Luther, Martin – An Heinrich von Bünau

Dem vortrefflichen Herrn, Herrn Heinrich von Bünau, Archidiacon und Prediger zu Elsterwiek, seinem verehrungswürdigen Freunde in Christo.

Meinen Gruß. Mir war es gleichfalls bewußt, daß Thomas von seinem Vorhaben sich nicht so leicht werde abbringen lassen. Indeß freue ich mich, bester Mann, daß alle ein Hunger nach dem Wort der Gnade anwandelt. Meinerseits werde ich mir gewiß, mit vereinigtem Rath und Bestreben meiner Freunde, es angelegen seyn lassen, Ew. Ehrwürden Capellane zu verschaffen.

Habet indeß gleichförmige Beständigkeit, das heißt, seyd beständig im Herrn. Es ist für unsere Tage nichts neues, wenn wegen Gottes Wort die Welt aufgereget wird. Erschrack Herodes und mit ihm ganz Jerusalem ob des blossen Gerüchtes von dem neugebohrnen Heylande, und es sollte beym Anhören des Todes Christi, nicht die Erde beweget, und verfinstert werden die Sonne? Mir ist allerdings dieses ein Zeichen, daß die Lehre ächt sey, wenn sich viele, und unter ihnen selbst die Grossen und Weisen, daran stossen. Denn so wird im Ps. 77 gesprochen: Er erwürgte die Vornehmsten unter ihnen, und schlug darnieder die Besten in Israel. Und: Dieser ist gesetzet zu einem Zeichen, dem widersprochen wird, zum Fall und Auferstehn vieler, nicht unter den Heyden nur, sondern auch in Israel und bey den Erwählten. Das was thöricht und schwach, und nichts zu seyn vor der Welt scheinet, hat Gott immer auserkohren; und, wie geschrieben ist, lasset sich die Weisheit mit jenen ins Gespräch ein, welche einfältiglich wandeln. Der Herr JEsus erhalte Ew. Ehrwürden. Amen.

Wittenberg am vierten Pfingsttage. 1520. [30.5.]

Eurer
Martin Luther

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.