Luther, Martin – An Christoph Scheurl (20.2.1519)

Freund Eck, der bisher seine Tollheit wider mich fein verborgen und verstellt hat, ist nun damit öffentlich hervorgebrochen. Was ist das für ein Mensch. Aber Gott ist inmitten der Götter: er wird wissen. was er aus dieser Tragödie herzuführen gedenkt. Weder Eck noch ich werden hierin uns in etwas dienen. Gottes Rath scheint darin sein Werk zu haben. Ich habe oft gesagt, daß ich bisher nur gescherzt: nun aber wird es wider den römischen Papst und römischen Hochmuth Ernst werden.

20. Februar 1519.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Christoph Scheurl, vom 5ten März 1518

Dem Woledeln, hochgelahrten Herrn Christoph Scheurl, meinem in Christo achtbaren Freunde.

Jehsus!

Meinen Gruß! Ich habe von Euch, mein bester hochgelahrter Christoph zween Briefe, einen lateinischen und einen deutschen sammt dem Geschenke von Albrecht Dürer, diesem vortreflichen Manne, und meine lateinischen und deutschen Positionen empfahen. Es nahm Euch Wunder, daß ich sie den Eurigen nicht mitgetheilt habe. Allein es war nicht meine Absicht noch Wunsch, daß sie allgemein verbreitet werden sollen. Ich dachte nur sie mit einigen wenigen Gelehrten hier, und in der Nähe herum zu prüfen, um sie, würden sie nach deren Aussprache verworfen, zu unterdrücken, oder sie öffentlich durch den Druck bekannt zu machen, wenn sie sie gutheißen. Nun aber werden sie, was ich nie geglaubt hätte, allenthalben aufgeleget und übersetzet, daß es mich dieser Geburt gereuet; nicht als wär ich nicht geneigt, die Wahrheit männiglich bekannt zu machen, da ich doch nichts so sehnlich wünschte als dieses, sondern weil diese Art das Volk zu unterrichten nichts tauget. Denn ich stehe selbst noch in einigen Punkten an, andere würd ich genauer bestimmet, andere ganz weggelassen haben, wenn ich dieses voraus gesehen hätte. Obgleich ich aus dieser so schnellen Verbreitung leicht abnahm, was der größeste Theil der Nation von dieser Art Ablaße halte, ob er es gleich zurückhält, aus Furcht vor den Juden; so seh ich mich doch genöthiget, die Beweise meiner Sätze bereit zu halten, obschon ich sie noch nicht herausgeben konnte, weil der Hochwürdige und gnädige Bischof von Brandenburg, den ich hierüber zu Rath zog, durch viele Geschäfte verhindert, mich so lange aufzeucht. Ja wenn mir der Herr Muße giebt, so bin ich Willens, ein Büchlein über die Kraft des Ablasses ausgehen zu lassen, um jene berichtigten Sätze zu unterdrücken. Ich zweifle nun keines Weges mehr, daß das Volk getäuschet werde, nicht durch die Abläße, sondern durch deren Gebrauch. So bald ich diese Sätze werde vollendet haben, so will ich sie Euch zusenden.

Indeß bitt ich Euch, empfehlet mich Albrechten Dürer, diesem braven Manne, und versichert ihn meines stets dankbaren Herzens. Aber dieses forder ich von Euch und ihm, daß ihr beide eure übertriebene Meinung von mir ableget, und nicht mehr von mir verlanget, als ich zu leisten im Stande bin: ich vermag aber und bin so gar nichts, und werde tagtäglich nichtiger. Ich schrieb neulich an D. Joh. Eck und euch allen Briefe; allein ich sehe nicht, daß ihr sie erhalten habet. Mich verlangt es sehr, daß jene Schrift unsers wohlehrwürdigen Pater Vikarius, von der Liebe, die erst neulich erschien, und zu München so viel Aufhebens machte, bey euch noch einmal aufgeleget würde. Denn uns hungert und dürstet darnach ungemein. Hiermit Gott empfohlen. Wittenberg den 5ten März 1518.

Bruder
Martin Luther.

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.

Luther an Scheurl

11.9.1517

Meinem herzlichgeehrten Herrn Christoph Scheurl.

Jhesus!

Meinen Gruß! Ob ich gleich, mein bester Christoph, keine würdige Veranlassung hatte, an Euch, einen so theuren, würdigen Mann, zu schreiben: so glaube ich doch, daß schon diese hinlänglich genug wäre, an Euch (lasset mich indeß die lange Liste Eurer Ehrentitel, die Euch alle nach Verdiensten zieren, auf die Seite setzen) an einen so warmen, aufrichtigen, uneigennützigen Freund, und was das meiste ist, den ich nur erst auffand und erwarb, schreiben zu können. Wenn dabey jemals ein Stillschweigen gerüget zu werden verdiente, so würd‘ es gewis das Stillschweigen in diesem Falle verdienen, da selbst einige wenige, scherzhafte Zeilen – um wie viel mehr ein ernsthafter Briefwechsel – die Freundschaft unterhält, ich will nicht sagen, fester knüpfet. Selbst der heilige Hieronymus drang in seinen Freund, daß er wenigstens dieses schreibe, er wüßte nichts zu schreiben. Daher nahm auch ich mir vor, lieber zu dahlen, als gegen meinen Freund zu verstummen. Doch lieber Gott! wie oft schreibt wol dieser Bruder Martin, den man fälschlich einen Gottesgelehrten nennet, ohne daß er dahle! der bey dem Geräusche und Gemengsel von Syllogismen so wenig seine Schreibart bessert, daß vielmehr jener angewohnte, weitläuftige Stil des Bisgen Gelehrsamkeit und Beredsamkeit, so er etwa geschmecket, in heischeres, kindisches Lallen verwandelt.

Doch diese Vorrede ist lange genung, über genung; sonst mögt‘ es das Ansehen gewinnen, ich wolle ein ganzes Buch, nicht einen Brief schreiben, das heißt, der Narrendeutungen noch mehr treiben, und doppelt albern seyn, da es für einen Theologen schon allzu viel ist, ein einfacher Geck zu seyn.

Nun denn, der Hauptbeweggrund zu diesen Schreiben war, Euch einen Beweis zu geben, was für eine große Meinung ich von Euch und Eurer Rechtschaffenheit habe; nicht um Euch herauszufordern, gleiche Gesinnungen gegen mich zu hegen, dessen ich mich ohne dieß bey Euch versahe: sondern nur daß Ihr überzeut seyn mögtet, Ihr könntet Euch von meiner Person eben so viel als von Euch selbst versprechen.

Eben fällt mir bey, daß Ihr mir die Schriften unsers Paters Generalvikarius, beyläufig um zwey Dukaten, durch Ulrichen, diesen Pindar, überschicktet. Ich habe sie zum Theil verkauft, zum Theil unter gute Freunde dieses verehrungswürdigen Mannes vertheilet. Das Geld, das ich aus den verkauften Exemplaren lösete, gab ich, nach Eurem Befehl, den Armen, das ist, mir selbst und meinen Mitbrüdern. Denn ich kenne auf Gottes lieben Erdboden keinen Aermern, als mich selbst. Uebrigens bitt ich, daß mir, auf Eure Anstalt, eben dieser Schriften um einen Gülden geschicket werden mögten; es soll Euch, so bald ich sie an Mann gebracht habe, teulich übermachet werden. Es sind noch viele, die sie zu haben wünschen. Ich schicke Euch zugleich meine so sonderbaren Positionen, die manchen ganz widersinnig lauten. Ihr könnet sie unserm gelehrten tiefsinnigen Ecke weisen, damit ich vernehme, weß Namens er sie schelte.

Es grüßen Euch alle Euren auserwählten Freunde, aus welchen mir Herr Licentias Amsdorf und D. Hieronymus die theuresten sind; auch Peter, der Barbier, den Ihr eurer Freundschaft würdiget. Gehabt Euch wohl und betet für mich. Wittenberg den 11ten September. 1517.

Bruder
Martin Luther,
am Augustinerkloster zu Wittenberg.

Quelle: D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe.
Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt.
Erster Band.
Leipzig,
in Kommission bey Christian Friderich Wappler.
1784.

Luther an Scheurl

6.5.1517

An Herrn Christoph Scheurl seinem im Herrn getreuen Freund.

Meinen Gruß! Vor allem andern dank ich Euch, bester Mann, für das Geschenk, die Staupitzischen Schriften; zugleich aber muß ich mich recht schämen, daß dieser sehr ehrwürdige Pater auch meine Kleinigkeiten unter euch ausbreitete. Wahrlich ich habe sie nicht für euch Nürnberger, diesen feinen, aufgeklärten Geistern, sondern nur, wie Ihr wisset, für unsere rohe Sachsen geschrieben, denen man ächten christlichen Unterricht, bei aller Weitläuftigkeit, nicht genung zergliedern und vorkäuen kann. Böt ich auch allen meinen Kräften auf, ich würde doch nie etwas leisten können, das Männern, die mit der römischen Litteratur bekannt sind, nur einiger Maaßen erträglich wäre; um wie viel weniger den eurigen, zumal ich mir eigens vornahm, mich in den so engen Faßungskreis unsers Pöbels einzuschränken. Ich bitte Euch also recht sehr, schaffet, so viel Ihr könnet, meine Sätze aus den Augen der Gelehrten. Uebrigens aber gab ich mir alle Mühe, unserm Ecke, Eurer Ermahnung gemäß, einen recht freundschaftlichen Brief, mit aller Behutsamkeit zu schreiben. Noch weis ich nicht, ob er ihn erhalten habe. Diese Dätze, oder wie man sie nennet, Positionen, schick ich Euch, und durch Euch dem Pater Magister Wenzel, und allen denen, die an dergleichen Tändeleien ein Wohlgefallen haben. Wenn ich mich nicht trüge, so sind es nicht eines Cicero, sondern unsers Karlstads Paradoxen, oder viel mehr des heiligen Augustins, die so viel erhabner und würdiger sind, als jene ciceronianischen, je mehr Augustin oder viel mehr Christus über cicero erhaben ist. Diese Sätze sind ein stetter Vorwurf der Verwahrlosung und Ignoranz derer, die sie lieber für paradoxwe (höchst seltsame, auffallende) als orthodoxe (der reinen Lehre der allgemeinen Kirche gemäß) halten; geschweige derer, die unverschämt genung sind, sie gar als heterodox (Irrsale) zu verläumden, die weder Paulus noch Augustin lesen, oder wenigstens ohne Verstand lesen, und sich und andere verwahrlosen. Bescheidenen Männern, die sie nicht ganz durchsehen, mögen ist immer wunderbar vorkommen; einsichtsvollen werden sie sich im wahren, schönsten Lichte zeigen; ich sehe sie als Grundwahrheiten in ihrem Urlichte. Gepriesen sey der Herr Gott, der aus den Finsternissen Licht hervor zu leuchten gebeut!

Ich muthmaße,, daß unser Pater Vikarius nicht bey euch seyn müße. Wir hoffen, er werde zu uns kommen. D. Christian Reuter schied aus diesem zeitlichen Leben. Gott gebe ihm das ewige! Amen.

Einen Gruß von Amsdorf und dem ganzen Häuflein Freunde. Auch grüßen wir durch Euch alle, die es verdienen. LEbet wohl. Wittenberg den 6ten May 1517.

Bruder
Martin Luther.
Augustiner.

Quelle: D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe.
Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt.
Erster Band.
Leipzig,
in Kommission bey Christian Friderich Wappler.
1784.

Luther, Martin – An Christoph Scheurl, Rechtsgelehrten zu Nürnberg.

Wittenberg, den 27. Jan. 1517

Heil! Ich habe deinen Brief empfangen, hochgelehrter und werthester Christoph, der mir sehr angenehm, aber auch sehr betrübend war. Warum bist du traurig? Was hättest du mir Lieberes schreiben können, als was du geschrieben, da du den ehrwürdigen Vater, ja Christum in seinem Werkzeug, nehmlich unsern Vicarius, mit so würdigem Lobe erhoben hast! Denn man kann mir nichts Angenehmeres erzählen, als daß die Stimme Christi gepriesen, gehört und angenommen, ja darnach gelebt, dieselbe empfunden und verstanden werde. Wiederum, was konntest du Bittereres schreiben, als da du meine Freundschaft suchtest, und mich mit so eiteln Titeln ehrtest? Ich will nicht, daß du mein Freund werdest: denn meine Freundschaft wird dir nicht zur Ehre, sondern zur Gefahr ausschlagen, wenn anders das Sprüchwort wahr ist: „Freunde haben Alles gemein.“ Wenn nun, was mein ist, durch Freundschaft das deinige wird, so wirst du nichts zum Besten haben, als Sünde, Thorheit und Schande. Denn das sind meine Sachen, die du doch an mir mit andern Namen (wie gesagt) geehrt hast. Doch ich weiß, daß du christlich gesinnt bist, und sagen wirst: ich bewundere nicht dich, sondern Christum in dir. Hierauf sage ich: wie kann Christus meine Gerechtigkeit sein in Sünden und Thorheit? Ja dieß ist eben die höchste Vermessenheit, sich einzubilden, daß man Christi Wohnung sei, und kann man solches Rühmen auch kaum dem apostolischen Stande gestatten. Ich preise dich also zwar glücklich, daß du in dieses Mannes, unseres Vaters, Freundschaft und Vertraulichkeit stehst: aber schone deine Ehre, daß du nicht zu meiner Freundschaft entartest, obwohl auch eben jener ehrwürdige Vater nicht ohne meine Furcht und Gefahr mich allenthalben rühmt und sagt: ich preise Christum in dir und ich muß es glauben. Es ist aber ein harter Glaube. Denn es ist dieses Leben so jämmerlich und elend, daß, je mehr man dergleichen Lobredner und Freunde hat, desto mehr sie schaden, wie geschrieben steht: „des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein,“ und abermal: „die mich lobten verschworen sich gegen mich“, und: „meine Freunde und Verwandten haben sich wieder mich aufgemacht und sind gegen mich gestanden.“ Denn je mehr Menschengunst zu uns nahet, desto mehr Gottesgunst weicht von uns. Denn Gott will entweder der alleinige oder kein Freund sein. Zu diesem Uebel kommt auch vollends dieß, daß, wenn man sich demüthigt, und Lob und Gunst verweigert, desto mehr einem Lob und Gunst (das ist Gefahr und Verderben) folgt. O viel heilsamer ist demnach Haß und Schmach als Aller Lob und Liebe: weil der Haß blos einfache Gefahr, die Liebe aber zweifache ist. Nichts gleicht mehr einem liebenden, ja rasenden Weibe, welches das Versagte desto wüthender begehrt, als solch zeitlich Lob und Ehre. Von solchem ehebrecherischen schlimmen Weibe, siehe, schreckt mich Salomo so ernstlich ab Spr. 7 und anderwärts, da er sie als eine Fremde, Auswärtige und Verführerin der Jugend beschreibt.Ich schreibe das nicht, lieber Christoph, daß ich dein aufrichtiges und wohlwollendes Herz verachten wollte, sondern weil ich auch für mein Gemüth zu besorgen habe. Du thust, was einem frommen und christlichen Menschen zusteht, der niemand, als sich selbst verachten soll: ich muß mich aber auch bestreben, daß ich ein Christ wie du sei (wenn die Freundschaft nachhaltig sein soll) das ist, daß ich ein Verächter meiner selbst sei. Denn das ist kein Christ, der die Menschen wegen ihrer Gelehrsamkeit, Tugend, Heiligkeit und ihres Rufes achtet (denn das thun auch Heiden und die schwatzhaften Dichter, wie sie auch in unserer Zeit ihre Namen nennen), sondern der einen dürftigen, armen, thörichten und elenden Sünder liebt; wie auch der Psalm sagt: „wohl dem, der Einsicht hat,“ nicht über den Gelehrten, Gebildeten, Heiligen, Geförderten, sondern über den Armen und Dürftigen. Endlich bekennt Christus, daß ihm das geschehen sei, was einem seiner geringsten Brüder geschehen sei, da er hätte sagen können: seinen größten und höchsten. Denn was hoch ist bei den Menschen, ist bei Gott ein Gräuel. Zu solchem Gräuel nun bitte ich um Christi unsers Herrn willen mich nicht zwingen und nöthigen zu wollen, wenn du mein Freund sein willst. Das wirst du aber sehr leicht thun, wenn du mich weder ins Angesicht, noch vor Andern irgendwie lobst. Wenn du aber je meinst, daß Christus in mir zu loben sei, so nenne auch dabei seinen Namen und nicht meinen: weil Christi Sache durch meinen Namen befleckt, ja verkürzt und benachtheiligt wird. Wenn Jemand von Sachen redet, als mit den eigenen Namen derselben, warum preisen wir denn Christi Sachen ohne Christi Namen? Siehe, wie dein Freund so wortreich ist: lies es mit Geduld. Lebe wohl in Christo.

Aus der Clause zu Wittenberg.Br. M. Luther,
Eremit des Ordens St. Augustins.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862