Luther, Martin – An Georg Spalatin (7.2.1519)

– Uebrigens hat unser Eck das ruhmsüchtige Thierlein einen Zeddel ausgegeben und will nach Ostern zu Leipzig disputiren: aber dieser unredliche Mensch um seinen wider mich längst gefaßten Groll auszulassen, stürzt auf mich und meine Schriften, nennt einen Andern den Widersacher und gegen mich, als der den Handel hat, geht er los. Mich verdrießt die schandliche Tücke dieses Menschen, drum hab‘ ich auch selbst wider ihn Entgegnungen aufgesetzt, wie ihr aus diesem Bogen sehen werdet. So wird Eck vielleicht die Gelegenheit, daß die Sache, die bisher nur wie im Spiel betrieben worden, ernstlich gehandelt und der römischen Tyrannei übel gerathen wird.

Gehabt euch wohl im Herrn. Am Tage nach Dorotheen (7. Februar 1519).

Br. Martin Luther,
Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Churfürst Friedrich von Sachsen (1518)

Durchlauchtigster Hochgeborner Fürst, gnädigster Herr. Es ist mir zu viel, daß Ew. Churf. Gn. so weit in meine Sachen und Müh‘ gezogen wird; dieweil aber die Noth und Gott es so fügt, bitt ich Ew. Churf. Gn. wollte mir’s zu Gnaden vor gut haben. Es hat Herr Carolus von Miltitz gestern hoch angezogen die Unehr‘ und Frevel, so durch mich der römischen Kirche ist zugefügt und ich mich auf’s allerdemüthigste zu thun, was ich vermag zu Erstattung, hab erboten. Nun bitt ich Ew. Churf. Gn. wollt mein Bedenken beschauen, das ich hiemit zu erkennen gebe.

Zum ersten wollt ich verheißen dieser Materien hinfürter stille zu stehen und die Sache sich selbst zu Tod bluten zu lassen, (sofern der Widerpart auch schweige) denn ichs dafür acht‘, hätt man mein Schreiben lassen frei gehen, es war längst Alles geschwiegen und ausgesungen und ein jeglicher des Liedleins müde worden. Besorge auch, so diesem Mittel nicht Folge geschieht und weiter werde angefochten mit Gewalt oder Worten, so wird das Ding allererst recht herausfahren und aus dem Schimpf ein Ernst werden. Denn ich meinen Vorrath noch ganz habe. Darum ichs das Beste achte, so man möchte stille stehen in der Sache.

Zum andern wollt ich päpstlicher Heiligkeit schreiben und mich ganz demüthig unterwerfen, bekennen, wie ich zu hitzig und zu scharf gewesen, doch nicht vermeinet der heiligen, römischen Kirche damit zu nahe zu sein, sondern anzuzeigen die Ursache, daß ich als ein treu Kind der Kirche widerfochten hätte die lästerliche Predigt, davon groß Spott, Nachreden und Unehr und Aergerniß des Volks gegen die römische Kirche erwachsen ist. Zum dritten wollt ich einen Zeddel ausgehen lassen, einen jeden zu vermahnen der römischen Kirche zu folgen, gehorsam und ehrerbietig zu sein und meine Schrift nicht zur Schmach, sondern zur Ehre der heiligen, römischen Kirche zu verstehen, auch bekennen, daß ich die Wahrheit allzu hitzig und vielleicht unzeitig an Tag gebracht habe. Zum vierten hat Magister Spalatinus vorgeschlagen, daß die Sache besohlen werde dem Hochwürdigen Erzbischof von Salzburg, desselben Urtheil, so mit gelehrten, unverdächtigen Leuten beschlossen, ich halten sollte oder zu meiner Appellation wiederkehren, so mir’s nicht zu halten wär. Aber ich sorg‘, der Papst will nicht leiden einen Richter, so werd‘ ich des Papstes Urtheil auch nicht leiden. Darum so das erste Mittel nicht vor sich geht, wird sich das Spiel machen, daß der Papst den Text wird machen und ich ihn glossiren. Das wäre nicht gut.

Weiß Churf. Gn. ob ich etwas mehr thun möchte, wollt mir um Gotteswillen es gnädiglich mittheilen. Ich will gerne Alles thun. Alles leiden, daß ich nur nicht weiter aufzustechen verursacht werde. Denn aus der Revocation wird nichts.

Ew. Churf. Gn.
unterthäniger Caplan

Doctor Martinus.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – Scherzbrief an Melanchthon

1518

Luther hatte, als Dechant seiner Fakultät, dem Johannes Frosch die theologische Doktorwürde erteilt, und Melanchthon war von der – für diese Feiern üblichen – Mittagstafel ferngeblieben.

Dem griechischen, lateinischen, hebräischen, deutschen, niemals barbarischen Philipp Melanchthon, Schwarzerd.

Meinen Gruß. Heute habt Ihr, dieß mögen Euch Apoll und die Musen verzeihen, mich und den neugekrönten Doctor verschmähet. Nun dieses Festin eben nicht von mir allein gegeben ward, hab ich zwar es Euch verziehn: wenn Ihr aber auch itzt nicht, noch diese Stunde nicht erscheinet, so wird Euch Euer ganzes Griechenthum, geschweige jener unbedeutende Bruder Martin, wie sich Cajetan ausdrückte, bey Hrn. D. Andreas Karlstad, Licentiaten Amsdorf und hauptsächlich bey unserm Rector nicht entschuldigen können. Der junge Doctor glaubte, er wäre, wie er zu scherzen pflegte, als ein wilder Barbar von Euch Griechen verachtet. Sehet also zu, was Ihr thut, denn ich war Bürge, daß Ihr gewiß zu dieser Stunde kommen würdet. Ihr werdet mich dieser Bürgschaft loszählen, wenn Ihr kommet, ob ich gleich auch wünschte, daß Ihr D. Veit und Joh. Schwertfeger mitbrächtet, Denn heut Abends will ich Gastgeb seyn meiner bekanntesten, ja vielmehr geliebtesten Freunde. auf Euer Urtheil und Rath, hauptsächlich aber auf meinen Befehl, wenn doch ienes Brüderlein etwas zu sagen hat, sollen sie mit Euch kommen.

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.

Luther, Martin – An Johann Reuchlin (14.12.1518)

Der Herr mit euch, mein tapfrer Held! Ich preise die Barmherzigkeit Gottes, die in euch ist, mein Hochgelehrter und Hochwerther Herr, dadurch ihr endlich die Mäuler derer zu stopfen vermocht, die unbillig wider euch geredet haben. Gewiß ihr seid ein Werkzeug des göttlichen Rathschlusses, wenn euch selbst unbewußt, doch Allen, welche die reine Gottesgelehrtheit lieben, sehnlichst erwünscht: so ganz anders hatte Gott es vor, als was durch euch zu geschehen das Ansehen hatte. Ich war einer von denen, die mit euch zu sein begehrten, aber die Gelegenheit fand sich nicht. Doch bin ich allezeit mit meinem Wunsch und Gebet an eurer Seite gewesen; was aber damals dem Gesellen nicht beschieden war, das ist dem Nachfolger aufs reichlichste gediehen.

Nun setzen die Zähne des Behemoth an mich, ob sie etwa die Schande, die sie an euch erfahren, einigermaßen an mir auswischen möchten. Zwar begegne ich ihnen mit viel schwächerem Witz und Gelehrsamkeit, aber doch mit eben so großer Freudigkeit und Muth. Sie wollen sich mit mir nicht einlassen, mir nicht stehen noch antworten: nur mit Macht und Gewalt wollen sie wider mich fahren. Aber Christus lebt und ich kann nichts verlieren, da ich nichts zu eigen habe. Auch sind die Hörner dieser Stiere an eurem Muth nicht wenig abgelaufen. Denn das hat Gott durch euch gethan, daß der Herr der Sophisten endlich hat lernen müssen der rechten Gottesgelehrtheit sanfter und glimpflicher zu begegnen, so daß Deutschland durch die Lehre der heiligen Schrift, die ach soviel hundert Jahre erdrückt und erstickt gewesen, endlich einmal wieder zu athmen angefangen hat. –

Aber bin ich nicht allzu kühn, daß ich mit euch so vertraut und ohne Umstände und Ehren rede? Das macht mein Herz, das euch ganz ergeben ist, um eurer selbst und um eurer Bücher willen. Dazu kommt, was mich endlich zum schreiben bewogen hat, daß Philipp Melanchthon, dieser trefflichste, unvergleichliche Mann und doch mein Freund ja Herzensfreund, mich dazu gefordert und gut gesagt hat, ihr würdet es nicht übel nehmen, sondern gern sehen, auch wenn es nichts Schickliches wäre. Ihm rechnet es zu, wenn ihr überhaupt anders rechnen wollt, als daß ich euch in diesem Brief meine herzliche Aufrichtigkeit an den Tag legen wollte. Gehabt euch wohl im Herrn mein allverehrtester Meister.

Wittenberg am 14. December 1518.

Martin Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Peter Mosellanus an Julius von Pflug

Peter Mosellanus,  Rector der Universität zu Leipzig, nach der Leipziger Disputation am 6. Dec. 1518 an Julius von Pflug, Domprobst zu Zeitz. (Aus dem Lateinischen.)

Martin ist mittlerer Leibesgröße, hager, theils von Sorgen, theils vom Studiren, so daß man fast, wenn man ihn genau ansieht, alle seine Gebeine zählen kann, aber noch im männlichen Alter und von klarer und heller Stimme. Seine Gelehrsamkeit und Verstand in heiliger Schrift ist unvergleichlich, so daß er fast alles an den Fingern herzählen kann. Griechisch und Hebräisch versteht er so viel, daß er von Auslegungen urtheilen kann. Es fehlet ihm nicht an Materie, zu reden, er hat einen großen Vorrath von Sachen und Worten. Im Leben und Umgange ist er höflich und freundlich, hat nichts Stoisches oder Stolzes an sich, ja er schickt sich für Jedermann. In Gesellschaften führt er ein fröhliches und angenehmes Gespräch, ist lebhaft und heiter, immer muntern und fröhlichen Gesichts, sieht immer freundlich aus, wie hart ihm auch seine Widersacher drohen, sodaß man wohl glauben muß, er gehe nicht ohne Gott mit solchen wichtigen Dingen um. Dieses wird ihm fast von Jedermann übel ausgelegt, daß er mit Bestrafung Anderer unvorsichtiger und stachlichter sei, als einem, der in der Theologie etwas Neues vorbringt, anständig ist.

Luther, Martin – An Churfürst Friedrich von Sachsen (29.11.1518)

Durchlauchtigster, gnädigster Herr und Churfürst! Ich habe von meinem lieben Herrn und Freunde Georg Spalatin eine Schrift sammt einer Abschrift eines Sendbriefs des Hochwürdigsten Herrn Thomas Cajetanus nach Ew. Churf. Gn. Willen mit gebührender Ehre fröhlich empfangen. Denn ich sehe, daß mir nun eine rechte feine Gelegenheit gegeben sei Ew. Churf. Gn. – den Zustand meiner ganzen Sache anzuzeigen. Dieß einige allein bitte ich demüthiglich, Ew. Churf. Gn. wollen mich geringen, verachten, armen Bettelbruder gnädiglich hören und mein ungeschickt Schreiben mir zu gut halten.

– So bitte ich denn noch einmal, Ew. Churf. Gn. wollen denen nicht eher Glauben schenken, so da sagen, Bruder Martinus habe übel geredet und unrecht gelehrt, ich werde denn verhört und überwiesen, daß ich übel geredet und unrecht gelehrt habe. St. Petrus irrte, auch nachdem er den heiligen Geist empfangen hatte, so kann auch ein Cardinal irren und wäre er auch noch so gelehrt.

Derhalben wollen Ew. Churf. Gn. ihrer Ehre und Gewissens wahrnehmen, daß sie mich ja gen Rom nicht schicken, denn solches kann Ew. Chnrf. Gn. kein Menschen gebieten – er sei und heiße wer und wie er wolle – weil es unmöglich ist, daß ich zu Rom sollte sicher sein. Auch wäre solches nichts Andres als Ew. Churf. Durchlauchtigkeit gebieten , daß sie eines unschuldigen Christen Blut verriethe und ein Mörder an mir würde. Denn auch der Papst zu Rom keine Stunde seines Lebens sicher ist. Sie haben Papier, Federn und Tinten zu Rom; auch haben sie unzählig viel Notarien; es ist leichtlich geschehen, daß sie aufzeichnen und auf’s Papier fassen, worin und warum ich geirrt habe. Ich kann ja mit geringerer Unkost abwesend in Schriften unterrichtet, als gegenwärtig durch Tück und List umgebracht werden.

Eins thut mir von Herzen wehe, daß der Hochwürdige Herr Legat Ew. Churf. Gn. höhnisch sticht, gleich als verließe ich mich auf Ew. Churf. Gn. solches Alles anzufangen und vorzunehmen. Wie denn auch etliche Lügner bei uns fälschlich vorgeben, ich habe durch Ermahnung und Rath Ew. Churf. Gn. vom Ablaß zu disputiren vorgenommen; so doch um diese mein Disputation auch keiner meiner allerliebsten Freunde gewußt hat, ausgenommen der Hochwürdigste Herr Cardinal zu Mainz und Erzbischof zu Magdeburg und Herr Hieronymus, Bischof zu Brandenburg. Denn diese zwei, weil es ihnen von Amtswegen zustand die lästerlichen Lügen der Ablaßkrämer zu verbieten, ermahnte ich sie insgeheim mit tiefer Demuth und Ehrerbietung durch Schriften, ehe ich die Disputation ließ an Tag kommen.

Daß nun aber der Hochwürdige Herr Legat Ew. Churf. Gn. und dem ganzen Blut oder Geschlecht des Hochlöblichen Hauses zu Sachsen einen Schandfleck wollte anhängen und in Abgunst der päpstlichen Heiligkeit bringen, kommt daher, daß die Leute heutiges Tages für gewiß halten, Christus sei begraben, der nicht auch heute noch durch eine Eselin reden könnte und, so die Apostel und ihre Nachfolger schweigen würden, durch Holz und Steine schreien könnte.

Darum, daß Ew. Churf. Durchlauchtigkeit um meinetwillen nicht etwas Böses begegne, was ich nimmermehr wollte, siehe so verlasse ich in Gottes Namen Ew. Churf. Gn. Lande; will ziehen, wohin mich der ewige, barmherzige Gott haben will, mich seinem gnädigen göttlichen Willen ergeben, er mach’s mit mir, wie er wolle. Will derhalben Durchlauchtigster Churfürst, hiemit Ew. Churf. Gn. mit aller Ehrerbietung gegrüßt und gesegnet und schlecht und gerecht dem ewigen, barmherzigen Gott befohlen, auch für alle ihre Wohlthat mir bewiesen, in aller Demuth unterthäniglich mich bedankt haben. Will auch an welchem Orte in künftiger Zeit ich werde sein Ew. Churf. Gn. in Ewigkeit nicht vergessen , sondern allzeit mit rechtem Ernst und Dankbarkeit für Ew. Churf. Durchlauchtigkeit und der Ihrigen Heil und Wohlfahrt von Herzen bitten.

Ich bin Gottlob noch zur Zeit von Herzen fröhlich und danke Gott, daß mich armen Sünder sein lieber Sohn Jesus Christus würdig achtet, daß ich in dieser guten heiligen Sache Trübsal und Verfolgung leiden soll. Er wolle Ew. Churf. Gn. in Ewigkeit erhalten. Amen. Wittenberg den 29. Nov. Anno 1518.

Ew. Churf. Gn. unwürdiger Caplan.

Br. Martin Luther.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Luther, Martin – An Cajetan. Aus dem Lateinischen. Augsburg den 18. Oktober 1518

Verehrungswürdigster Vater in Christo! Schwach am Körper und arm an Mitteln, habe ich doch die weite gefahrvolle Reise hierher unternommen und bin auf den Befehl unsers Heiligsten Vaters Leo X. vor Euch zum Verhör erschienen. Das wird Euch ein genügender Beweis meines Gehorsams gewesen sein. Überdies habe ich durch die Veröffentlichung meiner „Resolutionen“ mich samt allen meinen Sätzen seiner Heiligkeit zu Füßen gelegt, bereit, jedes verdammende oder zustimmende Urteil entgegenzunehmen. Auch bin ich mir bewusst, auch nicht die kleinste Pflicht eines ergebenen und gehorsamen Sohnes der Kirche versäumt zu haben.

Nun aber will und kann ich nicht länger nutzlos hier verweilen. Mir selbst fehlen die nötigen Mittel, und meinen Gastfreunden, den Karmelitern, bin ich bereits mehr als genug zur Last gefallen. Vor allem aber habt Ihr mir ja voll Zorn verboten, noch einmal vor Euren Augen zu erscheinen, wenn ich nicht widerrufen wollte. Und inwieweit ich einen Widerruf zu leisten vermag, habe ich in meinem letzten Briefe ausgeführt.

Darum reise ich nunmehr ab. Ich wandre nach einer andern Stätte, wo ich bleiben kann. Ich habe mich entschlossen, obwohl meine bisherigen Richter vermöge ihrer hohen Stellung großen Eindruck auf mich machen, doch von ihnen, von Euch, verehrungswürdiger Vater, und vor allen Dingen „von unserm schlecht berichteten Heiligsten Herrn Leo X. zum besser zu berichtenden“ zu appellieren; denn ich weiß, unserm erlauchten Kurfürsten wird eine solche Berufung angenehmer sein als ein Widerruf. Trotzdem hätte ich es, soviel an mir lag, unterlassen. Erstens scheint mir eine Appellation oder eine Überweisung an deutsche Richter deshalb unnötig, weil ich, wie ich ausgeführt habe, alles dem Richtspruch der Kirche anheimgegeben habe und einzig und allein ihre Meinungsäußerung erwarte. Was darf, was kann ich auch weiter tun? Nicht auf meine Anklage und nicht auf meine Verteidigung kommt es an. Ich will nicht meine Sätze, sondern die Glaubensformel der Kirche vernehmen; ich will nicht mit der Wut des Gegners streiten, sondern mit der Folgsamkeit des Schülers mich belehren lassen.

Sodann darf ich aber wohl überzeugt sein, dass Euch die Unterhandlung mit mir nur zur Last war und eine Appellation darum angenehm ist; und so brauche ich den Bann ebenso wenig zu fürchten, wie ich ihn verdient habe. Jedoch hat mich Gottes Gnade auch so geschaffen, dass ich ihn weniger fürchte als Irrtum und falsche Meinungen in Glaubenssachen. Denn ich weiß, er kann nicht schaden und nur nützen, wenn der rechte Glaube und die Wahrheit mit mir waren.

So bitte ich Euch denn bei Christi Blut und der hohen Gnade, die Ihr mir schon erzeigt habt: erkennt meinen Gehorsam, den ich bisher geleistet habe, gnädig an und empfehlt ihn auch unserm Heiligsten Vater; meine Abreise aber und meine Appellation legt mir zum besten aus, denn die Not und das gewichtige Wort der Freunde haben mich dazu veranlasst. Ich kann ja die Gründe nicht widerlegen, die sie mir entgegenhalten: Was willst du widerrufen? Kannst du denn detwa durch deinen unmaßgeblichen Widerruf uns eine Norm für unsern Glauben schaffen? Wenn etwas an deinen Sätzen verwerflich ist, so mag die Kirche sie zunächst verdammen, und du kannst dann wohl ihrem Anspruch folgen, nicht aber sie dem deinen. – Diesen Worten musste ich mich gefangen geben.

So nehme ich denn von Euch Abschied, verehrungswürdiger und hochachtbarer Vater in Christo.

Im Karmeliterkloster zu Augsburg am Tage St. Lukä des Evangelisten 1518.

Euer untertäniger Sohn,
Bruder Martinus Lutherius, Augustiner

Quelle:
Martin Luther Briefe In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald Erster Band Leipzig / Im Inselverlag / mdccccix

Luther, Martin – An Cardinal Thomas Cajetanus (17.10.1518)

Hochwürdigster in Gott Vater. Ich komme noch einmal, nicht persönlich, sondern durch Schrift: Eure hochwürdige, väterliche Güte wolle mich gnädiglich erhören.

Es hat der Ehrwürdige, mein allerliebster Vater in Christo, unser Vicarius, Doctor Johannes Staupitz mit mir gehandelt, daß ich mich demüthigen, meinen eignen Wahn fallen lassen und meine Meinung frommer und unverdächtiger Leute Erkenntniß und Urtheil untergeben wollte; hat auch Eure hochwürdige, väterliche Liebe so sehr gerühmt und gelobt und mich dahin gänzlich beredet, daß ich nun der starken Zuversicht bin. Eure väterliche Liebe meine mich mit allen Treuen. Diese neue Mähre und der Bote haben mich höchlich erfreut; denn dieser Mann hat das Ansehen und Glauben bei mir, daß ich keinen in der Welt weiß, dem ich lieber und gewisser gehorchen und folgen könnte, denn eben ihm.

Deßgleichen hat auch mit mir gehandelt mein allerliebster Bruder, Magister Wenceslaus Link, der von Jugend auf in einerlei Lehre und Studiis mit mir erzogen und erwachsen ist.

Nun, Hochwürdigster Vater, ich bekenne, wie ich auch vormals bekannt habe, daß ich mich – wie man sagt – allzusehr unbescheiden, heftig und zu wenig ehrerbietig gegen den Namen des obersten Bischofs erzeigt habe. Und ob mir wohl große Ursach dazu gegeben, so verstehe ich doch nun, daß mir’s wohl angestanden hätte, daß ich meine Sache demüthiger, gelinder und mit größerer Ehrerbietung hätte vorgenommen , denn geschehen ist und nicht also dem Narren geantwortet hätte nach seiner Narrheit, daß ich ihm gleich wäre worden.

Welches mir nun recht leid ist und bitte um Gnade; ich will auch auf allen Kanzeln hin und wieder dem Volke solches anzeigen, wie ich bereits nun oft gethan habe. Will mich auch hinfort mit Gottes Hülfe befleißigen, daß ich mich bessere und anders rede. Ja, ich bin aller Dinge bereit ungenöthigt zuzusagen, dieses Handels vom Ablaß hinfort mit einigem Worte nicht zu gedenken und, wenn diese Sache hingelegt ist, mich zu Ruhe begeben; allein, daß denen auch ein Maaß gesetzt werde zu reden oder zu schweigen, die mich dieses Spiel anzufangen bewegt und große Ursach dazu gegeben haben. Gegeben am Abend St. Lucä (17. October), Anno 1518.

Eurer Hochwürdigster, väterlicher Liebe unterthäniger Sohn,

Br. Martin Luther,
Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Staupitz, Johann – An Friedrich den Weisen

15. October 1518

Durchlauchter Hochgeporner churfürst meyn allergnädigster herr. E. Churf. g. seyn beuor meyn arme gebeth vnd vndertanigste dienste.

Gnädigster Herr, der legat von roma handelt wye man (gote geklagt), doselben phlegt, gibt hübsche wordt vnd dy selbigen lär vnd Eytel. Dan sein gemute rastet allayn vff dem, daß magister martinus wyderruffe, vnangesehen, daß sich magister martinus erbewtt stille zu stehen, vnd hye zw Augspurg offentlich zw disputyren vnd seyner Disputationen Ja aller wordt der Innen beschlossen antwordt vnd vrsach zw geben, aber der vngleiche richter wil nicht, daß er dispütyr sünder reuocir, Nychtz mynner hat Im doctor martinus vff dye fündament, ßo er Ime vffgelegt, schrifftlich dermaßen geantworth, daß der Cardinal zu den selbigen geengt Seynen gehabten fündament nicht vertrawet vnd sücht ytzund hyn vnd haar, diß vnd daß, ab er daß vnschuldige blüet vortilgenn möchte, vnd zum widerruff bringen, got wölle der rechte richter seyn vnd der warheyt beystandt.

Er sagt auch ayn schrifft vom general Im lande seyn, wider magistrum martinum, Doctor Peyting läßt sich hören eß sey auch wyder mich daß man vns, Inn kärker werfen sylle, vnd gewalt mit vns üben, got sey der beschirmer – Zum beschliesß, Ich besorg der magister müsße apelliren, vnd gewartenn deß, gewaltzt, helff im got, syne feyndt seyn worden seyn richter, dy Ine beklagen fellen dßa vrtayl, domit beuelh ich mich E. churfl. g. vnd dy selbige dem Ewygen gote, vtzund wayß ich nichtz gewisß zw schreyben, woe sich aber dy sache myltern würde, sal E. g. vffs Eylendist zugeschriben werden.

Datum zw augsburg 15 tag octobris 1518.

E. Churfl. G.

vnderworfener gehorsamer Cappelan
D. Johannes von Staupitz.

Die deutsche Augustiner-Congregation und Johann von Staupitz
Dr. Th. Kolde
Gotha,
Friedrich Andreas Perthes
1879

Luther, Martin – An Andreas Carlstadt (14.10.1518)

Glück und Seligkeit, achtbarer Herr Doctor. Nehmt wenig für viel, denn die Zeit drängt mich dazu: auf ein andermal will ich euch, auch andern Leuten mehr schreiben. Diese drei Tage über ist meine Sache in einem sehr harten Stand gestanden, also, daß ich gar keine Hoffnung hatte wiederum zu euch zu kommen, und daß ich mich nichts gewissers denn des Bannes versah. Denn der Legat wollte in alle Weg, ich sollte nicht öffentlich disputiren; so wollt er mit mir allein auch nicht disputiren, und rühmt sich allezeit, er wolle nicht mein Richter sein, sondern in allen Sachen väterlich mit mir umgehen. Aber nichts desto weniger wollt er nichts anders von mir hören, denn diese Worte: Ich widerrufe und bekenne, daß ich geirrt habe. Welches ich nicht habe wollen thun. Aber am allermeisten ist über diese zwei Artikel gefochten worden. Zum ersten, daß ich gesagt hab, daß der Ablaß nicht sei der Schatz des Verdienstes unsers lieben Herrn und Seligmachers Christi. Zum andern, daß ein Mensch, der zu dem allerhochwürdigsten Sacramente gehen will, glauben müsse.

Nachdem nun der Legat alle Sachen allein mit Macht und Gewalt trieb und handelte, habe ich heute erst auf vieler Leute Fürbitte erlangt mir zu gestatten meine Antwort in Schrift zu stellen. – Auch ist meine Meinung, so der Legat sich unterwindet mit mir mit Gewalt zu verfahren, so will ich meine Antwort über benannte zwei Artikel ausgehen lassen, damit die ganze Welt sein Unweis und Ungeschicklichkeit in dieser Sache vermerken möge. Denn wahrlich, es fließen aus seiner Meinung viel ungereimte und ketzerische, Sätze und Meinung. Er ist vielleicht ein namhaftiger Thomist, aber ein undeutlicher, verborgener, unverständiger Theologus oder Christ und derhalben diese Sache zu richten, erkennen und urtheilen eben so geschickt als ein Esel zu der Harfen. Derwegen auch meine Sache in solcher Fährlichkeit steht, daß sie solche Richter hat, welche nicht allein Feinde und ergrimmt sind, sondern auch unvermöglich die Sache zu erkennen und zu verstehen. Aber wie dem allen sei, so regiert und lebt Gott der Herr, welchem ich mich und alles das Meine befehle und zweifle nicht, mir werde durch etlicher gottesfürchtiger Lerne Gebet Hülfe widerfahren; wie ich mich schier lasse dünken, als geschehe Gebet für mich.

Aber ich komme entweder wiederum zu euch unverletzt, oder aber ich wende mich an einen andern Ort verbannt; so gehabt euch wohl. Haltet fest und erhöhet Christum getrost und unverzagt.

Ich habe aller Menschen Gunst und Beifall, allein ausgenommen vielleicht den Haufen, der es mit dem Cardinal hält: wiewohl der Cardinal mich auch stets sein lieben Sohn nennt und meinem Vicario zusagt, daß ich keinen bessern Freund hab, denn ihn. Das weiß ich, daß ich der allerangenehmste und liebste wäre, wenn ich dieß einig Worte spräche revoco, das ist, ich widerrufe. Aber ich will nicht zu einem Ketzer werden mit dem Widerspruch der Meinung, durch welche ich bin zu einem Christen worden; eher will ich sterben, verbrannt, vertrieben und vermaledeiet werden.

Gehab dich wohl, mein liebster Herr, und zeige diese meine Schrift unsern Theologis, dem Amsdorf, dem Philippo und den Andern, damit ihr für mich, ja auch für euch bittet. Denn allhie wird gehandelt eure Sache, nämlich des Glaubens an den Herrn Jesum Christum und an die Gnade Gottes. Gegeben zu Augsburg, an St. Calixten Tag (14. October) 1518.

Euer Bruder Martin Luther Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867