bis auf das Kommen des Messias aufrechterhielten, und doch ist dabei unserer Zeit nicht weniger Rechnung getragen. Denn was da prophezeit ist von dem flüchtigen, vergänglichen Glanz der Weltreiche und der ewigen Dauer des Reiches Christi, das ist heute nicht weniger wissenswert als damals. Gott zeigt darin nämlich, dass alle weltliche Macht, die ihren Grund nicht in Christo hat, hinfällig ist, und dass allen Reichen, die sich allzu hoch erheben und dadurch die Ehre Christi verdunkeln, der baldige Untergang droht. Auch die jetzt über weite Gebiete herrschenden Könige werden schließlich die furchtbare Erfahrung machen, dass dieses entsetzliche Urteil auch ihnen gilt, wenn sie sich nicht freiwillig der Herrschaft Christi unterwerfen. Was ist unerträglicher, als dass der um sein Recht betrogen wird, von dessen Schutz die Sicherheit ihrer Stellung abhängt? Wir sehen ja, wie wenige von ihnen den Sohn Gottes aufnehmen, wie sie vielmehr alles ins Werk setzen und zum äußersten greifen, um ihn nicht in ihr Land eindringen zu lassen, und wie auch viele ihrer Ratgeber all ihre eifrige Tätigkeit nur darauf richten, ihm sorgfältig jede Tür zu sperren. Dabei aber nehmen sie doch den Christennamen in Anspruch und rühmen sich, die besten Verteidiger des katholischen Glaubens zu sein, eine leichtsinnige Eitelkeit, die mühelos zu widerlegen ist, wenn man einen wahren Begriff vom rechten Reiche Christi hat. Denn sein Thron und Zepter ist nichts anderes als die evangelische Lehre, und nirgends hat seine Majestät den rechten Glanz und herrscht er wirklich, als wo alle, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, sich ruhig belehren lassen und wie Schafe die Stimme des Hirten hören und ihm folgen, wohin er sie ruft. Diese Lehre aber, die den wahren Glauben und den rechten Gottesdienst enthält, auf der die ewige Seligkeit und das wahre Glück des Menschen beruht, wird nicht nur überall abgelehnt, sondern sogar mit Drohen und Schrecken, mit Feuer und Schwert ferngehalten, und man scheut keine Gewalttat, sie auszurotten. Welche wunderliche Verblendung ist das doch, dass die, die der eingeborene Sohn Gottes freundlich zu sich ruft, es nicht über sich bringen, ihn zu küssen [Psalm 2, 12]! Aber viele halten es eben in ihrem Hochmut für eine erzwungene Unterwerfung, wenn sie dem höchsten Könige die Herrschaft überließen; andere wollen ihren Gelüsten nicht einen Zaum anlegen lassen, und da die Heuchelei ihren Sinn gefangen hält, so suchen sie alle das Dunkel und scheuen das Licht. Nichts aber ist schlimmer als die Befürchtung des Herodes, Gott, der auch den Geringsten und Verachtetsten aus dem Volk das Himmelreich anbietet, wolle den Fürsten ihre weltliches Reich rauben [Matth. 2, 2.3]. Dazu kommt, dass, weil einer auf den andern Rücksicht nimmt, die gegenseitige Verpflichtung sie als ein verderbliches Band festhält unter dem Joch der Gottlosigkeit; denn wollten sie einmal ernstlich erforschen, was das Wahre und Rechte ist, ja täten sie nur einmal die Augen auf, so wäre es nicht schwer zu erkennen. Aber weil es eine Erfahrungstatsache ist, dass, wo sich Christus mit seinem Evangelium erhebt, gleich auch schwere Unruhen entstehen, so verwerfen sie die himmlische Lehre mit der guten Ausrede, sie müssten für die Ruhe des Staates sorgen. Nun gebe ich zu: mit Recht kann man eine Veränderung, die Unruhen hervorruft, für gefährlich halten; aber man tut doch Gott schweres Unrecht, wenn man ihm nicht einmal soviel zutraut, dass er den hitzigsten Aufruhr, der entstünde, beschwichtigen und seines Sohnes Reich festigen könne. Wenn auch Himmel und Erde durcheinander geraten, – der wahre Gottesdienst ist so wertvoll, dass auch seine kleinste Einschränkung zu teuer erkauft ist, man mag dafür erhalten, was man will.

Doch ist es überhaupt eine falsche Beschuldigung, wenn man das Evangelium als die Ursache der Verwirrungen bezeichnet. Freilich das ist wahr, es ist ein gewaltiges Donnerwort Gottes, das Himmel und Erde bewegt (Haggai 2, 7), aber da der Prophet mit solchem Lobe seiner Verkündigung Gunst erwerben will, so muss diese erschütternde Wirkung heilsam und wünschenswert sein. Da tatsächlich die Ehre Gottes erst dann den ihr gebührenden Rang einnimmt, wenn alles Fleisch gedemütigt ist, so muss der menschliche Übermut, der sich gegen sie auflehnt und immer nur widerwillig weicht, durch Gottes starke, mächtige Hand niedergeworfen werden. Wenn schon bei der Verkündigung des Gesetzes die Erde erbebte (2. Mose 19, 18), so ists nicht zu verwundern, wenn die Kraft und Wirksamkeit des Evangeliums noch herrlicher erscheint. Man sollte drum seine Lehre umso sanftmütiger annehmen, die darin ihre ungewöhnliche Kraft zeigt, dass sie die Toten aus der Unterwelt heraufführt, und solchen, die nicht wert sind, dass sie die Erde trägt, den Himmel öffnet [Matth. 27, 53; Luk. 23, 43], als ob alle Elemente mitwirken müssten zu unserer Seligkeit.

Wahrlich, aus einer ganz anderen Richtung kommen die Wetter und Stürme, nämlich daher, dass bald die Großen und Hohen dieser Welt das Joch Christi nicht gerne auf sich nehmen, bald auch das unerfahrene Volk von sich speit, was heilsam ist, ehe es davon nur versucht hat; manche wollen sich eben auch im Kote vergnügen wie die Schweine; andere greifen zum Mord, wie von Furien gehetzt. Vor allem aber wütet der Teufel und hetzt alle, die er ganz in seiner Hand hat, dazu auf, alles durcheinander zu bringen. Daher kommt das Trompetengeschmetter, daher Kämpfe und Kriege, dass der Heliogabal, der zu Rom Priester ist, mit seiner roten, blutdürstigen Kohorte und seinem bischöflichen Hornvieh kopfüber einher stürmt, gegen Christum wütet, und überallher Hilfe holt aus dem Haufen seines schmutzigen Klerus, der, wenn auch nicht gleich reichlich, doch Bissen schluckt, die aus demselben Topfe kommen. Auch sonst bieten allerlei Hungerleider ihre Dienste an. Die Mehrheit der Richter, gewöhnt mit üppigen Mahlzeiten ihren Bauch zu füllen, kämpft für Herd und Küche. Besonders sendet er aus den Mönchsklöstern und den Winkeln der Sorbonne seine Zungendrescher aus, die wie Brandfackeln das Feuer schüren sollen. Die heimlichen Ränke und frevelhaften Verschwörungen, für die die ärgsten Feinde des Evangeliums die besten Zeugen wären, will ich ganz beiseite lassen. Ich will auch keinen Namen nennen; es genügt, mit dem Finger auf die hingewiesen zu haben, die Ihr nur zu gut kennt. Wenn bei dem unordentlichen Hereinbrechen all dieser Bestien die Leute unentschieden bleiben, die alles auf den so oder so möglichen Ausgang der Dinge ankommen lassen wollen, so ist das nicht zu verwundern; aber ungerecht und verkehrt ist es, wenn sie die Schuld an dem, was ihr Misstrauen weckt, auf das heilige Evangelium Christi schieben. Angenommen, die Hölle mit allen Teufeln rücke aus zum Kampf, – wird Gott ruhig im Himmel sitzen und seine Sache verlassen und verraten? Und wenn er sich aufmacht, wird dann alle List der Menschen oder alles lärmende Anstürmen seinen Sieg aufhalten können? Man sagt, der Papst habe eine große Partei hinter sich. Das ist der rechte Lohn des Unglaubens, dass er zittern macht vor dem Rauschen eines welken, fallenden Laubes. Was wollt Ihr denn, Ihr allzu vorsichtigen Ratgeber? Soll etwa Christus müßig sein, damit ja keine Neuerung Unruhe errege? Ihr werdet es bald spüren, wie viel besser es gewesen wäre, einen gnädigen Gott zu haben und alles Drohen verachten zu können, weil man in seinem Schutze ruht, als ihn durch offene Gegenwehr zu reizen, um ja nicht die bösen Geister zu erzürnen. Wenn man wirklich alles prüft, so gilt auch den Verteidigern des Papstes der bisher herrschende Aberglaube nur als ein gut eingelebter Übelstand, an den man ihrer Meinung nach nicht rühren darf, da es nicht ohne Verlust abgehen könne. Wem aber Gottes Ehre am Herzen liegt und wer wirklich fromm ist, der muss ganz anders denken, nämlich er wolle sich in Gottes Dienst stellen, damit der Ausgang vor allem Gottes Vorsehung entspreche. Hätte er uns nichts versprochen, so könnte man vielleicht mit Recht sich fürchten und stets zittern; da er es aber so oft verheißen hat, seine Hilfe solle uns bei der Verteidigung seines Reiches nie fehlen, so ists das einzig richtige Verhalten, dass wir uns ganz darauf verlassen.

Eure Pflicht ist es nun, liebste Brüder, herzhaft zu handeln, ein jeder nach seiner Fähigkeit und seinem Beruf, dass der wahre Glaube ganz zur Geltung komme. Wie oft ich bisher bei jeder Gelegenheit versucht habe, ein gewaltsames Vorgehen zu verhindern, brauche ich hier nicht zu erzählen; ich will nur vor dem höchsten Richter die Engel und Euch alle zu Zeugen nehmen, dass es an mir nicht lag, wenn das Reich Christi nicht ruhig und ohne jede Gewalt vorwärts ging. Ich glaube auch, mit meinem Eifer wenigstens das erreicht zu haben, dass einfache Privatleute die Grenze des Erlaubten nicht überschritten. Jetzt da Gott in seiner wunderbaren Macht die Reformation seiner Kirche so gefördert hat, wie ich es nie zu hoffen wagte, so möchte ich Euch doch wieder ins Gedächtnis rufen, dass Christus den Seinen gebietet: Fasset Eure Seelen in Geduld (Luk. 21, 19). Darauf bezieht sich ja auch das Gesicht Daniels: der Stein, von dem die Reiche, die wider Gott Krieg führten, zerschmettert wurden, war nicht von Menschenhand gebildet (Dan. 2, 44), und wiewohl er rau und ungeschliffen war, wuchs er doch und wurde zu einem großen Berg. Daran wollte ich Euch mahnen, dass Ihr unter dem Donner der Drohungen ruhig warten sollt, bis die nichtigen Wolken durch Gottes Macht zerstieben und sich auflösen. Zwar ist mir nicht verborgen, welche Schändlichkeit Ihr im letzten halben Jahre erdulden musstet, von den ungezählten Scheiterhaufen in den letzten dreißig Jahren ganz zu schweigen; wie oft in verschiedenen Städten der unruhige Pöbel Euch gewaltsam überfiel, wie oft man Euch mit Steinwürfen, oft auch mit dem Schwerte angriff, wie Euch die Feinde Hinterhalte legten, um Eure friedlichen Zusammenkünfte plötzlich und unerwartet mit Gewalt zu verhindern. Einzelne wurden in ihren Häusern getötet, andere auf den Straßen; die Leichen wurden zum Hohn herumgeschleift, Frauen entführt, viele verwundet, einmal auch eine schwangere Frau samt ihrer Leibesfrucht durchbohrt, Häuser erbrochen und niedergerissen. Aber selbst wenn noch Schlimmeres drohte, müsst Ihr Euch mühen, Euch als Christi Jünger, die in seiner Schule ausgebildet sind, zu bewähren, dass nie die Wut der Gottlosen, die sie so maßlos hinreißt, Eure Mäßigung raube, durch die allein sie bisher besiegt und überwunden worden sind. Will es Euch verdrießen, dass es so lange dauert, so ruft Euch zuweilen die berühmte Weissagung ins Gedächtnis zurück, in der die Lage der Kirche so lebendig dargestellt ist [Dan. 9, 10]. Zwar zeigt Gott darin seinem Propheten, welche Kämpfe, Ängste, Mühen und Gefahren den Juden noch bevorstanden vom Ende des Exils und der fröhlichen Heimkehr ins Vaterland, bis zur Ankunft des Messias, aber die Ähnlichkeit der Zeit bewirkt, dass dasselbe auch auf uns passt, als ob es für uns gesagt wäre. Der armen Kirche, die lange in einer tiefen Flut des Unglücks versunken gewesen war, wünschte Daniel Glück, weil er aus der Berechnung der Jahre schloss, der von Jeremia verheißene Tag der Befreiung stehe nun bevor (Jer. 25, 12; 29, 10). Da erhielt er die Antwort, des Volkes Los werde noch härter werden, wenn es die Freiheit wieder habe, so dass es unter dauernder Last entsetzlichen Unglücks kaum werde aufatmen können. Nicht ohne bittern Schmerz und große Abneigung hatte er seine Hoffnung mit siebzig Jahren vertröstet, und nun versiebenfachte Gott die Zeit und schlug damit seinem Herzen eine tödliche Wunde. Und nicht nur verkündigt er, das Volk werde, wenn es erst seine Kräfte wieder gesammelt, Stadt und Tempel wieder gebaut haben werde, neuen Mühsalen ausgesetzt sein, sondern schon beim Beginn der Freude, wenn sie kaum die Süßigkeit der Gnade geschmeckt haben, verheißt er ihnen neue Angst. Allein das Unglück, das kurz darauf folgte, von dem er ein zahlreiches Verzeichnis aufstellt, so dass wir vom bloßen Anhören erschrecken, musste ja schon dem Volke unheilvoll und bitter sein. Den Tempel durch die frevelhafte Frechheit eines Tyrannen geschändet, die heiligen Geräte schändlich mit wüstem Schmutze besudelt, alle Gesetzbücher ins Feuer geworfen zu sehen, damit dadurch die ganze Religion vernichtet würde, – war das nicht ein entsetzliches Schauspiel? (2. Makk. 6, 16; 7). Und dass jeder, der offen und standhaft bekannte, beim Dienste Gottes beharren zu wollen, vom selben Feuer erfasst wurde, – konnten das die Schwachen und Zweifelnden ohne ungeheure Bestürzung sehen? Das war gerade die Absicht des Tyrannen, durch die Ungeheuerlichkeit seiner Verfolgung die weniger Beherzten zum Abfall zu bringen. Unter den Makkabäern schien sich eine gewisse Erholungszeit zu bieten, die aber doch, durch fürchterliche Niederlagen getrübt, nie ohne Trauer und Leid war. Denn da der Feind an Truppen und allem Kriegszeug weit überlegen war, so blieb allen, die zur Verteidigung der Kirche ihre Waffen ergriffen hatten, nichts übrig, als sich in den Schlupfwinkeln der Wildnis zu verbergen, oder in größter Armut, an allem Mangel leidend, durch die Wälder zu schweifen (1. Makk. 2 und 2. Makk. 8 ff.). Dazu kam noch eine andere Art Versuchung, nämlich, dass sich dem Juda und seinen Brüdern unredliche und treulose Leute angeschlossen hatten aus der Prahlerei eines falschen Eifers, wie Daniel sagt [11, 34]. Durch diesen Kniff brachte der Satan die von Juda gesammelte Schar in Schande, als ob sie eine Räuberbande wäre. Nichts aber war den Guten betrübender, als dass selbst Priester, jeder wie ihn sein Ehrgeiz hinriss, durch schmähliche Verträge den Tempel und den Dienst Gottes verrieten (Dan. 11, 34 ff.). Und nicht nur käuflich war die Würde des Priestertums, sondern sie wurde erkauft mit wechselseitigem Morden, ja mit Vatermord. So kams, dass die Menschen aller Stände, obwohl Beschneidung und Opfer im Brauche blieben, durch Verderbnis aller Art, die sich ungestraft ausbreitete, entweiht wurden, so dass es zur Zeit der Erscheinung Christi geradezu ein Wunder war, wenn jemand auf das Reich Gottes wartete; denn nur ganz wenige werden dieses Lobes gewürdigt.

Wenn in jener schmählichen Entstellung der Kirche, in mancherlei Spaltungen, unter furchtbaren Schrecknissen wie verwüstete Äcker, geplünderte Wohnungen, Todesgefahren, die Weissagung Daniels die frommen Herzen aufrecht hielt, da doch der Glaube noch in dunkelm Schatten lag, die Lehre fast erloschen war und die Priester selbst, entartet wie sie waren, alles Heilige zu Grunde richteten, wie müssten wir uns da unserer Schwachheit schämen, wenn uns nicht das lautere Evangelium, in dem uns Gott sein väterliches Angesicht sehen lässt, über alle Hindernisse weghöbe und uns mit unermüdlicher Festigkeit ausrüstete! Denn wie ohne Zweifel damals die Knechte Gottes auf ihre Zeit bezogen, was die Propheten über die babylonische Gefangenschaft gesagt hatten, und sich die Schmerzen der Gegenwart damit erleichterten, so ists auch unsere Pflicht, unser Auge auf die Leiden der Väter zu richten, damit wir uns nicht weigern, uns zu der Kirche zu versammeln, von der es heißt: Du Elende, über die alle Wetter gehen, und du Trostlose, siehe ich will dich aufnehmen (Jes. 54, 11 ff.); und anderswo klagt die Kirche, dass die Gottlosen ihren Rücken zerschlagen haben, nicht anders als ein Ackerfeld von der Pflugschar aufgerissen wird, – frohlockt aber gleich darauf, dass der Herr, der gerecht ist, ihre Seile abgehauen hat, so dass sie sie nicht übermochten (Psalm 129, 2 – 4). Aber nicht nur durch die Beispiele jener Zeit ermutigt uns der Prophet zu geduldiger Hoffnung, sondern er knüpft daran auch eine vom Geiste diktierte Mahnung, die sich auf das ganze Reich Gottes bezieht und uns zugehört. So darf es uns nicht hart sein, zur Zahl derer zu gehören, denen er prophezeit, sie würden im Feuer bewährt werden zu ihrer Läuterung [Dan. 11, 55; 12, 10], da alle Kreuzeslasten durch die unschätzbare Seligkeit und Herrlichkeit, die daraus hervorgehen, bei weitem aufgewogen werden. Den meisten gilt das als dummes Zeug; aber ihre Stumpfheit und Gleichgültigkeit darf uns nicht träge machen, sondern fest muss in unserm Herzen haften, was der Prophet gleich darauf sagt: (Dan. 12, 10 wie oben): die Gottlosen werden gottloses Wesen führen, weil sie es nicht verstehen; aber die Kinder Gottes werden mit Verständnis begabt sein, dass sie den rechten Lauf ihres göttlichen Berufes innehalten. Es ist der Mühe wert, auch die Ursache der gemeinhin bemerkbaren dumpfen Verblendung zu kennen, damit uns die himmlische Lehre weise mache.

Denn von nichts anderem kommt es, dass die Mehrheit der Menschen Christum und sein Evangelium für nichts achtet, als dass sie in Sicherheit sich selbst schmeicheln und durch keine Furcht, keine Empfindung ihrer Sünden, keinen Schrecken vor dem Zorne Gottes sich aufwecken lassen, ernstlich und heißen Herzens nach der Erlösung zu streben, die uns allein aus dem Abgrund ewigen Verderbens reißt. Indessen aber sind sie von Vergnügungen, Lüsten und andern Verlockungen gefangen oder besser bezaubert, und die Sorge um die ewige Seligkeit rührt sie nicht. Wenn auch unter ihnen mancherlei Richtungen sind und bei den einen mehr ihr Übermut, bei andern ihre Schwachheit, bei wieder andern eine Art geistiger Berauschung und wieder bei andern eine schläfrige Stumpfheit hervorsticht, so finden wir doch, dass die Verachtung Gottes stets aus weltlicher Sicherheit stammt, weil keiner in sich geht, sein Elend zu prüfen und nach Abhilfe zu trachten. Zwar ist es ein ganz verwunderlicher Wahnsinn, wenn Gottes Fluch uns droht und seine gerechte Strafe auf uns liegt, allen Ernst abzuschütteln und selbstgefällig zu meinen, wir hätten nichts zu befürchten, und doch ist es ein mehr als allgemeiner Fehler, dass Leute, die tausendmal gesündigt und tausendmal den ewigen Tod verdient haben, mit ein paar leichtsinnigen Zeremonien sich ihrer Pflicht gegen Gott entledigen und sich dann dem Schlaf, oder besser ihrer Schlafsucht, hingeben wollen. Wenn nun Paulus das Evangelium einen Geruch zum Tode nennt für alle, deren Sinn der Satan verblendet hat (2. Kor. 2, 16), so ist es nötig, wenn es uns ein Geruch zum Leben sein soll, dass wir uns vor Gottes Richterstuhl stellen und auch unser Gewissen dorthin zitieren. Denn wenn das einmal von rechtem Schrecken erschüttert ist, so schätzt es erst die Versöhnung, die uns Christus mit seinem teuern Blut erworben, nach ihrem rechten Wert und Preis. So predigt der Engel, um für Christi Lehre Ehrfurcht und Ansehen zu wecken, von der ewigen Gerechtigkeit, die er mit dem Opfer seines Todes verbürgt hat (Dan. 9, 24); damit drückt er zugleich Ziel und Weg aus, denn die Ungerechtigkeit ist eben dadurch gesühnt und aufgehoben.

Während also die Welt in ihrem Mutwillen rast, erschreckt uns die Verdammung, die wir verdient haben, und demütigt uns vor Gott; während dann aber die Weltmenschen sich übernehmen an ihren irdischen Lüsten, greifen wir begierig nach dem unvergleichlichen Schatz, in dem die rechte Seligkeit liegt. Es mögen unsere Feinde sagen, so viel sie wollen, auch sie wollten einen gnädigen Gott kriegen; solang sie meinen, man brauche ihn nur so halbwegs anzurufen, stürzen sie ganz sicher das Fundament des Heils um. Sie mögen unsern Glauben angreifen, so frech sie wollen, – wenn uns nur das klar feststeht, dass niemand anders als aus Gnaden das Vorrecht erhält, freimütig und in ruhigem Vertrauen auf Christi Schutz Gott Vater zu nennen. Natürlich wird aber unser frommer Eifer noch nicht die rechte Kraft haben, bis wir gelernt haben, unsern Geist, den es sonst nur zu sehr zur Erde zieht, zu erheben und ihn in beständiger Betrachtung des himmlischen Lebens zu üben. Darin verrät sich die menschliche Eitelkeit, dass jeder von der Kürze seines Lebens schön philosophisch zu reden weiß, und doch niemand nach dem ewigen Leben strebt. Nicht umsonst sagt deshalb Paulus, wenn er den Kolossern Glaube und Liebe ans Herz legt, dass diese ihr Leben empfangen durch die Hoffnung, die Euch beigelegt ist im Himmel (Kol. 1, 5). Und anderswo schreibt er von der in Christo uns erschienenen Gnade: sie züchtiget uns, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtigt, gerecht und gottselig leben in dieser Welt und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesu Christi (Tit. 2, 12. 13). Diese Erwartung also soll uns von allem frei machen, was uns hindern könnte, und uns zu ihm ziehen. Je mehr alle Welt erfüllt ist von der Pest des Epikureismus, umso eifriger müssen wir uns bestreben, ans Ziel zu gelangen, damit die Ansteckung nicht auch uns erfasst. Ists nun auch traurig, dass eine solche Masse Menschen umkommen soll, so darf uns, da sie fast absichtlich ins Verderben rennen, doch ihr Wahnsinn nicht irre machen; dabei hilft uns eine weitere Weissagung Daniels, nämlich dass allen, die im Buche aufgeschrieben erfunden werden, ihre Seligkeit sicher aufgehoben ist (Dan. 12, 1). Wiewohl aber die Gnadenwahl nach dem geheimen Ratschluss Gottes, die allererste Ursache unserer Seligkeit, uns verborgen ist, so ist doch die Annahme aller, die durch den Glauben an das Evangelium in den Leib Christi aufgenommen sind, unzweifelhaft, und mit diesem Zeugnis zufrieden, könnt Ihr energisch fortfahren auf dem mit Glück betretenen Wege. Müsst Ihr auch noch länger kämpfen, (ich sage Euch, es stehen noch härtere Kämpfe bevor, als Ihr glaubt), mag auch die Wut der Gottlosen sich in Angriffen aller Art äußern, mögen sie die ganze Hölle aufbieten, – Ihr wisst, der himmlische Leiter des Kampfes hat Eure Laufbahn bestimmt, und seinen Geboten müsst Ihr umso freudiger folgen, als er Euch auch Kraft dazu gibt bis ans Ende. Da ich den Posten, auf dem ich nach Gottes Willen bleiben soll, nicht verlassen darf, soll Euch die Widmung dieses Werkes ein Pfand sein, dass ich Euch helfen möchte, bis mich nach Vollendung meiner Pilgerschaft der Vater im Himmel in seiner unendlichen Barmherzigkeit in sein ewiges Erbe heimholt. Der Herr leite Euch mit seinem Geiste, von Herzen geliebteste Brüder; er behüte Euch wider alle Ränke der Feinde und halte Euch aufrecht mit unüberwindlicher Kraft.

Genf, 18. August 1561.

Calvin, Jean – An Vermigli in Zürich (671)

Nr. 671 (C. R. – 3483)

Auf Betreiben des Königs von Navarra ließen die Königin-Mutter und der König von Frankreich erst auf den Juli, dann auf August und schließlich auf September 1561 ein Religionsgespräch zu Poissy anordnen, zu dem von Genf Beza, von Zürich Vermigli abgeordnet wurden. Beza war selbst in Zürich gewesen, um für Vermigli die Erlaubnis zu erwirken.

Über Vermiglis Sendung ans Religionsgespräch nach Poissy.

Der Mann, der neulich unsern Beza hierher begleitet hat, reist nun wieder zu dir zurück. Er nimmt einen Brief des Königs von Navarra an Euren Rat mit, in dem er dringend bittet und wünscht, man möge dich eilends abordnen; er verspricht in seinem Namen, dies werde dem König und seiner Mutter als angenehme Gefälligkeit gelten. Beza ist jetzt, ehe er eine Urlaubsurkunde erhielt, abgereist. Von dem Dorf, in dem ich weilte, hat ihn mein Bruder zur nächsten Kurier-Station begleitet, damit er heimlich mit Eilpost reisen konnte. Du persönlich bis wohl ohne Zweifel bereits entschlossen, in solch wichtiger Stunde nicht zu säumen. Doch musst du dich auch bemühen, dass dich niemand sonst aufhält. Ich sehe wohl, wie viel an der Sache noch zu wünschen übrig bleibt, und habe dir bereits geschrieben, wie sehr mir ihre wenig weitherzige Behandlung missfällt, aber das scheint mir kein stichhaltiger Grund, überhaupt abzulehnen; denn wenns Gott noch nicht gefällt, uns die Tür aufzutun, so ist es doch besser, durch Fenster und enge Mauerritzen einzudringen, als die Gelegenheit zu einer guten Förderung unserer Sache unbenützt zu lassen. Ich hörte auch, die Königin-Mutter sei so begierig, dich zu hören, dass du ihren Wunsch gar nicht länger unerfüllt lassen darfst, wenn nicht viele sich über dich beklagen sollen. Wenn ich auch überzeugt bin, dass du den guten Willen hast und keines weiteren Treibens bedarfst, so möchte ich doch unsere lieben Brüder daran erinnern, dass, wenn man anfänglich im Rate schwankend sein wird, der Vorwurf sie treffen wird, sie seien nicht energisch genug gewesen, den Rat anzutreiben. Hast du im Sinn, die Reise zu unternehmen, so ist der Weg durch Burgund für dich ja kürzer, aber es wird das nicht so wichtig sein, dass du nicht auch uns in Genf auf der Durchreise besuchen könntest. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Herrn Bullinger und alle Kollegen, meine verehrten Brüder, grüße angelegentlich von mir. Der Herr leite dich auch fernerhin und mache dich reich an seinen Gaben. Auch deiner Frau und deinem ganzen Haus viele Grüße, bitte.

Genf, 17. August 1561.

Dein

Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An das Konsistorium von Sauve

Nr. 670 (C. R. – 3461)

 

Zu Sauve in den Cevennen war es unter Führung des Pfarrers Paris Tartas zu einem Bildersturm gekommen.

Wider die Bilderstürmer.

Sehr liebe Herren und Brüder, wenn jedermann die Regel, die uns der heilige Geist durch den Mund St. Pauli gegeben hat, befolgte, nämlich vorsichtig und in aller Bescheidenheit zu wandeln [Eph. 5, 10], damit nicht den andern die Gelegenheit geboten werde, die sie suchen, so wäret Ihr jetzt nicht in solcher Angst, dass Ihr fürchten müsstet, jeden Tag die Zerstreuung der Kirchen Eurer Gegend zu sehen, und auch wir hätten die Mühe nicht, Euch zu raten und zu mahnen, das schon geschehene Ärgernis wieder gutzumachen und zu verhüten, dass solche Dinge sich in Zukunft wiederholen. Wir meinen die tolle Tat, die zu Sauve geschehen ist, Bilder zu verbrennen und ein Kreuz umzuhauen. Wir sind sehr erstaunt, solch eine Verwegenheit bei dem zu finden, der die andern hätte mäßigen und zügeln sollen. Denn wie wir hören, hat er nicht nur zugestimmt, (das wäre schon schlimme genug), sondern er hat das Volk noch aufgereizt als der Frechste von allen. Aber wenn er sich nur vergessen hätte, ergriffen von irgendeinem unüberlegten Eifer, so sollte er doch jetzt wenigstens seinen Fehler einsehen und bereuen, besonders da man ihn gewarnt und gemahnt hat. Aber daran festzuhalten, er habe das mit gutem Gewissen getan, ist unerträgliche Verstocktheit. Wenn er uns das glauben machen will, so soll er uns beweisen, dass es aus der Schrift zu begründen ist. Aber wir wissen gerade das Gegenteil. Denn nie hat Gott jemand befohlen, Bilder umzuhauen, außer jedem in seinem Haus, und im Gemeinwesen denen, die die obrigkeitliche Gewalt haben. Denn nicht ohne Ursache ist dem Volk Israel ausdrücklich gesagt: Wenn du in das Land kommen wirst, das dir dein Gott gibt, und du wirst es besitzen, dann usw. [5. Mose 12]. So soll uns dieser Feuerbrand einmal zeigen, grund welchen Rechts er Herr ist in diesem Land, wo er sein Verbrennungsurteil ausführen ließ. Nun, wenn ihn Gott nicht ermächtigt, das zu tun, so ist das gute Gewissen, wie er es nennt, nichts anderes als die so genannte gute Absicht der Papisten. Wenn wir so reden, so sind wir damit doch keine Verteidiger der Bilder. Wollte Gott, es würden alle ausgerottet in der Welt, und wenns uns das Leben kosten sollte! Aber da Gehorsam besser ist als alle Opfer [1. Sam. 15, 22], so haben wir darauf zu achten, was erlaubt ist, und uns in gebührenden Schranken zu halten. Denn das heißt ja, uns wie ein durchgehendes Ross benehmen, wenn wir mehr angreifen, als unser Beruf fordert. Wir glauben, dass doch Daniel und seine Genossen und Ezechiel und viele andere ebenso große Eiferer waren wie dieser arme Mensch, der sich rühmt in seinem Übermut. So lang sie in Babylon waren, haben sie sich damit begnügt, den Götzendienst zu verachten, ohne dabei eine Macht zu beanspruchen, die ihnen nicht zukam. Es wäre hohe Zeit, dass der arme Mensch, der sich so vergessen hat, die Augen niederschlüge; aber das ist doch wunderbar, dass er so dumm ist, nicht einmal an die Bresche zu denken, die er den Feinden geöffnet hat, alles zu Grunde zu richten. Das ist aber der Gipfel seines Übermuts und seiner Frechheit, dass er sich auf seine Tat versteift und nicht auf guten Rat hören will. Doch da es nun so ist, geliebte Brüder, so bitten wir Euch aus Mitleid mit den armen Kirchen, damit Ihr sie nicht wissentlich der Abschlachtung preisgebt, die Verantwortung für diese Tat abzulehnen, indem Ihr dem Volk, das verführt worden ist, öffentlich erklärt, dass Ihr Euch trennt von dem Haupturheber; und dass Ihr ihn um seines Aufruhres willen aus Eurer Gemeinschaft ausschließt. Hätte er sich unterworfen und sich zur Vernunft bringen lassen, so hätte man ihn milder behandeln können. Jetzt aber, da er widerspenstig ist, darf man ihn nicht schonen, ohne alle Ordnung zu verletzen und zu zerstören. Vielleicht bändigt ihn ja Gott noch, worum wir ihn demütig bitten, wie auch, Euch zu behüten, zu stärken und zu leiten durch seinen Geist, indem wir uns von Herzen Euch und Eurer Fürbitte empfehlen.

[Juli 1561].

Calvin, Jean – An die Pfarrer von Zürich.

Nr. 669 (C. R. – 3442)

Vgl. 657.

Waldenser-Kollekte.

Es kamen Brüder aus dem Val d´ Angrogne und andern Nachbartälern hierher, um Unterstützung in ihrer Not zu bitten. Ihrer Notlage wegen pochten wir nicht darauf, dass sie gegen unsern Rat allzu unbedacht und sicher zu den Waffen gegriffen hatten. Sie sind so von allen Mitteln entblößt, dass ihr Elend jeden menschlich Fühlenden zum Mitleid stimmen müsste. In Genf ist zwar nur eine kleinere Summe zusammengekommen, weil ein Drittel unserer Refugianten von hier weg ist. Aber wir haben ein Anleihen von 4000 Kronen aufgenommen, was in diesem Augenblick vielleicht nicht klug, aber sicher recht gehandelt war. Der eigentlich hätte zahlen müssen, blieb taub. So müssen denn wir zur Schande Navarrars hinlegen, was man mit dem besten Recht ihm hätte auf Rechnung setzen dürfen. Nun reisen die Brüder ihrem Auftrag gemäß zu Euch. Ihnen nach Bern unsere Empfehlung mitzugeben, wäre töricht gewesen; aber einen Brief an Euch durften wir ihnen nicht abschlagen. Haltet Ihr es für gut, dass sie auch noch nach Schaffhausen gehen, so gebt ihnen guten Rat und unterstützt sie mit Euerm Einfluss und Ansehen. Lebt wohl, trefflichste Männer, von Herzen verehrte Brüder. Der Herr leite, behüte und segne Euch stets.

Genf, 14. Juli 1561.

Im Namen und Auftrag der Brüder

Euer

Johannes Calvin

Calvin, Jean – An Gaspard de Coligny in Paris.

Nr. 668 (C. R. – 3436)

 

Mit dem, der der erste sein sollte, meint Calvin den König von Navarra; der „verrückte Narr“ ist vielleicht dessen Vetter, Herzog Louis de Bourbon-Montpensier, oder Herzog Jacques de Nemours. Unerkennbar ist, wen Calvin mit dem jungen Soldaten meint.

Im Reformationswerk brauchts Geduld.

Monseigneur, so wünschenswert es wäre, dass das Reich Gottes in Frankreich größere Fortschritte machte und das Evangelium friedlicher seinen Weg fände, so dürfen wir es doch nicht sonderbar finden, wenn der, der alles nach seinem wunderbaren Rate führt, die Geduld der Seinen prüfen will und deshalb ihre Kampfzeit verlängert, wenn nur dann alle die, die auf der guten Seite stehen, sich recht ins Geschirr legen und standhaft und freimütig, wie es sich gehört, arbeiten am Bau des Tempels Gottes. Sie werden bald erfahren, dass er über unser Verstehen hinaus dafür sorgt, dass sein Werk gedeiht. Nur dürfen wir nicht müde werden; denn wenn auch die Frucht unseres Wirkens jetzt noch nicht zu sehen ist, – zur rechten Zeit wird sie erscheinen. Selbst die Anstrengungen, die die Gegner der Wahrheit machen, sollen Ihnen ein Anlass zur Ermutigung sein, damit solche Frechheit und Anmaßung mattgesetzt und überwunden wird durch die Festigkeit, die Gott Ihnen verleiht. Es ist schon viel, sicher sein zu können, dass der Ausgang trotz aller Belästigungen durch die Feinde für Sie glücklich sein und den Gegner zur Beschämung gereichen wird. Gott hält Ihnen auch darin ein schönes Vorbild zur Ermutigung hin, dass die armen Gläubigen in ganz Frankreich mitten unter allen fürchterlichen Drohungen nicht müde werden, ihren Weg zu wandeln. Die Zustände sind ja allerdings in arger Verwirrung; aber wir hoffen, Gott wird die ganz Schlauen enttäuschen und in ihren eigenen Netzen fangen. Der der erste sein sollte, ist so kalt, wie er nur sein kann. Die Feinde sind wütender als je, alles zu zerstören, wenn Gott sie nicht im Zaum hielte. Der verrückte Narr, der mehrmals mit Ihnen in Fehde lag und noch kürzlich bei Chinon dreihundert Gefangene gemacht hat, hat ja strengen Befehl erhalten, alle loszulassen und unverzüglich an den Hof zu kommen, und man hat ihm scharf gedroht, falls er den störrischen Esel spielen wollte. Das ist wenigstens ein Trost, den Gott seinen Kindern gibt. Und für Sie, Monsieur, ist das nun das Mindeste, dass Sie nicht an denen Gefallen haben, die ihre Pflicht schlecht erfüllen, sondern sich vielmehr bemühen, sie zu beschämen und ihre Feigheit dadurch zu bestrafen. Welche Hindernisse Ihnen der Satan auch in den Weg legt, – überwinden Sie alles durch die Kraft dessen, der uns verheißen hat, dass unser Glaube die Welt überwinden soll. Denken Sie auch daran, dass Sie nicht nur offenen Feinden zu widerstehen haben, sondern auch solchen im eigenen Hause, die sich unter falschem Namen einschleichen. Ja, gerade jetzt im Anfang wird man umso schärfere Zucht halten müssen, je mehr leichtsinnige und maßlose Geister sich Freiheiten herausnehmen wollen. Ich habe einen jungen Soldaten aus Frankreich kennen gelernt, der, glaube ich, seinesgleichen nicht hat in Selbstüberschätzung; er wird sich ohne Zweifel in alles mischen und alles durcheinander bringen wollen, so weit er kann. Wenn solche Leute nicht niedergehalten werden, so wird bald eine Zersplitterung eintreten, die nicht wieder gutzumachen ist. Aber ich hoffe, überall und in allen Dingen wird Gott Sie ausrüsten mit Klugheit und Stärke, damit glücklich vollendet wird, was er Sie in Gnaden hat beginnen lassen.

Monseigneur, indem ich mich Ihrer Gewogenheit ergebenst empfohlen halte, bitte ich den lieben Gott, er wolle die Gaben seines Geistes mehr und mehr in Ihnen zunehmen lassen, damit sein Name dadurch verherrlicht werde; auch wolle er alle Ihre Taten glücken lassen und Sie in seiner Hut halten.

Genf, 11. Juli 1561.

Calvin, Jean – An James Stuart in Paris.

Nr. 667 (C. R. – 3435)

 

James Stuart, natürlicher Sohn Jakobs V. und Bruder Maria Stuarts, früher Abt von St. Andrews, hatte sich der Reformation angeschlossen und war einer ihrer Führer in Schottland; zur Zeit war er in Frankreich, um seine Schwester nach Schottland abzuholen; er war damals 19 Jahre alt.

Mahnung zu energischer Reformation in Schottland.

Monsieur, obwohl ich Sie nicht von Angesicht kenne, geben mir doch der Eifer und die Festigkeit, die Sie in der Förderung des Reiches unseres Herrn Jesu Christi und in der Reformation des wahren Gottesdienstes und Glaubens gezeigt haben, nicht nur das Vertrauen, Ihnen zu schreiben, sondern nötigen mich sogar, Sie in diesem heiligen Vorsatz zu bestärken. Nicht dass ich dächte, Sie hätten es besonders nötig, angetrieben zu werden, weil ich fürchtete, Ihr Mut sei schwach geworden oder erkaltet, sondern weil ich wohl weiß, dass Sie nicht so tapfer wirken können zur Verteidigung der Wahrheit Gottes, wie Sie es tun, ohne manche Angriffe aushalten zu müssen. Ich zweifle nicht daran, dass Sie es gut aufnehmen werden, wenn ich meinerseits versuche, Sie durch einige Ermahnungen zu unterstützen, wie ja tatsächlich die, die Gott am meisten gestärkt hat, umso mehr fühlen, was noch an Schwäche in ihnen liegt, und deshalb so gestärkt zu werden wünschen, dass Sie nie mehr fallen können. Es war überaus tapfer von Ihnen, die Augen zu schließen für alle Dinge dieser Welt, die Sie hindern oder aufhalten könnten, sich freimütig dem Kampf fürs Evangelium zu widmen. Aber glauben Sie, der Teufel wird nicht aufhören, dawider zu belfern, und er hat eine unzählbare Schar von Helfershelfern, deren Wut entflammt ist, die Lehre zur Seligkeit auszurotten, wenns ihnen möglich wäre. So müssen Sie sich auf viele Unruhen gefasst machen und sich zum Widerstand rüsten mit Kraft von oben. Wenn Sie von vornherein es sich überlegen, dass man in diesem heiligen Vorhaben nicht müde werden darf, so wird Sie nichts überraschen. Vielmehr je wütender die Bösen und Verworfenen wider Gott kämpfen zu ihrem eigenen Verderben, umso mehr muss uns das antreiben, unter der Fahne unseres Herrn Jesu Christi zu kämpfen für unsre Seligkeit, da wir des Sieges sicher sind. St. Paulus hatte schon viel geleistet und sagt doch, er sei noch nicht am Ziel, sondern er ringe noch danach [Phil. 4, 12 – 14], und erst als er sich dem Tode nahe sah, rühmt er sich, nicht umsonst gekämpft zu haben, da ihm die Krone der Gerechtigkeit beigelegt sei [2. Tim. 4, 8]. Ich zweifle nicht daran, dass Gott, der so wohl begonnen hat, Sie zu führen, es auch weiter tun wird bis ans Ende und Ihnen mit der Tapferkeit auch Klugheit geben wird, allen bösen Listen und Ränken der Feinde widerstehen und entgegentreten zu können, wie es nötig ist; denn ihr Tun ist nichts als Unredlichkeit und Verrat. Sie, Monsieur, haben auch zu achten auf die, die die Christen halbwegs nachahmen und doch lästerlichen Irrtum unter die Wahrheit mengen, und müssen sie hindern, sich einzuschleichen, oder auch die Kirche von ihnen reinigen, damit sie nicht von ihrem Gift verpestet wird; denn das sind die gefährlichsten, tödlichsten Krankheiten. Deshalb müssen wir sorglich handeln nach der Mahnung des Apostels, nicht bitteres Unkraut aufwachsen zu lassen [Hebr. 12, 15], damit der gute Same nicht verdorben wird. Da wir auch stets im Werke Gottes vorwärts rücken sollen, so kommts Ihnen wenigstens zu, wacker die Hand anzulegen, auf dass nicht das so wohl Begonnene in Verfall gerate.

Damit, Monsieur, will ich mich ergebenst Ihrer Gewogenheit empfohlen haben, und bitte den lieben Gott, er wolle Sie in seiner heiligen Hut halten, Sie durch seinen Geist führen, dass Sie tun, was ihm wohl gefällt, und Sie mit unüberwindlicher Kraft stärken.

Genf, 11. Juli 1561.

Calvin, Jean – An die evangelische Gemeinde in Loudun.

Nr. 666 (C. R. – 3427)

De la Gaucherie war der Erzieher des Prinzen von Navarra, des späteren Königs Heinrich IV., wohl zeitweilig auch Pfarrer in Loudun.

Scharfe Mahnung zur Ordnung.

Messieurs, wir dachten, die Erfahrung früherer Zeiten hätte Euch gelehrt, Euch still und ruhig zu halten; aber nun haben wir gehört, dass es wieder von vorn anfängt, und zwar wegen des Mönches, der Euch schon früher genug beschäftigt hat und nun wieder auf seine Weise sich einschmuggeln will. Ehe wir aber an diesen besondern Übelstand rühren, müssen wir Euch sagen, dass wir Euch schon lange kennen, als zu sehr Euren Sinnen und Phantastereien ergeben, hitzig, Euren Gelüsten zu folgen, und trotzig, darin zu beharren. (Wir meinen damit nicht alle, aber jeder möge sich prüfen, und jedem, der sich schuldig fühlt, gilt das Urteil.) Erinnert Euch daran, wie Herr de la Gaucherie gearbeitet hat, die Leidenschaftlichkeit zu mäßigen und Euch zur Vernunft zu bringen, und welche Schwierigkeit ihm das machte. Glaubt, wenn Ihr so fortfahrt, so macht Ihr schließlich Euren Freunden Verdruss. Wir wissen wirklich nicht, ob man ohne Folgsamkeit und Bescheidenheit ein Christ sein kann. Was nun den Mönch angeht, so wundern wir uns, dass er nicht den gewöhnlichen Weg betritt, wenn er sich im Kirchendienste verwendet sehen will. Unordnung zu stiften, wo Gott Ordnung geschaffen hat, ist weltlicher Ehrgeiz und teuflischer Stolz. Und wenn er in Wissen und Beredsamkeit von engelsgleicher Geschicklichkeit wäre, wehe ihm, wenn er sich nicht dem allgemeinen Glauben unterordnen will. Die, die sich zu St. Pauli Zeiten grosstaten mit Pomp und Prunk und Prahlen, waren vielleicht so geschickte Leute wie er, und doch sehen wir, dass der Apostel sie keines Strohhalms wert erachtet. Wir möchten ganz gern seine Vorzüglichkeit kennen lernen, um ihn nach Verdienst hoch achten zu können, – und wenn wir dessen nicht würdig sind, weshalb beweist er sie nicht sonst, sei es vor der Synode oder vor andern? Haltet Ihr Euch aber für taugliche Beurteiler, so müssen wir uns Euer schämen, da Ihr nicht nach dem richtigen Maße urteilt, und mehr unternehmt, als Euch zukommt. Wäret Ihr auch die scharfsinnigsten Leute der Welt, – in welcher Schule habt Ihr das gelernt, dass Laien einen Mann zu einem solchen Amt fähig erklären können? Solche Freiheit wird stets verflucht sein, das sie das Einheitsband der Kirche zerreißen muss. Aber, – um Euch die Wahrheit zu sagen – , bis Euer Mönch uns vom Gegenteil überzeugt hat, halten wir ihn für einen ebenso dummen als stolzen Kerl. Und das ist uns ein Zeichen, dass seine Helfershelfer, die so verblendet von ihm sind, bisher sehr wenig vorgerückt sind im Evangelium. Zu unserm großen Bedauern müssen wir so scharf mit Euch sprechen; denn beharrt Ihr darin und haltet zu ihm, so verlasst Ihr die Kirchen und scheidet Euch von ihnen durch ein klägliches Schisma. Wir bitten aber den lieben Gott, dem abzuhelfen, dadurch, dass Ihr Euch unter sein Joch beugt und im Geist der Nachgiebigkeit Euch selbst verleugnet. Wir bitten ihn auch, Euch in seiner Hut zu halten und Euch zunehmen zu lassen in allem Guten.

Den 1. Juli 1561.

Euer ergebener Bruder

Charles d´ Espeville.

im Namen seiner Genossen, wenn Ihr das gelten lasst.

Calvin, Jean – An Blaurer in Winterthur (665)

Nr. 665 (C. R. – 3401)

Vgl. 664. Der Brief ist wohl nur ein Auszug aus dem eigentlichen Schreiben Calvins, den Blaurer unter Weglassung einiger Teile für einen andern machte. Brenz hatte auf Geheiß Christophs von Württemberg eine Schrift gegen Bullinger geschrieben.

Hemmungen und Fortschritte des Evangeliums in Frankreich.

Die Lage Frankreichs ist noch nicht so wohlgeordnet, wie du glaubst. Der König von Navarra ist noch ebenso schwach wie früher. Aus der Königin-Mutter ist zuweilen ein Zugeständnis herauszulocken; aber selbst das immer voll Hinterlist und Untreue. In vielen Städten haben sich die Papisten zusammengerottet, und es ist bis zum Morden gekommen. In Paris sind sie zweimal kräftig zurückgeschlagen und bös mitgenommen worden. Der Gerichtshof, das so genannte Parlament, schweigt nicht nur dazu, sondern scheint es als Gewinn anzusehen, wenn der Fanatismus gegen uns wieder aufflammt. Fast unglaublich aber ists, wie trotzdem das Reich Christi sich nach allen Richtungen ausbreitet. Von überallher verlangt man Pfarrer von uns, und obschon wir längst keine mehr haben, so nehmen wir doch noch den Bodensatz um ihres zudringlichen Forderns willen. Das Toulouser Parlament ist noch grausamer als das Pariser. Viele sind noch im Kerker; einige sind neulich verbrannt worden. Hätte sich nicht die Königin von Navarra, die sich viel mutiger und mannhafter benimmt als ihr Gatte, ins Mittel gelegt, es wären viele Gemeinden schwer heimgesucht worden. Es wäre sehr wenig Hoffnung, wenn nicht Gott bei der Aufrichtung von seines Sohnes Reich öfters verworrene Anfänge zu erfreulichem Ausgang brächte. Da ich sehe, dass in den Herzen aller Frommen unüberwindliche Freudigkeit herrscht, die keinem Schreckmittel weicht, so hält mich gute Zuversicht aufrecht.

Indessen feiern die Lutheraner weiter ihre Orgien. Ich habe vor, diese Midianiterangriffe weiterhin stillschweigend zu verachten; denn besser können sie nicht vernichtet werden, als wenn man sie ihrer eigenen Wut überlässt. Brenz hätte seinen Ruf besser gewahrt, wenn er geschwiegen hätte. Nun ist er so weit gegangen in seiner Dummheit und seinem Wahnwitz, dass er sich mehr Schande geholt hat, als selbst seine Gegner gewünscht hätten. Wirklich, diese eine Tat muss ihm eine Schmach bleiben bis über das Grab hinaus.

[Mai 1561.]