Luther, Martin – An Markgraf Georg von Brandenburg, vom 18. Julius 1529.

Dieser Georg war ein eifriger Beförderer der Reformation in seinem Lande, dem heutigen Bayreutschen und Ansbachschen.

Dem Durchlauchtigen, hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Georgen, Markgrafen zu Brandenburg, Herzogen zu Stettin, Pommern, Fürsten zu Rügen, Burggrafen zu Nürnberg, meinem gnädigen Herrn.

Gnade und Friede in Christo. Durchlauchtiger, Hochgeborner Fürst, gnädiger Herr! Ich habe E. F. G. lange verzogen mit der Antwort, wiewohl ungerne; dann zuerst war ich doch ja nicht müssig, da der Bote anreget, darnach hab ich nicht gewisse Botschaft gehabt; E. F. G. wollen mirs gnädiglich zu gut halten. Aber nun ich diesen Er Georgen Schlegel gewisses Ganges bekommen, will ich hiemit E. F. G., was ich sammt dem Rath und Bedenken M. Philipps Melanchthon für das Beste ansehe in dieser Sachen.

Erstlich achten wir für gut, daß man die Klöster und Stifte lasse so hin, bis sie aussterben; denn weil die Alten noch drinne leben, ist nicht viel Hoffens, daß friedlich zugehn würde, wo sie gezwungen würden, solche Neuerungen zu fördern oder dulden: auch würden zuletzt solche Lection und Ordnung, so aus den vorigen alten Exempeln wieder aufgericht, mit der Zeit wiederum ein unfruchtbar Wesen werden, wie bisher geschehen. Sondern was man solcher alter guter Ordnung von Kirchendiensten wollt wieder anrichten, das man thäte in den gemeinen Kinderschulen und Pfarrkirchen, daselbst der gemeine Mann auch zu komme und gereizt würde rc., wie wir allein zu Wittenberg und andern Städten thun.

Zum andern wäre das wohl fein, daß E. F. G. ein gelegen Ort (oder zween) im Fürstenthum anrichten zur hohen Schulen, da man nicht allein die heilige Schrift, sondern die Rechte und allerlei Künste lehret, aus welchen Schulen man gelehrte Leute nehmen könnte zu Predigern, Pfarrherrn, Schreiber, Räthe rc. für das ganze Fürstenthum. Und hiezu sollten der Kloster und Stift Erbzins verordent sein, daß man gut gelehrte Personen erhalten möchte mit redlichem Solde: zwei Theologen, zwei Juristen, einen Medicum, einen Mathematicum, und pro grammatica dialectica, rhetorica1) etc. , vier oder fünf Personen. Denn wo ein gut Studiren soll sein, da müssen nicht ledige Kreuzgänge sein oder leere Kloster und Stiftkirchen, sondern eine Stadt, darin viel zusammen kommen und unter einander sich üben und reizen und treiben. Einsame Studia thuns nicht, gemeine thuns, da viel einer dem andern Ursach und Exempel gibt rc.

Zum dritten, daß in allen Städten und Flecken gute Kinderschulen zugericht werden, aus welchen man nehmen könne und erwählen die zur hohen Schule tüchtig, daraus man Männer für Land und Leute ziehen mag. Und wo es die Städtlin oder Bürger nicht vermochten, daß man abermal von den verledigten Klostern und Stiften etliche geschickte Gesellen zu erhalten, Stipendia stiftet, daß eine jegliche Stadt ein oder zween Studenten hätte.

Mit der Zeit, wenn der gemein Mann sehen wird, daß Personen können zu Pfarrherrn, Predigern und andern Aemtern kommen, werden sie dieselbigen wohl wieder zur Schule halten, die jetzt wähnen, es könne kein Gelehrter nicht ernähret werden.

Ob nun etliche Gelehrte in solchen Schulen erzogen, vielleicht in andern Fürstenthümern zu Dienst und Amt kommen, und wollt fürgegeben werden, man zöge andern Herrn Leute für: ist zu bedenken, daß man derselbigen keinen Schaden hat; denn sie ohn Zweifel bei andern Fürsten und Leuten solche Schulen und Stiftung fördern würden und Gunst machen rc. Solch hab ich E. F. G. nach meinem geringen Verstand wollen anzeigen. Gott gebe E. F. G. seinen Heiligen Geist, das alles zu bessern, und in allen Dingen sein Wohlgefallen vollbringen, Amen. 18. Juli 1529.

E. F. G. williger Martinus Luther.

Ich bitte auch, gnädiger Herr, wo es E. F. G. zu thun, wollten gegenwärtigen Er Georgen Schlegel von Gunzenhausen mit einem Stück von den verledigten Präbenden etwa begnaden, daß er hie bei uns ein Zeitlang studiren möchte; denn es wird ein guter Pfarrer oder Prediger daraus werden, als wir ihn ansehen. So ist er auch ein Kind des Landes rc.

1) d. i. für Sprachlehre, Denk- und Redekunst.

 

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862