Nr. 554 (C. R. – 2831)
Viret und sein Kollege Jacques Valier legten dem Lausanner Rat eine Kirchenordnung nach Genfer Muster mit strenger Sittenzucht und Kirchenbann vor; unter Berufung auf die Berner Reformationsbeschlüsse wurde sie abgelehnt. Ob der als zu ängstlich getadelte Kollege Virets Valier ist, ist nicht sicher. Zu Calvins Bemerkung über den Zustrom von Refugianten ist zu melden, dass im Oktober 1558 dreihundert auf einmal in Genf aufgenommen wurden.
Über Virets Kampf um den Kirchenbann.
Ich habe deinen Brief vor den Toren der Stadt erhalten, als ich eben vom Landhäuslein meines Bruders in ein anderes Dorf spazierte, nach der Vorschrift der Ärzte mir Bewegung zu verschaffen. Deine Gegner treibt, soviel ich sehe, der Satan kopfüber ins Verderben, da sie offenkundig verweigern, was sie wirklich ohne Gefahr hätten zugeben dürfen. Ich hätte sie tatsächlich für vorsichtiger gehalten und geglaubt, sie würden Ausflüchte suchen und, was ihnen Schmach und Entrüstung bringen könnte, auf andere schieben. Jetzt hast du mit ihnen ja nichts mehr zu schaffen, sondern musst nun den letzten Schritt tun, nämlich den Bernern offen erklären, dein Gewissen erlaube dir nicht, es länger beim Alten zu lassen. Das ist ein harter, aber notwendiger Kampf. Wenn du jetzt Bedenken hast, ihn zu wagen, was kannst du für später hoffen? Ich will die Gründe nicht aufzählen, weshalb du gerade jetzt das Äußerste wagen kannst, weil ich denke, dass du weißt und wohl erwogen hast, was ich dir auch immer vorbrächte. Und ich müsste mich auch sehr irren, wenn wir nicht auch darin einig wären, dass man gerade unter so bedauerlichen Umständen wenigstens das Beispiel mannhafter Standhaftigkeit geben muss. Du darfst auch nicht zu sehr auf die andern sehen; denn wenn auch alle Kollegen mit dir mutig auf dieser Sache bestehen müssten, so sorgt sich doch der, der der nächste dazu wäre, allzu sehr um seine Ruhe und seinen persönlichen Vorteil; andere säumen teils aus Dummheit, teils aus Gleichgültigkeit; ein Teil aber, und zwar nach meinem Urteil der bessere Teil, wird deinem Banner folgen. Die Sorge um deine Gemeinde macht dir zwar mit Recht zu schaffen, aber wir müssen das eben der Vorsehung Gottes überlassen. Verlierst du deine Stelle in Lausanne, so musst du eben wieder an deine alte hierher zurückkommen. Die Stadt wird bald die Menge der Zuströmenden nicht mehr fassen. Aber eher, – darauf baue ich, – wird man den Mauerring erweitern, als Kinder Gottes ausschließen. Zwar wird’s ein beschwerliches und kostspieliges Bauen geben, aber man muss eben daran denken, wie viel leichter das noch ist, als vierzig Jahre lang in Zelten zu leben, wie Israel in der Wüste. Wie, wenn dein Weggehen diese ungeschlachten Gesellen einmal aufweckte, die alle Lehre meinen verachten zu können in ihrer Trunkenheit? Wenn es den guten Brüderlein, die in ihren Häusern sitzen und sich der Ruhe freuen, Scham einflößte? Glaube mir und gehe freudig dahin, wohin dich die Notwendigkeit ruft, ja zwingt; denn es ist nichts besser, als ein gutes Gewissen, wenn wir unsere Pflicht getan haben. Lebwohl, bester Bruder und treuester Knecht Christi. Der Herr sei mit dir; er leite dich und mache dich immer reicher an seinen Gaben. Ich kehre nicht vor morgen nach Genf zurück; so grüßen dich nur die Freunde herzlich, die mit mir auf dem Lande sind, de Normandie, de Varennes, mein Bruder und unser Gastfreund in Sacconex.
16. März 1558.
In Wahrheit dein
Johannes Calvin.