Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (317).

Vgl. 312 und .316. Von einer Reise nach Trient redet Calvin natürlich nur ironisch.

Allerlei über kirchliche und weltliche Politik.

In wenigen Tagen habe ich zwei Briefe von dir erhalten, beide voll des außerordentlichsten Wohlwollens gegen mich und mir deshalb sehr lieb. Es ist gut, dass Gott nicht nur uns beiden den gleichen Gedanken gegeben, den König von England und seine Räte zum Fortfahren anzuspornen, sondern, dass ers auch so gefügt hat, dass unsere Ratschläge so gut unter sich zusammenpassen. Das wird hoffentlich etwas zu ihrer Verstärkung beitragen. Die Rückkehr des Boten, der meine Bücher samt dem Brief nach England brachte, beginne ich von Tag zu Tag zu erwarten. Sobald er da ist, will ich sorgen, dass du es erfährst, wenn er etwas Berichtenswertes mitbringt. Unterdessen habe ich auch an den erlauchtesten Herzog von Somerset geschrieben und ihm gezeigt, dass es nicht anders sein könne, als dass die Papisten übermütig würden, wenn nicht der Streit über die Zeremonien bald beigelegt werde. Ich mahnte ihn also, Hopper die Hand zu bieten. Was der Papst auch vorgibt, so glaube ich doch nicht, dass im Ernst das Konzil zu Trient wieder einberufen wird. Der Grund dieser Vermutung ist mir ein Erlass des Königs von Frankreich an alle seine Bischöfe, es solle jeder seine Diözese eifrig visitieren. Die Visitationsakten sollten in einem halben Jahre fertig gestellt und den Erzbischöfen eingereicht werden, da der König im Sinne habe, ein französisches Nationalkonzil abzuhalten. Trient und der Papst werden darin gar nicht erwähnt. Doch zweifle ich nicht daran, dass ein abgekartetes Spiel zwischen König und Papst getrieben wird. Nämlich der Franzose soll dem Papst zu Gefallen durch die Vorspiegelung eines Nationalkonzils das von Trient auflösen. Kluge Leute meinen, in Italien sei die Kriegsfackel bereits in Brand. Es ist ein türkischer Gesandter am französischen Hof, um den König zum Krieg zu treiben. Eine mächtige Flotte bedroht Italien oder Spanien. So wird der Herr diese Mächte in Atem halten, dass sie die Kirche nicht so sehr belästigen können. Da du doch weißt, dass ich nach Trient über Zürich reisen muss, so ists nicht freundlich von dir, dass du uns nicht einmal für einen Tag einlädst. Aber du wartest wohl nur auf eine neue päpstliche Bulle, die uns [zum Konzil] zulässt. Doch gehören wir leider nicht zu denen, die nach Recht, Gewohnheit oder besonderer Vergünstigung des heiligen, apostolischen Stuhls einen Sitz beanspruchen dürfen. So können wir denn ruhig zu Hause bleiben. Freilich haben wir zu Hause auch zu tun, denn Christus gibt uns genug zu arbeiten und Satan lässt uns nicht müßig bleiben.

Entschuldige mein eilfertiges Schreiben. Denn die deutschen jungen Leute, die mir ihren Botendienst antrugen, ließen mir nur eine Stunde Zeit zum Schreiben, und die ist nun gleich herum. Lebwohl, hochberühmter Mann und mir von Herzen hochverehrter liebster Bruder. Meine Kollegen lassen dich ehrerbietig grüßen. Richte auch von mir und ihnen den Herren Bibliander, Pellikan und Gwalther, sowie den übrigen Brüdern viele Grüße aus. Der Herr behüte Euch alle mit seinem Schutz, leite Euch mit seinem Geist und lasse Euer Wirken gedeihen. Der Consensus ist hier im lateinischen Text weniger sorgfältig gedruckt worden, als ich wollte; doch wird er bald neu gedruckt werden. Eine französische Übersetzung habe ich dem lateinischen Text beigefügt, in der dich kein Fehler ärgern wird.

Genf, 10. April 1551.
In Wahrheit dein
Johannes Calvin.

Keßler, Johannes – Brief an Bullinger über den Tod Vadians

Nachdem Vadian alle seine weisen Verordnungen bezüglich seines Todes getroffen hatte, wandte er sich ausschließlich zu frommer Betrachtung der hl. Schrift. Oft besuchte ich den theuren Vater, bald von ihm gerufen, bald aus freien Stücken, denn ich wußte, daß ihm meine Gegenwart nicht unlieb sei, nicht als ob er irgend meines Zuspruchs bedurft hätte, sondern weil er mit seinem frommen Sinn traulich mit mir verkehrte und damit ich seine gelehrten Reden vernehme und, so lange es mir vergönnt sei, aus seiner Gelehrsamkeit und Menschenfreundlichkeit Trost schöpfe. Fiel unser Gespräch auf irgend einen trostreichen Spruch der Schrift, so pflegte er sofort mit gefalteten Händen und zum Himmel gerichteten Blicken Gott, dem Vater Dank zu sagen für seine in Christo uns erwiesenen Wohlthaten, und er war mit sich unzufrieden, wenn er nicht alle solche Stellen der Schrift im Gedächtniß behalten hatte. Unter Anderem ließ er sich die Abschiedsreden Jesu und ebenso einige Kapitel des Briefs an die Hebräer vorlesen. Als wir dieses thaten, großer Gott, mit welchem Ernst und welcher Gelehrsamkeit sprach er über das ewiggiltige Opfer Christi! Du hättest einen Schwanengesang zu hören geglaubt, theuerster Bullinger!

Zuweilen überkam ihn auch der Aerger über den abscheulichen Greuel der Meßpriester, welche den Opfertod Christi so gotteslästerlich entweihen. So beharrte er bis zum Tod im Bekenntniß der wahren und in der Verabscheuung der falschen Religion und blieb sich selbst so ganz und gar gleich, daß man an seiner Beredtsamkeit, Gelehrsamkeit und Verstandsklarheit nichts vermißte, nur daß seine Stimme schwächer wurde. Mit einer eines Christen würdigen Gelassenheit ertrug er die Schmerzen, welche ihm namentlich die Nervenspannung zwischen den Schultern verursachte. Er begehrte für seinen brennenden Durst kaltes Wasser, was ihm von Kindheit an der liebste Trank war; da man es ihm nicht geben durfte, um nicht seine Schmerzen noch zu steigern, erquickte er die Lippen seiner dürstenden Seele in vollen Zügen aus jener Heilsquelle lebendigen Wassers, zu welcher Christus die Samariterin und lange zuvor alle Dürstenden durch den Propheten Jesaiam gewiesen hatte. Um die Wiederherstellung seiner Gesundheit machte er sich keine Sorgen, indem er gleich von Anfang seiner Krankheit an alles Irdische bei Seite legte, denn als erfahrener Arzt fühlte er wohl, daß diese Krankheit zum Tode führe; doch wies er Arzneien oder Mittel, die man ihm verordnet und gegeben hatte, nicht zurück. Und als er sich in seinen Kräften bereits ganz erschöpft fühlte, nahm er das Büchlein des Neuen Testaments, das ihm stets als Handausgabe gedient hatte, und sprach: Nimm, mein Keßler, dieses Testament, das mir mein liebster Besitz auf Erden war, zum ewigen Gedächtniß unserer Freundschaft! Und als er gegen das Ende hin zu sprechen aufhörte, bezeugte er noch mit Geberden seinen Glauben, ergriff, während ich Christum, der für uns genug gethan, anrief, mit seiner rechten meine Hand, sei es, daß er mir beistimmen oder Abschied sagen wollte, und verschied sanft in dem Herrn den 6. April, welcher der Montag nach dem Sonntag Quasimodogeniti war, zwischen zwölf und ein Uhr Mittags im Jahr 1551, im Alter von 66 Jahren vier Monaten und 6 Tagen, nachdem er neun Mal das Amtsbürgermeisteramt verwaltet. Er wurde auf dem Begräbnißplatz seiner Väter und Vorältern bestattet unter großer Wehklage seiner Vaterstadt, die wohl erkannte, wie viel sie mit diesem Vater der Vaterstadt an Zierde und Nutzen verloren habe.

Quelle:
Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der reformirten Kirche. Herausgegeben von Dr. J.W. Baum, Professor in Straßburg, R. Christoffel, Pfarrer in Wintersingen, Dr. K.R. Hagenbach, Professor in Basel, Dr. H. Heppe, Professor in Marburg, K. Pestalozzi, Pfarrer in Zürich, Dr. C. Schmidt, Professor in Straßburg, Lic. E. Stähelin, Pfarrer in Basel, Lic. K. Sudhoff, Pfarrer in Frankfurt a.M., u. A. Eingeleitet vpm Dr. K. R. Hagenbach. IX. (Supplement=)Theil: J. a Lasco, L. Judä, F. Lambert, W. Farel und P. Viret, J. Vadian, B. Haller, A. Blaurer Elberfeld Verlag von R. L. Friderichs 1861

 

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (316).

Bullinger sandte Calvin seine in Dekaden erscheinenden Predigten. Hopper vertrat in England die streng zwinglische Reformation.

Der Consensus erscheint endlich. Politische Nachrichten und Befürchtungen.

Als ich neulich nach Neuchatel reiste, begegnete mir unterwegs der Bote mit deinem Brief. Den zweiten brachte mir, als ich wieder zu Hause war, ein Italiener zugleich mit der fünften Dekade. Wenn du entschuldigend schreibst, du schickest mir deine Bücher nicht, damit ich von dir lerne, so nehme meinerseits, eben weil ich wünsche, meine Werke möchten allen Frommen nützen, gerne etwas von den Schriften anderer an. Das ist ja die wahre brüderliche Gemeinschaft, wenn wir erkennen, dass die Gaben des Geistes so unter uns verteilt sind, dass keiner sich selbst genügt. So war mir dein Geschenk sehr lieb. Die größte Freude machte mir auch, und nicht mir allein, sondern auch Farel und den übrigen Brüdern, die Veröffentlichung unseres Consensus. Wäre dein Brief doch vierzehn Tage eher gekommen! So hätte der Consensus noch zur diesjährigen Frankfurter Messer erscheinen können. Für unser Frankreich wird die Veröffentlichung gerade zur rechten Zeit kommen, und, wie ich hoffe, sehr von Nutzen sein.

Neulich sind meine Kommentare zu Jesaja und den katholischen Briefen gedruckt worden. Ich habe beide Werke dem König von England gewidmet. Ein Exemplar der einen Vorrede, das ich Vergerio sandte, konntest du ja lesen. Ich legte noch einen persönlichen Brief bei, in dem ich die hochherzige Art des [königlichen] Knaben zu stärken suchte. Unterdessen ist die traurige Nachricht gekommen, Hopper sei ins Gefängnis geworfen worden; ich hatte das schon früher befürchtet. Jetzt fürchte ich, die Bischöfe werden als Sieger umso wilder werden. So sehr ichs auch lobe, dass er die Ölung so standhaft verweigerte, so hätte ich doch lieber gehabt, wegen des Hutes und des linnenen Chorrocks (obwohl ich dies auch nicht billige) wäre er nicht so weit gegangen im Kampf; diesen Rat habe ich ihm noch neuerdings gegeben. Er hat viele mächtige Gegner, die zweifellos scharf darauf dringen werden, ihn zu vernichten. Doch hoffe ich, der Herr werde ihm beistehen, und das umso mehr, als, wie ich höre, solche ihn treulos bekämpfen, die sich sonst als Gönner des Evangeliums ausgeben. Dazu, dass bei Euch die Kirche sich der Ruhe erfreut, wünsche ich Glück. Hier sind ein paar ganz böse Taugenichtse, die uns nicht wenig Last und Unruhen machen; doch baue ich darauf, dass sie das Ende nehmen, das sie verdienen. Die Pläne des Kaisers machen vielen angst. Dass einzelne seiner Truppen nun die Alpen überschreiten, findet man mit Recht verdächtig. Kommt er in diese Gegend, so habe ich keine andere Hoffnung zum Trost, als dass mich dann der Herr aus diesem elenden Leben nehmen wird. Indessen wir er seine Herde, um die mich die Sorge vor allem quält, nicht verlassen. Lebwohl, hochberühmter Mann und gar sehr verehrter Kollege, samt den Brüdern, die du von uns allen angelegentlich grüßen sollst. Des Gallars lässt dich persönlich besonders grüßen. Der Herr fahre fort, dich zu leiten mit seinem Geiste, mit seiner Hand dich zu schützen und dein heiliges Wirken zu segnen. Amen.

Genf, 14. März.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (313).

Bullinger sandte Calvin den Wortlaut der Bulle, in der Julius III. das Konzil in Trient wieder einberief. Über Vergerio vgl. 303.

Über Drucklegung des Consensus.

Wenn du auch gern bereit bist, zu entschuldigen, wenn ich nur selten schreibe, ja sogar in deiner Billigkeit mich von dieser Verpflichtung freiwillig entbindest, so schäme ich mich doch der Faulheit oder der allzu großen Sicherheit, in der ich für dich weniger eifrig bin als für ein paar unbedeutende Freunde. Der Grund ist der, dass andere durch unverschämtes Geilen mich aus meiner Unlust zum Schreiben gewaltsam aufrütteln, du aber in freundlicher Nachsicht mit schweigen lässest. Ich werde auch mit beständigen Schreibereien so ermüdet, dass mich oft geradezu ein Ekel erfasst und ich das Schreiben eigentlich hasse. Wenn doch deine maßvolle Art auch bei andern herrschte, nämlich, dass man auch treulich Freundschaft pflegen kann, wenn man sich etwas seltener schreibt. Aber unsere Franzosen drängen mich in dieser Beziehung mehr als unbedacht. So kommts, dass ich die Menge zufrieden stelle und mich dafür bei den Hauptfreunden der Faulheit verdächtig mache. Rechne noch dazu, dass es mir, wenn nicht ein bestimmter Gegenstand vorliegt, töricht scheint, gewöhnliche Dinge gleichsam von weither zu holen.

Übrigens, wenn du erwähnst, Ihr hättet mir schon längst geschrieben und keine Antwort von mir erhalten, so weiß ich nicht, was das bedeutet, wenn nicht, wie ich vermute, wieder etwas von Euch abgegangen und nicht bei mir angekommen ist. Ists so, so will ich, jetzt an meine Pflicht erinnert, sie nicht versäumen.

Da einige Leute aus bösem Willen, Eigensinn, oder ungeschicktem Wesen unserm Consensus widersprechen, so möchte ich, er würde veröffentlicht, wenns Euch gut scheint. Ich habe nun schon Vieles ruhig ertragen, übergangen, hinuntergeschluckt, aber glaub´ mir, ich habe auf vielerlei Art gemerkt, wie sehr es den Satan verdrösse, wenn die Consensusformel herausgegeben würde. Den sächsischen Kirchen würde es hoffentlich sehr nützen. Beschließt Ihr aber nach Eurer Klugheit, was besser ist. Ich ließ mich, obwohl schon sehr viele Leute Exemplare des Consensus wünschten, doch nie dazu bringen, ihn durch die Presse zu vervielfältigen, bis ich es mit Eurer Erlaubnis tun kann. Ich habe darüber ja schon früher geschrieben, aus Eurem Schweigen aber geschlossen, dass Euch die Zeit noch nicht gekommen scheine. Ich möchte aber, du teiltest mir Eure Entscheidung mit.

Durch die [Sendung der päpstlichen] Bulle hast du mich zu Dank verpflichtet. Ich hätte sie noch besser brauchen können, wenn ich sie zwei Tage früher bekommen hätte. Denn meine Vorrede [zu den katholischen Briefen], in der ich diesen Stoff behandelte, war schon im Druck. Ein Exemplar lege ich bei, wenn du etwas Muße hast, es zu lesen. Doch bitte ich dich, es sobald als möglich samt dem beiliegenden Brief an Vergerio schicken zu lassen. Das ist gut an der Bulle, dass der Papst ohne alle Heuchelei vor purer Tyrannei schnaubt. So müssen wir denn, wie du sagst, zum Gebet unsere Zuflucht nehmen. Man sagt, Deutschland werde dieses Jahr vor Krieg im Innern Ruhe haben, da der Türke Ferdinand [von Österreich] bedrängt. Weil es aber des Herrn Sache ist, allen Waffenlärm zu stillen, so muss man doch ihn anrufen, dass er die sonst unbezähmbare Wut unserer Feinde im Zaum halte. Lebwohl, trefflicher Mann und mir hochverehrter Bruder. Grüße deine Kollegen und deine Familie von mir und meinen Brüdern. Der Herr behüte Euch, sei mit Euch und fahre fort, Euch zu leiten.

Genf, 21. Februar 1551.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (288).

Weggelassen eine Notiz über eine geschäftliche Sache und Schwierigkeiten in Genf, sowie eine Verteidigung der Waadtländer Kolloquien (vgl. 281). Über die Zurückweisung Hotmans vgl. 283.

Verteidigung Butzers gegen falsche Angriffe.

– Die Consensusformel haben alle meine Brüder gerne angenommen. Ihr könnt sie, wenn Ihr wollt, gleich von allen unterschrieben haben. – – –

Als neulich an ein Diakonat ein gelehrter, scharfsinniger Bruder gewählt war, derselbe, der mein Büchlein gegen die Astrologie übersetzt hat, ein Mann, der seinen Vater, einen königlichen Rat im Pariser Parlament, und die Aussicht auf ein reiches Erbe freiwillig aufgab, um für Christum zu kämpfen, da kams auf Betreiben [des Zebedee und seinesgleichen] dahin, dass der [Berner] Rat ihn zurückwies. Dass das deine Billigung nicht finden kann, weiß ich. Wenn die diese Pest der Böswilligkeit nicht kurieren kannst, so gib dir doch Mühe, sie in gewissen Schranken zu halten. Butzer beklagt sich im letzten Brief, den er mir schrieb, er werde von Hopper verleumdet, als lehre er die Allgegenwart des Leibes Christi. Wie weit er von diesem Wahn entfernt ist, dafür bin ich der beste Zeuge. Wenn du je an Hopper schreibst, so erinnere ihn daran, zu bedenken, dass Butzer einer unter den ersten Knechten Christi in unsrer Zeit ist, hochverdient um die Kirche, dass er viel Mühsal getragen hat und jetzt ein Verbannter um Christi willen ist, damit er den Greis nicht in seinen letzten Jahren unanständig behandle. Lebwohl, hochberühmter Mann und im Herrn verehrter Bruder. Deinen Kollegen viele Grüße von mir und deinen Angehörigen persönlich ebenso. Auch Herrn Heinrich lasse ich grüßen.

Genf, 7. Dezember 1549.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (273).

Bullinger hatte Calvin eine neue Vorrede zum Consensus in Briefform vorgeschlagen; zu den Änderungen vgl. 266. Lelio Sozzini war zeitweilig in Basel.

Neue Vorrede zum Consensus. Von den Verfolgungen in Frankreich.

Ich bin zu spät an die Abreise des Boten erinnert worden; denn die Zeit ist mir jetzt recht ungeschickt zum Schreiben, nämlich nach dem Nachtessen, besonders da es mir nicht so gut geht mit der Gesundheit, wie ich wünschen möchte. Doch ist das nun fast das Gewöhnliche; doch heute ist noch etwas mehr dazu gekommen. Der Brief, den du mir zu schreiben auftrugst, war schon vorher von mir abgefasst. Aber ich hatte das Schreiben an dich persönlich aufgeschoben, bis ein zuverlässiger Bote zur Hand sei. Nun habe ich die Gelegenheit, die sich bot, wenn sie auch nicht ganz nach Wunsch war, nicht vorbeigehen lassen wollen. Versuche es nun wiederum, ob den Bernern die Veröffentlichung [des Consensus] mit dieser neuen Vorrede gefällt. Für dich und deine Kollegen bin ich deswegen nicht in Zweifel. Ich glaube, mich an das von Euch Vorgezeichnete gehalten und es nur mit meinen Farben ausgefüllt zu haben. Was ich im Übrigen von den zwei Kapiteln an dich schrieb, hast du wohl noch im Gedächtnis. Ich bin überzeugt, es ist niemand, der diese Ergänzung nicht wünscht. Es ist von sehr großer Wichtigkeit, dass nicht die einen glauben, wie hätten das absichtlich verschwiegen, die andern es doch mit Recht ausgedrückt wünschen, was ja unbedingt notwendig ist. Die dritte Änderung an einem oder dem andern Wort hat ja keine Schwierigkeit mehr. Ich weiß, dass dir und deinen Kollegen die Sache so am Herzen liegt, dass ich mich Eurem Urteil ruhig überlassen kann. Ich werde, was Ihr beschließt, für das Beste halten; auch glaube ich, dass Ihr Eurerseits über meine Wünsche nicht im Unklaren seid. Von hier wage ich fast nicht Neues zu melden. Soviel leeres Geschwätz wird täglich verbreitet. Nur soviel ist Tatsache, dass wir vor mancherlei Gefahr nicht sicher sind, wenn nicht der Herr eingreift. Es ist gut, dass die Christen sicher leben dürfen, weil sie sicher sterben können. Der Franzose wütet so, dass man meinen könnte, er wolle wie die Giganten mit Gott kämpfen. Bewundernswert ist dabei die Standhaftigkeit der Märtyrer. Das ist dem König bisher noch nie widerfahren, dass einer sich freiwillig zum Opfer anbot, um wenigstens frei heraus ein paar Bekenntnisworte für Christum an ihn richten zu können, als der König ging, die Verbrennung anzusehen.

An Lelio schreibe ich nicht, da er vielleicht noch nicht wieder bei Euch ist. Ist er aber wieder da, so wäre es mir lieb, wenn er zu dem Buchhändler ginge, für dessen Zahlung ich Bürge bin. Er findet nun den Preis unbillig; unser hiesiger aber behauptet, es sei nicht so. Ich stehe unschlüssig zwischen ihnen. Aber weil ich mich verbürgt habe, werde ich wegen der Zahlung angegangen. Lebwohl, hochverehrter Bruder im Herrn und hochberühmter Mann, samt deinen Kollegen allen, die ich dich von uns allen angelegentlich zu grüßen bitte. Der Herr behüte Euch, sei stets mit Euch und brauche Euch zur Ehre seines Namens. Amen.

Genf, 13. August.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (266).

 

Calvin hatte durch persönliche Verhandlung in Zürich einen Vergleich über die Abendmahlsfrage, den so genannten Consensus Tigurinus zustande gebracht. Zu dem aufgestellten Bekenntnis macht er nun noch einige Bemerkungen, von denen zwei unwichtigere weggelassen sind. Über Lelio Sozzini siehe auch Nr. 268.

 

Über Abschluss und Veröffentlichung des Consensus Tigurinus.

 

Bei meiner Heimkehr fand ich weder von dir noch von Lelio einen Brief vor. Doch kam der von Lelio bald darauf. Deinen brachte mir erst am 17. Juni einer der französischen Gesandten und zwar mit geöffnetem Siegel. Er sagte, auf Grund unserer alten Freundschaft habe er sich diese Freiheit genommen. Ich hielt mich über diese Handlungsweise, so schmählich sie ist, nicht auf. Indessen müssen wir uns doch in acht nehmen, dass unsere Briefe nicht in solche Hände kommen. Das Schriftstück, das wir von Zürich heimbrachten, las ich den Brüdern vor, und sie beglückwünschten uns alle dazu. Bei der Reise durch Lausanne las ich es Viret und seinen Kollegen nicht nur vor, sondern ließ sie auch eine Abschrift davon nehmen. Alle waren hocherfreut und wetteiferten im Lobpreis Gottes. Einige bemerkten aber, falls es veröffentlicht werden solle, so sei noch einiges wenige zu wünschen übrig; wenn man das noch beifüge, so werde es noch klarer und leichter annehmbar.

 

– – Nach Kapitel 18, wo wir die Worte, das ist mein Leib, das ist mein Blut, bildlich erklären, dürfte es meines Erachtens nicht unpassend sein, dem Bedenken gewisser Leute entgegenzutreten. Es wird nämlich zweifellos gute Leute geben, denen es leid tut, dass bei der Nennung des Sinnbilds die versinnbildlichte Sache selbst nicht erwähnt wird, besonders da in der ganzen Schrift kein Wort vom Essen des Fleisches steht. Wie wir nun aber nicht vorsichtig genug sein können darin, dass unser Wortlaut nicht nach etwas riecht, was der krassen Auffassung des Abendmahl verwandt ist, so müssen wir andrerseits darauf bedacht sein, dass gemäßigte und recht denkende Leute nicht weniger ausgedrückt finden, als nötig wäre. Nun wäre es nicht schwer, sie zufrieden zu stellen, wenn etwa folgende Erklärung beigefügt würde: „Wenn Christus durch das Essen seines Fleisches und das Trinken seines Blutes, das hier bildlich gebraucht wird, unsere Seele weidet durch die Kraft seines Geistes, so ist das nicht so zu verstehen, als ob irgendeine substantielle Mischung oder Durchdringung stattfände, sondern so, dass wir aus dem einmal zum Opfer gebrachten Fleisch und dem zu unserer Versöhnung vergossenen Blut Leben schöpfen.“

 

Darin liegt, glaube ich, nichts, was Euch missfallen, oder andern verdächtig sein, oder zu irgendwelcher Verleumdung Anlass bieten könnte. Wird’s weggelassen, so wird man von mancher Seite die Klage hören, es sei übergangen, was am allermeisten Bezug habe auf die Streitfrage. Es wird auch nicht an solchen fehlen, die behaupten werden, das sei in der Absicht, zu täuschen, geschehen. Weniger Feindselige und Bösartige werden es so auslegen, als schwiegen wir mit Absicht darüber, weil wir darin nicht übereinstimmten. So wird in manchen Herzen ein Bedenken über die Art und Weise des Essens beim Abendmahl zurückbleiben. Mit der Entschuldigung, es sei eben schnell gegangen, wird niemand zufrieden sein, weil in einer so wichtigen Sache jedermann reifliche Überlegung fordert und man niemand davon wird überzeugen können, dass wir so schnell gemacht haben.

 

Ich bringe das deshalb vertraulich bei dir vor, damit du, solange die Sache noch unentschieden ist, mit unsern Brüdern beraten kannst, was besser ist. Meint Ihr indessen, es sei nichts mehr zu ändern, oder beizufügen, so verspreche ich, dass wir mit der Unterschrift nicht zögern werden. Freilich handelt es sich gegenwärtig noch nicht so sehr darum, da unsere Brüder in Bern von einer Veröffentlichung nichts wissen wollen, wenn sie sich nicht schließlich durch das Beispiel der andern bewegen lassen, ihrer Meinung beizupflichten. Die Gründe, die sie abhalten, scheinen mir recht schwach. Denn weder bekennen wir damit, dass bisher Uneinigkeit geherrscht habe, noch geben wir den Bösen Anlass zur Lästerung, als wollten wir aus Furcht von den gegenwärtigen Wirren einen bösen Verdacht von uns abwälzen. Nichts davon wird behauptet werden können; vielmehr wird eher der Geist aller Guten durch unsere Einigung aufgerichtet zur Überwindung der Bösen. Unsere Standhaftigkeit und unser Freimut in diesen unruhigen Zeiten wird großen Eindruck machen. Dass wir fromm und rechtgläubig denken, werden selbst solche sehen, die bisher vom Gegenteil überzeugt waren. Sehr viele, die heute noch im Ungewissen sind, werden etwas haben zur Beruhigung; Fremde, die in Ländern fern von Euch wohnen, werden Euch, hoffe ich, bald die Hand reichen. Schließlich, komme was will, so hat die Nachwelt ein Zeugnis unseres Glaubens, wie sie es aus den an Händeln reichen Disputationsakten nie hätte zusammenfinden können. Doch das will ich der Leitung Gottes überlassen, dessen Gnade ich dich samt deiner Familie und Eure ganze Gemeinde empfehle. Lebwohl, du hochberühmter Mann und im Herrn verehrter Bruder. Grüße, bitte, die Herren Theodor, Pellikan, Gwalther und die übrigen Kollegen angelegentlich. Dir und ihnen auch viele Grüße von meinen Brüdern.

 

Genf, 26. Juni 1549.
Dein Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (261).

Bullinger hatte Calvin geschrieben, dass einer dogmatischen Einigung auf ein schweizerisches Bekenntnis wenig mehr im Wege stehe; die Erneuerung des Bündnisses der Eidgenossen mit Frankreich lehnte Zürich ab, unter Hinweis auf 1. Kön. 22, den unglückseligen Bund Josaphats von Juda mit Ahab von Israel. Pharao = Heinrich II. von Frankreich; die an seinem Hofe das Regiment hatten, sind die Guisen, Antiochus = Karl V.

Calvins Verteidigung eines Bündnisses mit Frankreich.

Weil mir Zeitmangel nicht erlaubt, deinen Brief zu beantworten, so möchte ich dir nur bezeugen, das mir noch keiner von dir willkommener war, so dass er sogar nicht wenig dazu beitrug, meinen häuslichen Kummer zu lindern, der mich durch den Tod meiner Frau kurz vorher überfallen und gar sehr geängstigt hatte. Denn es freut mich sehr, dass nun nichts oder doch nur verschwindend wenig mehr übrig ist, worüber wir uns nicht auch im Wortlaut einigen können. Wenn du es für gut hältst, weigere ich mich gewiss nicht, eigens dazu nach Zürich zu kommen, damit du die ganze Gesinnung meines Herzens noch besser kennen lernst. Und an mir soll es nie liegen, wenn wir uns nicht zu einem dauernden Frieden zusammenfinden, so dass wir alle auch im selben Wortlaut Christum bekennen.

Aber jetzt veranlasst mich ein anderer Grund, dir zu schreiben. Du deutest in gewissem Sinn an, was Euch von dem Bündnis mit Frankreich abhält. Mit Recht, das gebe ich zu, schreckt fromme Leute das Beispiel Josaphats ab, der zum Unheil seines Reiches sich durch Bündnis mit dem gottlosen Reich verknüpfte. Doch lege ich das so aus, dass er nicht deshalb gestraft wurde, weil er ein Bündnis schloss mit dem König von Israel, sondern weil er eine böse, ungerechte Sache auf sich nahm, um den Eroberungsgelüsten seines Alliierten zu Gefallen zu sein. Den trieb sein Ehrgeiz, die Syrer weiterhin anzugreifen. Josaphat ließ sich verleiten, tollkühn zu den Waffen zu greifen. Kommt dazu, dass beide, trotz Gottes ausdrücklichem Verbot durch den Propheten Micha, trotzig dahinfuhren. So ist dieses Beispiel mir nicht dafür beweiskräftig, dass jedes Bündnis mit Gottlosen unerlaubt sei. Ich sehe, dass den Abraham kein religiöses Bedenken hindert, mit Abimelech Freundschaft zu schließen [1. Mose 21, 22 ff.]. Ich sehe Isaak, David und andere dasselbe tun, ohne dass es getadelt oder gestraft wird. Zwar das finde ich auch, Bündnisse dieser Art sind durchaus nicht erstrebenswert, weil immer irgendwelche Gefahr dabei ist. Aber wenn uns ein guter Grund dazu treibt, ja eigentlich dazu zwingt, so sehe ich nicht ein, warum man es durchaus verabscheuen müsste. Dieses Bündnis nun gerade, um das es sich eben handelt, fürchte ich so sehr, dass ich der Ansicht wäre, man müsse es durchaus vermeiden, wenn mich nicht die gegenwärtigen politischen Verhältnisse zur entgegen gesetzten Ansicht zwängen. Ihr habt es mit einem erklärten Feinde Christi zu tun, der Tag für Tag unsere Brüder wütend verfolgt. Wer uns samt Christo ausgerottet sehen möchte, verdient allerdings wenig Vertrauen. Widersinnig ists, wenn wir Freundschaft schließen mit dem, der Krieg führt gegen alle Knechte Christi miteinander, wenn wir die Hand als Freundeshand ergreifen, die von unschuldigem Blute trieft. Gewiss möchte ich nichts abgeschlossen sehen, ohne dass namentlich und ausdrücklich für die frommen Brüder Schonung verlangt wird. Denn eben wüten seine Statthalter mit unerhörter Grausamkeit überall gegen sie. Dazu kommt noch die Befürchtung eines Krieges gegen England. Das hielte ich nämlich für Sünde, wollten wir unsere Hilfe ihm bieten zur Bekämpfung eines Reiches, in dem man Christo dient. Und auch allein die Ungerechtigkeit des Vorwands ist schon ein Hindernis. Andrerseits wiederum, wenn ich bei mir überlege, wie schlimm unsere Verhältnisse liegen, welch weiteres Unheil uns noch droht, das geradezu eine vollständige Verwüstung der Kirche herbeiführen müsste, so fürchte ich, man könnte es mehr einer sträflichen Sicherheit als dem frommen Gottvertrauen zuschreiben, wenn wir Hilfskräfte außer acht lassen, die [wenn auch nicht erwünscht] doch erlaubt sind. Freilich ist mir das auch nicht verborgen, dass Gottes mächtige Hilfe uns dann am nächsten ist, wenn alle Menschenmacht versagt. Ich weiß auch wohl, dass nichts schwerer ist, als wenn irgendwo ein Schatten Ägyptens sich zeigt [Jes. 30, 2] nicht darauf die Augen zu richten, die doch immer zu ihrem eigenen Schaden in der Irre gehen, wenn sie sich nicht fest auf Gott allein richten. So ist denn dieser Gefahr mit Eifer entgegenzutreten. Dabei müssen wir uns aber doch in acht nehmen, dass wir nicht in unsern Nöten eine Hilfe abweisen, die wir annehmen könnten, ohne Gott zu beleidigen, und dann zu unserm Schaden erfahren müssen, dass wir allzu sicher waren. Das fürchte ich am meisten, dass unser Pharao, wenn er alle Hoffnung auf Freundschaft mit uns scheitern sieht, sich dem Antiochus wieder nähert. So schwerwiegend die Ursachen ihres Zwistes sein mögen, so ist doch dieser letztere ein wunderbarer Künstler im Aussinnen solcher Machinationen. Und die Leute, die heute an unserm Hofe das Regiment haben, wünschen nichts mehr, als den Sinn des jungen, unerfahrenen und wenig mutigen Königs zur Annahme des Friedens unter jeder Bedingung zu bewegen. Sicher wirft er sich, wenn er nicht [von uns] etwas erreicht, ihm bald ganz in die Arme, und es wird nicht an Leuten fehlen, die ihn dazu drängen. Wären nur bei uns keine, die sich und uns dem Antiochus verkauften, wenn sich dazu Gelegenheit böte! Was dieser dann aber unternähme [gegen uns], würde er nicht nur mit Zustimmung [des französischen Königs], sondern sogar mit seiner Hilfe tun können, weil dieser damit die erlittene Zurückweisung [seiner Freundschaft] rächen zu können meinte. Unterdessen würde dann in Frankreich selbst die grausamste Verfolgung überall entbrennen. Denn nach Weiberart würde er seine Wut anderswo auslassen. Wir müssen auch dieser Stadt [Genf] Rechnung tragen, und zwar nicht in letzter Linie. Wollte ich nur für mein Leben oder für meine eignen Verhältnisse Sorge tragen, so könnte ich gleich anderswohin gehen. Aber wenn ich erwäge, wie wichtig dieser Weltwinkel zur Ausbreitung des Reiches Christi ist, so bin ich wohl mit Recht darauf bedacht, ihn zu schützen. In gewissem Sinn steht auch Euer Nutzen und Eure Ruhe auf dem Spiel. Wo könnte den schlecht beratenen Mann die Verzweiflung nicht hintreiben, wenn er Euch entfremdet wird? Glaubst du etwa, es gäbe bei uns keine Leute, die teils aus Unruhe und Umsturzgedanken, teils aus Ehrgeiz ihm die Hand böten? Besonders aber, so oft ich an die armen Brüder denke, die unter dieser grausamen Tyrannei schmachten, wird mein Herz weich und neigt sich zu dem Vorgehen, das am ehesten zur Erleichterung ihres Loses etwas nützen kann. Es ist leicht zu sehen, gegen wen dann die Wut des Tyrannen sich wenden wird, wenn er sich verachtet und zurückgestoßen sieht, wie viel mehr Freiheit dann die Bösen bekommen werden, die Unschuldigen zu plagen. Kommt aber ein neues Bündnis zustande, so wird Pharao selbst für den Moment etwas milder gestimmt, und seine Henker werden weniger wagen, und ebenso wird in Zukunft die Möglichkeit offen gelassen, die Verfolgungsfeuer etwas zu dämpfen. Ich bitte und beschwöre dich also, lieber Bullinger, dies alles zu bedenken, solange es Zeit ist. Und wenn Eure Obrigkeit sich auf irgendwelche Verhandlung einlässt, so bestrebe dich und bewirke, dass sie auch an ihre Brüder in Frankreich denken, deren Lage so schwer und hart ist. Obwohl ich weiß, wie sehr dir ihr Wohl am Herzen liegt, und dass du bei jedem Anlass bereit bist, für sie zu sorgen, so wollte ich doch auch meine Pflicht nicht versäumen. Zwar ist die Verfolgungsleidenschaft so, dass sie sich jedenfalls kaum etwas Bestimmtes vorschreiben lassen wird. Aber ich hoffe doch, es sei zu erreichen, dass sie sich einige Mäßigung auferlegt.

Lebwohl, trefflicher Mann und hochverehrter Bruder im Herrn. Den Herren Theodor, Pellikan, Gwalther, Werdmüller und den anderen Kollegen viele Grüße. Auch meine Kollegen lassen grüßen, unter ihnen besonders des Gallars. Ich bitte den Herrn Jesus, er möge Euch leiten mit seinem Geist, Euch beistehen und Euer Wirken segnen. Für den Band Predigten, den mir Haller in deinem Namen schickte, danke ich dir herzlich.

7. Mai 1549.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (255)

Zur Anbahnung einer Einigung unter den Schweizer Theologen hatte ein Austausch von Thesen über das Abendmahl stattgefunden. Pfarrer Lecomte (Comes) in Grandson wurde von Calvin mehrfach der Briefunterschlagung beschuldigt. Der von Konstanz vertriebene Blaurer und Müslin (Musculus) von Ulm, beide z. Z. in Zürich, sollten nach Bern berufen werden.

Offene Aussprache mit Bullinger.

Drei Tage bevor dein zweiter Brief ankam, erhielt ich auch den ersten, den ich verloren glaubte. Denn als der Mann von Hoppers zweiter Schwester von Lecomte dessen Brief verlangte, sah er auch das andere Bündel und legte gleich die Hand darauf. Lecomte wagte nicht, es ihm zu entreißen, sei es aus Scham oder einem andern Grund. Deine Bemerkungen habe ich gelesen und daraus ersehen, was du an unserer Lehrart anders wünschst. Ich habe versucht, dir in Kürze genug zu tun, weil die Sache selbst ja keiner langen Auseinandersetzung bedarf. Was ich erreicht habe, wird mir deine Antwort zeigen. Nicht mit Unrecht möchte ich vor allem das bei dir durchsetzen, dass du keinen falschen Verdacht hegst. Denn in manchen Punkten, die sonst gar keine Schwierigkeit böten, sehe ich, dass du dich umsonst bemühst, bloß, weil du meist meine Ansichten anders wendest, als sie gemeint sind. Das ist die Folge deiner vorgefassten Meinung über mich, dass du mir Dinge andichtest, die mir nie in den Sinn kamen. Außerdem bist du so ganz darauf bedacht, deine Ansichten, sie mögen sein, wie sie wollen, bis aufs Äußerste festzuhalten, dass du mehr darauf schaust, ob etwas mit ihnen übereinstimmt, als ob es wahr ist. Wenn du Gefallen hast an der Einfachheit, – mir macht gewiss geziertes, umständliches Wesen auch kein Vergnügen. Wenn du ein freies Heraussagen der wahren Meinung liebst, – mir lag es nie im Sinn, was ich geschrieben habe, um Menschengunst willen zu ändern. Wenn manche Luther und anderen geschmeichelt haben, – ich gehörte nicht zu ihnen. Das weiß der liebe Müslin, dass, wo mutige Leute sich gefürchtet haben, ich stets meine Freiheit wahrte. Wenn bisher nicht grundloses Misstrauen im Wege gestanden hätte, so wäre schon längst nichts oder ganz wenig mehr zwischen uns strittig. Freilich bin ich manchmal anderer Meinung als Ihr, aber so, dass mein Herz Euch dadurch durchaus nicht entfremdet wird, wie ich auch mit Butzer so Freundschaft halte, dass ich in aller Freiheit manchmal anders denke als er. Jedenfalls ist das Wort in deinem Briefe zu hart, es werde alles gut werden, sobald Ihr einmal merket, dass man Euch nicht mehr für Feinde halte. Wie du zu dieser Vermutung kommst, weiß ich nicht. Das aber weiß ich, dass ich von Euch nur freundschaftlich denke und rede. Das ist auch den meisten bekannt, die mich haben reden hören. Es ist ja möglich, dass ich in meinen Privatbriefen an Freunde etwa einmal etwas getadelt habe, oder wenn sie etwas tadelten, ihrem Tadel das Recht nicht absprach. Doch stets war auch ein Lob dabei, das der Sache die Schärfe nahm und Zeugnis ablegte für meine wahre Gesinnung. Mögen andere urteilen, wie sie wollen, mich reut meine Ehrlichkeit niemals.

Wenn der Herr Blaurer das ihm angetragene Amt übernimmt und Müslin als Professor der Theologie berufen wird, so kann ich nicht nur der Berner Kirche Glück wünschen, sondern so hoffe ich auch, es werde ein Band zu engerer Verbindung unter uns sein. Wenn es dir passt, so möchte ich dich bitten, mir von Euren Verhältnissen Bericht zu geben. Meine Kommentare zu den fünf Paulusbriefen hättest du längst erhalten, hätte ich nicht geglaubt, sie seien bei Euch im Handel zu haben. Weil aber nur selten Boten von hier nach Zürich gehen, so fürchtete ich, die Frachtkosten kämen für dich höher als der Kaufpreis. Ich sende nun den zum zweiten Korintherbrief und die vier folgenden. Zu Titus und den beiden Thessalonicherbriefen habe ich nichts herausgegeben. Ich schicke auch meine Antwort [aufs Interim], die Brenz sehr gefällt, was ich dir nicht anführe, um mich zu rühmen, sondern nur, damit du daraus den Schluss ziehen kannst, wie viel gemäßigter er jetzt in der Sakramentslehre ist als früher. Lebwohl, hochberühmter Mann und liebster Bruder im Herrn. Der Herr Jesus leite stets dich und deine Kollegen, die ich dich alle von mir angelegentlich zu grüßen bitte. Meine Kollegen lassen dich ihrerseits grüßen, und einer von ihnen, des Gallars, überreicht dir ein kürzlich von ihm verfasstes Büchlein. Herrn Müslin und den andern frommen Brüdern viele Grüße.

Genf, 21. Januar 1549.
Dein
Johannes Calvin.

Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (234)

 

Bullinger hatte dem Sohn des frühern Zürcher Bürgermeisters Röyst, der in Genf einen Lehrherrn suchte, einen Empfehlungsbrief an Calvin mitgegeben, schon vor dessen Reise nach Zürich. In Bern waren jetzt als Pfarrer Jodocus Kilchmeyer, Hans Haller und Eberhard Rumlang.

 

Über die Sakramente. Beschwerde über die Berner Pfarrer. Bedrängnis der Kirche von innen und außen.

 

Dein Brief wurde mir erst acht Tage nach meiner Heimkehr übergeben, und zwar brachte ihn nicht Röyst selbst, sondern Roset. Da er ohne unsere Hilfe einen Meister gefunden hat, lag ihm wohl weniger daran, die Empfehlungsbriefe abzugeben. Doch haben wir ihm beide unsere Dienste bereitwillig angetragen. Was nun dein Büchlein angeht, dessen du Erwähnung tust, mein lieber Bullinger, – ach wäre es doch, als wir in Zürich waren, dir und deinen Kollegen nicht zuwider gewesen, mit uns ruhig über die ganze Sakramentsfrage zu reden! Ich war ja durchaus nicht gekommen in der Stimmung zu einer theatralischen Disputation, die mir nicht weniger als Euch missfiele, von Farel ganz zu schweigen, dessen Abneigung gegen alles derartige Gepränge Ihr ja wohl selbst kennt. Sondern wir wünschten, vertraulich, ohne alle Streitsucht, das mit Euch zu besprechen, worüber wir nicht ganz einig sind. Das wäre gewiss das beste Vorgehen unter Brüdern und wenn ich mich nicht sehr täusche, hätten wir es als fruchtbringend erfahren dürfen.

 

Denn im Allgemeinen ist unsere Sakramentslehre so, dass wir weder die Gnade Gottes an die Sakramente binden, noch auf sie die Wirksamkeit und Kraft des heiligen Geistes übertragen, noch unsere Heilszuversicht auf sie setzen. Denn wir bekennen ausdrücklich, dass Gott allein es ist, der durch die Sakramente handelt, und lassen ihre gesamte Wirksamkeit dem heiligen Geist zukommen und bezeugen, dass dieses Wirken nur an den Erwählten sichtbar ist. Auch lehren wir: nicht anders nützen die Sakramente etwas, als wenn sie uns zu Christo hinleiten, so dass wir in ihm alle Heilsgüter suchen. Ich sehe wirklich nicht, was Ihr mit Recht noch mehr von dieser Lehre verlangen könnt, die aussagt, von Christo allein sei das Heil zu erlangen, die Gott allein zum Urheber des Heils macht und erklärt, dass es allein durch ein geheimes Wirken des Geistes erfasst werden könne. Aber, wendet Ihr ein, wir lehren, die Sakramente seien Werkzeuge der Gnade Gottes. Allerdings, sagen wir, da sie zu bestimmtem Zweck gestiftet sind, so darf doch wohl ihr richtiger Gebrauch nicht wirkungslos sein. So sagen wir, was darin dargestellt wird, wird für die Erwählten auch gewirkt, damit man nicht glaube, Gott spiegle dem Auge ein trügerisches Schauspiel vor. So sagen wir, wer die Taufe in wahrem Glauben empfängt, bekommt von ihr auch Vergebung der Sünden. Doch fügen wir gleich zur Erkältung bei, diese Vergebung stamme von Christi Blut, damit niemand in der Taufe den Grund seiner Seligkeit sehe. So wird sie auch nicht anders durch die Taufe gewirkt, als dass diese ein Zeugnis ist für die Reinigung, die Gottes Sohn durch sein am Kreuz vergossenes Blut uns hat zu teil werden lassen, und die er uns im Glauben an sein Evangelium zum Genuss anbietet und durch seinen Geist an unserm Herzen vollzieht. Ebenso denken wir von der Erneuerung des Lebens. Im Abendmahl, wenn uns da die Zeichen des Fleisches und Blutes Christi dargereicht werden, so werden sie uns, sagen wir, nicht umsonst angeboten, ohne dass auch die Sache selbst für uns bestünde. Daraus folgt, dass wir Christi Leib essen und sein Blut trinken. Mit diesen Worten machen wir aber weder aus dem Zeichen die Sache selbst, noch vermengen wir beides zu einem, noch sehen wir im Brot Christi Leib, noch bilden wir uns ein, dieser Leib sei überall vorhanden, noch faseln wir von einem fleischlichen Übergehen Christi in uns, noch stellen wir irgendeine andere derartige Erfindung auf. Ihr sagt, Christus sei im Himmel nach seiner menschlichen Natur. Das bekennen auch wir. Im Himmel, das bedeutet für Euch eine Entfernung im Raum. Auch das nehmen wir gerne an: Christus ist durch einen weiten Raum von uns getrennt. Ihr sagt, der Leib Christi sei nicht allgegenwärtig, sondern in einem bestimmten räumlichen Umkreis enthalten. Wir stimmen Euch bei, ja wahrhaftig bezeugen wir auch das öffentlich. Ihr sagt, man dürfe Zeichen und Sache nicht vermischen. Wir mahnen, man müsse eifrig eines vom andern auseinander halten. Ihr verurteilt die Brotwerdung scharf. Wir unterschreiben auch das. Was ist also der Hauptpunkt unserer Ansicht? Während wir hier auf Erden Brot und Wein sehen, steigt unser Geist gen Himmel und genießt Christum. Und so ist Christus uns gegenwärtig, wenn wir ihn über den Dingen dieser Welt suchen. Wir dürfen nicht Christum des Betrugs beschuldigen; und das geschähe, wenn wir nicht spürten, dass uns mit dem Zeichen etwas Wirkliches zuteil würde. Auch Ihr gebt ja zu, es sei durchaus kein leeres Zeichen. Es erübrigt nur noch, festzustellen, was sein Inhalt ist. Wenn wir in Kürze antworten: wir werden teilhaft des Fleisches und Blutes Christi, so dass er in uns wohnt und wir in ihm, und so genießen wir alle seine Heilsgüter, – was ist da, ich bitte dich, in diesen Worten unsinnig oder dunkel? Besonders da wir in deutlichen Worten allen Wahn ausschließen, der einem in den Sinn kommen könnte. Und doch tadelt man uns, als ob wir von der einfachen, rein evangelischen Lehre abgewichen wären. Ich möchte doch wissen, was die einfache Lehre ist, zu der man uns zurückbringen müsste. Als ich neulich bei Euch war, drängte ich Euch, es mir zu sagen; du wirst dich, denke ich, erinnern, dass ich keine Antwort erhielt. Ich sage das nicht, um Vorwürfe zu machen, sondern um zu bezeugen, dass wir ohne Grund einigen guten Leuten verdächtig sind. Ja ich habe auch gemerkt, dass man uns die Gemeinschaft, die wir mit Butzer halten, zur Last legt. Aber ich bitte dich, lieber Bullinger, mit welchem Recht sollten wir uns von Butzer fernhalten, wenn er unser Bekenntnis, so wie ich es vorhin aufstellte, unterschreibt. Ich will jetzt nicht die seltenen und vielen Tugenden preisen, durch die Butzer sich auszeichnet. Nur soviel will ich sagen: ich täte der Kirche Gottes schweres Unrecht, wollte ich ihn hassen oder verachten; ganz zu schweigen von seinem Verdienst um mich persönlich. Aber doch liebe und verehre ich ihn so, dass ich ihn, so oft ich es für nötig hielt, freimütig mahnte. Wie viel gerechter ist doch seine Klage über Euch zu erachten! Denn er hat sich einmal beklagt, dass Ihr den jungen Zürchern, die in Straßburg lebten, verboten hättet, in der dortigen Kirche zum heiligen Abendmahl zu gehen, obwohl man von ihnen kein anderes Bekenntnis als das Eure verlangte. Ich sehe wahrhaftig dabei nicht ein, warum man die Kirchen so auseinander reißt. Was gibt’s denn für einen Grund, dass fromme Leute uns zürnen könnten, wenn wir Freundschaft halten mit einem Mann, der versichert, es liege durchaus nicht an ihm, dass er nicht auch Euer Freund und Bruder sei? Aber da das der Punkt ist, um den sich alles dreht, so zeigt mir doch, wenn Ihr könnt, dass mich Butzer notwendig daran hindere, frei meine Meinung zu bekennen. Es scheint vielleicht so, aber ich rufe die Wirklichkeit selbst zum Zeugen auf. Wir wollen deshalb doch nicht so argwöhnisch sein, wo es nicht am Platz ist!

 

Übrigens, als ich nach Lausanne kam, riet ich den Brüdern, sie sollten sobald als möglich zu Haller senden, denn ich hoffe, bei ihm werde man alles erreichen, was billig sei. Und zwar hat Haller jetzt auch die Hoffnung, die ich ihnen von ihm machte, nicht getäuscht; aber Jodocus und ein gewisser Eberhard (ich weiß nicht, was das für ein ungeschlachter Geselle ist!) haben die Gesandten so grob angefahren, dass sie sich gleich wieder davon machen mussten. Der Grund solchen Zorns war meine Reise nach Zürich gewesen. Als ob es mir nicht erlaubt wäre, mich von der Gefahr unsrer Nachbarkirche bewegen zu lassen und bei Brüdern nach einer richtigen Abhilfe zu fragen. –

 

Jodocus sagte drohend, er wisse wohl, was ich bei Euch getan habe. Aber ich darf mich wohl rühmen, nichts getan zu haben, was meines Glaubens nicht würdig wäre. Doch was soll ich Euch das freche Geschimpf der beiden alles berichten! So hört nur die Hauptsache: die beiden hingesandten Brüder, gelehrte, ernste und beherzte Leute, waren so erschrocken darüber, dass sie glaubten, gleich abreisen zu müssen. Das ist schöne, brüderliche Milde! Ein paar Worte, aus denen du Anfang und Schluss ersehen kannst, lohnen doch die Mühe des Berichts. Beim ersten Zusammentreffen statt eines Grußes: „Wer hat diese bösen Geschichten begonnen?“ Sie antworteten, sie wüssten, es sei von Zebedee ausgegangen. Da rief Eberhard: „Ja, der gute Mann wird von Euch schmählich verlästert, weil er Eure Ränke aufgedeckt hat!“ Die Brüder baten, er möge ihnen sagen, was er mit diesen Ränken meine. Drauf er: „Wir haben die Berner Disputation, nach der wir Euch und Eure Sachen beurteilen!“ Ich beschwöre dich, lieber Bullinger, wenn man so handeln will, was hats uns dann genützt, dass wir des Papstes Joch abwarfen? Vernimm auch, wie geschickt Jodocus fragte. Wer mich nach Lausanne gerufen, dort zu predigen? Schließlich, damit der Schluss dem Anfang entspreche, hießen sie die Brüder heimgehen und sich davonmachen mit ihrem Calvinismus und Butzeranismus! Und das alles wütend grob und mit verrücktem Geschrei! Was könnte man von Papisten Härteres, Grimmigeres erwarten? Wenn wir solche maßlose Raserei einfach geduldig hinnehmen, so wird doch Gott sie nicht ungestraft lassen. – In Paris und in vielen Gebieten Frankreichs ist die Wut der Gottlosen von neuem entbrannt. Der König fährt in seinem Wüten fort. So erfüllt sich das Wort: Außen Krieg, innen Furcht. Freilich will uns Jodocus nicht bloß Furcht machen, sondern erklärt uns auch offenen Krieg. Uns sollte doch schon unsere geringe Zahl zur Vereinigung antreiben. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder, samt deinen Kollegen, die ich alle angelegentlich grüßen lasse. Auch deiner Frau und deinem ganzen Haus viele Grüße. Der Herr Jesus behüte und leite Euch alle. Amen. Von der Lage der Konstanzer wird nichts Gutes gemeldet. Der Herr erbarme sich ihrer und reiße sie aus den Klauen des Löwen.

 

Genf, 26. Juni 1548.
Dein
Johannes Calvin.

 

Diesen Brief verhehle lieber bei Euch, wenns dir gut scheint, damit er nicht zu Bern noch einen größern Brand entzünde. Denn es ist wunderbar, wie wenig manche Leute bei sich behalten können.