Hochwürdigster in Gott Vater. Ich komme noch einmal, nicht persönlich, sondern durch Schrift: Eure hochwürdige, väterliche Güte wolle mich gnädiglich erhören.
Es hat der Ehrwürdige, mein allerliebster Vater in Christo, unser Vicarius, Doctor Johannes Staupitz mit mir gehandelt, daß ich mich demüthigen, meinen eignen Wahn fallen lassen und meine Meinung frommer und unverdächtiger Leute Erkenntniß und Urtheil untergeben wollte; hat auch Eure hochwürdige, väterliche Liebe so sehr gerühmt und gelobt und mich dahin gänzlich beredet, daß ich nun der starken Zuversicht bin. Eure väterliche Liebe meine mich mit allen Treuen. Diese neue Mähre und der Bote haben mich höchlich erfreut; denn dieser Mann hat das Ansehen und Glauben bei mir, daß ich keinen in der Welt weiß, dem ich lieber und gewisser gehorchen und folgen könnte, denn eben ihm.
Deßgleichen hat auch mit mir gehandelt mein allerliebster Bruder, Magister Wenceslaus Link, der von Jugend auf in einerlei Lehre und Studiis mit mir erzogen und erwachsen ist.
Nun, Hochwürdigster Vater, ich bekenne, wie ich auch vormals bekannt habe, daß ich mich – wie man sagt – allzusehr unbescheiden, heftig und zu wenig ehrerbietig gegen den Namen des obersten Bischofs erzeigt habe. Und ob mir wohl große Ursach dazu gegeben, so verstehe ich doch nun, daß mir’s wohl angestanden hätte, daß ich meine Sache demüthiger, gelinder und mit größerer Ehrerbietung hätte vorgenommen , denn geschehen ist und nicht also dem Narren geantwortet hätte nach seiner Narrheit, daß ich ihm gleich wäre worden.
Welches mir nun recht leid ist und bitte um Gnade; ich will auch auf allen Kanzeln hin und wieder dem Volke solches anzeigen, wie ich bereits nun oft gethan habe. Will mich auch hinfort mit Gottes Hülfe befleißigen, daß ich mich bessere und anders rede. Ja, ich bin aller Dinge bereit ungenöthigt zuzusagen, dieses Handels vom Ablaß hinfort mit einigem Worte nicht zu gedenken und, wenn diese Sache hingelegt ist, mich zu Ruhe begeben; allein, daß denen auch ein Maaß gesetzt werde zu reden oder zu schweigen, die mich dieses Spiel anzufangen bewegt und große Ursach dazu gegeben haben. Gegeben am Abend St. Lucä (17. October), Anno 1518.
Eurer Hochwürdigster, väterlicher Liebe unterthäniger Sohn,
Br. Martin Luther,
Augustiner.
Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867