Calvin, Jean – An die Evangelischen in Frankreich.

Nr. 672 (C. R. – 3485)

 

Lage und Pflichten der Evangelischen beleuchtet aus dem Buche Daniel.

Unser gemeinsames Vaterland, dessen Lieblichkeit viele Fremde aus den fernsten Gegenden anzieht, misse ich nun schon ganze sechsundzwanzig Jahre nicht ungern. Denn mir wäre es nicht lieb und erwünscht, in dem Land zu wohnen, aus dem Gottes Wahrheit, der reine Glaube und die Lehre der ewigen Seligkeit verbannt sind, und in dem das Reich Christi daniederliegt; auch zieht es mich heute noch nicht dahin; aber doch, wollte ich meines Volkes, dem ich angehöre, vergessen und mich seiner entschlagen, so wäre das unmenschlich und sündhaft. Ich glaube auch, mit einleuchtenden Beweisen bezeugt zu haben, wie ernst und heiß mein Wunsch ist, unserm Volke zu nützen, und vielleicht war gerade mein Fernsein ihm von Nutzen, da es dadurch reichere Frucht meiner Studien ernten konnte. Die Erwägung dieses Vorteils hat mir nicht nur alle Pein abgenommen, sondern mir mein Exil angenehm und erfreulich gemacht. Während ich nun in diesem ganzen Zeitraum sowohl dem französischen Volk als ganzem zu helfen suchte, als auch unablässig einzelne Schlummernde aufrütteln, Träge ermuntern, Ängstliche ermutigen, Unsichere und Schwache zur Beharrlichkeit auffordern wollte, gilt es jetzt, in diesem besonders wichtigen Augenblick, es nicht an einem besondern Liebesdienst an ihnen fehlen zu lassen, wozu mir Gott nun die beste Gelegenheit gibt. Denn da eben meine Vorlesungen über den Propheten Daniel erscheinen, kann nichts passender sein, als dass ich an diesem Beispiel Euch, von Herzen geliebte Brüder, zeige, wie der Gott, der in unsern Tagen den Glauben der Seinen in mannigfachen Kämpfen prüfen will, ihre Herzen nach seiner wunderbaren Weisheit durch die Vorbilder der alten Zeit stärken lässt, dass sie auch von stärksten Stürmen und Wettern getroffen nicht wanken, oder wenigstens, wenn sie etwa auch einmal schwanken, doch nicht ganz ablassen. Denn wiewohl die Bahn, die vor den Knechten Gottes liegt, gesperrt ist von vielen Hindernissen, – wer fleißig das Buch Daniel liest, der findet darin, was ein williger und nicht träger Läufer braucht, um vom Start zum Ziel zu kommen, und auch gute und energische Wettkämpfer werden erfahren und merken, dass sie damit gut genug zum Kampfe gerüstet sind.

Zuerst kommt eine zwar traurige, aber sehr nutzbringende Geschichte, wie Daniel und seine Genossen, als Reich und Priestertum in Juda noch bestand, in die Verbannung geschleppt wurden, als ob Gott die Blüte des auserwählten Volks zu ihrer Schmach und Schande ins Unglück stürzen wollte. Denn scheint es nicht auf den ersten Blick ganz ungerecht, dass die mit fast engelhaften Tugenden gezierten Knaben dem übermütigen Sieger als Sklaven unter der Beute folgen müssen, während die frevelhaftesten, heillosesten Verächter Gottes unversehrt zu Hause blieben? Ist das der Lohn der Frömmigkeit und Unschuld, dass, während die Gottlosen sich ruhig ihrer Straflosigkeit brüsten, die Heiligen die Strafe zahlen müssen, die jene verdient haben? Aber da wir darin wie in einem lebendigen Spiegelbild sehen, dass Gott, auch wo er die ganz Schlimmen zeitweilig schont und nachsichtig behandelt, seine Knechte wie Gold und Silber prüft, so darf es uns nicht hart erscheinen, wenn wir in den Schmelztiegel geworfen werden, während die Weltmenschen der sicheren Ruhe genießen. Weiter kommt dazu das Beispiel einer mehr als männlichen Klugheit und außerordentlichen Selbstbeherrschung. Denn mit wahrhaft heroischer Geistesgröße überwanden die frommen Jünglinge, die von allen Lockungen des Hoflebens versucht wurden, trotz ihrer zarten Jugend nicht nur durch ihre Enthaltsamkeit alle Lüste, sondern verachteten auch, um sich aus den Schlingen des Teufels zu befreien, tapfer und offen die mit Gift getränkten Ehren, weil sie sahen, dass man sie damit hinterlistig fangen und allmählich zum Abfall vom wahren Gottesdienste bringen wollte [Daniel 1].

Darauf folgt ein noch härterer, fürchterlicherer Kampf, der zugleich ein bemerkenswertes Beispiel geradezu unglaublicher Standhaftigkeit bietet: Daniels Freunde lassen sich auch durch grausame Drohungen nicht bewegen, sich durch Anbetung des Standbilds zu beflecken, und sind schließlich bereit, den wahren Gottesdienst nicht nur mit ihrem Blut, sondern auch in einer grässlichen Marter, die man vor ihren Augen vorbereitete, zu verfechten. Die Güte Gottes, die sich im Ausgang dieses Trauerspiels so leuchtend zeigt, vermag auch uns nicht wenig zu wappnen mit unüberwindlichem Vertrauen [Dan. 3]. Dazu kommt dann der ähnliche Kampf Daniels selbst mit dem gleichen Sieg: er ließ sich lieber den wilden Löwen vorwerfen, als nur drei Tage lang vom offenen Bekenntnis seines Glaubens abzustehen, um nicht durch charakterlose Heuchelei den heiligen Namen Gottes zu schänden zum Gespött der Gottlosen, und aus der Löwengrube wie aus dem Grab wunderbar gerettet, durfte er über den Satan und seine Gesellen triumphieren [Dan. 6].

Da kommen keine Philosophen vor, die in Muße und am Schatten geistreich über die Tugend disputieren, sondern die unermüdliche Standhaftigkeit heiliger Männer und ihr Eifer in der Frömmigkeit ruft uns mit lauter Stimme zur Nachfolge auf. Sind wir also nicht ganz unbelehrbar, so müssen wir von solchen Meistern lernen, wenn der Satan uns Schmeichelnetze aufstellt, uns klug vor dem Hineinfallen zu hüten, oder wenn man uns mit Gewalt angreift, durch unverzagte Verachtung des Todes und aller Übel ihre Angriffe abzuschlagen. Wenn jemand antwortet, Befreiungen, wie die beiden erzählten, seien aber doch höchst selten, so gebe ich zu, dass Gott tatsächlich nicht stets in derselben Weise seine Hand vom Himmel her ausreckt, die Seinen zu bewahren; aber das muss uns genügen, dass er bezeugt hat, er wolle ein treuer Hüter unseres Lebens sein, so oft es in irgendwelche Gefahr kommt, und dass wir nicht der Willkür der Gottlosen, ausgesetzt sind, sondern dass er ihre Wut und ihre wilden Anschläge zunichte macht, wenn er will. Auch darf man nicht nur auf den Ausgang schauen, sondern darauf, wie tapfer sich die heiligen Männer zur Verteidigung der Ehre Gottes dem Tode weihten, und ihre Bereitwilligkeit, mit der sie sich ihm zum Opfer darboten, verdient deshalb nicht weniger Lob, weil sie durch Gottes Gnade gerettet worden sind.

Es ist schon der Mühe wert, nachzurechnen, in wie vielen Unruhen der Prophet geriet in den siebzig Jahren, die er in der Verbannung lebte. Von keinem König ist er gerecht und menschlich behandelt worden als von Nebukadnezar, und von diesem musste er erleben, dass er ein wildes Tier wurde [Dan. 4]. Die andern waren noch grausamer, bis er nach Belsazars Untergang und der Eroberung Babels [Dan. 5] plötzlich unter neue Herren, die Perser und Meder, kam; da deren feindlicher Einfall jedermann Schrecken einjagte, so hat er auch zweifellos sein Herz erschüttert. Wurde er auch von Darius freundlich aufgenommen, so dass seine Knechtschaft einigermaßen erträglich war, so brachte ihn doch der Neid und die frevelhafte Verschwörung der Großen gerade damals in die größte Gefahr. Da er aber um das gemeine Wohl der Kirche noch mehr besorgt war als um seine persönliche Ruhe, so ist leicht auszudenken, welche Trauer ihn umfing und welche Angst ihn festhielt, da die Lage der Dinge kein Ende der kläglich harten Unterdrückung des Volkes absehen ließ. Zwar beruhigte er sich mit der Weissagung Jeremias [Dan. 9, 2; Jer. 25, 11], aber dass seine so lange in Spannung gehaltene Hoffnung nicht müde wurde, ja in den stürmischen Fluten, die sie umtrieben, nicht unterging, das zeugt von unvergleichlicher Geduld.

Nun zu seinen Weissagungen. Die ersten galten Babylon, teils weil Gott seinen Knecht mit bestimmten Merkmalen auszeichnen wollte, die auch das hochmütigste Siegervolk zwingen sollten, ihn zu respektieren, teils auch, weil es nötig war, dass sein Name auch bei den Weltmenschen der Verehrung wert erachtet wurde, damit er dann in solchem Ansehen sein Prophetenamt bei den Seinen umso freier ausüben könne. Nachdem er so bei den Chaldäern berühmt geworden war, vertraute ihm Gott wichtigere Weissagungen an, die nur dem auserwählten Volke galten. Dabei passt sie Gott so den Verhältnissen des damaligen Volkes an, dass sie seinen Schmerz mit guten Mitteln linderten und den wankenden Mut bis auf das Kommen des Messias aufrechterhielten, und doch ist dabei unserer Zeit nicht weniger Rechnung getragen. Denn was da prophezeit ist von dem flüchtigen, vergänglichen Glanz der Weltreiche und der ewigen Dauer des Reiches Christi, das ist heute nicht weniger wissenswert als damals. Gott zeigt darin nämlich, dass alle weltliche Macht, die ihren Grund nicht in Christo hat, hinfällig ist, und dass allen Reichen, die sich allzu hoch erheben und dadurch die Ehre Christi verdunkeln, der baldige Untergang droht. Auch die jetzt über weite Gebiete herrschenden Könige werden schließlich die furchtbare Erfahrung machen, dass dieses entsetzliche Urteil auch ihnen gilt, wenn sie sich nicht freiwillig der Herrschaft Christi unterwerfen. Was ist unerträglicher, als dass der um sein Recht betrogen wird, von dessen Schutz die Sicherheit ihrer Stellung abhängt? Wir sehen ja, wie wenige von ihnen den Sohn Gottes aufnehmen, wie sie vielmehr alles ins Werk setzen und zum äußersten greifen, um ihn nicht in ihr Land eindringen zu lassen, und wie auch viele ihrer Ratgeber all ihre eifrige Tätigkeit nur darauf richten, ihm sorgfältig jede Tür zu sperren. Dabei aber nehmen sie doch den Christennamen in Anspruch und rühmen sich, die besten Verteidiger des katholischen Glaubens zu sein, eine leichtsinnige Eitelkeit, die mühelos zu widerlegen ist, wenn man einen wahren Begriff vom rechten Reiche Christi hat. Denn sein Thron und Zepter ist nichts anderes als die evangelische Lehre, und nirgends hat seine Majestät den rechten Glanz und herrscht er wirklich, als wo alle, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, sich ruhig belehren lassen und wie Schafe die Stimme des Hirten hören und ihm folgen, wohin er sie ruft. Diese Lehre aber, die den wahren Glauben und den rechten Gottesdienst enthält, auf der die ewige Seligkeit und das wahre Glück des Menschen beruht, wird nicht nur überall abgelehnt, sondern sogar mit Drohen und Schrecken, mit Feuer und Schwert ferngehalten, und man scheut keine Gewalttat, sie auszurotten. Welche wunderliche Verblendung ist das doch, dass die, die der eingeborene Sohn Gottes freundlich zu sich ruft, es nicht über sich bringen, ihn zu küssen [Psalm 2, 12]! Aber viele halten es eben in ihrem Hochmut für eine erzwungene Unterwerfung, wenn sie dem höchsten Könige die Herrschaft überließen; andere wollen ihren Gelüsten nicht einen Zaum anlegen lassen, und da die Heuchelei ihren Sinn gefangen hält, so suchen sie alle das Dunkel und scheuen das Licht. Nichts aber ist schlimmer als die Befürchtung des Herodes, Gott, der auch den Geringsten und Verachtetsten aus dem Volk das Himmelreich anbietet, wolle den Fürsten ihre weltliches Reich rauben [Matth. 2, 2.3]. Dazu kommt, dass, weil einer auf den andern Rücksicht nimmt, die gegenseitige Verpflichtung sie als ein verderbliches Band festhält unter dem Joch der Gottlosigkeit; denn wollten sie einmal ernstlich erforschen, was das Wahre und Rechte ist, ja täten sie nur einmal die Augen auf, so wäre es nicht schwer zu erkennen. Aber weil es eine Erfahrungstatsache ist, dass, wo sich Christus mit seinem Evangelium erhebt, gleich auch schwere Unruhen entstehen, so verwerfen sie die himmlische Lehre mit der guten Ausrede, sie müssten für die Ruhe des Staates sorgen. Nun gebe ich zu: mit Recht kann man eine Veränderung, die Unruhen hervorruft, für gefährlich halten; aber man tut doch Gott schweres Unrecht, wenn man ihm nicht einmal soviel zutraut, dass er den hitzigsten Aufruhr, der entstünde, beschwichtigen und seines Sohnes Reich festigen könne. Wenn auch Himmel und Erde durcheinander geraten, – der wahre Gottesdienst ist so wertvoll, dass auch seine kleinste Einschränkung zu teuer erkauft ist, man mag dafür erhalten, was man will.

Doch ist es überhaupt eine falsche Beschuldigung, wenn man das Evangelium als die Ursache der Verwirrungen bezeichnet. Freilich das ist wahr, es ist ein gewaltiges Donnerwort Gottes, das Himmel und Erde bewegt (Haggai 2, 7), aber da der Prophet mit solchem Lobe seiner Verkündigung Gunst erwerben will, so muss diese erschütternde Wirkung heilsam und wünschenswert sein. Da tatsächlich die Ehre Gottes erst dann den ihr gebührenden Rang einnimmt, wenn alles Fleisch gedemütigt ist, so muss der menschliche Übermut, der sich gegen sie auflehnt und immer nur widerwillig weicht, durch Gottes starke, mächtige Hand niedergeworfen werden. Wenn schon bei der Verkündigung des Gesetzes die Erde erbebte (2. Mose 19, 18), so ists nicht zu verwundern, wenn die Kraft und Wirksamkeit des Evangeliums noch herrlicher erscheint. Man sollte drum seine Lehre umso sanftmütiger annehmen, die darin ihre ungewöhnliche Kraft zeigt, dass sie die Toten aus der Unterwelt heraufführt, und solchen, die nicht wert sind, dass sie die Erde trägt, den Himmel öffnet [Matth. 27, 53; Luk. 23, 43], als ob alle Elemente mitwirken müssten zu unserer Seligkeit.

Wahrlich, aus einer ganz anderen Richtung kommen die Wetter und Stürme, nämlich daher, dass bald die Großen und Hohen dieser Welt das Joch Christi nicht gerne auf sich nehmen, bald auch das unerfahrene Volk von sich speit, was heilsam ist, ehe es davon nur versucht hat; manche wollen sich eben auch im Kote vergnügen wie die Schweine; andere greifen zum Mord, wie von Furien gehetzt. Vor allem aber wütet der Teufel und hetzt alle, die er ganz in seiner Hand hat, dazu auf, alles durcheinander zu bringen. Daher kommt das Trompetengeschmetter, daher Kämpfe und Kriege, dass der Heliogabal, der zu Rom Priester ist, mit seiner roten, blutdürstigen Kohorte und seinem bischöflichen Hornvieh kopfüber einher stürmt, gegen Christum wütet, und überallher Hilfe holt aus dem Haufen seines schmutzigen Klerus, der, wenn auch nicht gleich reichlich, doch Bissen schluckt, die aus demselben Topfe kommen. Auch sonst bieten allerlei Hungerleider ihre Dienste an. Die Mehrheit der Richter, gewöhnt mit üppigen Mahlzeiten ihren Bauch zu füllen, kämpft für Herd und Küche. Besonders sendet er aus den Mönchsklöstern und den Winkeln der Sorbonne seine Zungendrescher aus, die wie Brandfackeln das Feuer schüren sollen. Die heimlichen Ränke und frevelhaften Verschwörungen, für die die ärgsten Feinde des Evangeliums die besten Zeugen wären, will ich ganz beiseite lassen. Ich will auch keinen Namen nennen; es genügt, mit dem Finger auf die hingewiesen zu haben, die Ihr nur zu gut kennt. Wenn bei dem unordentlichen Hereinbrechen all dieser Bestien die Leute unentschieden bleiben, die alles auf den so oder so möglichen Ausgang der Dinge ankommen lassen wollen, so ist das nicht zu verwundern; aber ungerecht und verkehrt ist es, wenn sie die Schuld an dem, was ihr Misstrauen weckt, auf das heilige Evangelium Christi schieben. Angenommen, die Hölle mit allen Teufeln rücke aus zum Kampf, – wird Gott ruhig im Himmel sitzen und seine Sache verlassen und verraten? Und wenn er sich aufmacht, wird dann alle List der Menschen oder alles lärmende Anstürmen seinen Sieg aufhalten können? Man sagt, der Papst habe eine große Partei hinter sich. Das ist der rechte Lohn des Unglaubens, dass er zittern macht vor dem Rauschen eines welken, fallenden Laubes. Was wollt Ihr denn, Ihr allzu vorsichtigen Ratgeber? Soll etwa Christus müßig sein, damit ja keine Neuerung Unruhe errege? Ihr werdet es bald spüren, wie viel besser es gewesen wäre, einen gnädigen Gott zu haben und alles Drohen verachten zu können, weil man in seinem Schutze ruht, als ihn durch offene Gegenwehr zu reizen, um ja nicht die bösen Geister zu erzürnen. Wenn man wirklich alles prüft, so gilt auch den Verteidigern des Papstes der bisher herrschende Aberglaube nur als ein gut eingelebter Übelstand, an den man ihrer Meinung nach nicht rühren darf, da es nicht ohne Verlust abgehen könne. Wem aber Gottes Ehre am Herzen liegt und wer wirklich fromm ist, der muss ganz anders denken, nämlich er wolle sich in Gottes Dienst stellen, damit der Ausgang vor allem Gottes Vorsehung entspreche. Hätte er uns nichts versprochen, so könnte man vielleicht mit Recht sich fürchten und stets zittern; da er es aber so oft verheißen hat, seine Hilfe solle uns bei der Verteidigung seines Reiches nie fehlen, so ists das einzig richtige Verhalten, dass wir uns ganz darauf verlassen.

Eure Pflicht ist es nun, liebste Brüder, herzhaft zu handeln, ein jeder nach seiner Fähigkeit und seinem Beruf, dass der wahre Glaube ganz zur Geltung komme. Wie oft ich bisher bei jeder Gelegenheit versucht habe, ein gewaltsames Vorgehen zu verhindern, brauche ich hier nicht zu erzählen; ich will nur vor dem höchsten Richter die Engel und Euch alle zu Zeugen nehmen, dass es an mir nicht lag, wenn das Reich Christi nicht ruhig und ohne jede Gewalt vorwärts ging. Ich glaube auch, mit meinem Eifer wenigstens das erreicht zu haben, dass einfache Privatleute die Grenze des Erlaubten nicht überschritten. Jetzt da Gott in seiner wunderbaren Macht die Reformation seiner Kirche so gefördert hat, wie ich es nie zu hoffen wagte, so möchte ich Euch doch wieder ins Gedächtnis rufen, dass Christus den Seinen gebietet: Fasset Eure Seelen in Geduld (Luk. 21, 19). Darauf bezieht sich ja auch das Gesicht Daniels: der Stein, von dem die Reiche, die wider Gott Krieg führten, zerschmettert wurden, war nicht von Menschenhand gebildet (Dan. 2, 44), und wiewohl er rau und ungeschliffen war, wuchs er doch und wurde zu einem großen Berg. Daran wollte ich Euch mahnen, dass Ihr unter dem Donner der Drohungen ruhig warten sollt, bis die nichtigen Wolken durch Gottes Macht zerstieben und sich auflösen. Zwar ist mir nicht verborgen, welche Schändlichkeit Ihr im letzten halben Jahre erdulden musstet, von den ungezählten Scheiterhaufen in den letzten dreißig Jahren ganz zu schweigen; wie oft in verschiedenen Städten der unruhige Pöbel Euch gewaltsam überfiel, wie oft man Euch mit Steinwürfen, oft auch mit dem Schwerte angriff, wie Euch die Feinde Hinterhalte legten, um Eure friedlichen Zusammenkünfte plötzlich und unerwartet mit Gewalt zu verhindern. Einzelne wurden in ihren Häusern getötet, andere auf den Straßen; die Leichen wurden zum Hohn herumgeschleift, Frauen entführt, viele verwundet, einmal auch eine schwangere Frau samt ihrer Leibesfrucht durchbohrt, Häuser erbrochen und niedergerissen. Aber selbst wenn noch Schlimmeres drohte, müsst Ihr Euch mühen, Euch als Christi Jünger, die in seiner Schule ausgebildet sind, zu bewähren, dass nie die Wut der Gottlosen, die sie so maßlos hinreißt, Eure Mäßigung raube, durch die allein sie bisher besiegt und überwunden worden sind. Will es Euch verdrießen, dass es so lange dauert, so ruft Euch zuweilen die berühmte Weissagung ins Gedächtnis zurück, in der die Lage der Kirche so lebendig dargestellt ist [Dan. 9, 10]. Zwar zeigt Gott darin seinem Propheten, welche Kämpfe, Ängste, Mühen und Gefahren den Juden noch bevorstanden vom Ende des Exils und der fröhlichen Heimkehr ins Vaterland, bis zur Ankunft des Messias, aber die Ähnlichkeit der Zeit bewirkt, dass dasselbe auch auf uns passt, als ob es für uns gesagt wäre. Der armen Kirche, die lange in einer tiefen Flut des Unglücks versunken gewesen war, wünschte Daniel Glück, weil er aus der Berechnung der Jahre schloss, der von Jeremia verheißene Tag der Befreiung stehe nun bevor (Jer. 25, 12; 29, 10). Da erhielt er die Antwort, des Volkes Los werde noch härter werden, wenn es die Freiheit wieder habe, so dass es unter dauernder Last entsetzlichen Unglücks kaum werde aufatmen können. Nicht ohne bittern Schmerz und große Abneigung hatte er seine Hoffnung mit siebzig Jahren vertröstet, und nun versiebenfachte Gott die Zeit und schlug damit seinem Herzen eine tödliche Wunde. Und nicht nur verkündigt er, das Volk werde, wenn es erst seine Kräfte wieder gesammelt, Stadt und Tempel wieder gebaut haben werde, neuen Mühsalen ausgesetzt sein, sondern schon beim Beginn der Freude, wenn sie kaum die Süßigkeit der Gnade geschmeckt haben, verheißt er ihnen neue Angst. Allein das Unglück, das kurz darauf folgte, von dem er ein zahlreiches Verzeichnis aufstellt, so dass wir vom bloßen Anhören erschrecken, musste ja schon dem Volke unheilvoll und bitter sein. Den Tempel durch die frevelhafte Frechheit eines Tyrannen geschändet, die heiligen Geräte schändlich mit wüstem Schmutze besudelt, alle Gesetzbücher ins Feuer geworfen zu sehen, damit dadurch die ganze Religion vernichtet würde, – war das nicht ein entsetzliches Schauspiel? (2. Makk. 6, 16; 7). Und dass jeder, der offen und standhaft bekannte, beim Dienste Gottes beharren zu wollen, vom selben Feuer erfasst wurde, – konnten das die Schwachen und Zweifelnden ohne ungeheure Bestürzung sehen? Das war gerade die Absicht des Tyrannen, durch die Ungeheuerlichkeit seiner Verfolgung die weniger Beherzten zum Abfall zu bringen. Unter den Makkabäern schien sich eine gewisse Erholungszeit zu bieten, die aber doch, durch fürchterliche Niederlagen getrübt, nie ohne Trauer und Leid war. Denn da der Feind an Truppen und allem Kriegszeug weit überlegen war, so blieb allen, die zur Verteidigung der Kirche ihre Waffen ergriffen hatten, nichts übrig, als sich in den Schlupfwinkeln der Wildnis zu verbergen, oder in größter Armut, an allem Mangel leidend, durch die Wälder zu schweifen (1. Makk. 2 und 2. Makk. 8 ff.). Dazu kam noch eine andere Art Versuchung, nämlich, dass sich dem Juda und seinen Brüdern unredliche und treulose Leute angeschlossen hatten aus der Prahlerei eines falschen Eifers, wie Daniel sagt [11, 34]. Durch diesen Kniff brachte der Satan die von Juda gesammelte Schar in Schande, als ob sie eine Räuberbande wäre. Nichts aber war den Guten betrübender, als dass selbst Priester, jeder wie ihn sein Ehrgeiz hinriss, durch schmähliche Verträge den Tempel und den Dienst Gottes verrieten (Dan. 11, 34 ff.). Und nicht nur käuflich war die Würde des Priestertums, sondern sie wurde erkauft mit wechselseitigem Morden, ja mit Vatermord. So kams, dass die Menschen aller Stände, obwohl Beschneidung und Opfer im Brauche blieben, durch Verderbnis aller Art, die sich ungestraft ausbreitete, entweiht wurden, so dass es zur Zeit der Erscheinung Christi geradezu ein Wunder war, wenn jemand auf das Reich Gottes wartete; denn nur ganz wenige werden dieses Lobes gewürdigt.

Wenn in jener schmählichen Entstellung der Kirche, in mancherlei Spaltungen, unter furchtbaren Schrecknissen wie verwüstete Äcker, geplünderte Wohnungen, Todesgefahren, die Weissagung Daniels die frommen Herzen aufrecht hielt, da doch der Glaube noch in dunkelm Schatten lag, die Lehre fast erloschen war und die Priester selbst, entartet wie sie waren, alles Heilige zu Grunde richteten, wie müssten wir uns da unserer Schwachheit schämen, wenn uns nicht das lautere Evangelium, in dem uns Gott sein väterliches Angesicht sehen lässt, über alle Hindernisse weghöbe und uns mit unermüdlicher Festigkeit ausrüstete! Denn wie ohne Zweifel damals die Knechte Gottes auf ihre Zeit bezogen, was die Propheten über die babylonische Gefangenschaft gesagt hatten, und sich die Schmerzen der Gegenwart damit erleichterten, so ists auch unsere Pflicht, unser Auge auf die Leiden der Väter zu richten, damit wir uns nicht weigern, uns zu der Kirche zu versammeln, von der es heißt: Du Elende, über die alle Wetter gehen, und du Trostlose, siehe ich will dich aufnehmen (Jes. 54, 11 ff.); und anderswo klagt die Kirche, dass die Gottlosen ihren Rücken zerschlagen haben, nicht anders als ein Ackerfeld von der Pflugschar aufgerissen wird, – frohlockt aber gleich darauf, dass der Herr, der gerecht ist, ihre Seile abgehauen hat, so dass sie sie nicht übermochten (Psalm 129, 2 – 4). Aber nicht nur durch die Beispiele jener Zeit ermutigt uns der Prophet zu geduldiger Hoffnung, sondern er knüpft daran auch eine vom Geiste diktierte Mahnung, die sich auf das ganze Reich Gottes bezieht und uns zugehört. So darf es uns nicht hart sein, zur Zahl derer zu gehören, denen er prophezeit, sie würden im Feuer bewährt werden zu ihrer Läuterung [Dan. 11, 55; 12, 10], da alle Kreuzeslasten durch die unschätzbare Seligkeit und Herrlichkeit, die daraus hervorgehen, bei weitem aufgewogen werden. Den meisten gilt das als dummes Zeug; aber ihre Stumpfheit und Gleichgültigkeit darf uns nicht träge machen, sondern fest muss in unserm Herzen haften, was der Prophet gleich darauf sagt: (Dan. 12, 10 wie oben): die Gottlosen werden gottloses Wesen führen, weil sie es nicht verstehen; aber die Kinder Gottes werden mit Verständnis begabt sein, dass sie den rechten Lauf ihres göttlichen Berufes innehalten. Es ist der Mühe wert, auch die Ursache der gemeinhin bemerkbaren dumpfen Verblendung zu kennen, damit uns die himmlische Lehre weise mache.

Denn von nichts anderem kommt es, dass die Mehrheit der Menschen Christum und sein Evangelium für nichts achtet, als dass sie in Sicherheit sich selbst schmeicheln und durch keine Furcht, keine Empfindung ihrer Sünden, keinen Schrecken vor dem Zorne Gottes sich aufwecken lassen, ernstlich und heißen Herzens nach der Erlösung zu streben, die uns allein aus dem Abgrund ewigen Verderbens reißt. Indessen aber sind sie von Vergnügungen, Lüsten und andern Verlockungen gefangen oder besser bezaubert, und die Sorge um die ewige Seligkeit rührt sie nicht. Wenn auch unter ihnen mancherlei Richtungen sind und bei den einen mehr ihr Übermut, bei andern ihre Schwachheit, bei wieder andern eine Art geistiger Berauschung und wieder bei andern eine schläfrige Stumpfheit hervorsticht, so finden wir doch, dass die Verachtung Gottes stets aus weltlicher Sicherheit stammt, weil keiner in sich geht, sein Elend zu prüfen und nach Abhilfe zu trachten. Zwar ist es ein ganz verwunderlicher Wahnsinn, wenn Gottes Fluch uns droht und seine gerechte Strafe auf uns liegt, allen Ernst abzuschütteln und selbstgefällig zu meinen, wir hätten nichts zu befürchten, und doch ist es ein mehr als allgemeiner Fehler, dass Leute, die tausendmal gesündigt und tausendmal den ewigen Tod verdient haben, mit ein paar leichtsinnigen Zeremonien sich ihrer Pflicht gegen Gott entledigen und sich dann dem Schlaf, oder besser ihrer Schlafsucht, hingeben wollen. Wenn nun Paulus das Evangelium einen Geruch zum Tode nennt für alle, deren Sinn der Satan verblendet hat (2. Kor. 2, 16), so ist es nötig, wenn es uns ein Geruch zum Leben sein soll, dass wir uns vor Gottes Richterstuhl stellen und auch unser Gewissen dorthin zitieren. Denn wenn das einmal von rechtem Schrecken erschüttert ist, so schätzt es erst die Versöhnung, die uns Christus mit seinem teuern Blut erworben, nach ihrem rechten Wert und Preis. So predigt der Engel, um für Christi Lehre Ehrfurcht und Ansehen zu wecken, von der ewigen Gerechtigkeit, die er mit dem Opfer seines Todes verbürgt hat (Dan. 9, 24); damit drückt er zugleich Ziel und Weg aus, denn die Ungerechtigkeit ist eben dadurch gesühnt und aufgehoben.

Während also die Welt in ihrem Mutwillen rast, erschreckt uns die Verdammung, die wir verdient haben, und demütigt uns vor Gott; während dann aber die Weltmenschen sich übernehmen an ihren irdischen Lüsten, greifen wir begierig nach dem unvergleichlichen Schatz, in dem die rechte Seligkeit liegt. Es mögen unsere Feinde sagen, so viel sie wollen, auch sie wollten einen gnädigen Gott kriegen; solang sie meinen, man brauche ihn nur so halbwegs anzurufen, stürzen sie ganz sicher das Fundament des Heils um. Sie mögen unsern Glauben angreifen, so frech sie wollen, – wenn uns nur das klar feststeht, dass niemand anders als aus Gnaden das Vorrecht erhält, freimütig und in ruhigem Vertrauen auf Christi Schutz Gott Vater zu nennen. Natürlich wird aber unser frommer Eifer noch nicht die rechte Kraft haben, bis wir gelernt haben, unsern Geist, den es sonst nur zu sehr zur Erde zieht, zu erheben und ihn in beständiger Betrachtung des himmlischen Lebens zu üben. Darin verrät sich die menschliche Eitelkeit, dass jeder von der Kürze seines Lebens schön philosophisch zu reden weiß, und doch niemand nach dem ewigen Leben strebt. Nicht umsonst sagt deshalb Paulus, wenn er den Kolossern Glaube und Liebe ans Herz legt, dass diese ihr Leben empfangen durch die Hoffnung, die Euch beigelegt ist im Himmel (Kol. 1, 5). Und anderswo schreibt er von der in Christo uns erschienenen Gnade: sie züchtiget uns, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtigt, gerecht und gottselig leben in dieser Welt und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesu Christi (Tit. 2, 12. 13). Diese Erwartung also soll uns von allem frei machen, was uns hindern könnte, und uns zu ihm ziehen. Je mehr alle Welt erfüllt ist von der Pest des Epikureismus, umso eifriger müssen wir uns bestreben, ans Ziel zu gelangen, damit die Ansteckung nicht auch uns erfasst. Ists nun auch traurig, dass eine solche Masse Menschen umkommen soll, so darf uns, da sie fast absichtlich ins Verderben rennen, doch ihr Wahnsinn nicht irre machen; dabei hilft uns eine weitere Weissagung Daniels, nämlich dass allen, die im Buche aufgeschrieben erfunden werden, ihre Seligkeit sicher aufgehoben ist (Dan. 12, 1). Wiewohl aber die Gnadenwahl nach dem geheimen Ratschluss Gottes, die allererste Ursache unserer Seligkeit, uns verborgen ist, so ist doch die Annahme aller, die durch den Glauben an das Evangelium in den Leib Christi aufgenommen sind, unzweifelhaft, und mit diesem Zeugnis zufrieden, könnt Ihr energisch fortfahren auf dem mit Glück betretenen Wege. Müsst Ihr auch noch länger kämpfen, (ich sage Euch, es stehen noch härtere Kämpfe bevor, als Ihr glaubt), mag auch die Wut der Gottlosen sich in Angriffen aller Art äußern, mögen sie die ganze Hölle aufbieten, – Ihr wisst, der himmlische Leiter des Kampfes hat Eure Laufbahn bestimmt, und seinen Geboten müsst Ihr umso freudiger folgen, als er Euch auch Kraft dazu gibt bis ans Ende. Da ich den Posten, auf dem ich nach Gottes Willen bleiben soll, nicht verlassen darf, soll Euch die Widmung dieses Werkes ein Pfand sein, dass ich Euch helfen möchte, bis mich nach Vollendung meiner Pilgerschaft der Vater im Himmel in seiner unendlichen Barmherzigkeit in sein ewiges Erbe heimholt. Der Herr leite Euch mit seinem Geiste, von Herzen geliebteste Brüder; er behüte Euch wider alle Ränke der Feinde und halte Euch aufrecht mit unüberwindlicher Kraft.

Genf, 18. August 1561.

Calvin, Jean – An die Evangelischen in Frankreich.

Nr. 601 (C. R. – 3150)

Trotz der Verfolgung war das Jahr 1559 für die evangelische Kirche Frankreichs erfolgreich; die Synode zu Paris (vgl. 600) stellte die Lehreinheit her; in mancherlei Fragen der Kirchenzucht wurde Calvin um Rat gefragt, und erließ deshalb folgendes nicht genau datierbares Rundschreiben. Caphars (Kaffern, Ungläubige) nannten die Reformatoren solche katholischen Theologen, die der evangelischen Lehre Zugeständnisse machten, ohne sie anzunehmen.

Ratschläge für Kirchen- und Sittenzucht.

Die Liebe Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei stets mit Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Sehr liebe Herren und Brüder, da das, was wir zu schreiben haben, den größten Teil der Gemeinden in Frankreich angeht, so hielten wir es für das Beste, einen Brief an Euch alle gemeinsam zu richten, nicht nur um uns Mühe zu sparen, sondern auch, um überflüssiges Reden zu vermeiden, und damit Ihr auch ganz sicher seid, dass wir keine Unterschiede machen verschiedenen Gemeinden gegenüber, vielmehr wünschen, dass auch unsere Entscheidungen Euch allen gleichermaßen bekannt und bezeugt werden.

Erstens sind wir darauf aufmerksam gemacht worden, dass einige es nicht für gut halten, dass man ihren Glauben prüft, und wenn die Prüfung nicht genügend ausfällt, sie nicht zum Abendmahl zulässt, bis sie bessere Fortschritte gemacht haben. Wir bitten nun im Namen Gottes alle die, denen diese strenge Maßregel nicht gefällt, sich nicht mit ihren Fehlern zu schmeicheln und sich auch nicht schmeicheln lassen zu wollen; denn das wäre ihr eigenes Verderben. Der Spruch St. Pauli muss allen Christen wohl bekannt sein, dass, wer unwürdig isset das Brot des Herrn, schuldig ist der Schändung des Heiligen [1. Kor. 11, 27 – 29]. Damit man das Abendmahl nun würdig brauche, fordert er, dass ein jeder sich selbst prüfe, und zeigt damit, dass, wer nicht zur Selbstprüfung fähig ist, nicht an den heiligen Tisch treten darf. Wenn also irgendein Unwissender sich herzu drängt, das Abendmahl leichtfertig zu empfangen, ohne auch den Glauben anzunehmen, so fordert er das Zorngericht Gottes heraus. Die man also hindert, sich so ins Verderben zu stürzen, dürfen nicht zürnen, dass man um ihr Wohl besorgt ist. Wäre ein jeder wohlberaten, so wäre ja kein anderer Richter nötig als eines jeden Gewissen; da aber viele sich vergessen, ist eine gewisse kirchliche Ordnung nötig. Das war zu allen Zeiten so, vor allem um eine Entweihung der Sakramente zu verhüten. Denn wenn jedermann ohne jede Unterscheidung zugelassen wird, so ist das eine Verachtung, die Gott nicht dulden kann. Ihr wisst, unser Herr hat das Abendmahl nur seinen Jüngern ausgeteilt, und wer nicht unterrichtet ist in der Lehre des Evangeliums, hat keinen Zutritt nach der Einsetzung des Herrn. Deshalb kann sich niemand beklagen, wenn man erst untersucht, ob er ein Christ ist, ehe man ihn zum Abendmahl zulässt.

Ebenso ist es überhaupt mit einer regelrechten, ordentlichen Sittenzucht, die in der Kirche bestehen muss, damit man die abweisen kann, die man als unwürdig kennt. Wir wissen wohl, das erscheint denen hart und seltsam, die das Joch unseres Herrn Jesu nicht zu unterscheiden vermögen von der papistischen Tyrannei. Aber man muss eben mehr auf den Willen Gottes achten und sich ihm unterordnen, als seinen eignen Gelüsten den Zügel schießen zu lassen. Sogar die Heiden können uns darin beschämen, denn wiewohl sie ihrem Aberglauben keine solche Ehrfurcht erwiesen, wie wir sie unsern Sakramenten schuldig sind, so haben sie doch bekannt, wer befleckt sei durch irgendein Verbrechen, dürfe nicht daran teilnehmen. Wenn nun jemand der Genuss des Abendmahls verboten wird, so ist das ja kein Ausschluss für immer und braucht ihn nicht in Verzweiflung zu stürzen, sondern es soll nur ihm zur Demütigung und den andern zur Lehre dienen. Da das alles vorgeschrieben ist durch Gottes Wort, das keinen Widerspruch duldet, so bitten wir Euch im Namen Gottes, Euch dessen nicht zu schämen, wenn Ihr Euch dem was Ihr als gut und heilig erkennt, unterwerfet.

Ohne Zweifel habt Ihr auch Männer gewählt und eingesetzt, Ärgernisse abzustellen, Fehlbare zu ermahnen und darüber zu wachen, dass jedermann sich ehrbar aufführt. Wer nun zu solchem Amte berufen ist, muss seinerseits Freundlichkeit und Takt zeigen, so dass keiner unter dem Vorwande einer brüderlichen Rüge verlästert wird oder gekränkt durch Verleumdungen, falsche Berichte oder Verdächtigungen. Wir berühren diesen Punkt besonders, damit die Ermahnungen auch Gehör finden, die so abzuhalten sind, dass der Angeschuldigte gehört wird und sich entschuldigen kann, damit es nicht jedem frei steht, einen Unschuldigen zu verlästern und zu bedrängen. Die rechte Weise wird dir sein: Wer, um sein Gewissen zu entlasten, glaubt, den Aufsehern etwas anzeigen zu müssen, soll es tun; aber dann soll sich der Angeschuldigte frei rechtfertigen dürfen, und, falls er unschuldig erfunden wird, so soll der Angeber wegen seiner unbedachten Tat gerügt werden. Hat einer sogar etwa aus Bosheit seinen Nächsten willentlich verleumdet, so ist das vollends gar nicht zu dulden. Bitte aber auch Gott, dass er die zu solchem Amt Erwählten leite durch seinen Geist der Klugheit, der Milde, des Eifers und der Einfalt. Dann duldet aber auch, dass Ihr im Zaum gehalten werdet, wie wir es alle nötig haben, und die, die über die Herde zu wachen haben, sollen in allererster Linie getadelt und gezüchtigt werden, wenn sie fehlen.

Unter den Fehlern, die manche sich verziehen sehen möchten, ist einer der, papistische Pfründen zu behalten und damit Handel zu treiben. Das ist ohne langen Prozess zu verurteilen; denn es ist ein mit dem Christentum unvereinbares Vergehen, sich zu beflecken mit solchem unheiligen Frevel. Etwas anderes scheint auf den ersten Blick nicht so schwer, nämlich dass man die Kinder zur papistischen Taufe bringt und die Toten zur Leichenfeier. Wenn aber die, die dazu die Erlaubnis möchten, oder sich selbst gestatten, solches zu tun, es genauer bedächten und sich Gott dabei als Richter vor Augen stellten, so würden sie leicht merken, wie verdammenswert es ist. Denn Ihr seid wohl darüber unterrichtet, mit welch hässlichen, abscheulichen Bräuchen die Taufe im Papismus verhunzt ist mit wahrhaftem Satansgespött. Wer sein Kind da zur Taufe bringt, befleckt es nach Kräften, statt dass er es den Segen Gottes empfangen lässt. An der Fürbitte für die Toten teilzunehmen ist unmöglich, ohne die Bedeutung des einzigartigen Opfers unseres Herrn Jesu Christi zu schmälern, da die Lehre vom Fegfeuer sich auf menschliche Werkgerechtigkeit gründet. Erwägt, ob das entschuldbar ist und ob es, wenn einer damit der Gemeinde Ärgernis gibt, mit Stillschweigen übergangen oder als leichter Fehler hingenommen werden darf, oder ob es nicht Rüge verdient, die den Schuldigen in Zukunft zu besserer Aufführung bringt. Wir wissen, unter welchem Zwang Ihr steht, und haben so Mitleid mit Euch, dass das Liebesgebot uns leitet, da Ihr aber nichts damit gewinnt, wenn wir Euch freisprechen, so duldet es, verurteilt zu werden durch Gottes Wort, alles zu Eurem Wohl und Eurer Seligkeit. Von einer weiteren schwierigen Frage unter Euch hören wir: nämlich, ob es erlaubt sei, dass jemand an einem Ort, wo eine reformierte Gemeinde ist, als Prediger auftritt, ohne von ihr berufen zu sein, und ob man, wenn es vorkommt, ihn hören soll oder nicht. Hier bitten wir Euch, zu bedenken, dass, wenn Gott Euch die Gnade erwiesen hat, Euch zu einer Herde zu sammeln, das noch nicht heißen will, dass nicht in der allgemeinen Verwirrung, die jetzt noch in Frankreich herrscht, mancherlei geduldet werden muss, was in einer wohl geordneten Gemeinde zu verurteilen wäre. Wir reden dabei nicht von Dingen, die Gott beleidigen könnten oder seinem Wort zuwiderliefen. Da aber die armen Papisten anzusehen sind als verirrte Schafe, so geht es nicht an, wenn Gott Leute erweckt, sie aus der Irre heimzuführen, dass wir solch ein Heilswerk hindern, vielmehr heißt es da handeln nach dem Spruch unseres Herrn Jesu Christi: Wer nicht wider uns ist, der ist für uns [Mark. 9, 40]. Denn es handelt sich ja hier nicht um das eigentliche Pfarramt, sondern nur um solche, die lehren, um die Verirrten Schritt für Schritt zu Jesu Christo zu leiten. Es handelt sich auch nicht um einen dauernden Zustand, sondern nur um ein außerordentliches Mittel, dessen sich Gott bedient in der Wirrsal des Papsttums. Ferner müsst Ihr Euch dessen erinnern, was St. Paulus sagt, dass nämlich die, die nicht Hausgenossen der Kirche sind, nicht ihrem Gesetze unterworfen sind [1. Kor. 5, 12, 13]. Auch müssen wir darauf achten, was der gleiche Apostel anderswo sagt, dass wir uns freuen sollen, wenn nur das Evangelium verkündet wird, wenns auch nur zufällig geschieht [Phil. 1, 18]. Aus diesem Grund wagen wir es nicht, den Gläubigen zu verbieten, auch die Predigten solcher Leute zu hören, wenns nämlich gute, reine Lehre ist, ohne abergläubisches Beten oder anderes Beiwerk. Nicht so aber, dass sie sich unter diesem Vorwand von der Versammlung zurückziehen oder lässiger werden sollen im Besuch der gewöhnlichen Predigt ihres Pfarrers, vielmehr sollen sie angeregt und befestigt werden, sich an die Lebensordnung zu halten, in die Gott sie nach seiner Gnade hineingestellt hat. Deshalb müsst Ihr auch wohl auf der Hut sein, Euch nicht von Leuten umgarnen zu lassen, die indirekt die Schafe von der Herde wegzulocken und ihnen ihren gewöhnlichen Pfarrer zu verleiden suchen. Indessen scheint es uns recht, dass die, die nicht aus bloßer Neugier hingehen und auch nicht um sich vom rechten Weg abzuwenden, in Ruhe zu lassen sind.

Bedenklicher stehts schon mit denen, welche die Predigten der Caphars besuchen, die einige wahre Worte unter ihre Lügen mischen, um sich Gunst zu erwerben. Denn wir sind schon von selbst nur zu sehr der Lüge und Eitelkeit unterworfen und brauchen keine Lehrmeister zu suchen, die uns erst dazu erziehen. Es ist in der Tat ganz am Ort, dass Gott die straft, die mit solchem Mischmasch genährt sein wollen, wie man sie meistens sich von der Wahrheit abwenden und sich mit den Wahnideen des Satans beflecken sieht. Das kommt von ihrer Undankbarkeit, indem sie nicht zufrieden sein können mit der reinen Lehre, sondern umgetrieben sein wollen vom Wind der Lehre; so lässt denn Gott in seiner gerechten Rache zu, dass sie ganz vergiftet werden. Überhaupt hütet Euch, zu denen zu gehören, von denen St. Paulus sagt: sie lernen immerdar und können nimmer zur Erkenntnis der Wahrheit kommen [2. Tim. 3, 7]. Erinnert Euch an die Mahnung unseres Herrn Jesu Christi: Hütet Euch vor dem Sauerteig der Schriftgelehrten und Pharisäer [Mk. 8, 15]. Denn es ist für uns alle, die davon geschmeckt haben, schwer, ganz rein davon zu werden, so dass auch kein Rest von Verdorbenem zurückbleibt. Ists also nicht ein wissentliches Versuchen Gottes, wenn man sich geradezu nach solcher Unterhaltung sehnt? Ebenso ist es mit den Horen, Paternostern, allen Werkzeugen des Götzendienstes. Wir müssen die Götzen so verabscheuen, dass wir nicht einmal ihren Namen in den Mund nehmen, denn es heißt im Psalm, – und was im Ezechiel steht, stimmt damit überein -: Da wirst du an deine Irrwege gedenken und dich schämen [Ez. 16, 61, Ps. 97, 7]. Bei andern schlimmen Dingen ists ähnlich: Würfel und Karten, die freilich nicht dem Aberglauben, sondern andern Ausschweifungen dienen, haben schon viele zu Grunde gerichtet und verdorben in der Welt. Freilich, wir wagten es nicht, diese Spiele an sich ganz zu verdammen, wenn man sie in erlaubtem Maße zu üben wüsste; aber wo findet sich solche Mäßigung? Erstlich zieht nichts in der Welt die Menschen mehr an als das Spielen, so dass es ihren Sinn ganz gefangen nimmt wie eine Art Zauber. Die daran gewöhnt sind, können kaum mehr davon loskommen; wer aber einmal losgekommen ist, wird es in kurzer Zeit geradezu verachten. Übrigens wer sich dem Spiel ergibt und in dieser Torheit verharrt, fällt auch noch in manches andere Unziemliche. Es ist eine bekannte Tatsache, dass fast nie gespielt wird ohne gotteslästerliches Fluchen, Betrügen und Zanken mit den Mitspielern. Weiter, wie viel Haushaltungen sind schon dadurch zerrüttet worden! Denn keiner hält ein, bis er sich ganz ruiniert oder sich allmählich den Boden unter den Füßen untergräbt. Besonders das Spielen um Geld ist fast unmöglich, ohne dass Gott in irgendwelcher Weise dadurch verletzt wird. Deshalb ist es sehr ratsam, sich soweit als möglich davon fern zu halten; das Beste ist, sich des Spiels ganz zu enthalten.

Ihr werde es auch nicht für Unrecht halten, wenn wir Euch, wenigstens diejenigen, deren Pfarrer für Weib und Kinder zu sorgen haben, bitten, darauf Rücksicht zu nehmen und sie in ihrer Notlage zu unterstützen. Ihr wisst, solch ein armer Bruder hat nicht die nötige Freiheit und Ruhe des Geistes, um sich ganz seinem Amte zu widmen, wenn er seine Familie in Not sieht und keine Ordnung schaffen kann. Wir werden ja auch in der Schrift ermahnt, die zu erhalten, die für die Gemeinde Gottes arbeiten, und das gilt nicht nur für sie persönlich; denn sie müssten ja Unmenschen sein, wenn sie nicht für Weib und Kind ebenso sorgten wir für sich. Wir tun ja unsrerseits dafür, was wir können; aber glaubt es, bei manchen ist der Mangel so groß, dass wir nicht abhelfen können. Da wir nun nicht daran zweifeln, dass Ihr, auch ohne dass man Euch besonders treibt und stößt, bereit seid, Eure Pflicht zu tun, so genügt es uns, Euch darauf aufmerksam gemacht zu haben.

Da Ihr jedenfalls auch täglich angegriffen und belästigt werdet von den Feinden des Glaubens, so bitten wir Euch zum Schlusse, tapfer zu kämpfen und nicht müde zu werden, bis Ihr alle Ränke des Satans überwunden und Euren Lauf vollendet habt. Doch erinnert Euch daran, welche Waffen uns dazu von oben gegeben sind, nämlich all unsere Zuflucht zu dem zu nehmen, der uns das Heil und die Ehre antut, uns in seine Hut zu nehmen, und so unsere Seelen in Geduld zu fassen. Denn diesen Kampf mit Gewalt gewinnen zu wollen, ist uns nicht erlaubt. Ihr wisst, alles, was wir tollkühn und ohne die Erlaubnis unseres Meisters versuchen, kann keinen guten, glücklichen Ausgang haben. Wir wissen wohl, wie hart und schwer diese Versuchung zu überwinden ist, dass wir so die Feinde ihre Wut an uns und den andern unschuldigen Leuten auslassen sehen sollen. Aber wir müssen eben sehen, wozu wir berufen sind, und da es einmal Gottes Wille ist, dass wir leiden, so wollen wirs nicht seltsam finden, da wir ja dadurch eine so köstliche Sache verfechten, und wollen eifrig lernen, die Ehre seines Namens, den Gehorsam, den wir ihm schulden, das Reich unsres Herrn Jesu Christi und die Hoffnung auf unsre ewige Seligkeit diesem hinfälligen Leben vorzuziehen. Darin also und überhaupt handelt nach der Lehre der Schrift und verleugnet Euch selbst, damit Ihr ein Opfer seid Gott zu einem süßen Geruche [Eph. 5, 2]. Damit wollen wir uns Euch und Eurer Fürbitte von Herzen empfehlen, und bitten unsern lieben Gott, er wolle Euch in Gnaden ansehen, Euch festigen gegen alle Widersacher, Euch in seiner Hut halten, Euch leiten durch seinen Geist und Euch wachsen lassen in allem Guten.

[1559].

Calvin, Jean – An die Evangelischen in Frankreich.

Nr. 615 (C. R. – 3139)

Die Kirche Christi in heißer Verfolgung.

Die Liebe Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei stets mit Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Sehr liebe Brüder, es gibt ohne Zweifel solche, die es unpassend finden, dass ich Euch eben jetzt schreibe, wo die Verfolgungswut der Ungerechten gegen die Christen so hoch auflodert und es nicht nötig wäre, ihre Wut noch mehr zu reizen. Aber die so denken, irren sich; denn gerade in dieser Zeit bedürft Ihr mehr als je der Ermahnung und Ermutigung. Die Verfolgungen sind die wahren Kämpfe der Christen, die ihre Standhaftigkeit und Glaubenstreue prüfen. Wenn sie angegriffen werden, was sollen sie da anders tun, als zu den Waffen greifen? Nun unsere Waffen, um diesen Kampf recht durchzufechten und den Feinden zu widerstehen, sind die Stärkungen, die uns Gott in seinem Worte zeigt, und je furchtsamer sich einer von uns fühlt, umso mehr muss er zu diesem Mittel greifen. Dabei sehen wir nun aber gerade, wie groß die Neigung der meisten Leute ist, sich mit ihren Fehlern zu schmeicheln; denn gerade die, die sich am leichtesten überraschen lassen, weigern sich, in Gott ihre Stärke zu finden durch die Mittel, die er ihnen gibt. Merkt doch, liebe Brüder, dass eben jetzt die rechte Zeit ist, Euch zu schreiben, wenn das Feuer der Verfolgung brennt und die arme Kirche Gottes betrübt ist bis in den Tod. Wir sehen, dass auch die guten Märtyrer unter sich den Brauch hatten, sich gerade dann durch fromme Ermahnung zur Wachsamkeit zu ermuntern, wenn sie sahen, dass die Tyrannen alles taten, um das Christentum zu vernichten. Seht, darin müssen wir ihrem Beispiel folgen. Wir hören ja auch, wie unser Herr Jesus, als er seine Jünger unterrichtet hatte von den großen Trübsalen, die da kommen müssen und von denen wir jetzt einen Teil erleben, hinzufügt: Freuet Euch, hebet Eure Häupter auf, darum dass sich Eure Erlösung nahet [Luk. 21, 28]. Wenn wir das noch nicht tun, so müssen wir doch wenigstens uns bemühen, das zu überwinden, was und daran hindert.

Ich kenne die Gefahren, in denen Ihr schwebt, und möchte nicht durch unbedachten Eifer Euren wutentbrannten Feinden ein neues Schwert in die Hand geben. Doch muss auch unsere Furcht nicht so maßlos sein, dass die, die der Stärkung durch Gottes Wort bedürfen, eines solchen Gutes beraubt würden. Urteilt selbst, ob Ihr nicht viel Unglauben unter Euch wahrnehmt, indem viele so niedergeschlagen sind, als ob Gott nicht mehr lebte. Daraus könnt Ihr sehen, wie nötig es ist, dass ich versuche, sie, so gut ich kann, wieder aufzurichten, damit Gottes Gnade nicht ganz erlösche in ihnen. Es ist Euch ja nicht neu, zu sein wie Schafe im Rachen der Wölfe; aber jetzt ist ihre Wut schärfer als je darauf aus, die arme Herde Jesu Christi zu zerstören. Und das nicht bloß an einem Orte; denkt daran, dass in fernen Ländern Eure Brüder, die mit euch Glieder eines Leibes sind, dieselben Kämpfe zu bestehen haben wie Ihr. So ists mehr als je Zeit, zu zeigen, dass wir nicht umsonst unterrichtet worden sind. Wir müssen leben und sterben im Dienste dessen, der für uns gestorben ist. Denn es heißt nicht, unser Glaube ist der Sieg über die Welt [Joh. 4, 5], damit wir im Schatten ohne allen Kampf Triumphe feiern dürften; sondern er muss uns eine Waffe sein, Satan und alle seine Ränke wider uns zu überwinden, und die Lehre des Evangeliums ist nicht dazu da, uns zu unserm Vergnügen zu unterhalten, sondern damit wir in der Tat zeigen, dass uns die Welt nichts gilt gegenüber dem Himmelreich. Deshalb sind die, die in Verfolgungszeiten so erschrecken, dass sie nicht wissen, was tun, noch nicht weit gekommen in der Schule Gottes. Entsteht Furcht, so ist das ja nicht zu verwundern; denn da wir Menschen sind, ists gar nicht anders möglich, als dass wir alle menschlichen Gefühle auch empfinden. Aber da Gott unsere Schwäche erträgt, haben wir allen Grund, ein Gleiches zu tun, und selbst die, welche große Furcht spüren, brauchen den Mut nicht zu verlieren, als wären sie schon besiegt. Die Hauptsache ist, dass wir, statt in dieser Schwachheit zu verharren, suchen, uns davon loszumachen und uns aufrichten lassen durch Gottes Geist. Es gibt, wie ich schon oft gesagt habe, nichts, was dem Christentum, das wir bekennen, mehr widerspricht, als wenn wir, vom Sohn Gottes, unserm Hauptmann, zum Kampfe gerufen, nicht nur kalt und feig sind, sondern so völlig bestürzt, dass wir ihn sogar im Stiche lassen. So lasst uns denn unserm Fleische widerstehen; denn es ist unser großer Feind. Um Gottes Nachsicht zu erhalten, dürfen wir gegen uns selbst nicht nachsichtig sein, sondern unnachsichtig urteilende Richter. Jeder, der sich träge fühlt, treibe sich an, und da wir alle miteinander fühlen, dass wir unsere Pflicht nicht tun, so müssen wir froh sein, wenn wir anderswoher daran gemahnt werden und uns Gott gerade soviel Sporenstöße gibt, als unsere Trägheit nötig macht.

Hauptsächlich erschreckt uns die maßlose Grausamkeit, die man an unsern armen Brüdern auslässt. Das ist wirklich ein schreckliches Schauspiel und kann Unbeständige schon zittern machen; aber andrerseits müssen wir eben auch auf die unüberwindliche Festigkeit sehen, die Gott ihnen gibt. Was es auch sei, sie überwinden alle Qualen, die die Bösen erfinden, um sie zunichte zu machen. Satan steht auf der einen Seite, versucht, was er kann, die armen Gläubigen ins Wanken zu bringen und zum Abweichen vom Weg der Wahrheit, der zur Seligkeit führt; mit verhängtem Zügel lässt er seine Wut auf sie losfahren. Doch Gott steht ihnen bei; wohl dulden sie große Ängste in der Schwachheit ihres Fleisches; aber doch beharren sie standhaft auf dem Bekenntnis seines Namens, und darin seht Ihr sie sieghaft. Soll also die Grausamkeit der Feinde, die überwunden sind, wenn man sie verachtet, leichter Euren Mut ertöten können, als die Kraft aus der Höhe, mit der Gott den Seinen beisteht, vermöchte, Eure Zuversicht auf seine Wahrheit zu mehren? Ihr seht, wie Gottes Hilfe Meister bleibt, und wollt Euch nicht ruhig darauf verlassen? Ihr seht den Glauben triumphieren in den Märtyrern, die in den Tod gegangen sind, und trotzdem könnte Euer Glaube hinfällig werden? Deshalb, liebe Brüder, wenn die Tyrannen die Blitze ihrer Wut auf Euch schleudern, lernt Eure Augen erhaben und auf die Hilfe schauen, die Gott den Seinen schickt, und wenn Ihr seht, dass er sie nicht verlässt, so fasst wieder Mut und hört nicht auf, zu kämpfen wider die Versuchungen Eures Fleisches, bis Ihr soweit gekommen seid, Euer Vertrauen darauf zu gründen, dass wir selig sind in Jesu Christo, es sei zum Tode oder zum Leben.

Ich weiß wohl, welche Gedanken uns da so leicht kommen wollen, nämlich: die Diener Gottes müssen unaufhörlich leiden, und die Bösen übertreiben ihre Grausamkeit immer mehr in der Meinung, sie bleibe ungestraft. Aber es ist eben unsere Pflicht zu leiden, und so heißt es, den Nacken beugen; denn Gott will, dass seine Kirche sich solcher Not unterwerfe, dass, wie ein Pflug über das Feld geht von einem Ende zum andern, so die Ungerechten Macht haben, ihr Schwert über uns gehen zu lassen, wie es im Psalm heißt: Die Pflüger haben auf meinem Rücken geackert und ihre Furchen lang gezogen (Psalm 129, 3). Ist uns das hart und widerwärtig, so müssen wir uns damit zufrieden geben, dass, wenn unser lieber Gott uns dem Tode preisgibt, er es zu unserm Besten wendet. Es ist wahrlich besser, um seines Namens willen leiden und nicht wanken, als sein Wort haben ohne alle Trübsal. Denn im Glück erfahren wir es nicht so, wie sein Beistand und die Kraft seines Geistes uns aufrecht zu halten vermag, wie wenn wir bedrängt werden von den Menschen. Das scheint uns seltsam; aber er, der klarer sieht als wir, weiß eben besser, was uns nützlich ist. Gibt er es nun zu, dass wir so bedrängt werden, so geschieht es zweifellos zu unserm Besten; so müssen wir den Schluss ziehen, dass, was er anordnet, uns auch das Erwünschteste sein muss. Sind wir damit noch nicht zufrieden, so zeigt er uns, dass unser Glaube, wenn er köstlicher ist als Gold und Silber, auch geprüft zu werden verdient [1. Petr. 1, 7]. Ebenso, dass wir durch diese Trübsal absterben sollen, um nicht mehr zu wurzeln in der Liebe dieser Welt, und dass böse Leidenschaften, (viel mehr als wir uns denken können), in uns überwunden werden, und wärs nur, damit wir gedemütigt würden und den Stolz verlören, der immer noch größer in uns ist als nötig. Er will uns auch daran erinnern, wie hoch wir sein Wort schätzen sollen; denn wenn es uns nichts kostete, wüssten wir nicht, was es wert ist. So lässt ers zu, dass wir um seines Wortes willen verfolgt werden, um uns zu zeigen, wie köstlich er es hält. Die Hauptsache ist: er will, dass das Bild seines Sohnes in uns Gestalt gewinne, wie den zwischen Haupt und Gliedern Übereinstimmung bestehen muss. So wollen wir nicht denken, dass wir von Gott verlassen seien, wenn wir um seiner Wahrheit willen Verfolgung leiden müssen, sondern dass er es so verordnet zu unserm Besten. Widerstrebt das unserm natürlichen Sinne, so kommt das daher, dass wir stets geneigt sind, unsere Ruhe vielfach hienieden zu suchen statt im Himmelreich. Da wir aber doch im Himmel triumphieren sollen, müssen wir eben bereit sein, zu kämpfen, solange wir auf Erden leben.

Übrigens, liebe Brüder, zweifelt doch daran nicht, dass nach den Beispielen, die Ihr vor Augen habt, Gott auch Euch stärken wird, so wie es nötig ist. Denn er weiß wohl das Maß der Verfolgung den Kräften anzupassen, die er uns zu unserer Unterstützung geben will. Die Schrift lehrt uns an vielen Stellen, dass die Tyrannen nicht mehr wider uns vermögen, als Gott ihnen erlaubt. Dabei weiß er aber wohl, wer wir sind, und kann deshalb gut für den rechten Ausgang sorgen. Das ist ja doch immer der Grund unserer großen Angst, dass wir nur auf unsere Schwachheit blicken, statt unsere Augen auf die Hilfe zu richten, die wir von Gott erwarten und erbitten müssen; es ist kein Wunder, dass er uns fehlt, wenn wir ihn nicht suchen. Ja, wir müssen sogar hoffen, dass der Herr nach der Prüfung seiner Kirche die Wut der Tyrannen bändigen und ihr ein Ende machen wird trotz ihres Zähneknirschens. Darauf harrend, müssen wir eben unsere Seelen in Geduld fassen. Dann wird er erfüllen, was er verheißen hat im bereits angeführten Psalm: Der Herr hat der Gottlosen Seile abgehauen [129, 4] von dem Pfluge, den sie über unsern Rücken führten, uns zu brechen und zu zerschlagen. Und an einer andern Stelle [Psalm 125, 3]: Der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben über dem Häuflein der Gerechten, und dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit. Wie es auch gehe, lasset die Standhaftigkeit auch in Euch walten, die Ihr an Euren Brüdern sahet, die ermordet worden sind um der Wahrheit Gottes willen, damit das Euch stärke, im Glauben zu beharren. Man sagte in alten Zeiten: das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche. Ists ein Same, der einen Anfang schaffen kann in Jesu Christo, so kanns auch ein befruchtender Regen sein, der uns wachsen und gedeihen lässt bis zur rechten Reife. Denn wie dieses Blut Gott köstlich ist, so darfs auch für uns nicht unnütz sein, wie wir denn St. Paulus sich rühmen hören, seine Bande dienten zur Förderung des Evangeliums [Phil. 1, 12. 13], und er warte, dass der Name Jesu Christi hoch gepriesen werde durch seinen Tod [Phil. 1, 20]. Das hat seinen Grund darin, dass uns Gott in der Verfolgung beruft, seine Sache zu führen als seine Sachwalter; nicht als ob er uns nötig hätte oder wir besonders dazu geeignet wären; aber da er uns einmal solche Ehre antut, uns dafür zu brauchen, so will er nicht, dass es verlorene Mühe sei. Deshalb müssen wir die Lästerung einiger Heuchler aufs äußerste verabscheuen, die gegen die Märtyrer, die den Namen des Sohnes Gottes verherrlicht haben bis in den Tod, murren und behaupten, durch ihr Bekenntnis des Christentums hätten sie nur Ärgernis erregt. Solche Leute wissen gar nicht, was Jesus Christus ist, sondern machen sich unter seinem Namen einen Götzen, wenn sie das für ein Ärgernis halten, was uns als Bestätigung der Wahrheit des Evangeliums in unserm Gewissen dient. Sie schämen sich nicht, die Knechte Gottes als tollkühn zu verurteilen, weil sie sich zur Verteidigung der Sache Gottes dem Tode aussetzen; aber diese Heuchler werden einmal zu ihrer großen Bestürzung erfahren, wie viel lieber Gott diese so genannte Tollkühnheit war als ihre Klugheit oder besser teuflische Schlauheit, die sie brauchten, sich zu verstellen und die Wahrheit zu verleugnen, damit sie sich aller Gefahr entzögen. Es ist entsetzlich, wenn solche, die sich Christen nennen, so abgestumpft oder besser verroht sind, dass sie Jesum Christum verleugnen, sobald er sein Kreuz zeigt. Ihr aber, liebe Brüder, haltet das Blut der Märtyrer in Ehren, das vergossen ist zum Zeugnis der Wahrheit, als geweiht und geheiligt dem Ruhme unseres Gottes. Wendet es auch an zu Eurer Erbauung, indem ihr Euch dadurch zur Nacheiferung anspornen lasst. Und fühlt Ihr Euch dazu nicht genügend vorbereitet, so bittet Gott, dass er es tue, und seid betrübt über Eure Schwäche, die Euch von Eurer Pflicht abhält. Denn, wie ich schon anfangs sagte, es ist sehr gefährlich, sich in seiner Angst noch zu schmeicheln; der Glaube kann auch nicht lang schlummern, sonst erlöscht er, wie wir denn sehen, dass die klugen Heuchellarven, die in ihrer Verstellung mit Gott spaßen zu können meinen, schließlich die Erkenntnis des Evangeliums verlieren, als hätten sie nie davon gehört. Indessen da Ihr seht, wie die arme Herde der Kinder Gottes von Wölfen verheert wird, so nehmt Eure Zuflucht zu ihm, bittet ihn, Mitleid mit Euch zu haben und Eure Schwachheit zu tragen. Bittet ihn, er möge seine starke Hand ausrecken, die Wölfe zu verscheuchen, ihre bluttriefenden Schnauzen zuzuhalten, ihr Krallen zu zerbrechen, oder sie gar selbst zu Lämmern zu machen. Vor allem möge er zeigen, dass er sitzt zur Rechten Gottes seines Vaters, die Ehre seiner Majestät und das Wohl der Seinen zu schützen. Dann werdet Ihr Trost bei ihm finden, wenn Ihr Euch demütigt mit Weinen und Beten, und nicht, wenn Ihr Euch auflehnt und den Tyrannen die Zähne weist, wie einige tun, ohne die Zuflucht zu suchen, zu der uns die Verfolgung treiben sollte. Ich möchte, Gott gäbe mir die Möglichkeit, Euch noch mehr aus der Nähe beizustehen. Da mir das aber versagt ist, so bitte ich den lieben Gott, wie er Euch ein für allemal der Hut unseres Herrn Jesu anvertraut hat, so möge er Euch spüren lassen, wie sicher Ihr unter einem so guten Schutzherrn sei, damit Ihr Euch ganz seiner Führung überlasset. Auch möge er sich Eurer erbarmen und aller, die in Trübsal sind, und Euch befreien aus den Händen der Ungerechten, und da er Euch einmal teilhaft gemacht hat der Erkenntnis seiner Wahrheit, so möge er sie stets in Euch mehren und sie Frucht bringen lassen zu seinem Ruhme. So geschehe es.

[Nov. 1559.]

Calvin, Jean – An die Evangelischen in Frankreich.

Nr. 604 (C. R. – 3081)

Im Juni 1559 erließ Heinrich II. scharfe Schreiben an alle Gerichtshöfe, die ihnen die energischste Verfolgung der Protestanten zur Pflicht machten.

Trost in der heftiger werdenden Verfolgung.

Sehr liebe und verehrte Brüder, da Ihr alle im allgemeinen heimgesucht seid und der Sturm so fürchterlich tobt, dass kein Ort ist, da er nicht Verheerungen angerichtet hätte, so wussten wir, da wir nicht unterrichtet sind, was für jeden einzelnen Ort gut ist, nichts Besseres, als ein allgemeines Schreiben an Euch zu richten, um Euch im Namen Gottes zu ermahnen: Fallt nicht ab, welche Angriffe der Satan auch wider Euch richte, und verscherzt den Euch verheißenen, sichern Sieg nicht, indem Ihr Euch vom Kampfe zurückzieht. Wahrlich, ließe Gott dem Satan und seinen Helfern nicht die Zügel schießen, so könnten sie Euch nicht so plagen, und doch müsst Ihr den Schluss ziehen: wenn Eure Feinde Euch zu vernichten trachten, so hat Gott seinerseits ihnen solche Macht nur gegeben, um Euren Glauben zu prüfen, und hat unzählige Mittel in der Hand, all ihre Wut zu unterdrücken, wenn er seinen Namen durch Eure Standhaftigkeit verherrlicht sieht. Seid Ihr nun zu solcher Prüfung berufen, so bleibt Euch nichts anderes übrig, als das Bekenntnis Eures Glaubens abzulegen, wie Gott es von Euch fordert, als ein Opfer, das ihm wohl gefällt, obschon die Welt es verachtet und Eurer Einfalt spottet. Und muss es sein, dass Ihr geopfert werdet zu bekräftigenden Siegel Eures Zeugnisses, so fasst den Mut, alle Versuchungen zu überwinden, die Euch davon abhalten. Denn wir haben Grund, uns leiten zu lassen von der Hand eines so guten Vaters, wiewohl es uns hart und schwer erscheint. Wären wir in Gefahr, von ihm verlassen zu werden, so könnten wir wohl stutzig werden; da aber er selbst, der uns in seiner Hut hält, es ist, der uns prüfen will in all den Kämpfen, die an uns kommen können, so ists an uns, unsere Gefühle im Zaum zu halten und uns durch die Lage, in die er uns bringt, nicht befremden zu lassen. Wir wissen wohl, wie Schreckliches Ihr zu dulden habt, und dass Ihr auch nicht unempfindlich seid, sondern viel Widerstreit und Widerspruch gegen das Leiden in Eurem Fleische spüret. Aber Gott muss doch gewinnen! Es heißt ja auch vom Tode St. Petri: man wird dich führen, wo du nicht hinwillst [Joh. 21, 18]. So hat auch er sein natürliches Empfinden bändigen müssen, um sich führen zu lassen nach Gottes Wohlgefallen, und selbst darein zu willigen. Deshalb folgt seinem Beispiel; kämpft tapfer wider Eure Schwachheit, damit Ihr auch siegreich bleibt gegenüber dem Satan und allen Euren Feinden. Die Wut und Grausamkeit gegen die ganze arme Kirche ist groß; die Drohungen sind schrecklich; die Zurüstungen sind so, dass es scheint, alles sei verloren, und doch braucht es noch viel, bis die Verfolgung so maßlos wird, wie unsere Väter sie erdulden mussten. Nicht als ob der Teufel und die Seinen nicht ebenso wutentbrannt und fest entschlossen wie je wären, Böses zu tun, aber Gott hilft unserer Schwachheit und hält die Feinde eingeschlossen wie wilde Tiere. Denn gewisslich, hätte er nicht bisher seine Hand über uns gehalten, wir wären schon hundertmal verschlungen worden, und führe er nicht auch jetzt fort, uns insgeheim zu behüten, wir wären bald vertilgt. Da wir so die Barmherzigkeit und das Mitleid Gottes gegen uns aus Erfahrung kennen, so müssen wir uns umso ruhiger unter seinen Schutz stellen in der Hoffnung, er werde zeigen, wie teuer ihm unser Leben ist. Wir selbst müssen indessen unser Leben gering schätzen und für nichts achten, wenn es gilt, es zu brauchen zu seinem Dienste, unter anderm um sein Wort zu verteidigen; denn darin sollen wir nach seinem Willen seine Ehre leuchten lassen. So sollen wir nach dem Worte unseres Meisters unsere Seelen in Geduld fassen als einen Besitz, dessen treuer Hüter er sein wird [Luk. 21, 19]. Und übrigens wenn wir freiwillig dieses gebrechliche, hinfällige Leben verlieren, so erhalten wir es viel besser wieder in seiner himmlischen Herrlichkeit. Das ist die Hauptlehre, die Ihr jetzt ins Auge fassen müsst, dass die heilige Schrift uns Fremdlinge auf Erden nennt [Hebr. 11, 13], damit uns nichts abwendig mache von dem ewigen Erbe, nach dem wir nur recht streben können, wie wir sollen, wenn wir bereit sind, abzuscheiden, wann und wie Gott uns immer abrufen will von der Erde. Ich will nun hier nicht haufenweise Zeugnissen anführen, die dazu dienen könnten, Euch in der Geduld zu stärken; denn ich fände damit kein Ende, weil die ganze Schrift voll davon ist. Ich will auch nicht folgern, wie wir mit unserm Haupte, dem Sohne Gottes, in den Tod gehen müssen, um mit ihm aufzuerstehen [Röm. 8, 17], dass wir tragen müssen sein Bild [1. Kor. 15, 49] und erstatten müssen, was noch mangelt an seinen Trübsalen [Kol. 1, 24], damit wir teilhaft werden der Ruhe, die er uns verheißen hat. Es muss uns ja ein allgemein bekannter Satz sein, dass, wie er zur Herrlichkeit eingegangen ist durch viele Trübsale, so auch wir denselben Weg gehen müssen. Für den Augenblick genügts, Euch ins Gedächtnis zurückzurufen, dass alle Bedrückungen, die über die Kirche kommen, dazu da sind, den Glauben der Erwählten zu prüfen, und dass Gott sie nach seinem Gutdünken zu rechter Zeit verordnet. Da nun unser Herr Jesus seines Blutes nicht geschont hat, die Wahrheit des Evangeliums, in dem unser Heil liegt, zu bekräftigen, so dürfen wir uns nicht weigern, ihm zu folgen, besonders da wir sicher sind, dass trotz aller Feindesränke alles sich zu unserm Besten wenden muss. Und um mehr Mut zu fassen, zweifelt nicht daran: wenn die Bösen ihre ganze Grausamkeit an Euch ausgelassen haben, so wird kein Tropfen Blut geflossen sein, der nicht Frucht gebracht hat zur Mehrung der Zahl der Gläubigen. Scheints auch auf den ersten Blick nicht, als ob die Standhaftigkeit der Geprüften wirke, so unterlasst es doch nicht, Eure Pflicht zu tun, und überlasst Gott die Wirkung, die von Eurem Leben oder Sterben ausgehen wird zur Erbauung der Kirche; denn er weiß die Frucht zu suchen zur rechten Zeit und am rechten Ort. Je mehr die Bösen seinen Namen auf Erden auszurotten suchen, umso mehr Kraft wird er Eurem Blute geben, ihn zur Geltung zu bringen. Man darf gewiss glauben, Gott will seinen Namen erhöhen und das Reich Jesu Christi jetzt um ein rechtes Stück vorwärts bringen. Nur wollen wir jetzt dieses Wolkendunkel vorüberziehen lassen und warten, bis Gott sein Licht wieder aufstrahlen lässt zu unserer Freude, wiewohl wir es nie entbehren müssen, auch mitten in unseren Trübsalen nicht, wenn wir Licht suchen in seinem Wort, wo es uns angeboten wird und unaufhörlich leuchtet.

Darauf müsst Ihr Euren Blick richten in diesen großen Unruhen und Euch freuen, dass er Euch die Ehre erweist, leiden zu dürfen für sein Wort, statt gezüchtigt zu werden für Eure Sünden, wie wir es ja alle verdienten, wenn er uns nicht trüge. Und da er selbst den armen Sündern Trost verspricht, die geduldig die Züchtigung annehmen von seiner Hand, so dürft Ihr Euch auch darauf verlassen, dass die Hilfe und Unterstützung seines Geistes Euch nicht fehlen wird, wenn Ihr im Vertrauen auf ihn die Lage hinnehmt, in die er die Seinen bringt. Erwartet nicht, dass die Großen dieser Welt Euch den Weg zeigen, vielmehr führen sie oft sogar ihre Brüder vom rechten Weg ab und bringen sie zurück statt vorwärts. Ja, es soll nicht einmal jeder auf seinen Genossen sehen und sagen wie St. Petrus: Herr, was soll aber dieser? [Joh. 21, 21.] Sondern jeder soll folgen, wie er gerufen wird; denn es muss auch jeder für sich Rechenschaft ablegen. Schaut eher auf die unüberwindliche Tapferkeit so vieler Märtyrer, die Euch ein Beispiel gegeben haben, und fasst Mut, miteinander zu wandern in so guter Gesellschaft, die der Apostel deshalb eine große, dicke Wolke nennt [Hebr. 12, 1], weil er sagen will, ihrer sind so viele, dass wir sie gar nicht mit unsern Augen überschauen können. Ja noch mehr, die Vorbilder, die uns Gott täglich vor Augen stellt, sind, wenn man sie recht betrachtet, wie sie es verdienen, wohl stark genug, uns zu wappnen gegen das Ärgernis, das wir nehmen könnten an der Feigheit einzelner weniger.

Übrigens je höher einer im Range steht, desto mehr soll er daran denken, dass er verpflichtet ist, voranzuschreiten und sich nicht zu verbergen, wenn es not tut. Die Edeln und Reichen, die Leute von Stand, sollten sich nicht für bevorzugt halten, sondern im Gegenteil erkennen, dass Gott sie auserwählt hat, um sich an ihnen noch höher zu verherrlichen. Wandelt Ihr in solcher Einfalt und ruft Gott an, dass er barmherzig auf Euch schaue, so werdet Ihr gewiss hundertmal mehr Erleichterung spüren, als wenn Ihr mit Ausflüchten zu entkommen sucht. Ich meine nicht, dass Ihr Euch absichtlich und unvorsichtig dem Wolfsrachen der Verfolger aussetzen sollt; nur hütet Euch davor, Euch der Herde unseres Herrn Jesu zu entziehen, um dem Kreuz auszuweichen, und fürchtet die Zersplitterung der Kirche mehr als alle Todesarten der Welt. Was werdet Ihr sonst als Entschuldigung vorbringen können, wenn Euch unser Herr Jesus, sein Vater und alle Engel im Paradies vorhalten werden, dass Ihr zuerst versprochen habt, ihn zu bekennen im Leben und im Tod, und dann das gegebene Versprechen gebrochen habt? Welche Schande wäre es, nachdem Ihr Euch einmal getrennt habt vom befleckenden Schmutz des papistischen Götzendienstes, wieder umzukehren und Euch darin zu wälzen, doppelt fluchwürdig vor Gott! Kurz, unsere ganze Seligkeit liegt darin, Jünger unseres Herrn Jesu zu sein und zu wissen, dass er auch nicht anerkennt, sondern verleugnet, wer ihn nicht bekennt vor den Feinden. Deshalb härtet Euch ab, Schmach und Verfolgung zu leiden, und wollt Ihr Gott zur festen Burg haben, so heiligt ihn in Euren Herzen und fürchtet Euch nicht vor dem Trotzen der Ungläubigen, wie uns St. Petrus ermahnt [1. Petr. 3, 14. 15]. Verlasst Euch darauf, der Stolz dieser Löwen und Drachen und ihre schäumende Wut wird umso bälder den Zorn Gottes entflammen und sein Rachegericht beschleunigen. Schließlich mache es Euch auch keinen Kummer, von solchen Narren verächtlich beschimpft zu werden, da Eure Namen geschrieben sind im Buch des Lebens und Gott Euch anerkennt, nicht nur als seine Diener, sondern als Kinder und Erben seiner Herrlichkeit, Glieder seines eingeborenen Sohnes, unseres Herrn Jesu, und Genossen der Engel. So sei es Euch genug, ihrem Wüten Gebete und Tränen entgegenzusetzen, die Gott nicht zu Boden fallen lassen, sondern aufbewahren wird in seinen Schalen, wie es im Psalm heißt [Psalm 56, 9].

Damit habe ich in Kürze berührt, wie Ihr Euch halten sollt während dieses Sturmes. Die Hauptsache ist, dass jeder sich fleißig übe, in der Schrift zu lesen, und sich die Mahnungen merke und einpräge, die Gottes Mund uns gibt, und sich durch nichts, was kommen mag, ermatten lasse.

Könnten wir Euch die Sorge und das Mitleid recht ausdrücken, die wir um Euch leiden, am Wunsch und guten Willen sollte es nicht fehlen, wie wir andrerseits denken, die Gefahren, die uns nahe bedrohen, werden Euch auch rühren und bewegen, dass Ihr uns der Hut Gottes anempfehlt. Wir bitten ihn, er möge in seiner unendlichen Güte Euch fühlen lassen, dass er ein Beschützer des Leibes und der Seelen ist, er wolle Euch leiten durch seinen heiligen Geist, Euch unterstützen mit seiner Kraft und in Euch triumphieren dadurch, dass er alle Ratschläge, Unternehmungen und Gewalttaten seiner und Eurer Feinde vernichtet.

[Ende Juni 1559].

Calvin, Jean – An die Evangelischen in Frankreich.

Der Brief war wohl hauptsächlich an die Evangelischen in Paris gerichtet. Die Adresse lautet ganz allgemein:

Hirtenbrief über die Lage in Deutschland und Genf.

An meine sehr geliebten Herrn und Brüder, die den Fortschritt des Reichs unseres Herrn Jesu Christi wünschen. Die Liebe Gottes unseres Vaters und die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei allezeit mit Euch durch die Gemeinschaft des heiligen Geistes.

Sehr liebe Herrn und Brüder, ohne Zweifel erfahrt ihr täglich viel Neues von hier und von Deutschland, das denen Ärgernis geben könnte, die nicht ganz feststehen in unserm Herrn Jesu Christo. Aber ich traue auf Gott, er habe Euch so befestigt, dass Ihr dadurch nicht erschüttert werdet, noch durch irgendetwas größeres, das noch geschehen könnte. Denn wahrlich, sind wir erbaut auf dem festen Fels, der verordnet ist als Grundstein der Kirche, so können wir die schlimmsten Stürme und Gewitter aushalten, ohne umgeworfen zu werden. Ja es ist uns gut, dass solche Dinge geschehen zur Prüfung unserer Standhaftigkeit und Glaubensfestigkeit.

Was Deutschland angeht, so hat der Herr den weltlichen Stolz der Unsern so gedemütigt und alle Macht und Gewalt dem gegeben, von dem man nur Böses erwarten kann, dass es nun wirklich den Anschein hat, als wolle er allein sein geistliches Reich überall aufrecht halten, wo er es schon aufgerichtet hat. Freilich, nach fleischlichem Meinen ist das recht unsicher, aber ihm seine arme Kirche und das Reich anbefehlend, hoffen wir doch, dass er es tun wird über unser Erwarten. Bis jetzt war Gefahr, dass menschliche Macht uns blende. Jetzt da nichts uns mehr hindert, auf seine Hand zu schauen, wollen wir uns erinnern, wie er in früheren Zeiten seine Kirche geschützt hat, und nicht daran zweifeln, dass er seine Ehre so wahren wird, dass wir uns wundern werden. Unterdessen wollen wir nicht müde werden, zu kämpfen unter der Kreuzesfahne unseres Herrn Jesu, denn das ist mehr wert als aller weltliche Triumph.

Was die Gerüchte betrifft, die zu Euch gedrungen sind über unsere hiesigen Unruhen, so sind sie erstlich meistenteils frei erfunden. Denn wäret Ihr hier, Ihr sähet nicht den zehnten Teil alles dessen, was man draußen erzählt. Wahr ists, dass wir ein paar harte Köpfe haben und widerspenstige Nacken, die jede Gelegenheit benutzen, sich aufzulehnen, und tumultuarisch alle Ordnung in der Kirche zerreißen und zerstören wollen, und zwar Junge und Alte. Hauptsächlich haben wir aber eine sehr verderbte Jugend. Will man ihnen nicht jede Frechheit erlauben, so beißen sie und bäumen sich auf wie böse Rosse. Neuerdings sind sie sehr aufgebracht, scheinbar über eine recht geringfügige Sache. Man wollte ihnen nämlich nicht erlauben, geschlitzte Hosen zu tragen, was seit zwölf Jahren schon in hiesiger Stadt verboten ist. Nicht als ob wir darauf Wert legten; aber weil wir sahen, dass sie durch die Schlitze in den Hosen alle weitere Unordnung hereinlassen wollten, haben wir erklärt, der Schnitt ihrer Hosen sei ein geringer Vorwand, nicht der Rede wert, und waren bestrebt, etwas anderes zu erreichen, nämlich sie überhaupt zu zügeln und ihre Dummheiten zu unterdrücken. Während dieses kleinen Gefechts hat dann der Teufel wieder andere drunter gemengt, so dass es großes Murren gab. Und weil sie mehr Mut und energischeren Widerstand bei uns spürten, als ihnen lieb war, so haben einige das Gift, das sie im Herzen trugen, ausgespritzt. Aber das alles ist eitel Dunst, denn ihre Drohungen sind nichts als der Schaum des Stolzes Moabs, der keine Kraft hat, auszuführen, was er sich vornimmt. Wie dem auch sei, Ihr braucht Euch darüber nicht zu wundern. Es gab schlimmere Aufstände gegen Mose und die Propheten, die doch das Volk Gottes zu lenken hatten, und für uns sind das nützliche Übungen. Nur bittet für uns den Herrn, dass er uns Gnade gebe, nicht nachzulassen, den Gehorsam gegen ihn höher zu achten als unser Leben, wenns Not tut, und uns mehr zu fürchten vor einer Beleidigung gegen ihn, als vor der ganzen Wut der Bösen gegen uns, und schließlich, dass es ihm gefalle, all den Lärm zu stillen, der die Herzen der Schwachen brechen könnte. Unser Herr hat uns die große Gnade geschenkt, den gerechten, guten Willen zur Heilung des Übels zu haben. Und alle meine Brüder sind einmütig, zu tun, was unsres Amtes ist, so dass dieselbe Standhaftigkeit in uns allen ist, wenn nur der gute Gott fortfährt, sein Werk zu leiten.

Ich bitte Euch, geliebte Brüder, auch Eurerseits fest zu bleiben im Guten. Keine Furcht erschüttere Euch, auch wenn noch deutlichere Gefahren kämen, als Ihr bisher gesehen. Das Vertrauen, das uns Gott auf seine Gnade und Kraft setzen heißt, sei Euch stets eine feste Burg, und um seiner Hilfe sicher zu sein, seid sorgsam, zu wandeln in seiner Furcht, wie es uns ja ansteht, bei allem Eifer in seinem Dienst stets wieder auf den Schluss zurückzukommen: Vergib uns unsre Schuld. Je mehr Ihr die Erfahrung machen könnt, wie schwach wir sind, umso fleißiger stets an, fortzufahren in der Ordnung, die Ihr habt, zu beten und sein heiliges Wort zu hören zu Eurer stets wachsenden Übung, Schärfung und Befestigung. Nichts ziehe Euch davon ab, wie mancherlei Vorwände es auch geben mag, die ein Fehlen [beim Gottesdienst] gut scheinen lassen. Ich weiß wohl, dass es viel besser wäre, wenn alle, die Gott ehren wollen, zusammenkämen und jeder die andern wie mit Trompetenton dazu herbeiriefe. Aber es ist doch besser, wenigstens so viele zu haben wie Ihr, nämlich etwa die Hälfte, als gar nichts. Also hütet Euch wohl, zurückzuweichen, sondern dringt vielmehr vorwärts, und lasst das Gut, das Gott Euch anvertraut hat, wuchern, indem Ihr einer den andern, und überhaupt alle die armen Schwachen und Unwissenden, durch Euer gutes Leben erbaut und durch dasselbe Mittel die Feinde beschämt. Wenn Ihr das tut, werdet Ihr über Euch spüren die Hand Gottes, den ich bitte, in Euch mehren zu wollen die Gnadengaben, die er Euch verliehen, Euch stark zu machen in wahrer Standhaftigkeit, Euch zu behüten mitten unter Hunden und Wölfen, und sich an Euch in jeder Weise zu verherrlichen. Zugleich anempfehle ich mich herzlich Eurer Fürbitte.

Am 24. Juli 1547.
Euer ergebener Bruder und wahrer Freund
Charles d´ Espeville.