Luther an Scheurl

11.9.1517

Meinem herzlichgeehrten Herrn Christoph Scheurl.

Jhesus!

Meinen Gruß! Ob ich gleich, mein bester Christoph, keine würdige Veranlassung hatte, an Euch, einen so theuren, würdigen Mann, zu schreiben: so glaube ich doch, daß schon diese hinlänglich genug wäre, an Euch (lasset mich indeß die lange Liste Eurer Ehrentitel, die Euch alle nach Verdiensten zieren, auf die Seite setzen) an einen so warmen, aufrichtigen, uneigennützigen Freund, und was das meiste ist, den ich nur erst auffand und erwarb, schreiben zu können. Wenn dabey jemals ein Stillschweigen gerüget zu werden verdiente, so würd‘ es gewis das Stillschweigen in diesem Falle verdienen, da selbst einige wenige, scherzhafte Zeilen – um wie viel mehr ein ernsthafter Briefwechsel – die Freundschaft unterhält, ich will nicht sagen, fester knüpfet. Selbst der heilige Hieronymus drang in seinen Freund, daß er wenigstens dieses schreibe, er wüßte nichts zu schreiben. Daher nahm auch ich mir vor, lieber zu dahlen, als gegen meinen Freund zu verstummen. Doch lieber Gott! wie oft schreibt wol dieser Bruder Martin, den man fälschlich einen Gottesgelehrten nennet, ohne daß er dahle! der bey dem Geräusche und Gemengsel von Syllogismen so wenig seine Schreibart bessert, daß vielmehr jener angewohnte, weitläuftige Stil des Bisgen Gelehrsamkeit und Beredsamkeit, so er etwa geschmecket, in heischeres, kindisches Lallen verwandelt.

Doch diese Vorrede ist lange genung, über genung; sonst mögt‘ es das Ansehen gewinnen, ich wolle ein ganzes Buch, nicht einen Brief schreiben, das heißt, der Narrendeutungen noch mehr treiben, und doppelt albern seyn, da es für einen Theologen schon allzu viel ist, ein einfacher Geck zu seyn.

Nun denn, der Hauptbeweggrund zu diesen Schreiben war, Euch einen Beweis zu geben, was für eine große Meinung ich von Euch und Eurer Rechtschaffenheit habe; nicht um Euch herauszufordern, gleiche Gesinnungen gegen mich zu hegen, dessen ich mich ohne dieß bey Euch versahe: sondern nur daß Ihr überzeut seyn mögtet, Ihr könntet Euch von meiner Person eben so viel als von Euch selbst versprechen.

Eben fällt mir bey, daß Ihr mir die Schriften unsers Paters Generalvikarius, beyläufig um zwey Dukaten, durch Ulrichen, diesen Pindar, überschicktet. Ich habe sie zum Theil verkauft, zum Theil unter gute Freunde dieses verehrungswürdigen Mannes vertheilet. Das Geld, das ich aus den verkauften Exemplaren lösete, gab ich, nach Eurem Befehl, den Armen, das ist, mir selbst und meinen Mitbrüdern. Denn ich kenne auf Gottes lieben Erdboden keinen Aermern, als mich selbst. Uebrigens bitt ich, daß mir, auf Eure Anstalt, eben dieser Schriften um einen Gülden geschicket werden mögten; es soll Euch, so bald ich sie an Mann gebracht habe, teulich übermachet werden. Es sind noch viele, die sie zu haben wünschen. Ich schicke Euch zugleich meine so sonderbaren Positionen, die manchen ganz widersinnig lauten. Ihr könnet sie unserm gelehrten tiefsinnigen Ecke weisen, damit ich vernehme, weß Namens er sie schelte.

Es grüßen Euch alle Euren auserwählten Freunde, aus welchen mir Herr Licentias Amsdorf und D. Hieronymus die theuresten sind; auch Peter, der Barbier, den Ihr eurer Freundschaft würdiget. Gehabt Euch wohl und betet für mich. Wittenberg den 11ten September. 1517.

Bruder
Martin Luther,
am Augustinerkloster zu Wittenberg.

Quelle: D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe.
Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt.
Erster Band.
Leipzig,
in Kommission bey Christian Friderich Wappler.
1784.