Calvin, Jean – An Butzer in Straßburg

Calvin hatte seine Familie nicht gleich mit sich nach Genf genommen; die Übersiedelung Idelettes erfolgte einige Wochen später auf Kosten des Genfer Rates. Über Virets Sendung nach Neuchatel Neuchatel stand, trotzdem es ein Fürstentum war, unter eidgenössischer Herrschaft; so dass Bern die Entscheidung in dieser Streitsache beanspruchte. Von seinen Abgesandten Schultheiß, Jakob v. Wattenwyl und Augsburger, war ersterer mit der von Farel beleidigten Dame verwandt. Viret, obwohl für unbestimmte Zeit nach Genf beurlaubt, stand doch als Lausanner Pfarrer unter bernischer Hoheit. Unter Wattenwyl hatte die Berner Regierung sich in Besitz alter Kirchengüter gesetzt. Das „Unglück in der Basler Kirche“ ist der Tod des Professors Simon Grynäus. Konrad Hubert, Pfarrer in Straßburg.

Von den staatskirchlichen Ideen des Berner Schultheißen und Farels Zorn. Die Pest naht.

Als meine Frau hier ankam, war Viret noch nicht von Neuchatel zurückgekommen. Wir hatten ihn vor kurzem dorthin gesandt, um, wenn nichts anderes möglich sei, doch wenigstens Guten und Bösen in unserm Namen zu bezeugen, wie sehr das von frommer, christlicher Art abweiche, wenn die Gemeinde aus ganz geringfügigen Gründen, oder oft sogar ganz grundlos sich gegen den Pfarrer auflehne. Es war uns gemeldet worden, es sei eine Besprechung zu freundlicher Beilegung [des Zwistes] angesagt worden; die Berner wollten daran teilnehmen. Von Wattenwyl und Augsburger waren anwesend. Gleich nach seiner Ankunft besprach sich Viret mit ihnen, was er tun wolle. Er wies ihnen eine Abschrift unseres Briefes vor, setzte ihnen seinen Auftrag auseinander, ja las es ihnen sogar vor, um nichts ohne ihre Zustimmung zu unternehmen. Denn er hatte deutlich bekannt, er werde nichts tun, wenn sie es so beföhlen. Wattenwyl trieb seiner Art mit zweideutigen Worten sein Spiel mit ihm. Es stehe ihm nicht zu, Viret Vorschriften zu geben; allerdings gehöre dieser ja unter das Regiment der Berner, aber er sei jetzt den Genfern überlassen, wenn auch nur für kurze Zeit. So solle er tun, was ihm gut dünke. Es waren auch Kollegen aus bestimmt zu Bern gehörenden Pfarrklassen da. Denen gab Wattenwyl in verblümter Rede zu verstehen, sie hätten nicht sehr klug gehandelt, dass sie es gewagt hätten [zu kommen]. Ihr seid Untertanen, sagte er. Schließlich aber wurde ihnen erlaubt, sich ins Mittel zu legen. Bevor etwas Weiteres geschah, hörte man Viret an, der in seiner Rede die Bösen so beugte, die Guten ermutigte, die Unentschiedenen und Schwachen aufmunterte, dass die Sache schon fast entschieden zu sein schien. Gewiss, hätten sie unter sich verhandeln müssen, so wäre leicht zu bemerken gewesen, dass die Gegner freiwillig nachgaben. Aber die Berner hatten schon verlangt, der Schiedsspruch solle ihnen überlassen werden. Nun verkündeten sie, nach einem Schriftstück, das sie von Hause mitgebracht hatten, wenn der Zwist nicht in zwei Monaten beigelegt sei, so müsse Farel Neuchatel verlassen. Als Farel diesen Beschluss hörte, wurde er so erregt, dass er Wattenwyl bedrohte, Gott werde ihn schwer strafen für den Schlag, den er damit der Kirche und dem heiligen Dienst am Wort versetzt habe. Dadurch wurde der Mann, der schon vorher Farels Freund nicht war, ihm natürlich jetzt noch feindseliger gesinnt. Und gewiss, es wäre besser gewesen, Farel hätte sich gemäßigt und hätte, wenn er´s nicht ganz verbergen konnte, wie ihm zu Mute war, doch etwas ruhiger und in mildern Worten geantwortet. Doch wir müssen gegen ein solches Rüstzeug Christi jedenfalls Nachsicht üben wegen dieses Übermaßes von Heftigkeit. Viret versuchte zwei Tage später die Beleidigung abzuschwächen; aber er erreichte weniger, als er wollte, da die Wunde noch zu frisch war. Farel hatte zwar gerechte Ursache, gegen Wattenwyl so zornig zu werden; aber er hätte doch besser erwägen sollen, was nützlich sei, um nicht, sich und seinem Zorn nachgebend, ohne Nutzen einen Mann zu erzürnen, der mächtig ist, zu nützen und zu schaden. Weils aber nun nicht mehr zu ändern ist, was er gefehlt hat, so müssen wir Gott bitten, er möge das Geschehene aus dem Gedächtnis tilgen. Zwar ich fürchte, Farels Ankündigung möchte eine Weissagung gewesen sein. Denn jener Mann, Wattenwyl, hat sich wunderbar verändert. Man könnte sagen, sein Verstand sei von ihm genommen, seit er aus unheiligen Gründen Kirchengüter angriff. Er ist vor allem ein Spötter; kein Wort fast lässt er aus seinem Munde gehen, ohne Stichelei, Neckerei oder Lästerung. Als in Farels Sache jemand ihm sagte, wie heilig die Berufung Gottes geachtet werden müsse, nahm er diese ganze Rede nur mit Spott auf. Er sagte: Wie könnte mich Einer zwingen, einen Dienstboten im Haus zu behalten, der mir missfällt? Und diesen Vergleich brauchte er nicht bloß einmal. Ich darf einem Dienstboten, wenn er mir nicht gefällt, den Lohn auszahlen und ihn dann gehen heißen, warum sollte ichs nicht einem Diener am Wort auch dürfen? Diese Ungebührlichkeit reizte Farel, mit ihm einmal strenger zu reden. Und ich fürchte wie gesagt, er hat wohl nur zu richtig prophezeit, da der Mann, der früher so erleuchtet, mit so ausgezeichneten Gaben ausgerüstet war, nun so Gott entfremdet ist, da er doch allen andern vorangehen sollte. Doch das soll begraben sein bei uns. Jetzt steht die Sache so: Weil die Mehrzahl, d. h. all Frommen Leute in der Stadt, Farel behalten wollen, so hat er selbst beschlossen, nicht zu weichen, wenn er dazu nicht durch gesetzlichen Befehl gezwungen wird. Aus keinem andern Grund aber bleibt er dort, als weil er es nicht wagt, den Platz zu verlassen, den Gott ihm angewiesen hat. Nun muss ein Weg gefunden werden, wenn es möglich ist, wie es ohne oder doch nur mit ganz geringem Anstoß bei den Bernern geschehen kann. In der so verwickelten Lage scheint mir aber nichts besser, als wenn Eure Kirche und andere, die großes Ansehen genießen, bevor die zwei Monate verflossen sind, durch ihr Urteil Farels Amtsstellung befestigen. So nämlich würde erreicht, dass Farel es nicht nötig hat, überhaupt dem Spruch der Schiedsrichter zu widerstehen. Du könntest es dann auch leicht bei den Bernern entschuldigen, dass er deshalb deinen Rat verlangt habe, um der Gefahr auszuweichen, sich einem gefällten Spruch widersetzen zu müssen; obwohl es gar nicht nötig sein wird, in Eurer Antwort des Schiedsspruchs irgendwie Erwähnung zu tun. Ihr werdet an die Obrigkeit, an die Pfarrer und an das Volk schreiben müssen. Wir zweifeln nicht im Geringsten daran, dass Ihr in einem Augenblick der Kirche die Ruhe wiedergeben werdet, so sehr sie jetzt noch von Parteiung erhitzt ist. Denn die Meisten der Bösen, die im Vertrauen auf diesen Schiedsspruch neuen Mut gefasst hatten, werden gleich zusammenbrechen, wenn sie nur Euern Namen hören. Ich will nicht heftiger in dich dringen, der armen Kirche zu helfen, damit es nicht scheint, ich misstraue dir. Ich will dich nur darauf hinweisen; denn einer Mahnung, das weiß ich, bedarf es bei dir nicht. Der Überbringer, ein Bruder, der Euer Zögling und Schüler ist, wird mündlich ergänzen, was in meinem Briefe fehlt. Auf die übrigen Punkte deines Briefes kann ich jetzt nicht so eingehend antworten, wie ich möchte und die Sache es erforderte. Die Hauptsache, den Entwurf einer Kirchenordnung, den wir verfasst haben, kann ich dir jetzt nicht schicken. Wir haben ihn dem Rat eingereicht, vierzehn Tage nachdem uns das Geschäft übertragen worden war. Die Antwort haben wir noch nicht. Das missfällt mir aber gar nicht so sehr, dass sie etwas langsamer sind, und wir hoffen umso bestimmter, sie werden es uns zugestehen. Um keinen Verdacht bei ihnen zu wecken, haben wir sie gemahnt, wenn es ihnen gut scheine, sollten sie sich zuerst mit den deutschen Kirchen in Verbindung setzen, damit nichts ohne deren Zustimmung eingeführt werde. Wir nehmen an, sie werden das tun. So werden wir den Entwurf bald senden.

Wegen Viret bitte ich dich, wenn du dir getraust, einen Brief von Euerm Rat zu erwirken, es ja eifrig zu tun. Denn wir wissen, wie schwierig die Berner sein werden, und nur deshalb, weil sie nicht zu gütig gegen uns sein wollen. Das werden sie aber vielleicht dulden, dass sie von Euerm Rat gebeten werden. Ich will alle Hebel in Bewegung setzen, dass Viret mir nicht entrissen wird. Ich will darauf dringen bei Sulzer. Kunz will ich demütig bitten. Kurz, ich will nichts unterlassen. Nur wird man sich zugleich in Acht nehmen müssen, dass für Lausanne gut gesorgt wird. Das kann geschehen, wenn du Kunz und Sulzer bittest, keinen hinzusetzen ohne den Rat Virets und Le Comtes, der zweiter Pfarrer ist. Dieser Le Comte hat, wenn er auch sonst nicht der Beste ist, doch das Gute, dass er sich einen guten Kollegen wünscht, und wenn er ihn hat, ihn nicht nur erträgt, sondern auch unterstützt. Hört man nicht auf Viret, so besteht Gefahr, dass dort irgendeine Pest eingeschleppt wird, die die ganze Nachbarschaft ansteckt. Der ganze Teil deines Briefes, in dem du entschuldigst, dass ich in Straßburg nicht nach Verdienst geachtet worden sei, ist überflüssig. Denn ich erinnere mich wohl und werde es stets anerkennen, dass Ihr mehr Ehre auf mich gehäuft habt, als ich je mit Recht erwarten durfte. Jener Ausdruck freies Geleit und anderes, was bei meiner Abreise geschehen ist, hat mich, ich gestehe es, ein wenig gestoßen. Aber nur deshalb wollte ich es dir offenbaren, damit ich es nicht in mir festhielte. Ich sollt also wissen, dass das Alles vergangene Dinge sind. Die Eintracht mit unsern Nachbarn [in Bern] und sogar brüderliches Wohlwollen zu pflegen, werde ich mich mit aller möglichen Treue und Sorgfalt bestreben; wenn sie es nur auch versprechen. Gewisslich will ich Niemandem, soviel an mir liegt, Anlass zu Verdruss bieten. Das aber bitte ich dich, dass du nicht nach meinen Briefen an dich abschätzest, was ich hier tue oder rede. Bis ich gestehen muss, weiter könne ichs nicht tragen, will ich, daran zweifle nicht, treulich halten, was ich Euch versprochen habe. Und wenn ich in irgendetwas Eurer Hoffnung nicht entspreche, so weißt du ja, dass ich unter deiner Gewalt stehe. Mahne, züchtige, tue alles, was einem Vater seinem Sohn gegenüber erlaubt ist. Verzeih meine Eile. Du glaubst nicht, in welcher Hast ich schreibe; denn unser Bruder [der Überbringer] drängt mich, wie ihn seine Kollegen geheißen haben, und ich stecke in soviel Geschäften drin, dass ich kaum zu mir selber komme.

Da ich höre, bei Euch wüte die Pest so sehr, so kann ich nichts Anderes sagen, als dass Gott mit gewappneter Hand gegen unsere Hartnäckigkeit kämpft; wenn wir auch fast schon zu abgestumpft sind gegen solche Schläge. Wie die Hand Gottes bei Euch scharf dreinfährt, so liegt sie auch [bald] auf uns. Denn die Pest schleicht gegen uns heran; bleiben wir diesen Winter noch verschont, so werden wir doch nächstes Frühjahr sicher nicht entrinnen. Was bleibt übrig, als unsere Zuflucht zu nehmen zum Beten und Weinen? Wir sind darin sicherlich immer noch zu träg. Umso mehr müssen wir fürchten, dass wir durch solche Gefühllosigkeit den Zorn unseres Richters noch mehr reizen. Um Euch sind wir in Sorge, wie es natürlich ist. Denn aus dem Unglück der Basler Kirche ermessen wir, wie uns geschähe, wenn Ihr uns entrissen würdet. Ich wollte gewiss nicht übrig bleiben und würde es nicht aushalten, wenn Gott mich nicht wunderbar stärkte. Lebwohl, im Herrn stets hoch verehrter Vater. Grüße mir aufs Angelegentlichste die Herren Capito, Hedio, Matthias, Bedrot und die Andern. Ebenso Konrad [Hubert]; entschuldige mich bei ihm, dass ich nichts schreibe. Es bestürmen mich beständig so Viele, dass ich rasch abbrechen muss. Grüße auch deine Frau freundlichst. Der Herr erhalte, leite und schütze Euch Alle. Amen.

Genf, 15. Oktober 1541.
Dein
Johannes Calvin.

Meine Frau grüßt die Deine freundlich und die ganze Familie.