Zwingli, Huldrych – An Myconius.

Zürich, im J. 1520.

Es ängstigt dich, theuerster Myconius, die Erwartung Excommunikation Zeiten, wo Alles auf und nieder sich bewegt, alles sich vermengt, so daß niemand die ursprüngliche Gestalt erkennen kann; ist doch alles so verkehrt und verworren, daß ein Kopf nichts hervorbringen kann, von dem nicht das Gegentheil oder ein ihm Gegenüberstehendes hervorträte: daher jedem scharfsinnigeren Geist mit der entstehenden Hoffnung auch zu ihr sich gesellende Furcht vor Augen schwebt. Längst hegten Alle, die den Glanz der Humanität lieben, die Hoffnung, es würden jene Jahrhunderte wiederkehren, nehmlich die gelehrten, da man nur nicht glauben darf, daß alle insgemein gelehrt gewesen seien; allein diese Hoffnung zerstörte wieder die hartnäckige Unwissenheit um nicht zu sagen, Unverschämtheit Einiger, die lieber Alles dulden will, bevor sie etwas Gelehrtes und Geschmackvolles gestattet, damit nicht, versteht sich, die Merkmale solcher Unwissenheit aus Tageslicht kommen. Diese unterstützt der jeder seinen Bildung stets feindliche Krieg. Ebenso hegte man nicht geringe Hoffnung, Christus und sein Evangelium würden wieder aufkommen, da nicht wenige wackere und gelehrte Männer mit Segeln und Rudern (wie man sagt) dahin strebten, die Saat zur Reife und Frucht zu bringen. Aber es entkräftet dieselbe der Anblick des Unkrauts, welches der Feind darüber säete, da man schlief und sich nicht versah; und da es bereits tiefer gewurzelt, ist zu fürchten, es möchte auch die Wurzeln des Waizens erfaßt haben, so daß nun dieser nicht ohne Gefahr von ihm gereinigt werden kann. Wie wird nun hier zu helfen sein? fragst du. Höre Christum, der da spricht: lasset beides wachsen bis zur Zeit der Ernte, und. zur Zeit rc. So muß, mein vorsichtiger Myconius, das Gold durch das Feuer geläutert, so das Silber von der Erde gereinigt werden; so sprach Christus zu den Aposteln: „in der Welt habt ihr Angst;“ und abermals: „ihr werdet von allen Menschen gehasset werden um meines Namens willen,“ und „es kommt die Stunde, da jeder, der euch tödtet, meint, er thue Gott einen Dienst.“ Obwohl die Kinder Israel einst das gelobte Land bewohnten, fehlte es bei ihnen doch nie an Philistern, die sie übten, die sie zum Bilderdienste und zur Uebertretung der Gebote Gottes reizten, die sie aus Israeliten zu Heiden machten. So wird es auch uns nie an solchen fehlen (ich spreche als Christ), welche Christum in uns verfolgen, wenn sie sich auch noch so übermüthig des Namens Christi rühmen mögen. Denn nur der ist ein Christ, welcher jenes Merkmal hat, womit Christus die Seinen bezeichnete, da er sagte: Darum wird man als am rechten Wahrzeichen erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr thut, was ich euch geboten habe.“ Wenn nun Einige mehr dem menschlichen, als dem göttlichen Gesetze gehorchen, so wirst du solche des Merkmals Christi ermangelnd finden, indem sie seine Gebote den ihrigen hintansetzen. Deßhalb soll es, wenn die Andern etwas aufdringen wollen, innerlich bei dir heißen: Dieß sind ägyptische Fliegen, Cananiter, Phcresiter, Amoniter, Hethiter, Jebusiter, die dich ihnen zu gewinnen suchen, die sinds, aus deren Bekämpfer die Krone wartet. Des Menschen Leben auf Erden ist ein Krieg; mit den Waffen des Paulus gerüstet gilt es darin, tapfer in der Schlacht zu streiten, wenn man gekrönt werden will, diese Welt, die gleich einem Goliath sich erhebt, mit den drei klarsten Steinen niederzuwerfen. Und wenn du gleichsam einwendend sprichst: was werden wir unsere Pflegbefohlenen lehren, wenn wir sehen, daß die Mühe vergeblich angewandt wird, indem keine oder nur sehr wenige dem Evangelium oder der apostolischen Lehre gehorchen? so erwidere ich: um so eifriger mußt du dich bemühen, daß du diese zwar gemeiniglich verachtete oder vernachläßigte, jedoch in ihrer Schönheit glänzende köstliche Perle so vielen als möglich zeigest, daß sie sie liebgewinnen, Alles verkaufen, und sie sich erwerben. Sagte Christus nicht, der Samen sei in vier Theile getheilt, von deren einer allein auf gutes Land fiel? Versicherte er nicht, er sei gekommen, ein Feuer anzuzünden, auf Erden, und was wollte er lieber, denn es brennete schon? Was anders könnten wir aber richtiger dieses Feuer nennen, als die Beharrlichkeit im Leiden, wornach wir Eltern, die zur Untreue verleiten wollen, selbst hassen, ja den, Bruder, der uns dem Tod überantwortet, tragen? Ist nicht so ein Feuer, wer die Beschaffenheit des Werks eines Jeglichen prüft, ob er für den Ruhm der Welt oder für den Christi in den Streit gehe? Denn wenn für jenen: so wird er der Stoppel gleichen, die, sobald sie das Feuer der Prüfung spürt, im Rauch aufgeht, und sein Gedächtniß wird mit dem Schalle vergehen; wenn aber für diesen, so wird er als ein kluger Hausvater sein Haus auf einen Felsen bauen, welcher (nämlich Christus), wenn er ins Feuer geworfen wird, den Brand nicht spürt. So werden alle, die auf denselben erbaut sind, die für seinen, nicht für ihren Ruhm kämpfen, unverletzt bleiben, da sie weder Tod noch Leben, noch Schwerdt und alles, was der Apostel aufzählt, von seiner Liebe nicht scheiden kann: wie denn auch Christus selbst sie ermuntert, im Ueberwinden ihm nachzueifern, da er sagt: „seid getrost, denn ich habe die Welt überwunden.“ Was heißt dieß: „denn ich habe die Welt überwunden?“ Habe auch ich deßwegen überwunden? Ja wir haben in ihm überwunden, weil er überwunden hat; in ihm überwinden wir. „Denn wir sind nicht tüchtig, etwas zu denken, als von uns selber rc.“ Es sagte daher der, welcher wahrhaftig ist: „seid getrost;“ als wollte er sagen: wenn ihr auf mich all euer Vertrauen setzet, so werdet auch ihr überwinden, wie ich überwunden habe; so vertrauet denn! Dieß Alles wird euch deßhalb gesagt, damit ihr so zu sagen den, der da läuft und dahin eilt, anzureizen, um Christo recht viele Krieger zu werben, welche einst tapfer für ihn kämpfen würden, um sie je mehr und mehr zu ermuthigen, daß sie, je wüthender die Verfolgung sie betrifft, desto weniger fliehen. Denn um auch dieß dir zu erklären: ich glaube, daß die Kirche, wie sie durch Blut errungen ist, so auch auf keinem andern Wege, denn durch Blut wiederhergestellt werden kann. Du wirst daher die Deinen immer Christum lehren; ja, je mehr du in seiner Kirche Schutt entstehen sehen wirst, desto mehr wirst du Hercules bewaffnen, die den Mist von bisher so vielen Ochsen fortschaffen, ohne Säumen und Verdruß, ob sie auch Schwärme von Grillen umschwirren, da sie ja den Lohn nicht in dieser Welt erwarten, und dieß ihnen nichts verschlägt, wenn sie den Menschen noch so sehr mißfallen; wenn sie nur leise bei sich sagen: „wenn ich noch den Menschen gefallen wollte, so wäre ich Christi Knecht nicht;“ und um Alles kurz zu sagen: „selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen.“ Nie wird die Welt mit Christo einig werden; und jene Vergeltung Christi ist mit den Verfolgungen verheißen. Er sandte die Seinen als Schafe mitten unter die Wölfe. Siehe, mein Bruder, auf welchem Wege du ein Schaf Christi zu sein hoffen kannst; so nämlich, wenn dir, indem du zur Ehre Christi Alles thust und leidest, die gottlose Rotte der Wölfe mit dem Tode droht, wenn sie mit den Zähnen knirscht, mit den Klauen zerfleischt. Ich fürchte wenig für Luthers Leben, nichts für seinen Geist, wenn er auch von dem Blitze des Zeus getroffen würde; nicht als ob ich die Excommunikation verachtete, sondern weil ich glaube, daß solche Verdammungen mehr dem Körper als dem Geist zugefügt werden, wenn sie ungerecht ergehen. Allein es ist nicht unsere Sache, zu entscheiden, ob man billig oder unbillig mit Luther verfahre. Du weißt selbst auch, welcher Ansicht ich bin. Ich werde in diesen Tagen zum päpstlichen Commissär Wilhelm kommen, und falls die Sprache auf diesen Gegenstand kommen sollte, wie vor Kurzem, ihm rathen, den Papst zur Unterlassung der Excommunikation zu bestimmen, was meines Erachtens besonders in seiner Sache geschehen wird. Denn findet dieselbe wirklich statt, so möchte ich prophezeien, daß die Deutschen auch den Papst sammt dem Banne verachten werden. Du aber sei guts Muths: nie wird es unsrer Zeit an solchen fehlen, die Christum lauter lehren, und ihr Leben willig für ihn hingeben werden, sollten auch ihre Namen nach diesem Leben bei den Menschen in den übelsten Ruf kommen; was schon ehedem begonnen hat, nämlich: er war ein Ketzer, ein Verführer, ein Bösewicht. Bei denen, die so sprechen, werden sie als Verführer betrachtet, aber sie waren wahrhaftig. Was mich betrifft, so erwarte ich längst in Demuth alles Uebel von Allen, Predigern und Laien, und bitte Christum nur darum, daß er mir verleihe, alles mit männlichem Muthe zu tragen, und mich sein Töpfergefäß zerbreche oder befestige, wie es ihm gefällig ist. Werde ich excommunicirt, so werde ich des gelehrten und heiligen Mannes Hilarius gedenken, der aus Gallien nach Afrika verbannt worden und des Lucius, der vom römischen Stuhle vertrieben mit großem Ruhm zurückkehrte. Nicht als wollte ich mich mit jenen vergleichen, sondern weil ich mich mit denselben trösten will, die weit besser als wir, auch weitaus das Unwürdigste erduldeten, und wenn es etwa dienlich wäre, mich zu rühmen, so würde ich mich freuen, für den Namen Christi Schmach zu leiden. Doch wer sich dünken läßt, er stehe, sehe zu, daß er nicht falle. Von Luther lesen wir dermalen fast nichts; doch was wir bisher sahen, von dem glauben wir, daß es gegen die evangelische Lehre nicht verstoße. Du weißt, wenn du dich erinnerst, mit welcher Huld ich ihn besonders empfohlen habe, daß er nämlich das Seine durch tüchtige Zengen bekräftige rc…. Ich empfehle mich dem Organisten Chylotectus, sowie allen den Deinigen. Lebe wohl in Christo. Am Tag vor Jakobi, des Sohnes Zebedäi.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’s Verlag.) 1862

Luther, Martin – An Georg Spalatin (10.7.1520)

– Ich schicke hier des Fränkischen Ritters Sylvester von Schauenburg Brief und wollte wohl, daß in des Fürsten Brief an Cardinal St. Georgii davon Erwähnung gethan würde, daß sie wüßten, wenn gleich sie mich mit ihrem Bann von Wittenberg verjagten, sie doch nichts ausrichten würden, als daß ihre schlechte Sache noch schlechter werde. Weil nun nicht in Böhmen, sondern mitten in Deutschland Leute sind, die mich, wenn ich vertrieben werde, schützen können und wollen, jenen zum Trotz und wider alle ihre Donnerstrahlen. Da ist denn Gefahr, daß ich unter solchen Beschützern grimmiger auf die Römischen losziehen werde, als wenn ich unter des Fürsten Herrschaft im öffentlichem Lehramt diente. Wehrt Gott nicht, so wird es wohl geschehen.

Darum sollen sie wissen, was ich ihnen noch nicht angethan habe, ist nicht meiner Bescheidenheit oder ihrer Tyrannei und Verdiensten, sondern der Ehrerbietung vor des Fürsten Namen und Ansehen und der gemeinen Sache der Studenten auf der Universität zuzuschreiben. Für mich ist der Würfel gefallen; ich verachte Römische Ungnade, wie Gnade. Ich mag nimmermehr in Ewigkeit mit ihnen versöhnt werden oder Gemeinschaft haben: sie mögen das meine immer verdammen und verbrennen! Ich aber, wenn ich auch kein Feuer haben kann, so will ich doch das ganze päpstliche Recht verdammen und öffentlich verbrennen, und die vergeblich bisher erwiesene Demuth wird ein Ende haben, durch die nicht länger die Feinde des Evangeliums aufgeblasen werden sollen.

Je mehr ich an den Brief des Cardinals St. Georgii denke, je mehr verachte ich sie, die ich durch lautere Feigheit und böses Gewissen so erschüttert sehe, daß sie nur gleichsam bei dem letzten Hauch noch trotzig thun wollen. Sie suchen ihre Unwissenheit durch Gewaltthat zu schützen; fürchten aber, daß es ihnen wie gestern und ehegestern gelinge. Der Herr aber, der da weiß, daß ich ein gar arger Sünder bin, wird seine Sache durch mich oder einen andern hinausführen, daran zweifle ich nicht. Gehabt euch wohl. Wittenberg, den 10. Juli 1520.

Mart. Luther, August.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Spalatin (9.7.1520)

Gnade und Friede in Christo! Mein lieber Spalatin! Den Brief aus Rom hab‘ ich schweigend, aber mit großer Betrübniß gelesen, darum, daß ich so großen Unverstand und gottlos Wesen in so großen Häuptern der Kirchen vernommen habe. Ich meine, ihr Gewissen und das Licht der Wahrheit hat sie so geblendet, daß sie alles Urtheils und gemeinen Sinnes bar sind. Sie verdammen meine Lehre und sagen doch, daß es geschickt und gelehrt sei, darum daß sie meine Schrift nie gelesen, noch kennen zu lernen begehrt haben. Der Herr sei uns Allen gnädig. – Sie geben mir Schuld ich sei ehrgeizig. Was sollte ich elender Mensch nach Ruhm und Ehren trachten? Der ich nichts anderes begehre, denn daß ich weder schreiben, predigen noch lehren dürfte, sondern verborgen und unbekannt in einem Winkel mein Leben zubringen möchte. Es nehme meine Last, Mühe und Arbeit auf sich, wer da will; es verbrenne meine Bücher, wer dazu Lust hat: ich frage, was soll ich weiter thun? Das aber sage ich: so mir nicht gestattet wird, frei zu sein vom Amt zu lehren und vom Dienst des Wortes Gottes, so will ich wahrlich frei sein in Uebung meines Amtes. Ich bin von Sünden genug beschwert, so will ich nicht noch diese unerläßliche Sünde dazu thun, daß ich dem Amt, darein ich gestellt bin, nicht mit Fleiß dienen sollte, da ich dann schuldig erfunden würde eines schändlichen Schweigens , Verachtung der Wahrheit und der Verführung vieler tansend Seelen. Der Cardinal mag rühmen, so lang er will, seine Kirche bedürfe der Vertheidigung nicht, warum vertheidigt er sie dann?

Alles was ich gethan habe und nachmals thue, das tbue ich gezwungen, bin allezeit geneigt zu schweigen, allein, daß sie nicht gebieten die Wahrheit des Evangeliums zu schweigen. Alles sollen sie von mir erlangen, ja Alles will ich herzlich gern darbringen und thun, wenn sie nur den Weg zur Seligkeit den Christen lassen frei und offen stehen. Das nur sollen sie ihrerseits gestatten, weiter nichts. Was kann ich doch Ehrlicheres begehren? Ich begehre kein Cardinal zu werden, trachte auch nicht nach Gold, und nach alledem nicht, was Rom zur Zeit hoch und werth hält. Kann ich das aber nicht von ihnen erlangen, so mögen sie mich meines Lehr- und Doctoramtes entsetzen und mich einsam in einem Winkel leben und sterben lassen.

Ich armer Mann lehre und predige gezwungen und werde doch gleichwohl darum verfolgt, so doch Andere, die Lust haben zu lehren und zu predigen, dagegen geehrt werden. Doch wie mein Gemüth geartet ist, kann ich weder Drohungen fürchten, noch durch Versprechungen mich bewegen lassen.

Da habt ihr meine Meinung. Aber ich bin der Hoffnung mein gnädigster Herr, der Churfürst, werde in seiner Antwort sich also vernehmen lassen. daß alle die großen Prälaten zu Rom merken müssen, daß die deutsche Nation nicht durch eigne, sondern durch der Römer Bosheit nach Gottes verborgenem Rathschluß also beschwert und unterdrückt gewesen sei.

Gehabt euch wohl. Gegeben am Montag nach Kilian (9. Juli) 1520.

Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Aus einem Brief des Caspar Hedio an Martin Luther

Ich sehe, daß Deine Lehre aus Gott ist, vielgeliebter Mann. Sie wird von Tag zu Tag an Wirksamkeit gewinnen, und zieht schon jetzt täglich mehr Gemüther zu Christus und zur wahren Frömmigkeit hin. Doch warum nenne ich sie Deine Lehre, da sie nicht die Lehre Luther’s, sondern Christi ist?

Dann versichert er, der Reformator nütze durch deutsche schriften am meisten, bilde und berichtige das Urtheil des Volkes.

Es erkennt den Betrug, und dürstet nach Belehrung. Lasse Du also nicht nach, Du retter; sei unser Führer, wir wollen Deine Mitkämpfer werden. Mein lieibster Wunsch ist, Dich zu sehen, und sei versichert, Hedio ist auf immer Dein.

Luther, Martin – An Nicolaus Amsdorf (23.6.1520)

Gnade und Friede Gottes zuvor, achtbarer, würdiger, lieber Herr und Freund. Die Zeit des Schweigens ist vergangen und die Zeit zu reden ist kommen, als Ecclesiastes sagt. Ich hab unserm Fürnehmen nach zusammengetragen etliche Stück, christliches Standes Besserung belangend, dem christlichen Adel deutscher Nation vorzulegen, ob Gott wollt doch durch den Laienstand seiner Kirche helfen, sintemal der geistliche Stand, dem es billiger gebührt, ist ganz unachtsam worden. Sende das Alles Eurer Würde dasselbe zuzurichten und wo es Noth ist zu bessern. Ich denke wohl, daß mir’s nicht wird unverwiesen bleiben, als vermeß ich mich zu hoch, daß ich verachter Mensch solche hohe und große Stände darf anreden in so trefflichen, großen Sachen, als wäre sonst Niemand in der Welt denn Doctor Luther, der sich des christlichen Standes annehme und so hoch verständigen Leuten Rath gebe. Ich laß meine Entschuldigung anstehen, verweise mir’s, wer da will. Ich bin vielleicht meinem Gott und der Welt noch eine Thorheit schuldig, die hab ich mir jetzt vorgenommen so mir’s gelingen mag, redlich zu zahlen und auch einmal Hofnarr zu werden. Gelingt mir’s nicht, so hab ich doch einen Vortheil, darf mir niemand eine Kappen kaufen, noch den Kamm scheeren. Es gilt aber, wer dem andern die Schellen anknüpft. Ich muß das Sprüchwort erfüllen: „was die Welt zu schaffen hat, da muß ein Mönch bei sein und sollt man ihn dazu malen.“ Es hat wohl mehrmal ein Narr weislich geredet und vielmal weise Leute gröblich genarret, wie da Paulus sagt: „wer da will weise sein, der muß ein Narr werden“. Auch dieweil ich nicht allein ein Narr, sondern auch ein geschworener Doctor der heiligen Schrift, bin ich froh, daß sich mir die Gelegenheit giebt, meinem Eid eben in derselben Narrenweise genug zu thun. Ich bitte, wollet mich entschuldigen bei den mäßig Verständigen, denn der Ueberhochverständigen Gunst und Gnad weiß ich nicht zu verdienen, welche ich so oft mit großer Mühe ersucht nunfort auch nie mehr haben noch achten will. Gott helf uns, daß wir nicht unsre, sondern allein seine Ehre suchen, Amen.

Wittenberg im Augustinerkloster am Abend St. Johannis des Täufers (23. Juni).
Im tausend fünfhundert und zwanzigsten Jahr.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Georg Kunzelt, Pfarrer in Eulenburg (15.6.1520)

Heil! Was ihr verlangt habt, ehrwürdiger Vater, wie man eine Predigt anfangen und beschließen solle, das stimmt nicht zu dem, was andere im Brauch haben. Ich lasse die großen Eingänge hinweg und fange in kurzen Worten also an: „daß das Wort Gottes uns fruchtbar sei und Gott angenehme, so laßt uns zuvor seine göttliche Gnade anrufen und sprecht ein inniges Ave Maria oder Pater noster.“ Hernach lese ich gleich den Text ohne einen Hauptsatz und erkläre den David oder trage Lehren aus ihm vor. Am Ende sprech ich: „Davon ist genug, oder, ein andermal mehr, oder, das sei davon gesagt, wir wollen Gott anrufen um seine Gnade, daß wir das mögen thun, oder das helf uns Gott.“ Hernach in kurzen Worten: Lasset uns befohlen sein geistlich und weltlichen Stand, sonderlich :c. – für die und Alle, so wir schuldig sind, wollen wir bitten ein Vaterunser in gemein. Hernach, wenn Alle aufstehen, der Segen Gottes des Vaters rc. Amen.

Das ist meine Art zu predigen. Gehabt euch wohl im Herrn, am 15. Juni 1520.
Wittenberg.
Bruder Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Sylvester von Schaumberg an Luther

11. Juni 1520

Dem hochgelahrten und geistlichen Herrn Martin Luther, Lehrer der heiligen Schrift, Augustiner Ordens zu Wittenberg, meinem besondern lieben Herrn und Freunde.

Mein unbekannt Dienst und Freundschaft zuvor, hochgelahrter, besonder, lieber Herr und Freund! Mich hat angelangt von vielen Personen, die dennoch auch gelahrt und der Lernung angehängt haben, daß euer Lehre und Meinung auf die heilige, göttliche Schrift gegründet sein soll, dagegen doch abgünstige und neidische Personen, belästiget mit Geizigkeit, welche zu Abgötterei dienstlich ist, zuwider haben sollet. Und wiewohl ihr euer Wohlmeinung unterlasset und untergebet, durch ein gemein christenlich Berufung oder sonst unverdächtiger, verständiger, frommer Männer Recht sprechen scheiden zu lassen, sollet ihr doch daruber Gefahr euers Leibes gewarten und geursacht werden, euch zu frembden Nation, und besondern zu den Behmen zu thun, die da geistlicher, eigenwaltiger Zwäng nicht hoch achten.

Ich bitte aber und ermahne euch in Gott dem Herren: obgleich churfürstenlich, fürstenlich oder ander Obrigkeit sich euer äußern, eher und lieber eigenwaltig, geistlich Zwäng wider euch ungehorsamlich leben wollten, daß ihr euch solch Abweichen und Abfallen nicht bekümmern lassen, noch zu den Behmen begeben wollet, bei denen etliche Hochgelahrte in Vorzeiten merkliche Verweise und Aergerung erlangt, und also Ungnade gehäuft und gemehrt haben. Denn ich und sonst, meines Versehens, hundert vom Adel, die ich (ob Gott will!) aufbringen will, euch redlich zu halten und gegen euern Widerwärtigen vor Gefahr schützen wollen, so lang bis eure Wohlmeinung durch gemeine christenliche Berufung und Versammlung oder unverdächtige, verständige Rechtsprecher unwidertrieben und unwiderlegt, und ihr besser unterricht würdet, wie ihr euch aus vorigem Grund der Submission selbs gefriedet habet. Das Alles hab ich euch, als dem ich mit unbekannten Diensten und Freundschaft gewilliget bin, nicht bergen noch unverkündiget lassen wollen, sich deßhalben zu getrösten.

Datum Montag nach Corporis Christi, Anno 1520

Silvester von Schaumberg zu Munerstad.

Quelle:
Dr. Martin Luthers sämmtliche Werke.
Briefwechsel
Bearbeitet und mit Erläuterungen versehen von Dr. th. Ernst Ludwig Enders
Zweiter Band.
Briefe vom April 1519 bis November 1520
Calw & Stuttgart
Verlag der Vereinsbuchhandlung
1887

Ulrich von Hutten an Martin Luther (1520)

Wach auf, du edle Freiheit! Wenn du in der Sache, welche du dort mit großem Ernst und andächtigem Gemüth beginnst, Hinderung findest, wie ich sehe, muß es billig meinem Herzen Bekümmerniß machen. Auch ich habe hier etwas ausgerichtet. Christus sei mit uns, Christus sei unser Helfer, um welches willen wir uns jetzund hart bemühen, seine Sache zu fördern und seine heilsame göttliche reine Lehre, so durch die Finsterniß der päbstlichen Satzungen verdunkelt worden, wieder lauter und unverfälscht an das Licht des Tages zu bringen. Solches treibest du gewaltig, ich nach meinem Vermögen, so viel ich kann. Wollte Gott, daß es alle verständen und merkten und sich selbst ohne unser Zuthun und Ermahnen erkennten und wieder zu der rechten Bahn kehrten! Es geht die Sage, daß sie dich excommuniciret und in den Bann gethan haben. Wie bist du so selig, o Luther, wie selig bist du, wenn das wahr ist. Denn von dir werden alle fromme Herzen sagen: Sie rüsten sich wider die Seele des Gerechten und verdammen unschuldig Blut; aber der Herr wird ihnen ihr Unrecht vergelten und sie um ihrer Bosheit willen vertilgen. Der Herr, unser Gott, wird solches thun, das ist unsere Hoffnung und Zuversicht.

Doch schaue du vorsichtig umher, vertraue ihnen nicht, sondern habe Acht auf sie mit Augen und Herzen. Denn was meinest du wohl, was für ein Unglück, Herzeleid und Nachtheil der ganzen Christenheit es bringen würde, wenn du jetzund fallen solltest. Doch ich weiß, was dich angehet, du möchtest lieber sterben, als so leben. Mir ist auch wohl bewußt, daß sie mir heftig nachstellen; darum will ich mich auch wohl vorsehen und hüten, so viel ich kann.

Man sagt, der Eck komme wieder von Rom, abermal vom Pabst mit vielen Canonicaten und großer Summe Geldes begabet. Aber was fragen wir darnach! Der Gottlose wird gelobt in seinen Begierden, uns aber wolle der Herr bei seiner Wahrheit behalten. Und darum hassen wir die Kirche der Boshaften und wollen nicht wohnen bei den Gottlosen.

Der Eck hat mich auch angegeben, als hielte ich es mit dir, und darin hat er nicht die Unwahrheit gesagt. Denn in allem, was ich von dir gehört, hab ich stets deine Meinung gehalten. Daß wir aber zuvor Gemeinschaft gehalten mit einander, wie er sagt, und uns zusammen verschworen haben, ist nicht wahr, sondern von ihm, dem römischen Bischof zu Gefallen, fälschlich erdichtet und erlogen. O wie ein unverschämter, heilloser Mensch muß er sein! Doch muß man sehen, wie man ihm nach seiner Bosheit vergelte und bezahle, nach dem er verdient hat.

Sei du nur fest und stark und wanke nicht! Aber was ermahne ich, wo es nicht vonnöthen ist? Ich will dir in allem, es gehe wie es wolle, getrost und treulich beistehen. Darum magst du mir künftig alle deine Anschläge sicher vertrauen. Wir wollen durch Gottes Hülfe unser aller Freiheit schützen und erhalten und unser Vaterland von alledem, damit es bisher unterdrücket und beschweret gewesen, getrost erretten. Du wirst sehen, Gott wird uns beistehen. Und wenn Gott mit uns ist, wer mag wider uns sein! Gehab dich wohl in dem Herrn Christo. Grüße von mir den Herrn M. Ph. Melanchthon und alle fromme und aufrichtige Männer, so zu Wittenberg sind. Gegeben eilends zu Mainz, den 4. Juni im Jahr 1520.

Luther, Martin – An Heinrich von Bünau

Dem vortrefflichen Herrn, Herrn Heinrich von Bünau, Archidiacon und Prediger zu Elsterwiek, seinem verehrungswürdigen Freunde in Christo.

Meinen Gruß. Mir war es gleichfalls bewußt, daß Thomas von seinem Vorhaben sich nicht so leicht werde abbringen lassen. Indeß freue ich mich, bester Mann, daß alle ein Hunger nach dem Wort der Gnade anwandelt. Meinerseits werde ich mir gewiß, mit vereinigtem Rath und Bestreben meiner Freunde, es angelegen seyn lassen, Ew. Ehrwürden Capellane zu verschaffen.

Habet indeß gleichförmige Beständigkeit, das heißt, seyd beständig im Herrn. Es ist für unsere Tage nichts neues, wenn wegen Gottes Wort die Welt aufgereget wird. Erschrack Herodes und mit ihm ganz Jerusalem ob des blossen Gerüchtes von dem neugebohrnen Heylande, und es sollte beym Anhören des Todes Christi, nicht die Erde beweget, und verfinstert werden die Sonne? Mir ist allerdings dieses ein Zeichen, daß die Lehre ächt sey, wenn sich viele, und unter ihnen selbst die Grossen und Weisen, daran stossen. Denn so wird im Ps. 77 gesprochen: Er erwürgte die Vornehmsten unter ihnen, und schlug darnieder die Besten in Israel. Und: Dieser ist gesetzet zu einem Zeichen, dem widersprochen wird, zum Fall und Auferstehn vieler, nicht unter den Heyden nur, sondern auch in Israel und bey den Erwählten. Das was thöricht und schwach, und nichts zu seyn vor der Welt scheinet, hat Gott immer auserkohren; und, wie geschrieben ist, lasset sich die Weisheit mit jenen ins Gespräch ein, welche einfältiglich wandeln. Der Herr JEsus erhalte Ew. Ehrwürden. Amen.

Wittenberg am vierten Pfingsttage. 1520. [30.5.]

Eurer
Martin Luther

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.

Luther, Martin – An Herzog Johann von Sachsen (29.3.1520)

– Wiewohl ich ihrer viel weiß und täglich höre, die meine Armuth gering achten und sprechen, ich mach nur klein Sexterlein und deutsche Predigt für die ungelehrten Laien, laß ich mich nicht bewegen. Wollte Gott ich hätte einem Laien mein Leben lang mit allem meinen Vermögen zu der Besserung gedienet: ich wollt mich’s genügen lassen, Gott danken und gar willig darnach lassen alle meine Bücher umkommen. Ob groß und viel Bücher machen Kunst sei und besserlich der Christenheit, laß ich andere richten. Ich achte aber, so ich Lust hätte ihrer Kunst nach große Bücher zu machen, es sollt vielleicht mit göttlicher Hülf mir schleuniger folgen, denn ihnen nach meiner Art einen kleinen Sermon zu machen. Wenn erfolgen so leicht wäre als verfolgen, wäre Christus längst wieder vom Himmel geworfen und Gottes Stuhl selbst umgekehrt. Können wir nicht alle dichten, so wollen wir doch alle richten. Ich will einem jeden die Ehre großer Ding herzlich gerne lassen und mich gar nicht schämen deutsch den ungelehrten Laien zu predigen und schreiben. Wiewohl ich auch derselbigen wenig kenn‘, dünkt mich doch, so wir bisher und fortmehr uns desselbigen geflissen hätten und wollten, sollte der Christenheit nicht eines kleinen Vortheils Besserung daraus gewachsen sein, denn aus den hohen, großen Büchern und Quästionen in den Schulen unter den Gelehrten allein gehandelt. Ueber das so hab ich doch nie jemand gezwungen oder gebeten mich zu hören oder meine Predigt zu lesen. Ich habe frei in der Gemeinde gedient von dem, das mir Gott gegeben und ich schuldig bin; wer sein nicht mag, der lehre und höre Andere. Auch ist nicht groß dran gelegen, ob sie mein nicht wollen bedürfen: mir ist eben genug und mehr denn zuviel, daß etliche Laien, und die fürtrefflich, sich demüthigen meine Predigt zu lesen. Und obschon kein andere Sache mich treiben möchte, soll mir doch die überflüssig sein, daß ich erfahren hab, wie Ew. Fürstl. Gn. solche deutsche Büchlein gefällig, und Sie ganz begierig seien zu erkennen guter Werke und des Glaubens Unterricht. –

Zu Wittenberg am 29. März nach Christi Geburt im 1520. Jahr.

Ew. Fürstl. Gn. unterthäniger Capellan Dr. Martinus Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867